Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 22.03.2004, RV/1215-W/03

1. Versagung des Vorsteuerabzugs aus der Anschaffung einer Röntgenanlage durch eine Fachärztin für Radiologie wegen des im Zeitpunkt der Lieferung bestehenden wirtschaftlichen Zusammenhangs mit steuerfreien Umsätzen. 2. Wiederaufnahme von Amts wegen; Neuhervorkommen von Tatsachen.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1215-W/03-RS1
Lieferungen sind grundsätzlich in dem Zeitpunkt ausgeführt, in welchem dem Abnehmer die Verfügungsmacht verschafft wird. Bleibt der Gegenstand beim bisherigen Eigentümer, so kann der Übergang der Verfügungsmacht auf den Erwerber nur dann angenommen werden, wenn zumindest die wirtschaftliche Substanz des Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist ().
RV/1215-W/03-RS2
Die Frage, ob Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze, konkret für ab gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG steuerfreie Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, verwendet werden, ist an Hand des wirtschaftlichen Zusammenhanges im Zeitpunkt der Lieferung an den Unternehmer zu beurteilen ().
RV/1215-W/03-RS3
Hat das Finanzamt im Veranlagungsverfahren des Streitjahres den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung eines Wirtschaftsgutes betreffende Ermittlungen nicht durchgeführt, ist die Frage des Neuhervorkommens erheblicher Sachverhaltselemente durch die Ergebnisse der das Streitjahr umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung in Gegenüberstellung mit den Inhalten der Abgabenerklärungen zu beurteilen ().

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Senat XYZam über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Eberhard Wobisch, gegen die Bescheide des Finanzamtes Hollabrunn, vertreten durch Dr. Alfred Geringer, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 1996 und Umsatzsteuer für das Jahr 1996 nach in Wien durchgeführter mündlicher Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. war im Streitjahr 1996 als Fachärztin für Radiologie tätig.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest (Tz. 12 BP-Bericht in der korrigierten Fassung Bl. 50/1996 E-Akt), die Bw. habe in der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1996 u.a. Vorsteuer aus einer eine Röntgenanlage "Diagnost 93" betreffenden Rechnung der Fa. P. vom in Höhe von 354.000,00 S geltend gemacht. Um dieses Gerät in der Ordination aufstellen bzw. installieren zu können, seien bauliche Änderungen, nämlich eine Deckenverstärkung, notwendig gewesen. Diese Arbeiten seien von der Fa. Sch. im März und April 1997 erbracht worden. Die erforderlichen Elektroinstallationen habe die Fa. St. im Zeitraum vom 3. April bis durchgeführt. Das Sicherheitsprotokoll für elektrotechnische Anlagen gemäß Elektrotechnikgesetz sei am ausgefertigt worden.

Mit Schreiben vom habe die Fa. P. dem Amt der NÖ Landesregierung mitgeteilt, dass die bestehende Durchleuchtungsanlage gegen ein fernbedientes Gerät des Typs Diagnost 93 ausgetauscht werde und gleichzeitig um Betriebsbewilligung für die Neuanlage angesucht. Diesem Schreiben zufolge beginne die Installation des Neugerätes am , der Beginn des Probebetriebes sei ab geplant. Den Bescheid über die Betriebsbewilligung habe die NÖ Landesregierung am ausgestellt.

Der Prüfer gelangte unter Hinweis auf die ab gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG bestehende Steuerbefreiung für Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt zu dem Ergebnis, dass, da die 1996 erworbene Röntgenanlage erst 1997 in Verwendung genommen worden sei und somit keine steuerpflichtigen Umsätze damit erzielt worden seien, der Vorsteuerabzug nicht zustehe. Die vom steuerlichen Vertreter der Bw. vorgelegten Erkenntnisse des und , 2001/14/0153 würden Umlaufvermögen betreffen, während gegenständlich Anlagevermögen vorliege. Bei Anlagegütern werde nach herrschender Verwaltungspraxis nicht auf die Verschaffung der Verfügungsmacht allein abgestellt, sondern sei die tatsächliche Verwendung als Kriterium für den Vorsteuerabzug maßgebend.

Das Finanzamt nahm dieser Feststellung der BP folgend das Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 1996 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren einen neuen, den Vorsteuerabzug aus der Rechnung der Fa. P. versagenden Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1996.

In der gegen die genannten Bescheide erhobenen Berufung (Bl. 39/1996 E-Akt) führt die Bw. unter "A) Berufung gegen den Sachbescheid" aus, die Fa. P. habe mit Schreiben vom (Bl. 128 Arbeitsbogen der BP) bestätigt, der Bw. mit Wirksamkeit Verfügungsmacht über ein radiologisches Durchleuchtungssystem Diagnost 93 mit Umsatzsteuerausweis in Höhe von 354.000,00 S verschafft zu haben. Der Gegenstand sei mit geliefert und ordnungsgemäß fakturiert worden, weshalb die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG vorliegen würden.

Die im Zuge der Prüfung vorgelegten Erkenntnisse des VwGH würden keine Unterscheidung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen treffen, weshalb die Begründung der BP auf einem Rechtsirrtum beruhe. Ein Inbetriebnahmeerfordernis sei aus dem Gesetzestext des UStG 94 weder ersichtlich noch abzuleiten.

Unter "B) Berufung gegen die Wiederaufnahme" führt die Bw. aus, die Nichtanerkennung des Vorsteuerabzugs sei die einzige Feststellung betreffend Umsatzsteuer 1996. Der Vorsteuerabzug sei mit Umsatzsteuererklärung 1996 frist- und formgerecht beantragt und gewährt worden. Neue rechtserhebliche Tatsachen seien nicht hervorgekommen. Die Feststellung der BP, die verfahrensgegenständliche Röntgenanlage sei nicht vor in Betrieb genommen worden, sei rechtlich unerheblich.

