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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 10.02.2004, RV/0548-W/02

Abfertigungsrückstellung für Gesellschaftergeschäftsführer (Prokuristen) mit Sperrminorität

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0548-W/02-RS1
Im vorliegenden Fall wurde von der Bw. die Bildung einer Abfertigungsrückstellung für einzelvertraglich zugesagte Abfertigungen beantragt. Derartige Abfertigungsrückstellungen können gestützt auf § 9 Abs. 1 Z 1 iVm § 14 EStG 1988 nicht gebildet werden. Abfertigungs­ansprüche aufgrund einzelvertraglicher Regelungen stellen jedoch sonstige ungewisse Verbindlichkeiten dar und können gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 rückgestellt werden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Helmut Lercher, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften (nunmehr St. Nr. 210/1923 des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk) betreffend Körperschaftsteuer 1996 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1996 betragen € 151.447,71 (S 2.083.966,00). Die Körperschaftsteuer 1996 beträgt € 51.488,85 (S 708.502,00).

Die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und der Abgabe ist dem der Entscheidung als Beilage angeschlossenem Berechnungsblatt zu entnehmen und bildet einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Bei der Bw. wurde eine Betriebsprüfung betreffend die Jahre 1994 bis 1996 durchgeführt. Im Rahmen der Betriebsprüfung wurde unter anderem festgestellt, dass im Jahr 1996 für den an der Bw. mit 42,5% beteiligten Geschäftsführer Manfred K. und für den mit ebenfalls 42,5% beteiligten Prokuristen Martin M. Abfertigungsrückstellungen gebildet wurden. Mit der Begründung, dass eine kollektivvertragliche oder andere gesetzliche Verpflichtung zur Auszahlung einer Abfertigung an Manfred K. und Martin M. nicht bestünde, wurde von der Betriebsprüfung die Ansicht vertreten, dass für diese die Bildung einer Abfertigungsrückstellung nicht zulässig sei.

Das Finanzamt hat am den Prüfungsfeststellungen folgende Abgabenbescheide erlassen.

Die Bw. hat mit Schreiben vom um Verlängerung der Frist für die Einbringung eines Rechtsmittels gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1996 bis zum ersucht und am gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1996 das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. In der Berufung wurde beantragt, die Abfertigungsverpflichtungen die sich aus den Verträgen mit den Gesellschaftern Manfred K. und Martin M. ergeben würden, als Rückstellung für Beendigungsansprüche freier Dienstverhältnisse anzuerkennen.

Der Antrag wurde damit begründet, dass vertragliche Beendigungsansprüche aus einem freien Dienstvertrag nicht von der Ausschlusswirkung des § 9 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 und § 14 Abs. 1 EStG erfasst seien. Die Passivierung derartiger Beendigungsansprüche sei aus handelsrechtlicher Sicht als Rückstellung für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 198 Abs. 8 Z 3 HGB vorzunehmen. Dabei sei gemäß § 211 Abs. 2 HGB der sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ergebende Betrag anzusetzen. Die handelsrechtliche Rückstellung sei nach dem Maßgeblichkeitsprinzip auch in der Steuerbilanz anzusetzen, da keine entgegenstehende steuerliche Norm ersichtlich sei. Die Zulässigkeit des steuerlichen Ansatzes sei nunmehr durch § 9 Abs. 1 Z 3 EStG ausdrücklich vorgegeben. Der für diese Rückstellung erforderliche Nachweis der konkreten Umstände, nach denen mit dem Entstehen der Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen sei (§ 9 Abs. 3 EStG) sei bereits durch die vertragliche Vereinbarung des Beendigungsanspruches im freien Dienstvertrag gegeben. Eine Wertpapierdeckung für derartige Rückstellungen sei nicht erforderlich. Ein Fehlausweis einer derartigen Rückstellung im handelsrechtlichen Jahresabschluss unter den Rückstellungen für Anwartschaften auf Abfertigung sei für den steuerlichen Betriebsausgabenabzug unbeachtlich.

Darüber hinaus seien Rückstellungen für Vorstandsabfertigungen nach richtlinienkonformer Auslegung durch die innerstaatlichen handelsrechtlichen Regelungen geboten und daher entsprechend den Maßgeblichkeitsgrundsätzen des § 5 Abs. 1 EStG auch steuerlich anzuerkennen. Die Verpflichtung für eine einzelvertraglich geregelte Abfertigungen sei eine Verbindlichkeit die dem Grunde nach mit konkreter Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Durch die der kaufmännische Sorgfaltspflicht entsprechende Rückstellung solle einer betriebswirtschaftlich problematischen Aufwandszusammenballung vorgebeugt werden, wobei in diesem Zusammenhang auf das im Zusammenhang mit der Jubiläumsgeldrückstellung ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/13/0007 und auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 403/97 hingewiesen wurde.

