Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 11.02.2004, RV/0169-F/03

Zahnbehandlung in Ungarn als außergewöhnliche Belastung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0169-F/03-RS1
Ist die Zwangsläufigkeit einer Zahnbehandlung in Ungarn zu bejahen, sind die damit in Zusammenhang stehenden Fahrtkosten ebenfalls als außergewöhnliche Belastung gem. § 34 EStG 1988 einkommensmindernd zu berücksichtigen (vgl. VwGH, , 2271/75). Dies umso mehr, wenn die Zahnbehandlungs- und Fahrtkosten für die Behandlung in Ungarn in Summe geringer waren, als eine vergleichbare Zahnbehandlung (ohne Fahrtkosten) in Österreich. Ein Verpflegungsmehraufwand kann mangels Vorliegens einer Dienstreise nicht in Form des Tagesgeldes gem. § 26 Z. 4 EStG 1988 berücksichtigt werden. Wird während des Aufenthaltes in Ungarn nur Breikost bzw. flüssige Nahrung aufgenommen und steht fest, dass das Preisniveau in Ungarn wesentlich (ca. 50 bis 56%) unter jenem in Österreich liegt, ist ein Verpflegungsmehraufwand bereits dem Grunde nach zu verneinen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2002 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Der Bw., der im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Angestellter) erwirtschaftete, machte im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2002 u.a. Zahnbehandlungskosten in Höhe von 1.926,39 € (nach Abzug des Kostenersatzes der VGKK sowie der X-Versicherung von 1.074,51 bzw. 1.539,00 €) sowie diesbezügliche Fahrtkosten (km-Geld für 1.756 km) in Höhe von 625 € und "Reisespesen gem. § 26 EStG 1988" -Tagesgeld B." in Höhe von 310 € für die in B. durchgeführte Zahnbehandlung als außergewöhnliche Belastung geltend.

Im Einkommensteuerbescheid 2002 vom wurden seitens des Finanzamtes neben Aufwendungen für Sehbehelfe die Zahnbehandlungskosten, nicht aber die Fahrtkosten und Reisespesen als außergewöhnliche Belastung einkommensmindernd berücksichtigt.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine gleichwertige Behandlung in Österreich voraussichtlichtlich über 7.000 € gekostet hätte. Unter den Begriff Behandlungskosten seien natürlich auch Nebenkosten, wie z. B. die Fahrt zum Arzt zu subsumieren.

Daraufhin wurde der Bw. vom Finanzamt mit Vorhalt vom ersucht, die Dauer des Aufenthaltes in Ungarn (Urlaubsantritt bzw- ende?), die Dauer der Behandlung (Anzahl der Tage der Behandlung und der Stunden an den einzelnen Tagen, die Dauer derselben Behandlung (Bestätigung eines Zahnarztes bzw. des Zahnambulatoriums der VGKK) nachzuweisen und bekannt zu geben, was an den Tagen des Aufenthaltes in Ungarn unternommen worden sei.

Im Antwortschreiben wurde ausgeführt, dass sich die Zahnbehandlung über den Zeitraum 3.2. bis erstreckt habe, wobei der 3.2. bzw. der 12.2. An- und Abreisetag gewesen seien. Nach der telefonischen Aussage der VGKK - Hr. S. (Angabe der Tel.Nr.) - sei es amtsbekannt, dass Zahnbehandlungen in Österreich ein Mehrfaches von Behandlungen im Inland kosten würden und die VGKK deshalb auch Kostenersätze für Zahnbehandlungen in Ungarn gewähre. Weiters würden solche Behandlungen in Österreich voraussichtlich unter mehreren Sitzungen (in größeren Abständen) erfolgen. Eine schriftliche Bestätigung seitens der VGKK werde nicht ausgestellt (die Dauer der Behandlung sei von vielen Faktoren abhängig). Hr. S sei jedoch gerne bereit, den Ablauf einer derartigen Behandlung zu erläutern. Dem Schreiben wurde eine detaillierte Aufstellung über den Tagesablauf in diesem Zeitraum angeschlossen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Es wurde begründend ausgeführt, eine Belastung erwachse nicht zwangsläufig, wenn sie unmittelbare Folge eines Verhaltens sei, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe. Es habe für ihn keine Zwangslage bestanden, die Zahnbehandlung in Ungarn durchführen zu lassen. Damit sei aber ein wesentliches Merkmal für die Berücksichtigung seiner Kosten als außergewöhnliche Belastung, nämlich das Vorliegen der Zwangsläufigkeit dieser Kosten, nicht gegeben. Das Vorbringen betreffend günstigere Behandlungs- bzw. Gesamtkosten in Ungarn könne an der Freiwilligkeit nichts ändern. Wirtschaftliche Gründe seien für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit unmaßgeblich.