Da neue Tatsachen nicht hervorgekommen seien, sei die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 1996 rechtswidrig.

Das FA wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidungen ab.

Die Abweisung der Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid (Bl. 52/1996 E-Akt) begründete das FA damit, es sei als neue Tatsache hervorgekommen, dass mangels im Jahr 1996 gegeben gewesener Einsatzbereitschaft des neuen Gerätes mit diesem überhaupt keine Umsätze getätigt werden konnten. Eine weitere neue Tatsache stelle der Umstand dar, dass die Verfügungsmacht erst im Jahr 1997 übergegangen sei.

In der zur Abweisung der Berufung gegen den neuen Sachbescheid ergangenen Begründung (Bl. 54/1996 E-Akt) hält das FA im Ergebnis die Art des ersten Umsatzes oder die Bestimmung zur Verwendung für einen Umsatz als für den Vorsteuerabzug oder den Ausschluss vom Vorsteuerabzug maßgebend. Da die Röntgenanlage erst im Jahr 1997 in Betrieb genommen und daher nicht zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze verwendet worden sei bzw. auch die beabsichtigte Bestimmung zur Verwendung anderer als unecht befreiter Umsätze mangels Inbetriebnahmemöglichkeit im Jahr 1996 ins Leere gehe, würden die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht vorliegen. Zum anderen begründet das FA die Abweisung der Berufung damit, im Jahr 1996 sei noch keine Verfügungsmacht verschafft gewesen. Dazu führt das FA aus, es hätte im Hinblick auf den hohen finanziellen Einsatz und das Interesse der Lieferfirma an einer entsprechenden Absicherung eine diesbezügliche schriftliche vertragliche Vereinbarung existieren müssen. Das nachträgliche Beibringen von Bestätigungsschreiben sechs Jahre später genüge für sich allein nicht, den Übergang der Verfügungsmacht zu dokumentieren. Dass die Fa. P. mit Schreiben vom dem Amt der NÖ Landesregierung mitteilte, dass die bestehende Durchleuchtungsanlage gegen ein fernbedientes Gerät des Typs Diagnost 93 ausgetauscht werde und gleichzeitig noch um Betriebsbewilligung der Neuanlage ersuchte, spreche ebenfalls für einen Verbleib der Verfügungsmacht bei der Fa. P.. Bei einem Verlust der Verfügungsmacht und einem Übergang auf die Bw. hätten dieser die erforderlichen Behördenwege oblegen.

In einem in Ergänzung zu dem gegen die die Berufung gegen den Sachbescheid abweisenden Berufungsvorentscheidung eingebrachten Vorlageantrag ergangenen Schriftsatz vom begründet die Bw. unter Zitierung der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs in ausführlicher Weise, dass für den Vorsteuerabzug die Verhältnisse im Zeitpunkt der Lieferung maßgebend sind und der Zeitpunkt der Inverwendungnahme nicht entscheidend sei. Den Ausführungen des FA zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht hält die Bw. im Vorlageantrag entgegen, damit negiere das FA die Aussage der Lieferfirma, dass die Anlage eindeutig dem Kundenauftrag entsprechend definiert, konfiguriert und produziert worden und ein Kaufrücktritt nach Produktionsstart de facto nicht mehr möglich sei. Sobald nämlich die Produktion eines solchen Systems gestartet werde, sei die Anlage kundenspezifisch, ein Gerätetausch und ein Kaufrücktritt daher nicht mehr möglich. Weiters negiere das FA, dass das Gerät auf Risiko der Käuferin lagerte.

Zwischen Lieferfirma und Käuferin habe Einverständnis darüber bestanden, dass ein Versicherungsschutz gegen Brand, Diebstahl, Wasserschäden u.ä. nicht bestand und dass für eine allfällige Versicherungsprämie die Verkäuferin hätte aufkommen müssen. Es habe daher niemals der geringste Zweifel bestanden, dass der Gefahrenübergang am erfolgte und ab diesem Zeitpunkt das Gerät zu Lasten und Gefahr der Käuferin existierte.

Die Lieferung sei aufgrund der auch mit Schreiben der Lieferfirma bestätigten faktischen und tatsächlichen Umstände im Jahr 1996 erfolgt. Durch das Schreiben der Fa. P. vom , welches im Namen der Bw. an die NÖ Landesregierung gerichtet worden sei, werde eine Lieferung im Jahr 1997 nicht bestätigt oder bewiesen.

Abgesehen davon, dass die Fa. P. eine ihr eigentümliche Röntgenanlage selbstverständlich selbst installiere bzw. die elektrischen Anschlüsse vornehme, sei Faktum, dass die Bw. selbst für den elektrischen Anschluss zu sorgen hatte und dies durch einen ortsansässigen Unternehmer vornehmen ließ.

Dass die Fa. P. namens der Bw. um Betriebsbewilligung ansuchte, habe nicht den geringsten Einfluss auf die Frage des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentumsüberganges. Es sei realitätsfern, anzunehmen, der fachunkundige Eigentümer werde selbst diese Behördenwege erledigen. Es sei vergleichsweise auf die Kollaudierungen im Baubereich verwiesen, wo selbstverständlich das ausführende Bauunternehmen die Baufertigstellung melde und bei der Kollaudierung anwesend sei. Gleiche Umstände hätten die Fa. P. veranlasst, namens der Bw. bei der zuständigen Behörde den Austausch der Röntgenanlage zu melden und um Betriebsbewilligung anzusuchen. Die Bw. sei Facharzt für Radiologie, jedoch selbstverständlich in den einzelnen technischen Details der von ihr erworbenen radiologischen Anlage nicht so informiert, dass sie eine entsprechende Behördenauskunft erteilen könne. Desgleichen wende sich selbstverständlich die Behörde an das Lieferunternehmen hinsichtlich der allfälligen technischen Beschreibungen, Strahlenschutzgutachten und ähnlichem. Aus diesem Mitwirken der Lieferfirma einen Eigentumsübergang zu konstruieren entbehre jeglicher zivilrechtlicher oder auch abgabenrechtlicher Grundlage. Keinesfalls könne daraus abgeleitet werden, dass die Verfügungsmacht erst im Jahr 1997 übergegangen sei.

