Haftung gemäß § 14 BAO bei Fortführung eines Gastronomiebetriebes durch neue Pächterin
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der
unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch
MGI Linz Steuerberatungs Ges.mb.H., gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz
betreffend Haftung gemäß
§ 14 BAO entschieden:
Die
Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß
§ 291
der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht
zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen
nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die
Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich
bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich
bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer
unterschrieben sein.
Gemäß
§ 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das
Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung
(Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu
erheben.
Entscheidungsgründe
Daliborka M (geborene Daliborka D) war Pächterin des
R-Hofes, eines Gasthauses in A, und führte den Betrieb bis . Das
Verfahren zur Einbringung rückständiger Abgaben verlief wenig
erfolgreich. Mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes vom
wurde das von Daliborka M angestrebte Schuldenregulierungsverfahren mangels
Kostendeckung nicht eröffnet.
Ab wurde der R-Hof von der Bw. geführt. In
der Niederschrift vom über die anlässlich der Neuaufnahme
durchgeführte Nachschau wurde unter anderem festgehalten, dass von der Bw.
an die Vorpächterin Daliborka M eine Ablösezahlung für die
Betriebs- und Geschäftsausstattung in Höhe von 35.000,00 €
bezahlt worden sei. Der Betrag sei im August 2002 bar übergeben
worden. Laut Pachtvertrag vom werde an die Verpächter ein
monatlicher Betrag von 2.180,00 € zuzüglich Umsatzsteuer bezahlt.
Mit dem Pachtvertrag seien auch sieben Fremdenzimmer übernommen worden.
In einem der Bw. nachweislich zugestellten Vorhalt vom
wies das Finanzamt darauf hin, dass folgende Abgabenschuldigkeiten von
der Vorpächterin nicht entrichtet worden wären:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeitstag | Betrag in
€ |
Lohnsteuer | 11/01 | 385,66 | |
Lohnsteuer | 12/01 | 154,21 | |
Lohnsteuer | 01/02 | 137,54 | |
Umsatzsteuer | 01/02 | 500,80 | |
Lohnsteuer | 02/02 | 135,50 | |
Umsatzsteuer | 02/02 | 348,22 | |
Lohnsteuer | 03/02 | 123,35 | |
Umsatzsteuer | 10-12/01 | 595,96 | |
Umsatzsteuer | 03/02 | 853,23 | |
Lohnsteuer | 04/02 | 123,35 | |
Umsatzsteuer | 04/02 | 1.313,40 | |
Lohnsteuer | 05/02 | 59,20 | |
Umsatzsteuer | 05/02 | 1.174,92 | |
Umsatzsteuer | 06/02 | 1.168,39 | |
7.073,73 |
Die Bw. möge darlegen, ob
sie im Zeitpunkt des Erwerbes Kenntnis von diesen Abgabenschuldigkeiten gehabt
habe. Falls sie keine Kenntnis gehabt hätte, möge dargelegt werden,
welche Maßnahmen sie zur Erkundung allfälliger betrieblicher
Abgabenschulden des Veräußerers unternommen habe. Ferner möge
der Wert der übernommenen Aktiva angegeben werden. Schließlich wurde
die Bw. ersucht ihre derzeitigen persönlichen wirtschaftlichen
Verhältnisse darzulegen.
Die Bw. gab zu diesem Vorhalt keine Stellungnahme ab. Das
Finanzamt nahm sie daraufhin mit Haftungsbescheid vom gemäß
§ 14 BAO für die oben angeführten Abgabenschuldigkeiten in
Anspruch, und führte in der Begründung im Wesentlichen aus, dass die
Bw. am den R-Hof übernommen, an die Vorpächterin für
die Betriebs- und Geschäftsausstattung die oben erwähnte
Ablösezahlung von 35.000,00 € geleistet, und mit Pachtvertrag vom
die Bestandrechte am Gastlokal erworben habe. Bei der
Vorpächterin habe das Finanzamt ohne ausreichenden Erfolg
Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der haftungsgegenständlichen
Abgaben durchgeführt.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom
Berufung erhoben. Im Zeitpunkt des Erwerbes habe die Bw. keine Kenntnis von den
Abgabenschulden gehabt. Laut Auskunft von Daliborka M hätten keine
Steuerschulden bestanden. Seitens des Finanzamtes und des Steuerberaters der
Vorpächterin habe die Bw. unter Berufung auf die Verschwiegenheitspflicht
keine Auskunft erhalten. Der Verpächter habe der Bw. diesbezüglich
keine Auskunft geben können. Die Bw. habe den Betrieb nicht von Daliborka M
übernommen, sondern vom Besitzer des Gasthofes gepachtet. Die Bw. habe sich
ausreichend informiert, sodass die Unkenntnis nicht auf sorgloses Verhalten,
sondern auf eine Falschinformation der Daliborka M zurückzuführen
sei.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das
Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Im Zeitpunkt der Übernahme
des R-Hofes hätte bereits ein Abgabenrückstand von
7.625,65 € bestanden. Die Angaben der Daliborka M wären daher
unrichtig gewesen. Die Bw. hätte bei gehöriger Sorgfalt und Einsicht
in die Buchhaltungsunterlagen die falsche Information erkennen können. Eine
mangelhafte oder fehlende Buchführung sei Anlass zu besonderer Vorsicht,
weshalb die Bw. - wenn sie von der Einsicht in die Buchhaltung abgesehen
und sich mit dem Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht abgefunden habe
- diesbezüglich der Vorwurf der Sorglosigkeit treffe.