Gegen diese Entscheidung wurde fristgerecht (Eingang ) der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt und den Ausführungen in der Begründung zur Berufungsvorentscheidung im Wesentlichen entgegengehalten, dass es ihn erstaune, dass die Zahnarztbehandlung an sich als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden sei, - im Endeffekt sei auch diese unmittelbare Folge eines Verhaltens, zu dem er sich aus freien Stücken entschlossen habe (nämlich des Unterlassens von zweimal täglich Zähneputzen in der Volksschulzeit) - anderseits sei die Begründung des Finanzamtes, dass nämlich wirtschaftliche Gründe für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit unmaßgeblich seien, einfach falsch. So führe zum Beispiel der Verwaltungsgerichtshof (, 2755, 2103, 2104/77) zu den Kosten eines Kuraufenthaltes aus, dass, sofern ausländische und im Inland (gelegene) Kurorte gleicher Eignung vorhanden seien, bei getroffener Wahl nur jene Kosten gem. § 34 zu berücksichtigen seien, die sich bei zu erwartendem gleichen Erfolg als billiger erweisen würden. Weiters seien nach den Lohnsteuer-Richtlinien 2002 Tz 902f zu § 34 unter anderem bei Vorliegen einer Krankheit auch die Fahrtkosten abzugsfähig. Bei Kurkosten könnten - soweit Angemessenheit vorliege - auch die Aufenthaltskosten sowie Fahrtkosten zum und vom Kurort abgezogen werden.

Mit der Begründung des Finanzamtes könnten beispielsweise auch die Kosten einer Busfahrt von L. zum Zahnambulatorium in D. nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, da ja in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Steuerpflichtigen in L. ein Zahnarzt ansässig sei. Das Vorbringen betreffend günstigerer Behandlungs- und Gesamtkosten im Zahnambulatorium D. gegenüber einem Zahnarzt könne ja an der Freiwilligkeit nichts ändern.

Über die Berufung wurde erwogen:

Im gegenständlichen Fall ist nur mehr strittig, ob die im Zusammenhang mit der Zahnbehandlung in Ungarn geltend gemachten Fahrtkosten (km-Gelder) und Reisekosten (Tagesgelder) neben den vom Finanzamt bereits anerkannten Zahnbehandlungskosten als außergewöhnliche Belastung einkommensmindernd zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

  • Sie muss zwangsläufig sein (Abs. 3).

  • Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein (BGBl. 1993/818 ab 1994).

Alle diese Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein.

Gem. § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Unter tatsächlichen Gründen sind Ereignisse zu verstehen, die unmittelbar den Steuerpflichtigen selbst betreffen (z.B. eigene Krankheitskosten; vgl. ; ; ).

Die Prüfung der Zwangsläufigkeit muss nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach vom Begriff der Zwangsläufigkeit umfasst sein. Bei Prüfung der Zwangsläufigkeit ist ein objektiver Maßstab anzulegen (; ). Die Zwangsläufigkeit ist stets nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles und nicht in wirtschaftlicher oder gar typisierender Betrachtungsweise zu beurteilen (, ).

Im gegenständlichen Fall bestand für das Finanzamt offensichtlich keine Zweifel daran, dass die Zahnbehandlungskosten des Bw. zwangsläufig erwachsen sind, hat es doch diese anerkannt.

Das Finanzamt geht allerdings bezüglich der Fahrtkosten (km-Geld) und Reisekosten (Tagesgelder) davon aus, dass diese unmittelbare Folge eines Verhaltens seien, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe und diese daher nicht als zwangsläufig erwachsen anzusehen seien.

In der Begründung zu seinem Erkenntnis vom , 2271/75 hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass bei Vorlage der Honorarnoten (Anmerkung: diese war nicht erfolgt) betreffend die Arztbesuche (Anmerkung: im vom VwGH zu entscheidenen Fall betrug die Distanz zwischen dem Wohnort des Beschwerdeführers und dem Ort der Arztbesuche Wien für die einfache Strecke 130 km) die Zwangsläufigkeit der Fahrtkosten zu bejahen wäre. Der VwGH hat die Entscheidung der belangten Behörde, die Fahrtkosten nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, nur deshalb bestätigt, weil nicht in Form der Honorarnoten nachgewiesen worden war, dass die Arztbesuche in Wien tatsächlich stattgefunden hatten.

Im gegenständlichen Fall wurde der diesbezüglich Beweis offensichtlich erbracht, zumal die Behandlungskosten vom Finanzamt als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurden.

