Schenkung von Wertpapieren und Bargeld, Grundtatbestand nach § 3 Abs. 1 ErbStG verfassungswidrig ?
Entscheidungstext
BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Kapferer, Stauder & Partner, gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck betreffend Schenkungssteuer entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
In einer der Abgabenbehörde übermittelten "Selbstanzeige" vom wurde mitgeteilt, dass H. U. (= Bw) ab 1993 von Herrn DI P. folgende, bisher nicht angezeigte Vermögenswerte im Schenkungsweg zugewendet erhalten habe: September 1993: das Depot 1 bei der Bank A mit einem Depotwert per Dezember 1993 von S 2,162.000; September 1993: das Depot 2 bei der Bank A mit einem Depotwert per Dezember 1993 von S 2,143.885; August 1995: 695 Stück der Wertpapiere X per Dezember 1995 mit dem Wert von umgerechnet S 299.210; Februar 1999: Bargeld in Höhe von S 120.000; Februar 1999: Bargeld in Höhe von S 80.000 und März 1999: Bargeld in Höhe von S 30.000. Weitere steuerpflichtige Schenkungen hätten nicht stattgefunden. In den Depots hätten sich überwiegend Titel befunden, deren Erträge nach den §§ 93 EStG dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen würden; einzelne Titel würden hingegen nicht von der Endbesteuerungswirkung erfaßt. Hinsichtlich der Bemessung der Schenkungssteuer wurde darauf hingewiesen, dass der Bw zum Geschenkgeber fremd und daher Steuerklasse V anzuwenden sei. Die Schenkungssteuer werde zur Gänze vom Bw getragen.
Das Finanzamt hat daraufhin dem Bw mit Bescheid vom , Str. Nr. XY, ausgehend von dem laut Erklärung zugewendeten Vermögen im Betrag von gesamt S 4,835.095 unter Berücksichtigung des Freibetrages von S 1.500, sohin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 4,833.590 gemäß § 8 Abs. 1 (Stkl. V) Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG), BGBl. 1955/141 idgF, eine 42%ige Schenkungssteuer im Betrag von S 2,030.108 vorgeschrieben.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde unter Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere nach §§ 14 und 15 ErbStG eingewendet, mit BGBl I 2000/42 sei der Befreiungskatalog des § 15 wiederum erweitert und auf Schenkungen von Sparbüchern ausgedehnt worden. Nach § 15 a ErbStG seien Schenkungen und Erwerbe von Todes wegen u. a. von Betrieben steuerbefreit. Aufgrund der zahlreichen Befreiungsbestimmungen sei der Grundtatbestand des § 3 Abs. 1 ErbStG inhaltlich weitgehend ausgehöhlt und daher - analog zur Judikatur des VfGH zur Grunderwerbsteuer, § 1 Abs. 1 Z 1 GreStG - im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot nicht mehr zu halten. Der gegenständliche Bescheid stütze sich sohin auf ein verfassungswidriges Gesetz, wodurch der Bw in seinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt werde, weshalb der Schenkungssteuerbescheid ersatzlos aufzuheben sei.
Die abweisende Berufungsvorentscheidung vom 25. Feber 2002 hat das Finanzamt dahin begründet, dass die Befreiung nach § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG nur Erwerbe von Todes wegen umfasse und nach Z 19 dieser Bestimmung nur Schenkungen von Spareinlagen befreit wären. Bei Schenkung von Wertpapieren und Bargeld wie im Berufungsfall komme daher keine dieser Befreiungen zum Tragen. Im Übrigen obliege die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof.
Mit Antrag vom wurde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz begehrt und ergänzt, in Deutschland würde zur Zeit ebenso die Verfassungsmäßigkeit der Erbschafts- und Schenkungssteuer in Zweifel gezogen. Bis zum Abschluss eines dortigen Verfahrens werde die Aussetzung der gegenständlichen Berufungsentscheidung angeregt, da dies aufgrund ähnlicher gesetzlicher Regelungen sinnvoll erscheine.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG unterliegen der Steuer nach diesem Bundesgesetz Schenkungen unter Lebenden und zählt dazu nach § 3 Abs. 1 Z 1 ErbStG jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts sowie nach Z 2 dieser Bestimmung jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.
Gemäß § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG idF etwa des Kapitalmarktoffensive-Gesetz (KMOG), BGBl I 2001/2, sind (auszugsweise) steuerfrei "Erwerbe von Todes wegen von - Kapitalvermögen, soweit dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der Steuerabgeltung (Kapitalertragsteuer) gem. § 97 Abs. 1 erster Satz sowie § 97 Abs. 2 erster bis dritter Satz EStG 1988 idF BGBl. 12/1993 unterliegen ...; - Anteilsscheinen an Pensionsinvestmentfonds iSd Abschn. I a des Investmentfondsgesetzes 1993 ...; - Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften ..."
Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Befreiung auf Erwerbe von Todes wegen (also nur auf die Erbschaftsteuer) beschränkt und neben Pensionsinvestmentfonds und Anteilen an Kapitalgesellschaften nur bestimmtes Kapitalvermögen erfaßt, dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der einkommensteuerlichen Endbesteuerung unterliegen. § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG hat genau jenen Inhalt, den er nach dem Endbesteuerungsgesetz haben muss und erfaßt (nur) jene Vorgänge, die gemäß der im Verfassungsrang stehenden Vorschrift des Endbesteuerungsgesetzes, BGBl 1993/11, unter die dort vorgesehene Abgeltungswirkung fallen müssen (, B 130/97, B 132/97). Laut VwGH kann daher ein Verstoß dieser Befreiungsbestimmung gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht beanstandet werden (siehe Erk. vom , 2000/16/0089). Schenkungen unter Lebenden bleiben von dieser Befreiung unberührt.
Neben obiger ErbSt-Befreiung besteht für bestimmtes Kapitalvermögen eine befristete Befreiung von der Schenkungssteuer. Gemäß § 15 Abs. 1 Z 19 ErbStG etwa idF des BGBl. I Nr. 42/2000 sind u. a. Schenkungen unter Lebenden von Geldeinlagen bei inländischen Kreditinstituten (zB Sparbücher, Sparbriefe, Kapitalsparbücher, Einlagen bei Bausparkassen, Termingelder, Festgelder und Sichteinlagen auf Girokonten; ausgenommen: Zuwendungen an Stiftungen) von der Schenkungssteuer befreit. Die Befreiung wurde aus Anlass der Aufhebung der Anonymität der Sparguthaben, sozusagen als begleitende Maßnahme, eingeführt. Sie war nach der ursprünglichen Fassung auf Rechtsvorgänge anzuwenden, für die die Steuerschuld vor dem entsteht (Fristverlängerung letztlich bis ) und gilt auch für Vorgänge, für die die Steuerschuld vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung - das ist der - entstanden ist, es sei denn, der Steuerpflichtige hat bei Inkrafttreten dieser Bestimmung davon Kenntnis, dass der Vorgang Gegenstand abgabenrechtlicher oder finanzstrafrechtlicher Ermittlungen ist oder der Abgabenbehörde bekannt war.
Nachdem im Berufungsfall unbestritten mehrere Schenkungen von Wertpapieren und Bargeld verwirklicht und mit Selbstanzeige erklärt wurden, kommt - wie vom Finanzamt zutreffend dargelegt - keine der obigen Befreiungsbestimmungen zum Tragen, da einerseits kein Erwerb von Todes wegen (iSd § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG) vorliegt und andererseits Wertpapiere und Bargeld keine Spar- oder Bankeinlagen (iSd § 15 Abs. 1 Z 19 ErbStG) darstellen.
Allerdings wird nach der Berufungsargumentation keine dieser Befreiungen begehrt, sondern richtet sich diese ausschließlich gegen die Verfassungsmäßigkeit des Grundtatbestandes nach § 3 Abs. 1 ErbStG an sich aufgrund dessen "Aushöhlung" durch die zahlreich vorhandenen Befreiungsbestimmungen, insbesondere des umfassenden Befreiungskataloges nach § 15 ErbStG. Nach Ansicht des Bw wäre demnach der Grundtatbestand verfassungswidrig und gegenständlicher Schenkungssteuerbescheid als Konsequenz ersatzlos aufzuheben, da er sich auf diese verfassungswidrige Gesetzesbestimmung stütze.
Dem ist entgegen zu halten, dass die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Bestimmung nicht dem UFS zusteht, sondern dem Verfassungsgerichtshof im Rahmen eines "Gesetzesprüfungsverfahrens" vorbehalten ist. Die Abgabenbehörden als Verwaltungsbehörden haben ausschließlich die in Geltung stehenden Gesetze zu vollziehen. Des Weiteren stellt ein in einem anderen Staat, wie vom Bw angesprochen in der BRD, allenfalls anhängiges Verfahren betreffend die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer dortigen gesetzlichen Bestimmung mangels Auswirkung auf innerstaatliches Recht keine Veranlassung etwa zur angeregten Aussetzung gegenständlichen Berufungsverfahrens nach § 281 der BAO dar.
In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte daher der Berufung kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Z 1 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 § 3 Abs. 1 Z 2 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 § 15 Abs. 1 Z 19 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |
Schlagworte | Wertpapiere Bargeld Spareinlagen Verfassungswidrigkeit |
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