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Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 16.01.2004, FSRV/0078-W/02

Steuerberaterin behauptet Zurechnungsunfähigkeit in der Beschwerde gegen Einleitungsbescheid

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0078-W/02-RS1
Verkürzt wird eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie, ganz oder teilweise, dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in dem er nach dem betreffenden Steuergesetz darauf Anspruch gehabt hat. Gerade beim Tatbestand nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG stellt die bloß vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils den Regelfall dar ().
FSRV/0078-W/02-RS2
Zurechnungsunfähigkeit ist nicht schon gegeben, wenn im Zeitpunkt der Tat eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorgelegen ist, sondern nur dann, wenn diese auch der Grund für die Unfähigkeit ist, das Unrecht der konkreten Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 2, OR Mag. Gerhard Groschedl, in der Finanzstrafsache gegen die Bf., vertreten durch Frau Helga Bahr, Steuerberaterin, wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung gemäß §§ 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten vom über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Amstetten als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Bf. zur SN 015/2002/00082-001 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass diese im Amtsbereich des Finanzamtes Amstetten vorsätzlich

a) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht durch Nicht- bzw. nicht fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1993 und 1994 (zu StNr. 011/2530) eine Abgabenverkürzung an Umsatzsteuer 1993 und 1994 in Höhe von ATS 70.568,00 zu bewirken versuchte und

b) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen für den Zeitraum 1995, Jänner bis Oktober 1996, April 1997, August bis Dezember 1997 und Jänner bis Juni 1998 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in Höhe von ATS 269.575,00 bewirkte und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten

und hiemit ein Finanzvergehen zu a) nach § 33 Abs. 1 iVm § 13 und zu b) nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die als "Einspruch" bezeichnete fristgerechte Beschwerde der Bf. vom , die sich gegen den Vorwurf der Abgabenhinterziehung richtet. Es könne sich nur um Finanzordnungswidrigkeiten nach § 49 Abs. 1 bzw. § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG handeln, sollte Vorsatz vorliegen, der bestritten werde, andererseits, dass überhaupt keine Verkürzung vorliege, da anhand einer Rechnung dargestellt werde, dass sich für die Jahre bis 1994 (aufgrund einer Gutschrift für Umsatzsteuer 1992 in Höhe von ATS 34.862,00) ein Guthaben von ATS 24.294,- ergeben habe. Bis zum Todestag 1994 habe die Mutter der Bf., Frau R., pünktlich die Umsatzsteuerzahlungen geleistet. Die Bf. habe viele schwere Schicksalsschläge hinnehmen und nach Nervenzusammenbrüchen einige Klinikaufenthalte durchmachen müssen. Dadurch habe sie die Jahreserklärungen 1993 und 1994 nicht abgegeben, wobei sie ihrer Mutter vertraut und angenommen habe, keine Verkürzungen verursacht zu haben. Steuerliche Vollmachten für Klienten habe die Bf. bereits zurückgelegt. Die ,nachgeholten' Umsatzsteuererklärungen seien erklärungsgemäß veranlagt worden. Am Verrechnungskonto sei ein Guthaben von ATS 52.793,00 ausgewiesen gewesen.

Zur Nichtabgabe der UVAs für 1995 und 1996 werde ausgeführt, dass Umsatzsteuer für 1-12/1995 von ATS 91.220,00 und für 1-10/1996 von ATS 78.300,00 im Rahmen einer UVA-Prüfung vom festgesetzt worden sei. Der Gesamtbetrag von ATS 169.520,00 sei überwiesen bzw. ausgesetzt worden, sodass sich keine Verkürzung ergeben habe.

Es sei nicht richtig, dass die UVA 4/1996, 8-12/1997 und 1-6/1998 nicht abgegeben worden wären, sondern nur verspätet. Unter Einrechnung des oben erwähnten Guthabens am Finanzamtskonto und Abstattung des Restbetrages bis Jahresende 1998 habe der Saldo per Null betragen. Für die verspätet abgegebenen UVAs wäre Selbstanzeige geltend zu machen. Die Beträge wären teilweise durch vorhandenes Guthaben gedeckt gewesen, der Rest sei mit überwiesen worden.