Der Berufung waren versicherungsmathematische Berechnungen beigelegt, laut welchen die erforderliche Rückstellung für Manfred K. S 64.329,00 und die erforderliche Rückstellung für Martin M. S 22.692,00 betragen würde. Von der Bw. wurde die aufwandsmäßige Berücksichtigung dieser Rückstellungen beantragt.

Von der Betriebsprüfung wurde zur Berufung dahingehend Stellung genommen, dass eine Rückstellungsbildung gemäß § 14 EStG 1988 im gegenständlichen Fall nicht zulässig sei, weil aufgrund der im Gesellschaftsvertrag verankerten Sperrminorität weder Manfred K. noch Martin M. als Dienstnehmer im Sinne des Angestelltengesetzes anzusehen seien. Manfred K. würde zudem nicht dem Rahmenkollektivvertrag für Angestellte der Industrie unterliegen, da er nicht Arbeiterkammerumlagepflichtig sei. Im übrigen wurde auf die Schriften zum österreichischen Abgabenrecht, Band 34, Seite 99 (Besteuerung der Geschäftsführung) verwiesen. Der Stellungnahme waren Auszüge aus dem Gesellschaftsvertrag, Auszüge aus dem Kollektivvertrag für Angestellte der Industrie, der mit Manfred K. abgeschlossene Geschäftsführungsvertrag sowie der Dienstzettel von Martin M. beigelegt.

Mit Berufungsvorentscheidung zugestellt am wurde die Berufung vom als unbegründet abgewiesen. In der abweisenden Berufungserledigung wurde ausgeführt, dass gemäß § 198 Abs. 8 HGB unter anderem Rückstellungen für Anwartschaften auf Abfertigungen zu bilden seien, wobei die Bewertung nach den Vorschriften des § 211 Abs. 2 HGB zu erfolgen habe. Die Abgabenbehörde teile die Ansicht der Bw., dass diese Verpflichtung bei Gewinnermittlern nach § 5 Abs. 1 EStG auch steuerlich zur Verpflichtung eine Abfertigungsrückstellung zu bilden führe. Aufgrund der Formulierung des § 14 Abs. 1 EStG ergebe sich jedoch, dass es sich bei der Maßgeblichkeit des Handelsrechts um eine eingeschränkte Maßgeblichkeit dem Grunde nach handle und keine Maßgeblichkeit der Höhe nach. Bei § 14 EStG handle es sich um eine zwingende steuerliche Vorschrift, die unter anderem jene Fälle taxativ aufzähle, in denen die Bildung einer Abfertigungsrückstellung zulässig sei. Daraus folge, dass eine Rückstellung nur für jene Abfertigungsverpflichtungen gebildet werden dürfe, die aufgrund gesetzlicher Anordnung oder aufgrund eines Kollektivvertrages zu leisten wären. Nicht jedoch für solche, die sich aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Dienstvertrag ergeben würden. Damit sei aber im gegenständlichen Fall eine Rückstellungsbildung mit steuerlicher Wirkung nicht möglich, da sich die Verpflichtung zur Leistung einer Abfertigung für Manfred K. und Martin M. nicht wie in § 14 EStG gefordert aus einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Verpflichtung sondern aus einem Dienstvertrag ergeben würden. Die Bildung einer Abfertigungsrückstellung nach § 9 Abs. 1 EStG ohne Einbeziehung von § 9 Abs. 2 EStG sei jedenfalls nicht zulässig.

Zu dem von der Bw. zitierten VwGH Erkenntnis wurde in der Berufungsvorentscheidung ausgeführt, dass gerade in diesem Erkenntnis ausdrücklich betont bzw. darauf hingewiesen werde, dass § 14 EStG eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen der Rückstellungsbildung darstelle, wobei die Regelung des § 14 EStG nicht beanstandet worden sei. Auch vom Verfassungsgerichtshof werde die Ansicht vertreten, dass Regelungen, die in der Einschränkung der steuerbegünstigten Bildung von Sozialkapital bestünden nicht unsachlich seien, da es dem Steuergesetzgeber freistehe für noch ungewisse Verbindlichkeiten eine Passivierungspflicht und ein Passivierungsrecht vorzusehen oder (teilweise) zu beseitigen. Die Einschränkungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , G 403/97 hätten lediglich dem generellen Ausschluss der Rückstellung von Jubiläumsgeldern gegolten.