Mit Schriftsatz vom wurde "Berufung" gegen diese
Berufungsvorentscheidung erhoben. Diese Eingabe war als Antrag auf Entscheidung
über die Berufung gegen den Haftungsbescheid durch die Abgabenbehörde
zweiter Instanz zu werten. Inhaltlich führte die Bw. darin wortgleich aus
wie in der Berufung vom . Auf die Feststellungen des Finanzamtes in der
Berufungsvorentscheidung ging die Bw. nicht ein.
Über
die Berufung wurde erwogen:
Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens
gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet
gemäß
§ 14 Abs. 1 BAO der Erwerber
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf
den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit
dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres
entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn
des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen
waren.
Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der
Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste
und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel
entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte
(Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
Die Haftungsregelung des § 14 BAO dient dem
Zweck, die im Unternehmen (Betrieb) als solchem liegende Sicherung für die
auf den Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des
Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen.
Die Haftung knüpft dabei an die Übereignung eines Unternehmens (oder
eines im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes) im
Ganzen, also an den Übergang eines lebenden (lebensfähigen)
Unternehmens bzw. Betriebes an; dabei müssen nicht alle zum Unternehmen
(Betrieb) gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern
nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bilden
und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen.
Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche
Grundlage des Unternehmens (Betriebes) bilden, ist in funktionaler
Betrachtungsweise nach dem jeweiligen Unternehmens- bzw. Betriebstypus zu
beantworten. Bei Gastronomieunternehmen zählen das Grundstück, das
Gebäude und die Einrichtung, nicht jedoch das Warenlager und das Personal
zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens. Hinsichtlich der tragenden
Unternehmensgrundlagen Lokal und Geschäftseinrichtung muss der Erwerber in
der Lage sein, in den vorhandenen Betriebsräumen ohne wesentliche
Unterbrechung einen dem vorangegangenen Betrieb gleichwertigen Gewerbebetrieb
fortzuführen.
Unter "Übereignung" im Sinne des § 14
Abs. 1 BAO ist die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht
anzusehen; es kommt nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung an.
Maßgebend ist somit der - wenn auch nicht unmittelbare - Übergang der
wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber. Von
einem solchen Übergang kann auch dann gesprochen werden, wenn der Erwerber
des Unternehmens einen neuen Mietvertrag mit dem Bestandgeber abschließt.
Wurde die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Lokal verschafft
und kann der Erwerber den Betrieb des Vorgängers in diesen
Geschäftsräumen und mit dem gekauften Inventar fortführen, dann
kann von einer Übereignung des Unternehmens nach § 14 Abs. 1
BAO auch dann ausgegangen werden, wenn der zur Haftung Herangezogene die
Einrichtungsgegenstände und die Mietrechte über das
Geschäftslokal von unterschiedlichen Personen erhalten hat und nicht in
unmittelbarer Rechtsbeziehung mit dem Primärschuldner stand ().
Im gegenständlichen Fall hat die Bw. nach den
unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Finanzamtes mit Pachtvertrag vom
die Bestandrechte am Gastlokal erworben. Die Betriebs- und
Geschäftsausstattung wurde gegen eine Barzahlung von 35.000,00 €
von der Vorpächterin erworben. Damit hat die Bw. die wesentlichen
Grundlagen des gastgewerblichen Betriebes übernommen. Dass die Bw. nicht in
der Lage gewesen wäre, in den vorhandenen Betriebsräumen ohne
wesentliche Unterbrechung einen dem vorangegangenen Betrieb gleichwertigen
Gewerbebetrieb fortzuführen, wurde weder behauptet, noch ist dies den
vorliegenden Akten zu entnehmen.