In einem weiteren, in Ergänzung des Vorlageantrags gegen die die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid abweisende Berufungsvorentscheidung eingereichten Schriftsatz vom führt die Bw. aus, aus den Beilagen zu den Steuererklärungen 1996 erhelle ganz eindeutig, dass mit Rechnung vom ein Durchleuchtungsgerät Diagnost 93 angeschafft und hiefür der Vorsteuerabzug geltend gemacht worden sei. Die Ausführungen des FA, es wäre lediglich eine Bekanntgabe der Vorsteuerbeträge erfolgt, was nicht geeignet sei, den Sachverhalt so eindeutig darzulegen, dass der beurteilenden Behörde sämtliche entscheidungsrelevanten Fakten bekannt gewesen wären, gehe ins Leere. Aus der Beilage "Langlebige Wirtschaftsgüter" gehe ganz eindeutig hervor, dass zum der verfahrensgegenständliche unternehmerische Gegenstand angeschafft wurde. Das im Jahr 1996 nicht mehr zum Einsatz Kommen sei für den Vorsteuerabzug rechtlich unerheblich, diesbezügliche erlassmäßige Andersregelungen fehle jeglicher normativer Charakter und stünden mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in Widerspruch.

Ein vermeintliches Hervorkommen des Übergangs der Verfügungsmacht erst im Jahr 1997 würde keine neue Tatsache darstellen, da die Verfügungsmacht zweifellos im Jahr 1996 übergegangen sei.

Mit weiterem Schriftsatz übermittelte die Bw. dem UFS das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/14/0232. Diesem Erkenntnis zufolge sei ausschließlich verfahrensentscheidend, ob die Lieferung zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, wo der wirtschaftliche Zusammenhang (noch) mit steuerpflichtigen Umsätzen gegeben sei. Im Erkenntnisfall seien sowohl die Inbetriebnahme im Jahr 1997 als auch das Vorliegen von Anlagevermögen unstrittig gewesen, sodass sich der Sachverhalt mit dem gegenständlichen decke.

Über Vorhalt legte die Bw. dem UFS u.a. eine Kopie des Angebots bzw. der Auftragsbestätigung der Fa. P. vom einschließlich der Montage- und Allgemeinen Lieferbedingungen, der Projektstudie vom und des Installationsplans vom vor. Das Angebot / Auftragsbestätigung enthält neben der ausführlichen Beschreibung des Durchleuchtungssystems auf Seite 10 die Feststellung, dass bestimmte Leistungen produktspezifisch in den Preisen der Fa. P. enthalten sind, und zwar u.a. das Kümmern um die Statik, die Projektplanung und die notwendigen Aufstellungs- und Installationspläne sowie die Montage und betriebsbereite Bereitstellung in den vorgesehenen Räumlichkeiten. Die handschriftlich vermerkte Teilmontage 1996 konnte, wie dem Schreiben des steuerlichen Vertreters vom zu entnehmen ist, nicht durchgeführt werden. In diesem Schreiben weist der steuerliche Vertreter auch auf Punkt 6 der Allgemeinen Lieferbedingungen hin, wonach bei verzögertem Abgang aus dem Lieferwerk, der auf Umstände zurückzuführen sei, die auf Seiten des Käufers liegen, die Gefahr mit dem Tag der Versandbereitschaft auf den Käufer übergehe. Mit Rechnung vom sei die Versandbereitschaft erklärt worden, somit mit diesem Tag die Gefahr auf die Bw. übergegangen. Die Fa. P. hätte jederzeit den Beweis erbringen können, ausschließlich als Verwahrerin tätig zu sein. Der Wunsch, das Geschäft noch im Dezember 1996 abzuschließen, sei zweifellos im Interesse der Fa. P. gelegen. Die versandbereite Anlage existierte dann nicht mehr auf Gefahr der Fa. P. und für die Fa. P. sei damit das Geschäft abgeschlossen gewesen. Es sei von der Bw. zu vertreten, dass der geplante Aufstellungsort die statischen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, was letztlich auch zur Verzögerung der Montage und in der Folge der Inbetriebnahme geführt habe. Dass es sich nicht um eine "last minute - Entscheidung" gehandelt habe, sei daraus ersichtlich, dass schon im Mai 1996 ein Wechsel auf die Durchleuchtungsanlage Diagnost 93 geplant gewesen sei, bereits im Mai 1996 sei der erste Entwurfplan von der Fa. P. verfasst, in der Folge die Aufstellung des Generators und der Strahlenschutzwand überdacht, offensichtlich mit seien die Raummaße neu ermittelt worden.

In der am abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde ergänzend Folgendes ausgeführt.

Nachdem die Parteien ihre Standpunkte zur Frage der Bedeutung der Inbetriebnahme für die gegenständlich zu beurteilende Frage dargelegten hatten, führte der Vertreter des FA aus, seines Erachtens liege eine Montagelieferung vor. Die Anlage habe erst zusammengebaut werden müssen. Laut Anbotsschreiben der Fa. P. sei die Anlage in einem betriebsbereiten Zustand zu übergeben gewesen. Außerdem habe sich die Fa. P. auch um die Statik kümmern müssen. Erst mit der Übergabe der fertig montierten Anlage sei die Verfügungsmacht übergegangen.