Der Unabhängige Finanzsenat vertritt in Anlehnung an die vom VwGH vertretene Auffassung die Ansicht, dass dann, wenn an der Zwangsläufigkeit der Arztkosten (Zahnbehandlungskosten) kein Zweifel besteht, auch die in diesem Zusammenhang angefallenen Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung gem. § 34 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 EStG 1988 (Selbstbehalt) zu berücksichtigen sind. Dem Unabhängigen Finanzsenates erscheint es fallbezogen nicht sachgerecht, würde man dann, wenn ein Abgabepflichtiger eine kostengünstigere Behandlungsmöglichkeit in größerer Entfernung vom Wohnort wählt, wodurch naturgemäß höhere Fahrtkosten entstehen, diese dann mit dem vom Finanzamt ins Treffen geführten Argument der Freiwilligkeit nicht anzuerkennen. Bezogen auf den gegenständlichen Fall kann nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates nicht bezweifelt werden, dass die geltend gemachten Zahnbehandlungs- und Fahrtkosten in Summe sicher niedriger waren, als eine vergleichbare Behandlung mit geringeren Fahrtkosten in der Nähe des Wohnortes. Hätte der Bw. sich zwar in der Nähe des Wohnortes behandeln lassen, wären zwar geringfügigere Fahrtaufwendungen angefallen, allerdings hätte wohl unter den gegebenen Umständen niemand an der Zwangsläufigkeit der wesentlich höheren österreichischen Zahnbehandlungskosten gezweifelt. Dem vorstehend zitierten Erkenntnis des VwGH ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass, wenn sich ein Abgabepflichtiger außerhalb seines Wohnortes (im In- oder Ausland) behandeln lässt, die Fahrtkosten wegen der freiwilligen Wahl des weiter entfernten Behandlungsortes als nicht zwangsläufig erwachsen anzusehen sind.

Grundsätzlich wäre nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates auch ein im Zusammenhang mit der Reise angefallener Verpflegungsmehraufwand, aus den vorstehenden Gründen anzuerkennen. Dies setzt allerdings voraus, dass ein solcher bereits dem Grunde nach entstanden ist.

Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass die im Zusammenhang mit § 34 EStG 1988 geltend gemachten Aufwendungen grundsätzlich (dem Grunde und der Höhe nach) nachzuweisen sind. Im gegenständlichen Fall wurden nicht die tatsächlichen Kosten geltend gemacht, sondern Tagesgelder gem. § 26 EStG 1988.

Die steuerliche Abgeltung eines Verpflegungsmehraufwandes in Form eines Tagesgeldes würde aber gem. § 26 Z. 4 EStG 1988 das Vorliegen einer Dienstreise voraussetzen. Eine solche lag unbestrittenermaßen nicht vor.

Eine Schätzung des Verpflegungsmehraufwandes wäre dann erforderlich, wenn ein solcher dem Grunde nach zu bejahen ist.

Diesbezüglich vertritt der Unabhängige Finanzsenat die Auffassung, dass davon auszugehen ist, dass dem Bw. bereits dem Grunde nach kein Verpflegungsmehraufwand erwachsen ist. Dies einerseits im Hinblick darauf, dass der dem Finanzamt übermittelten Aufstellung (Tagesablauf) zu entnehmen ist, dass der Bw. während des Ungarnaufenthaltes in der Zeit der Zahnbehandlung offensichtlich und für den Unabhängigen Finanzsenat nachvollziehbar zum Teil nur flüssige Nahrung bzw. Suppen und Pürree zu sich genommen hat. Ein Verpflegungsmehraufwand - mangels ausreichender Kenntnis der günstigen Verpflegungsmöglichkeiten in B. - ist aber auch deshalb zu verneinen, weil zwischen Ungarn und Österreich hinsichtlich des Preisniveaus ein beträchtlicher Unterschied besteht (vgl. KMU Forschung Austria, Austrian Institute for SME Research, EU-Erweiterung - Monitoring der Marktentwicklung in der Steiermark, Slowenien und Westungarn, Kurzbericht ; nachzulesen unter: http://www.raumplanung.steiermark.at/cms/dokumente/10059659/c602791e/Kurzbericht.pdf; demnach lagen die Durchschnittspreise in Ungarn bei 56% des österreichischen Niveaus, die Lebensmittelpreise bei rund 70% des heimischen Niveaus). Wie aus einem Artikel in der Budapester.-Zeitung Online vom , dem eine Studie der B.-A. C. zugrunde liegt, zu entnehmen ist, lag die Kaufkraft von 100 € für österreichische Touristen Anfang Dezember 2003 in U. bei 194 € (vgl. http://www.budapester.hu/news.php?from=120). Im Hinblick darauf, dass bereits der Anfall eines Verpflegungsmehraufwandes dem Grunde nach zu verneinen ist, kann eine Schätzung der Höhe nach unterbleiben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Feldkirch,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung
Tagesgeld
Fahrtkosten
Ausland
Verpflegungsmehraufwand
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at