Hinsichtlich der Frage des Kennens oder Kennenmüssens
der Schulden ist die Literatur und Judikatur zu § 1409 ABGB
heranziehbar (Stoll, BAO, 169). Danach steht die Unkenntnis der
Abgabenschuldigkeiten einer Haftungsinanspruchnahme insbesondere dann nicht
entgegen, wenn der Erwerber bei gehöriger, allgemein üblicher
Sorgfaltsanwendung von der Schuld hätte erfahren müssen. Hierbei ist
jene Sorgfalt zugrunde zu legen, die bei gewöhnlichen Fähigkeiten
angewendet werden kann, und darüber hinaus jene besondere Sorgfalt, die
gerade ein Unternehmensübergang erfordert. Die so verstandene Sorgfalt
erfordert die Einsichtnahme in die Geschäftsbücher, die Befragung des
Veräußerers über die Passiven und die genaue Prüfung der
dabei hervorgekommenen oder sonst bekannten Schulden. Die Auskunft des
Veräußerers allein befreit den Erwerber nicht von der Pflicht, in die
Geschäftsbücher Einsicht zu nehmen, andernfalls handelt er auf eigene
Gefahr (, SZ 47/80 mwN).
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die bloße Anfrage der
Bw. bei der Vorpächterin über Abgabenrückstände beim
Finanzamt nicht ausreichend war und sie auch nicht von der Pflicht befreien
konnte, in die Geschäftsbücher Einsicht zu nehmen. Darauf hat bereits
das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung vom zutreffend
hingewiesen. Die Bw. trat diesen Feststellungen nicht entgegen.
Zum Einwand, dass die Bw. seitens des Finanzamtes unter
Hinweis auf die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht keine Auskunft über
bestehende Abgabenrückstände erhalten hätte, ist zweierlei
anzumerken. Zum einen findet sich in den vorgelegten Akten kein Hinweis darauf,
dass die Bw. tatsächlich mit einem derartigen Auskunftsersuchen an das
Finanzamt herangetreten wäre. Zum anderen ist gemäß
§ 48a Abs. 4 BAO die Offenbarung von grundsätzlich der
abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht unterliegenden Verhältnissen oder
Umständen zulässig, wenn ihr diejenigen zustimmen, deren Interessen an
der Geheimhaltung verletzt werden könnten. Mit Zustimmung der
Vorpächterin hätte das Finanzamt der Bw. daher jederzeit Auskunft
über offene Abgabenschulden geben können. Die allfällige
Verweigerung einer derartigen Zustimmung hätte Zweifel an der Richtigkeit
der Behauptungen der Vorpächterin aufkommen lassen
müssen.
Insgesamt gesehen liegt daher der Bw. eine schuldhafte
Unkenntnis der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Last.
Die Haftung gemäß
§ 14 BAO besteht
seit der Neufassung durch BGBl. 1992/448 nur insoweit, als der Erwerber an
haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel
entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte
(Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
Das Finanzamt forderte die Bw. im Vorhalt vom
ausdrücklich auf, den Wert der übernommenen Aktiva bekannt zu geben.
Dieser Aufforderung kam die Bw. zwar nicht nach, es besteht jedoch angesichts
der Tatsache, dass allein für die übernommene Betriebs- und
Geschäftsausstattung 35.000,00 € bezahlt wurden, kein Zweifel
daran, dass die übernommenen Aktiva die gegenständliche Haftungsschuld
von 7.073,73 € bei weitem übersteigen.
Die Haftungsinanspruchnahme des Erwerbers liegt im Ermessen
der Abgabenbehörde. Wie bei jeder Ermessensübung ist vor allem der
Zweck der Ermessen einräumenden Norm zu berücksichtigen. Bereits
eingangs wurde ausgeführt, § 14 BAO diene dem Zweck, die im
Unternehmen als solchem liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich
gründende Abgabenschuld durch den Übergang des Unternehmens nicht
verloren gehen zu lassen. Bei der Ermessensübung ist ferner der Grundsatz
der Nachrangigkeit der Haftung zu beachten, d.h. der Haftende darf in der Regel
nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim
Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert ist. Im vorliegenden
Fall hat schon das Finanzamt im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass
das Einbringungsverfahren bei der Vorpächterin wenig erfolgreich war, und
wurde überdies mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes vom
die Nichteröffnung des von der Vorpächterin angestrebten
Schuldenregulierungsverfahrens mangels Kostendeckung ausgesprochen, sodass die
haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin
tatsächlich uneinbringlich sein werden, weshalb für eine Abstandnahme
von der Haftungsinanspruchnahme kein Raum blieb. Auch wurden von der Bw. keine
Billigkeitsgründe vorgebracht, die eine Abstandnahme von der Geltendmachung
der Haftung rechtfertigen würden. Insgesamt gesehen schlossen daher die
überwiegenden Interessen des Abgabengläubigers an der Abgabeneinhebung
eine andere Entscheidung als die Haftungsinanspruchnahme aus.
Es war somit spruchgemäß zu
entscheiden.
Linz,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 14 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 48a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1409 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 |
Schlagworte | Gastronomiebetrieb Pachtvertrag Erkundigungspflicht Abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at