Es sei richtig, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei den Umsatzsteuerzahlungen für 1993 bis 1998 gekommen sei, doch sei Sorge getragen worden, dass alle Rückstände so rasch als möglich getilgt werden.

Für 1993 und 1994 sei es nie zu Abgabenverkürzungen gekommen und das sei auch nie beabsichtigt gewesen. Im Gegenteil, es sei ein Guthaben von ATS 24.294,00 bzw. 52.793,00 entstanden.

Zu 1995 und 1996 wurde ausgeführt, dass hier keine UVAs abgegeben worden seien, jedoch die Nachzahlungen sofort nach Kenntnisnahme getätigt worden wären. Es sei alles innerhalb der Frist getilgt worden. Es habe keine Abgabenverkürzung gegeben.

1997 und 1998 seien die UVAs zwar verspätet abgegeben worden, doch käme hier die Selbstanzeige zum Tragen, da die Zahllasten durch Guthaben gedeckt gewesen seien und der Rest so rasch als möglich überwiesen worden sei. Es sei keine tatsächliche Abgabenverkürzung eingetreten.

Zudem habe die Bf. nicht schuldhaft gehandelt, da ihre schwere Nervenerkrankung zu nachhaltigen körperlichen und seelischen Störungen bis zu tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen geführt habe, sodass sie nicht in der Lage gewesen sie, die ihr auferlegten Pflichten wahrzunehmen. Bis heute habe sie sich nicht erholt und ihre berufliche Laufbahn beenden müssen.

Es werde um Einstellung des Strafverfahrens gemäß §§ 25 Abs. 1 und 7 FinStrG ersucht, da bei Vorliegen derartig schwerer nervlicher Erkrankung keine Schuldhaftigkeit angenommen werden könne und die Versäumnisse keine bedeutsamen Folgen gehabt hätten außer zeitweiliger verspäteter Zahlungen, deren Verzinsung durch die verhängten Strafzuschläge ausreichend Deckung finde. Es wäre eine unbillige Härte, wenn die Bf. am Ende ihrer beruflichen Laufbahn aufgrund ihrer körperlichen und seelischen Gebrechen, die ihr viel zu schaffen gemacht hätten, auch noch ein Strafverfahren durchstehen müsste.

Nach Angaben der Bf. habe sie 1989 und 1990 von ihren Tanten je ein Drittel des Hauses in Amstetten geerbt. Frau R. sei 1994 verstorben und habe das letzte Drittel des Hauses an ihre damals unmündigen Enkelkinder zu je einem Sechstel vererbt. Bis zum Todestag habe Frau R. das Haus und die Mieteinnahmen verwaltet und auch die Umsatzsteuerzahlungen geleistet. Mit Schenkungsvertrag vom habe die Bw. ihre Anteile an der Liegenschaft an Herrn G., ihren Sohn, übergeben.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sofern genügend Verdachtsgründe für die Einleitung wegen eines Finanzvergehens gegeben sind, das Finanzstrafverfahren einzuleiten.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt.

Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens verpflichtet, kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. beispielsweise ). Dabei ist nur zu prüfen, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichen oder nicht.

In der Beschwerde wurde als richtig zugestanden, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei den Umsatzsteuerzahlungen für 1993 bis 1998 gekommen sei, doch sei Sorge getragen worden, dass alle Rückstände so rasch als möglich getilgt würden. Weiters wurde ausgeführt, dass die Bf. aufgrund ihrer Erkrankung und einiger Klinikaufenthalte die Jahreserklärungen 1993 und 1994 nicht abgegeben habe, wobei die nachgeholten Umsatzsteuererklärungen erklärungsgemäß veranlagt wurden und sich am Verrechnungskonto ein Guthaben von ATS 24.294,00 bzw. ATS 52.793,00 ergab. Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Nachreichung der Erklärungen für 1993 am bzw. für 1994 erst am von der Bf. selbst bzw. am von der steuerlichen Vertretung erfolgt sind. Wenn die Bf. schließlich vermeint, dass überhaupt keine Verkürzung vorliege, da - wie anhand einer Rechnung dargestellt wurde - sich für die Jahre bis 1994 (aufgrund einer Gutschrift für Umsatzsteuer 1992 in Höhe von ATS 34.862,00) ein Guthaben von ATS 24.294,- ergeben habe, übersieht sie, dass ein Saldieren mit Steuern anderer Jahre keine Aussage über Verkürzungen in einzelnen Jahren trifft. Für jedes Delikt ist der strafbestimmende Wertbetrag zunächst gesondert zu berechnen und diese Beträge sind dann bei Zutreffen der Voraussetzungen zusammenzurechnen. Die Aufrechnung eines verkürzten Abgabenbetrages mit anderen allenfalls zu viel entrichteten Abgaben kann dabei nicht erfolgen (). Die entsprechenden Berechnungen des Finanzamtes stützten sich auf die Angaben in den nachgereichten Jahreserklärungen und ergaben für 1993 eine objektive Zahllast von ATS 52.437,00 und für 1994 einen Betrag von ATS 18.131,00.