Innerhalb verlängerter Frist wurde von der Bw. die Vorlage der Berufung vom an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt und ergänzend ausgeführt, dass Voraussetzung für die Subsumtion eines Vergütungsanspruches anlässlich der Beendigung eines Vertragsverhältnisses unter den Begriff Abfertigung das Vorliegen eines arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses sei. Ein solches würde im gegenständlichen Fall nicht vorliegen. § 14 EStG gelte nur für Rückstellungen gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2. und sei auf die im gegenständlichen Fall vorliegenden abfertigungsähnlichen Ansprüche nicht anwendbar. Die von der Finanzverwaltung und Teilen der Judikatur behauptete Streuwirkung sei vom Verwaltungsgerichtshof nicht goutiert worden. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 3 EStG seien Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten zulässig, wobei die von § 9 Abs. 1 Z 3 EStG geforderten konkreten Umstände im gegenständlichen Fall vorliegen würden. Deshalb werde beantragt der Berufung stattzugeben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Manfred K. und Martin M. waren im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zu je 42,5% an der Bw. beteiligt. Manfred K. war Geschäftsführer, Martin M. Prokurist der Gesellschaft.

Gemäß Punkt VII des im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geltenden Gesellschaftsvertrages ist für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und Prokuristen (außer bei Vorliegen wichtiger Gründe) eine Mehrheit von mindestens 75% des Stammkapitals und auf die Dauer ihrer Gesellschaftereigenschaft jedenfalls die Zustimmung der Gesellschafter Manfred K. und Martin M. sowie die Zustimmung eines weiteren Gesellschafters erforderlich.

Am wurde zwischen der Bw. und Manfred K. ein Geschäftsführervertrag abgeschlossen. Betreffend Martin M. liegt ein mit ebenfalls datierter Dienstzettel vor. Die Gesellschafter Manfred K. und Martin M. waren aufgrund ihrer Anteile am Stammkapital in Verbindung mit der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen qualifizierten Mehrheit bei Abstimmungen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in der Lage Beschlüsse der Generalversammlung betreffend ihre Abberufung zu verhindern und haben insoweit über eine Sperrminorität verfügt. Aufgrund der bestehenden Sperrminorität haben Manfred K. und Martin M. ihre Tätigkeit für die Bw. im Rahmen eines freien Dienstvertrages ausgeübt. Eine gesetzliche oder kollektivvertragliche Verpflichtung zur Leistung von Abfertigungen an Manfred K. und Martin M. bestand daher nicht.

Eine Verpflichtung zur Leistung von Abfertigungen resultiert jedoch daraus, dass in den Dienstverträgen mit Manfred K und Martin M. die Anwendung des Kollektivvertrages für Angestellte der Elektro- und Elektronikindustrie vereinbart wurde und dieser Kollektivvertrag eine nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses gestaffelte Abfertigung vorsieht, wobei dem jeweiligen Dienstnehmer nach drei Jahren erstmalig eine Abfertigung in Höhe von zwei Monatsgehältern gebührt.

Dem Finanzamt ist insoweit rechtzugeben, als Abfertigungsrückstellungen für Manfred K. und Martin M. nicht gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 iVm § 14 EStG gebildet werden können, weil deren Abfertigungsansprüche nicht aus einer gesetzlichen Anordnung sondern aus einer einzelvertraglichen Vereinbarung resultieren. Entgegen der vom Finanzamt vertretenen Auffassung sind die Abfertigungsansprüche vom Manfred K. und Martin M. jedoch als sonstige ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 9 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 anzusehen und ist die Bildung von Abfertigungsrückstellungen für Manfred K. und Martin M. gestützt auf diese Regelung zulässig, wobei in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1609/01 hingewiesen wird.

Manfred K. und Martin M. waren von Juni 1993 bis Juni 1996 durchgehend für die Bw. tätig und haben dadurch im Jahr 1996 die Anwartschaft auf eine Abfertigung von zwei Monatsgehältern erlangt. Die Abfertigungsrückstellungen wurden versicherungsmathematisch (Basis zwei Monatsgehälter) ermittelt und ist deren Bildung gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 zulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Abfertigungsrückstellung
freier Dienstvertrag
Gesellschaftergeschäftsführer
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at