Der steuerliche Vertreter der Bw. hielt dem entgegen, dass der Vertreter des FA damit wiederum die Verwendbarkeit der Anlage anspreche. Übergang der Verfügungsmacht setze wirtschaftliches Eigentum voraus. Die im Angebot und Preis enthaltene Montagetätigkeit des Lieferunternehmens sei ohne rechtlichen Belang. Rechtlich erheblich sei vielmehr, wem nach Zivilrecht die tatsächliche Verfügungsgewalt über die fixbestellte und preislich letztgültig verhandelte Röntgenanlage noch vor dem zukam, das sei nach seinem Dafürhalten die Bw.

Dass die Fa. P. die Kosten für Statik übernehmen musste, sei darauf zurückzuführen, dass bis dahin die Deckentragfähigkeit am Aufstellungsort unbeachtet geblieben und erst unmittelbar zu den Weihnachtsfeiertagen festgestellt worden sei, dass Unterzüge erforderlich sind.

Zu der Frage, ob es möglich gewesen wäre, vom Kauf gegen Entrichtung einer Konventionalstrafe zurückzutreten, verwies der steuerliche Vertreter auf Pkt. 3 des Schreibens der Fa. P. vom (Bl. 128 Arbeitsbogen). Weiters zitierte der steuerliche Vertreter Pkt. 4 dieses Schreibens.

Für den steuerlichen Vertreter stehe daher zweifelsfrei fest, dass es zum Übergang der Verfügungsmacht bereits am , dem Zeitpunkt der Lieferbereitschaft der Fa. P., gekommen sei. Eine Montagelieferung liege in Anbetracht der ganz erheblichen Kosten und einer geringfügigen tatsächlichen Montage nicht vor (es würden zwar gewichtige Komponenten geliefert, das sei aber Lieferung und nicht Montage). Die Montage selbst bestehe letztlich im Verbinden der einzelnen Komponenten, die üblicherweise steckfertig geliefert werden.

Der Vertreter des FA hielt dem entgegen, diese Ausführungen würden lediglich die zivilrechtlichen Folgen eines Verpflichtungsgeschäfts betreffen. Ein Übergang der Verfügungsmacht werde dadurch nicht dokumentiert. Bei der Fa. P. sei noch kein funktionsfähiges, auf Abruf einsatzbereites Gerät, über welches die Bw. hätte verfügen können, lagernd gewesen.

Der steuerliche Vertreter wies auf das Angebot der Fa. P. hin, wo auf insgesamt 8 Seiten ausgeführt werde, in welcher speziellen Konfiguration die von der Bw. konfigurierte Anlage auszuführen war. Daraus sei zu ersehen, in welcher Vielfalt die Anlage konfiguriert sein könne.

Der Zeitaufwand vom Mai 1996 bis zur endgültigen Bestellung am habe dazu gedient, sowohl die technische Spezifikation als auch die Situation am Aufstellungsort festzuhalten. Die Fa. P. sei nicht im Besitz der Einzelkomponenten gewesen, die Anlagen würden im Herstellerwerk in Holland, den unterschiedlichen Kundenwünschen entsprechend konfiguriert und dann in die Niederlassung des jeweiligen Bestellerlandes, konkret nach Wien, geliefert. Die Fa. P. habe ausdrücklich bestätigt, dass Röntgenanlagen Einzelanfertigungen seien. Die verfahrensgegenständliche Anlage sei am im kompletten Umfang detailliert und für den Aufstellungsort technisch spezifiziert vorhanden gewesen. Es seien also nicht etwa anlässlich der Lieferung oder Montage im Frühjahr 1997 jederzeit austauschbare und vorab befindliche Komponenten in Einsatz gebracht worden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die gegenständliche Berufung richtet sich sowohl gegen die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens als auch gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen neuen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1996.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist dann, wenn sich eine Berufung sowohl gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch gegen den neuen Sachbescheid richtet, zuerst über die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden F(z.B. ).

Eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs. 4 BAO unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Das Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist nur aus der Sicht der jeweiligen Verfahren derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können ().

Da das Finanzamt im Veranlagungsverfahren des Streitjahres 1996 den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der streitgegenständlichen Röntgenanlage betreffende Ermittlungen nicht durchgeführt hat, ist die Frage des Neuhervorkommens erheblicher Sachverhaltselemente durch die Ergebnisse der das Streitjahr 1996 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung in Gegenüberstellung mit den Inhalten der Abgabenerklärungen der Bw. zu beurteilen (vgl. ).

Die von der Bw. am eingereichten Abgabenerklärungen für das Jahr 1996 bzw. die Beilagen zu diesen Abgabenerklärungen enthalten folgende die Röntgenanlage betreffende Informationen:

- im Anlagenverzeichnis (Bl. 10/1996 E-Akt):

Beleg-Nr. 536, Durchleuchtungssystem "Diagnost 93", Anschaffungswert 1.770.000,00 S, ordentliche Abschreibung für 1/2 Jahr 110.625,00 S, Restbuchwert 1.659.375,00 S.

- im Antrag auf Zuerkennung des IFB (Bl. 11/1996 E-Akt):

Name und Anschrift des Lieferanten, Rechnungsnummer 38692 vom , 1 Durchleuchtungs-System "Diagnost 93" Nutzungsdauer 8 Jahre, AfA 12,5 % sowie die Anschaffungskosten, den Betrag der AfA, den Restbuchwert sowie den Betrag des beantragten IFB.