Eine rechtzeitige Entrichtung einer vom Abgabepflichtigen selbst zu berechnenden Abgabe (wie die Umsatzsteuer) im Wege der Verrechnung mit einem Guthaben setzt voraus, dass ein solches Guthaben im Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabenschuld gegenübersteht und dass der Abgabepflichtige dem Finanzamt die mit dem Guthaben zu verrechnende Abgabenschuld spätestens am Fälligkeitstag in einem für die kontokorrentmäßige Verrechnung durch die Finanzkasse geeigneten Weise bekannt gibt, woraus abzuleiten ist, dass die geschuldete selbst zu berechnende Abgabe erst mit ihrer Bekanntgabe an das Finanzamt als entrichtet angesehen werden kann. Eine solche Bekanntgabe durch die Bf. ist jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum unterblieben.

Dass - wie in der Beschwerde vorgebracht - bis zum Todestag 1994 die Mutter der Bf. pünktlich die Umsatzsteuerzahlungen geleistet hat, spielt für den Verdacht einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht für die Umsatzsteuerjahreserklärung 1993 und 1994 durch die Bf. keine Rolle, denn es wird übersehen, dass für diese Jahre nicht die verspätete Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen unter Strafandrohung steht, sondern die (versuchte) Verkürzung der entsprechenden Jahresumsatzsteuer. Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich die Strafbarkeit einer Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Strafbarkeit zufolge der nachfolgenden (versuchten) Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG kein Hindernis entgegensteht ().

Bei den Berufungsausführungen, die Bw. habe die Umsatzsteuerjahreserklärung 1994 nicht abgegeben, da sie ihrer Mutter vertraut habe, kann es sich hinsichtlich der Jahreszahl nur um ein zeitliches Versehen handeln, ist doch Frau R. im Jahr 1994, somit jedenfalls vor einer abgabenrechtlichen Verpflichtung zur Abgabe der genannten Jahreserklärung verstorben.

Zum Verdacht einer Verkürzung durch die Nichtabgabe bzw. verspätete Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen 1-12/1995, 1-10/ 1996, 4/1997, 8-12/1997 und 1-6/1998 ist darauf hinzuweisen, dass es für die Strafbarkeit nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG unerheblich ist, dass der Saldo per Null betragen hat. Zum Tatbild der Steuerhinterziehung gehört keineswegs eine endgültige Verkürzung der Abgaben; es genügt auch die vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils. Verkürzt wird eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie, ganz oder teilweise, dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in dem er nach dem betreffenden Steuergesetz darauf Anspruch gehabt hat. Gerade beim Tatbestand nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG stellt die bloß vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils den Regelfall dar (). Dass die Nachzahlungen sofort nach Kenntnisnahme - jeweils nach Fälligkeit der Umsatzsteuer nach § 21 UStG - innerhalb der Nachfrist getätigt worden sind, spielt daher für die Verwirklichung des Tatbildes nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG keine Rolle.

Die bei den diversen Tatzeiträumen aufgestellte Behauptung, dass sich keine Verkürzung ergeben hätte bzw. bei Gesamtbetrachtung ein Guthaben ergeben hätte, ist bezogen auf die einzelnen Teilhandlungen bzw. Umsatzsteuervoranmeldungen mangels Bekanntgabe - wie bereits oben ausgeführt - nicht richtig. Die Schadensgutmachung wäre jedoch bei einer allfälligen Strafbemessung als mildernd zu werten.

Zum Vorliegen einer Selbstanzeige betreffend Umsatzsteuervoranmeldungen 4/1997, 8-12/1997 und 1-6/1998, die zwar mit Schreiben vom verspätet abgegeben wurden, nach Ansicht der Bf. doch Zahllasten durch Guthaben gedeckt gewesen seien und der Rest so rasch als möglich überwiesen worden sei und tatsächlich keine Abgabenverkürzung eingetreten wäre, ist zu erwidern, dass die Voranmeldungen erst im Zuge der UVA-Prüfung (Prüfungsauftrag vom ) nachgereicht wurden, sodass unabhängig von der Frage der Entrichtung gemäß § 29 Abs. 3 lit. c FinStrG keine strafbefreiende Wirkung eintreten kann, da die Selbstanzeige nicht schon zu Beginn der Prüfung erstattet wurde.

Der Verdacht, dass es objektiv zu Verkürzungen an Umsatzsteuer 1993 bis 1998 gekommen ist, wurde durch den Akteninhalt bestätigt. Die genaue Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages wird im weiteren Finanzstrafverfahren zu prüfen sein.

Die Bf. vermeint durch den Hinweis, sie habe nicht schuldhaft gehandelt, da ihre schwere Nervenerkrankung zu nachhaltigen körperlichen und seelischen Störungen bis zu tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen geführt habe, sodass sie nicht in der Lage gewesen sie, die ihr auferlegten Pflichten wahrzunehmen und sie sich bis heute nicht erholt und ihre berufliche Laufbahn beenden musste, eine Zurechnungsunfähigkeit aufzuzeigen. Dabei wird übersehen, dass Zurechnungsunfähigkeit nicht schon gegeben ist, wenn zB. im Zeitpunkt der Tat eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorgelegen ist, sondern nur dann, wenn diese auch der Grund für die Unfähigkeit ist, das Unrecht der konkreten Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Im inkriminierten Zeitraum hat die Bf. teilweise auch selbst ihre steuerlichen Agenden - wenn auch verspätet - wahrgenommen, woraus durchaus der Verdacht ableitbar ist, dass sie sich ihrer steuerlichen Verpflichtungen nach wie vor bewusst war. Dass sie als Wirtschaftstreuhänderin die Folgen der Verletzung von abgabenrechtlichen Pflichten kannte, ist allein schon durch ihre Ausbildung nachgewiesen. Schließlich hat die Bf., wie dem Finanzstrafakt zu entnehmen ist, entgegen den Beschwerdeausführungen ihre Tätigkeit als Steuerberaterin (auch wenn zwischenzeitig keine Klienten mehr vertreten werden) in den verfahrensgegenständlichen Jahren 1993 bis 1998 weiterhin ausgeübt und wurde auch beim Finanzamt Mödling veranlagt. Ein weiteres Indiz, dass die Beeinträchtigungen nicht im behaupteten Ausmaß vorgelegen sind, ist die Tatsache, dass gegen die Bf. im Jahr 1994 ein Finanzstrafverfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde und damals von der Finanzstrafbehörde keine Veranlassung bestand, an der Dispositions- oder Diskretionsfähigkeit der Bf. zu zweifeln. Zudem war die Bf. ab 1999 bis 2002 als Angestellte in der Immobilienvermittlung von Herrn G. tätig, sie konnte somit gewisse Aufgaben sehr wohl erledigen, sodass sich aufgrund ausreichender Anhaltspunkte der Verdacht auch der subjektiven Tatseite der Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 bzw. Abs. 2 lit. a FinStrG als gegeben darstellt.