Die BP hat folgende die Röntgenanlage betreffende Sachverhaltselemente - dokumentiert durch die im Arbeitsbogen aufliegenden Schriftstücke - festgestellt:

  • Die Röntgenanlage umfasst mehrere Einzelgeräte (dokumentiert z.B. durch den Lieferschein der Fa. P., Bl. 105 Arbeitsbogen; durch den Bescheid der NÖ Landesregierung, Bl. 73 Arbeitsbogen), die in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. installiert bzw. aufgestellt werden mussten (dokumentiert z.B. durch das Schreiben der Fa. P. an den steuerlichen Vertreter der Bw., Bl. 128 Arbeitsbogen; durch das Schreiben der Fa. P. an das Amt der NÖ Landesregierung ["Die Installation der Neuanlage beginnt ..."], Bl. 72 Arbeitsbogen). Insbesondere die Ausführungen auf Seite 2 des Bescheides der NÖ Landesregierung geben Auskunft über die Bestandteile der Anlage. Danach besteht die Durchleuchtungsanlage aus einem Röntgengenerator, an den ein fernbedientes Röntgendiagnostiksystem mit Obertisch - Strahler und Untertisch - Bildverstärker angeschlossen ist. Angebaut ist ein Röntgenstrahler. Ferner spricht dieser Bescheid von der "zur Aufstellung gebrachten Anlage samt Bildverstärkersystem und Fernsehkette".

  • Bevor die Röntgenanlage in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. aufgestellt und installiert werden konnte, mussten noch bauliche Veränderungen, nämlich die Herstellung einer Deckenverstärkung, vorgenommen werden. Diese Arbeiten wurden im März und April 1997 ausgeführt.

  • Die Fa. P. hat nach der Installation eine mit datierte Herstellererklärung beigebracht, die darin enthaltene Angabe "Diagnost 93" bezieht sich auf das Gesamtsystem. Ferner hat die Fa. P. am einen Prüfbericht für die gegenständliche Anlage erstellt, welcher ein anstandsloses Ergebnis erbrachte (dokumentiert ebenfalls durch den Bescheid der NÖ Landesregierung, Bl. 74 und 75 Arbeitsbogen).

  • Die Fa. P. hat der Bw. nicht nur die zur Röntgenanlage gehörenden Geräte verkauft, sondern auch das Projekt geplant, einen Aufstellungsplan erstellt sowie die Installation der Geräte einschließlich der Durchführung eines Probebetriebes übernommen (dokumentiert durch das Schreiben der Fa. P. an das Amt der NÖ Landesregierung, Bl. 72 Arbeitsbogen sowie durch das Schreiben der Fa. P. an den steuerlichen Vertreter der Bw., Bl. 128 Arbeitsbogen).

  • Durchgeführt wurde die Aufstellung bzw. Installation in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. im April 1997 (dokumentiert ebenfalls durch das Schreiben der Fa. P. an das Amt der NÖ Landesregierung, Bl. 72 Arbeitsbogen sowie durch das Schreiben der Fa. P. an den steuerlichen Vertreter der Bw., Bl. 128 Arbeitsbogen).

  • Am , dem auf der Rechnung der Fa. P. angegebenen Lieferdatum, befanden sich die zur Röntgenlage gehörenden Geräte bei der Fa. P. und wurden dort, da auf Grund der erforderlichen baulichen Maßnahmen eine Installation bereits im Dezember 1996 nicht möglich war, auf Gefahr der Bw. gelagert (dokumentiert durch das Schreiben der Fa. P. an den steuerlichen Vertreter, Bl. 127 und 128 Arbeitsbogen).

Diese im Zuge der BP festgestellten Sachverhaltselemente sind unstrittig.

Aus der für das Jahr 1996 eingereichten Umsatzsteuererklärung und den Beilagen hiezu ist nicht mehr ersichtlich, als dass die Bw. für einen bestimmten Gegenstand, nämlich ein Durchleuchtungssystem "Diagnost 93", aus einer mit datierten Rechnung die AfA und den IFB geltend macht. Daraus war für das Finanzamt aber nicht erkennbar, ob im Jahr 1996 auch sämtliche für den Abzug der Vorsteuer aus dieser Rechnung erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren.

Die näheren mit der Anschaffung dieses Durchleuchtungssystems verbundenen Begleitumstände, insbesondere die Tatsache, dass die Geräte im Dezember 1996 noch bei der Lieferantin der Bw., der Fa. P., lagerten, die Fa. P. auch die Aufstellung bzw. Installation der Anlage in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. vorzunehmen hatte und dies letztlich erst im April 1997 geschehen ist, sind dem Finanzamt erst nach Abschluss des wieder aufzunehmenden Verfahrens aufgrund der Erhebungen der BP bekannt geworden.

Nun ist die Bw. mit ihren Berufungsausführungen insofern im Recht, als die von der BP bzw. vom Finanzamt aus dem festgestellten Sachverhalt gezogene Schlussfolgerung, der Vorsteuerabzug sei zu versagen, weil die Röntgenanlage nicht vor dem in Betrieb genommen worden sei, unzutreffend und daher für die gegenständlich zu lösende Frage unerheblich ist. Nicht zuletzt mit Erkenntnis vom , 99/14/0232, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit allenfalls im Jahr 1996 angeschafften Wirtschaftsgütern, welche für gemäß § 29 Abs. 5 UStG ab steuerfreie Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt (§ 6 Abs. 1 Z 19 UStG) verwendet werden, hinreichend klargestellt, dass die Frage, ob Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet werden, an Hand des wirtschaftlichen Zusammenhanges im Zeitpunkt der Lieferung an den Unternehmer zu beurteilen ist.

Nach Ansicht des UFS hat das Finanzamt die Wiederaufnahme des Verfahrens dennoch zu Recht verfügt. Die einzig streitentscheidende Frage ist nämlich, wann die Lieferung an die Bw. ausgeführt worden ist. Diese Frage ist aber bei Würdigung der von der BP erhobenen und unbestrittenen Sachverhaltselemente dahingehend zu beantworten, dass der Zeitpunkt der Lieferung nicht wie in der Rechnung der Fa. P. angegeben mit , sondern erst mit Installation der Anlage im April 1997 anzunehmen ist.

Bemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass die Berufungsinstanz die Wiederaufnahme des Verfahrens zwar nicht auf Grund von Tatsachen bestätigen darf, die vom Finanzamt nicht herangezogen wurden. Die Berufungsinstanz darf aber die gleichen Umstände (die gleichen tatsächlichen Grundlagen) einer anderen rechtlichen Wertung unterziehen (). Die rechtliche Würdigung eines Sachverhalts ist nämlich kein Element der Sachverhaltsfeststellung ().

Zu dem Ergebnis, dass der Zeitpunkt der Lieferung der Röntgenanlage erst mit April 1997 anzunehmen ist, ist der UFS auf Grund folgender Überlegungen gelangt:

Lieferungen sind grundsätzlich in dem Zeitpunkt ausgeführt, in welchem dem Abnehmer die Verfügungsmacht verschafft wird. Der Gefahrenübergang ist für sich allein nicht ausschlaggebend, hat aber Bedeutung im Rahmen der übrigen Umstände (). Maßgebend für das Vorliegen einer Lieferung ist, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse - beurteilt nach der Verkehrsauffassung - die Verfügungsbefugnis auf den Abnehmer übergegangen ist. Die Lieferung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem der Abnehmer die Befähigung zur Verfügung erlangt ().

Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist ein tatsächlicher Vorgang. Der Übergang muss sich tatsächlich vollziehen, er kann nicht lediglich abstrakt vereinbart werden. Vielmehr ist erforderlich, dass dem Leistungsempfänger tatsächlich Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstandes zugewendet werden ().

Die Lieferung eines Gegenstandes setzt nicht ausnahmslos dessen körperliche Übergabe voraus. Es genügt, dass der Unternehmer den Gegenstand zur Disposition des Abnehmers bereithält, wobei entscheidend ist, dass der leistende Unternehmer alles getan hat, was von seiner Seite zur Ausführung der Leistung nötig ist (vgl. Ruppe, UStG 1994, Kommentar², § 3 Tz. 148). Es genügt, wenn der Unternehmer die Leistung derart anbietet, dass der Abnehmer über den Nutzen der Leistung disponieren kann (Ruppe, a.a.O., § 1 Tz. 25). Bleibt der Gegenstand beim bisherigen Eigentümer, so kann der Übergang der Verfügungsmacht auf den Erwerber nur dann angenommen werden, wenn (zumindest) die wirtschaftliche Substanz des Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist ().

Es steht unstrittig fest, dass die Fa. P. der Bw. nicht bloß die zu einer Röntgenanlage gehörenden Geräte zu verkaufen hatte, sondern auch damit betraut war, diese Geräte in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. den örtlichen Gegebenheiten entsprechend aufzustellen und zu installieren sowie die installierte Anlage auf ihre anstandslose Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Die Fa. P. hat die funktionsbereite Aufstellung im April 1997 durchgeführt. Dieser Sachverhalt wurde erst nach Abschluss des wieder aufzunehmenden Verfahrens im Zuge der Erhebungen durch die BP zu Tage gebracht. Die vom UFS zusätzlich durchgeführten Ermittlungen haben zu keinen neuen Sachverhaltselementen geführt. Das dem UFS übermittelte Anbot der Fa. P., demzufolge die Leistungen der Fa. P. auch die Statik, die Planung sowie die Montage und betriebsbereite Bereitstellung in den Räumlichkeiten der Bw. umfassten, bestätigt bloß den bereits von der BP festgestellten, unstrittigen Sachverhalt.

Die von der Fa. P. an die Bw. zu erbringende Leistung bestand daher in einem Gesamtpaket, umfassend den Verkauf der zur neuen Röntgenanlage gehörenden Geräte sowie die Projektierung, Planung und letztlich die Aufstellung bzw. Installation der Anlage in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. bis hin zur Prüfung der anstandslosen Funktionsfähigkeit und damit zur Herstellung eines betriebsbereiten Zustandes. Die Installation der Anlage durch die Fa. P. war nicht bloß eine Selbstverständlichkeit, sondern wesentlicher Inhalt der von der Fa. P. zu erbringenden Leistung. Dies zeigt sich darin, dass wichtige, für den Betrieb der Anlage notwendige Abläufe erst nach der Installation in Gang gesetzt wurden. So wurde die Herstellererklärung zu dem - ausdrücklich als solches bezeichneten - Gesamtsystem "Diagnost 93", welche die Einhaltung internationaler Sicherheitsbestimmungen und die elektromagnetische Verträglichkeit bestätigt, erst nach erfolgter Installation abgegeben. Auch der Prüfbericht, welcher der Anlage in elektrotechnischer Hinsicht ein anstandsloses Ergebnis bescheinigte, wurde von der Fa. P. erst nach Installation der Anlage erstellt. Dass die Kontaktierung der Behörde bezüglich des Austausches der alten Röntgenanlage gegen eine neue sowie der Erteilung der Betriebsbewilligung für die neue Anlage im April 1997 im zeitlichen Zusammenhang mit der Installation erfolgten, unterstreicht ebenfalls die Bedeutung der Aufstellung und Installation der Anlage im Rahmen der von der Fa. P. zu erbringenden Leistung. Nicht zuletzt setzte auch die Erteilung der Betriebsbewilligung nach dem Strahlenschutzgesetz eine fachgerecht installierte Anlage voraus, zumal nur für eine installierte und betriebsbereite Röntgenanlage das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung der Betriebsbewilligung beurteilt werden kann. Bestätigt wird dies u.a. durch den Umstand, dass der Bewilligungsbescheid auf Herstellererklärung und Prüfbericht, welche die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der Anlage bescheinigen und welche eben erst nach erfolgter Installation erstellt wurden, Bezug nimmt. Auch sieht der dem Bewilligungsbescheid zu Grunde liegende § 6 Strahlenschutzgesetz eine Überprüfung, falls erforderlich eine Erprobung der Anlage vor, was ebenfalls voraussetzt, dass die Anlage in diesem Zeitpunkt bereits installiert ist. Nur eine installierte und betriebsbereite Röntgenanlage lässt eine Überprüfung, ob den Zielsetzungen des Strahlenschutzgesetzes, nämlich eine Begrenzung der Strahlenexposition der betroffenen Personen zu erreichen, Rechnung getragen wird, zu.