Weder der Aktenlage noch dem Beschwerdevorbringen sind nähere Einzelheiten über die behauptete Erkrankung zu entnehmen, woraus sich im derzeitigen Verfahrensstadium Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der Bf. ableiten lassen würden. Auch war die Bf. dem damaligen (zwischenzeitig im Ruhestand befindlichen) Organ der Finanzstrafbehörde erster Instanz, der keine Hinweise auf oder Zweifel über die behauptete Zurechnungsunfähigkeit erkennen konnte, persönlich aus beruflicher Tätigkeit bekannt. Dass für die Bf. aufgrund ihres Geisteszustandes ein Sachwalter bestellt worden wäre, wurde ebenso wenig behauptet wie Unterlagen über die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorgelegt. Es ist nicht Aufgabe des die Einleitung des Finanzstrafverfahrens betreffenden Rechtsmittelverfahrens, schon in diesem Verfahrensstadium - zumal keine Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit bestehen - ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchzuführen. Eine abschließende Beurteilung, ob und für welche Tatzeiträume allenfalls eine Zurechnungsunfähigkeit als Folge welcher "körperlichen und seelischen Gebrechen" gegeben sein sollte, wird im weiteren Finanzstrafverfahren durch die Finanzstrafbehörde erster Instanz zu prüfen sein, bei der auch entsprechende Nachweise über die behauptete Zurechnungsunfähigkeit beigebracht werden können. Einziger detaillierter Anhaltspunkt im Akt ist die Stellungnahme des Finanzamtes Amstetten vom zu den Berufungen gegen die Umsatzsteuerbescheide 1994 und 1995 sowie die Festsetzung der Umsatzsteuer 1-10/1996, worin ausgeführt wurde, dass die Bf. wegen eines Alkoholproblems nicht ansprechbar gewesen wäre. Daraus lässt sich jedoch noch keine Zurechnungsunfähigkeit ableiten.

Auch eine als "Einspruch" bezeichnete Beschwerde des Sohnes der Bf. gegen die Zuziehung als Nebenbeteiligten gemäß § 122 FinStrG, in der dieser ausführte, sehr unter der Krankheit der Mutter gelitten zu haben und er der Meinung sei, dass die Bf. durch ihre schwere Krankheit nicht wegen ihrer Versäumnisse zur Verantwortung gezogen werden könne, da ihre Handlungsfähigkeit offensichtlich nicht gegeben war, kann für das vorliegende Verfahren mangels Konkretisierung derzeit nichts gewinnen. Eine subjektive Einschätzung des Sohnes der Bf., der zu Beginn der inkriminierten Zeiträume erst 14 Jahre alt gewesen war, ist nicht geeignet, die vorliegenden Verdachtsmomente gegen die Bf. auszuräumen oder begründeten Zweifel an der subjektiven Tatseite zu bewirken, wurde die Bf. zudem als Angestellte in der Immobilienfirma des Sohnes im Zeitraum 1999 bis 2002 beschäftigt, was keineswegs auf die angesprochene eingeschränkte Handlungsfähigkeit hinweist. Auch ist nicht davon auszugehen, dass jemand - selbst im Familienverband - eine handlungsunfähige bzw. im finanzstrafrechtlichem Sinne zurechnungsunfähige Person anstellen würde.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen liegen keineswegs "nur" Finanzordnungswidrigkeiten nach §§ 49 Abs. 1 lit. a und 51 Abs. 1 lit. a FinStrG vor, sondern konnten genügend Verdachtsgründe festgestellt werden, die laut derzeitiger Aktenlage die Annahme der inkriminierten Finanzvergehen sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht bestätigen.

Da entgegen dem Vorbringen der Bf. im derzeitigen Verfahrensstadium von einem Verdacht der Abgabenhinterziehung, somit vom Verdacht eines schuldhaften Verhaltens auszugehen ist und auch die Folgen der Tat bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von zusammen ca. € 24.708,00 (entspricht ATS 340.000,00) nicht als unbedeutend angesehen werden können, kann von mangelnder Strafwürdigkeit im Sinne des § 25 FinStrG nicht gesprochen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 164 FinStrG ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen aber das Recht zu, gegen diesen Bescheid binnen sechs Wochen nach dessen Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und/oder beim Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof muss -abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 169 FinStrG wird zugleich dem Amtsbeauftragten das Recht der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingeräumt.

Wien,

OR Mag. Gerhard Groschedl

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Einleitung
Abgabenhinterziehung
Steuerberaterin
vorübergehende Verkürzung
Zurechnungsunfähigkeit

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at