Angesichts der technischen Kompliziertheit der gegenständlichen Durchleuchtungsanlage wäre die Aufstellung und Installation der Anlage - beides erforderte eine sorgfältige Projektierung und Planung durch die Fa. P. - für die Bw. alleine auch nicht zu bewerkstelligen gewesen, verweist sie im Vorlageantrag doch selbst darauf, sie habe zu den technischen Details der Anlage nicht einmal entsprechende Behördenauskünfte erteilen können.

Soll es für die Ausführung einer Leistung genügen, die Leistung derart anzubieten, dass der Abnehmer über den Nutzen der Leistung disponieren kann (Ruppe, a.a.O., § 1 Tz. 25), so wurde diesen Anforderungen mit dem bloßen Vorhandensein der Geräte in den Räumlichkeiten der Fa. P. nicht Genüge getan. Maßstab für die Beurteilung des Übergangs der Verfügungsbefugnis ist die Verkehrsauffassung ().

Die von der Bw. ausbedungene Leistung der Fa. P. umfasste die Lieferung einer installierten und betriebsbereiten Röntgenanlage. Zu beachten ist ferner, dass die Bw. Fachärztin für Radiologie war, als solche nicht mit medizinisch-technischen Geräten handelte, der Nutzen aus der Leistung der Fa. P., über den zu verfügen die Fa. P. die Bw. in die Lage setzen sollte, für die Bw. folglich nicht in einer Realisierung des Wertes der bei der Fa. P. lagernden Ware durch Weiterveräußerung bestanden haben kann. Der spezifische wirtschaftliche Gehalt des gegenständlichen Vorgangs lag vielmehr, was ja letztlich auch der der Fa. P. erteilte Auftrag bestätigt, nach dem Willen der Beteiligten darin, der Bw. eine bedienfertig installierte Röntgenanlage zuzuwenden.

Bei dieser Sachlage bestand, insbesondere auch unter Berücksichtigung der oben dargelegten Bedeutung der Aufstellung der Anlage, solange die zur Röntgenanlage gehörenden Geräte uninstalliert in den Betriebsräumlichkeiten der Fa. P. lagerten, für die Bw. nach der Verkehrsauffassung kein disponibler Nutzen aus der Leistung der Fa. P. Bis zum Zeitpunkt der Installation in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. und Herstellung eines betriebsbereiten Zustandes hatte die Fa. P. der Bw. eine Verfügungsbefähigung über die von ihr zu erbringende Leistung nicht verschafft.

Aus dem Gesamtbild der vorliegenden Verhältnisse geht daher hervor, dass die Bw. nicht daran interessiert war, in den bloßen Besitz neuer Geräte zu kommen. Vielmehr war ihr an der Lieferung einer fachmännisch und betriebsbereit aufgestellten Röntgenanlage am Ort der künftigen Verwendung gelegen. Der Verkauf der zur Anlage gehörenden Geräte, die fachmännische Montage in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. und folglich die Herstellung eines betriebsbereiten, den Sicherheitsbestimmungen entsprechenden Zustandes, ohne den eine Bewilligung zum Betrieb der Anlage nicht erteilt worden wäre, stellten eine Einheit dar, sodass erst mit der Erbringung der Montageleistung die Röntgenanlage geliefert und damit die Leistung der Fa. P. ausgeführt war.

Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob auch ein anderes Unternehmen die Installation hätte durchführen können. Entscheidend ist, dass die Fa. P. es übernommen hat bzw. damit betraut war, die Röntgenanlage auch zu installieren und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Im Dezember 1996 hatte die Fa. P. daher noch nicht alles getan, was von ihrer Seite zur Ausführung ihrer Leistung bzw. dafür, dass die Bw. über den Nutzen der Leistung der Fa. P. real verfügen konnte, notwendig war. Dass die Verzögerung wegen der in den Ordinationsräumlichkeiten zu schaffenden statischen Voraussetzungen möglicherweise im Bereich der Bw. lag, ändert nichts daran, dass sich der tatsächliche Vorgang der Verschaffung der Verfügungsmacht im Dezember 1996 noch nicht vollzogen hatte.

Die bloße Einlagerung der zur Anlage gehörenden Geräte in den Betriebsräumlichkeiten der Fa. P. konnte daher ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach nicht darauf gerichtet sein, der Bw. die wirtschaftliche Substanz der Röntgenanlage endgültig zuzuwenden. Dies ist vielmehr erst mit der Installation der Röntgenanlage im April 1997 geschehen. Von einem Übergang der Verfügungsmacht auf die Bw. konnte vor der Installation der Anlage in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. keine Rede sein.

Die von der Bw. ins Treffen geführten Argumente vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

Mit den Aussagen der Lieferfirma, die Anlage sei eindeutig dem Kundenauftrag entsprechend definiert, konfiguriert und produziert worden, die Anlage sei im Jahr 1996 kundenspezifisch gewesen, wird bloß umschrieben, welche Geräte Teil der von der Fa. P. zu installierenden Anlage werden sollten, wird somit bloß die Leistungspflicht der Fa. P. umschrieben. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob die Fa. P. ihrer Leistungspflicht durch Lieferung bereits entsprochen hat (vgl. die Ausführungen zur Spezifizierung im Erkenntnis des ). Wie oben dargelegt, umfasste die Leistungspflicht der Fa. P. die Lieferung einer installierten und betriebsbereiten Röntgenanlage. Dieser Leistungspflicht ist die Fa. P. nicht bereits im Dezember 1996, sondern erst im April 1997 nachgekommen.

Die zur Röntgenanlage gehörenden Geräte mögen zwar ab bereits auf Gefahr der Bw. in den Betriebsräumlichkeiten der Fa. P. gelagert haben, zu einem Übergang der Verfügungsmacht auf die Bw. führte dies aber nicht. Der Gefahrenübergang ist, wie bereits erwähnt, für sich alleine nicht ausschlaggebend, sondern hat Bedeutung im Rahmen der übrigen Umstände. Das Gesamtbild der Verhältnisse spricht aber, wie oben dargelegt wurde, gegen einen Übergang der Verfügungsmacht bereits im Jahr 1996.

Dass die Fa. P. auf der Rechnung das Lieferdatum mit angegeben hat, vermag eine Vorsteuerabzugsberechtigung der Bw. ebenfalls nicht zu begründen, zumal der Übergang der Verfügungsmacht nicht lediglich abstrakt vereinbart werden kann, sondern sich tatsächlich vollziehen muss (vgl. , wo auf der Rechnung ebenfalls als Lieferdatum Dezember 1996 vermerkt war; der Gerichtshof hat dessen ungeachtet einen Übergang der Verfügungsmacht bereits im Jahr 1996 verneint).

Die Bw. hat in der Umsatzsteuererklärung 1996 und in den dazugehörigen Beilagen den Sachverhalt im Zusammenhang mit der Anschaffung einer neuen Röntgenanlage nicht in der einer entsprechenden Beurteilung zugänglichen Form dargestellt. Diese Unterlagen haben keinen Aufschluss darüber gegeben, ob die Fa. P. der Bw. bereits im Jahr 1996 die Verfügungsmacht über die Röntgenanlage verschafft hat oder nicht. Erst durch die nach Abschluss der Umsatzsteuerveranlagung 1996 dem Finanzamt vorgelegten Unterlagen bzw. vom Finanzamt festgestellten Umstände sind jene Sachverhaltselemente hervorgekommen, die eine richtige rechtliche Beurteilung erlaubten, nämlich jene, dass mangels Verschaffung der Verfügungsmacht noch im Jahr 1996 ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den im Jahr 1996 noch steuerpflichtigen Umsätzen der Bw. nicht bestanden hat, vielmehr der Zeitpunkt der Lieferung erst mit April 1997 anzunehmen ist und auf Grund des zu diesem Zeitpunkt gegebenen Zusammenhangs mit bereits unecht befreiten Umsätzen der Bw. ein Vorsteuerabzug im Jahr 1996 aus der Anschaffung der gegenständlichen Röntgenanlage nicht zustand.

Im Übrigen wird mit diesem Ergebnis auch den Bestimmungen der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie Rechnung getragen. In Art. 8 Abs. 1 lit a der 6. Richtlinie wird nämlich der Ort der Lieferung u.a. wie folgt bestimmt:

Falls der Gegenstand mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung installiert oder montiert wird, gilt als Ort der Lieferung der Ort, an dem die Installation oder Montage vorgenommen wird.

Der Ort der Lieferung der Fa. P. wird demzufolge danach bestimmt, wo die Installation der Anlage erfolgte. Da die Fa. P. die Installation in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. vorgenommen hat, befindet sich der Ort ihrer Lieferung, d.h. der Ort, an dem die Fa. P. der Bw. die Verfügungsmacht über die Röntgenanlage verschafft hat, dem Art. 8 Abs. 1 lit. a der 6. Richtlinie zufolge in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. Bei Lieferungen sind Leistungsort und Leistungszeitpunkt miteinander verflochten (Ruppe, a.a.O., § 3, Tz. 147). Da die für die Bestimmung des Lieferortes ausschlaggebende Installation erst im April 1997 erfolgte, wurde der Bw. auch erst in diesem Zeitpunkt geliefert, somit erst in diesem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die Röntgenanlage verschafft.

Ort und Zeitpunkt der von der Fa. P. getätigten Lieferung sind daher auch in richtlinienkonformer Weise dahingehend zu bestimmen, dass die Lieferung mit der Installation der Anlage in den Ordinationsräumlichkeiten der Bw. im April 1997 ausgeführt wurde.

Da das FA das Verfahren im Ergebnis zu Recht wieder aufgenommen hat, war die Berufung gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet abzuweisen.

Mit den vorstehenden Ausführungen ist aber, da einziger Streitpunkt in dem im wieder aufgenommenen Verfahren ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1996 der Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Röntgenanlage ist, auch bereits alles über die Berufung gegen den neuen Sachbescheid gesagt.

Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG steht der Vorsteuerabzug erst zu, wenn die Lieferung (für die der Vorsteuerabzug begehrt wird) an den Unternehmer ausgeführt worden ist. Für erst zu erbringende Lieferungen kann kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden, auch wenn eine Vorausrechnung vorliegt (). Lieferungen sind grundsätzlich in dem Zeitpunkt ausgeführt, in welchem dem Abnehmer die Verfügungsmacht verschafft wird ().

Wie oben dargelegt, ist die Verschaffung der Verfügungsmacht über die Röntgenanlage durch die Fa. P. noch nicht mit Dezember 1996, sondern erst mit der Installation im April 1997 anzunehmen. In diesem Zeitpunkt bestand aber bereits ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den unecht befreiten und damit vom Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätzen der Bw. Damit steht der Bw. ein Vorsteuerabzug im Jahr 1996 aus der Anschaffung der gegenständlichen Röntgenanlage nicht zu, weshalb sich auch die Berufung gegen den im wieder aufgenommenen Verfahren ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1996 als unbegründet erweist.

Wien,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 3 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Vorsteuerabzug
Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht
Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen
Wiederaufnahme des Verfahrens
Neuhervorkommen von Tatsachen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at