Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 05.01.2004, RV/1333-W/03

Kapitalertragsteuer, finanzmathematische Berechnung der Stückzinsen von Nullkuponanleihen mit langer Laufzeit, KEST-Pflicht bei Depotentnahme, Vertrauensschutz

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. B228/04 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/13/0075 eingebracht. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0083-W/08 erledigt.


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Rechtssätze
Folgerechtssätze
RV/1333-W/03-RS1
wie RV/0225-K/02-RS1
Verkauft die KESt-befreite Bank Zero-Bonds mit einer Laufzeit von 30 bzw. 35 Jahren, so sind die Stückzinsen für Zwecke der KESt-Gutschrift nach der finanzmathematischen und nicht nach der linearen Methode zu berechnen. Andernfalls wäre die KESt-Gutschrift beinahe so hoch wie der Erwerbspreis der Zero-Bonds bzw. würde diesen sogar übersteigen. Die Bank haftet für die zu hoch erstattete KESt.
RV/1333-W/03-RS2
wie RV/0655-I/02-RS2
Die Entnahme eines Wertpapiers (hier: einer Nullkuponanleihe) aus dem Depot einer inländischen Bank gilt als Veräußerung im Sinne des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 und begründet Kapitalertragsteuerpflicht hinsichtlich der anteilig auf die Zeit vor der Entnahme entfallenden Stückzinsen.
RV/1333-W/03-RS3
wie RV/0655-I/02-RS3
§ 117 BAO gilt nur für "Rechtsauslegungen", also für Aussagen, welche die Interpretation von Rechtsnormen zum Inhalt haben. Eine sichtlich aus Vereinfachungsgründen getroffene Richtlinienaussage des Inhaltes, dass Zinsen pauschal (nach der Linearmethode) geschätzt werden dürfen, stellt keine Äußerung einer Rechtsansicht dar. Wird diese Aussage in einem späteren Erlass nicht mehr aufrecht erhalten, liegt daher kein Anwendungsfall des § 117 BAO vor.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Eidos Deloite & Touche Steuerberatung GmbH, gegen die Haftungs- und Abgabenbescheide des Finanzamtes für den 23. Bezirk in Wien vom betreffend Juli 1999, August 1999, September 1999, Oktober 1999, November 1999, Dezember 1999, Jänner 2000, März 2000 und Mai 2000 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Die Höhe der Kapitalertragsteuer für die die Bw. zu Haftung herangezogen wird, bleibt unverändert und beträgt:


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Juli 1999
17.039,96 €
das entspricht
234.475,- ATS
August 1999
42.312,81€
das entspricht
582.237,- ATS
September 1999
222.193,77 €
das entspricht
3.057.453,- ATS
Oktober 1999
19.925,58 €
das entspricht
274.182,- ATS
November 1999
70.041,42 €
das entspricht
963.791,- ATS
Dezember 1999
97.503,40 €
das entspricht
1.341.676,- ATS
Jänner 2000
108.507,88 €
das entspricht
1.493.101,-ATS
März 2000
68.211,52 €
das entspricht
938.611,- ATS
Mai 2000
14.076,95 €
das entspricht
193.703,- ATS

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Ab dem Jahr 2000 wurden vom Finanzamt für den 23. Bezirk im Hinblick auf ungewöhnlich hohe Kapitalertragsteuergutschriften in den Kapitalertragsteueranmeldungen mehrerer Banken Prüfungen gemäß § 151 BAO veranlasst. Dabei stellte sich heraus, dass diese hohen Gutschriften im Zusammenhang mit dem Verkauf von bestimmten Nullkuponanleihen (Zero-Bonds) standen.

Ein Zero Bond stellt eine Anleiheform dar, die eine Nominalverzinsung von null aufweist. Anstatt der jährlichen Zinszahlungen fällt der gesamte Zahlungsstrom, bestehend aus Kapitaltilgung und Zinserträgen, am Ende der Laufzeit an. Die gesamte Verzinsung kommt in der begebenen Anleihe in einem hohen Disagio zum Ausdruck, wobei das Nominale mit einem laufzeitadäquaten Kapitalmarktzins abgezinst wird (Schiestl, Nullkuponanleihen in Österreich, ÖBA 1991, 114).

Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Ausgabewert und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe gehört gemäß § 27 Abs 2 Z 2 EStG 1988 zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Bei einem kapitalertragsteuerpflichtigen Eigentümer der Anleihe ist von diesem Unterschiedsbetrag gemäß den §§ 95 f EStG 1988 von der als kuponauszahlender Stelle agierenden Bank Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen.

Wird eine Nullkuponanleihe vor dem Ende der Laufzeit veräußert, so werden im Kaufpreis auch anteilige Kapitalerträge abgegolten. Von diesen Kapitalerträgen wird im Hinblick auf § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 ein Kapitalertragsteuerabzug beim Veräußerer vorgenommen, sofern die Voraussetzungen für eine Besteuerung in Österreich vorliegen.

Für den Erwerber der Nullkuponanleihe stellen die vom Veräußerer verrechneten anteiligen Kapitalerträge einen vorweggenommenen Kapitalertrag dar. Dies ergibt sich daraus, dass der zur Kuponfälligkeit erhaltene volle Kapitalertrag durch die Bezahlung der bisher angefallenen Zinsen vorbelastet ist. Der Erwerber erhält daher eine Kapitalertragsteuergutschrift. Da am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe Kapitalertragsteuer für den gesamten Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabepreis und Einlösungswert anfällt, soll durch diese Gutschrift erreicht werden, dass die Steuerbelastung nur den Kapitalerträgen jenes Zeitraumes entspricht, in dem ein Steuerpflichtiger die Nullkuponanleihe auch tatsächlich gehalten hat. Der Erwerber erhält die Kapitalertragsteuergutschrift allerdings nach der Verwaltungspraxis auch dann, wenn der Veräußerer in Österreich nicht kapitalertragsteuerpflichtig ist und daher bei ihm kein Kapitalertragsteuerabzug erfolgt ist.

Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Kapitalertragsteuer auf 22% bei Einlagen bei Banken und Forderungswertpapieren ab gestattete das Bundesministerium für Finanzen im Hinblick auf die Abgrenzung der Zinsen für Zeiträume vor und nach dem mit Erlass vom , GZ. 14 0602/1-IV/14/93, Pkt. 5. (1) bzw. Pkt. 4. 5 (2), für die Ermittlung des Kapitalertragsteuerabzuges die Berechnung des monatlichen Kapitalertrages in Form einer linearen Verteilung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Ausgabewert und dem Einlösungswert auf die gesamte Laufzeit. Bei kurzen Laufzeiten der Anleihen und kleinen Zinssätzen sind dabei die Unterschiede zu einer exakteren kalkulatorischen Berechnung nur gering.

Bei diesen hochverzinsten und langfristigen Nullkuponanleihen führt die lineare Verteilung der Zinsen auf die gesamte Laufzeit zu hohen Abweichungen zu einer kalkulatorischen Berechnung der einzubehaltenen oder zu erstattenden Kapitalertragsteuer.

Dadurch hatten die Erwerber der Papiere nur mehr die (meist geringe) Differenz auf den Kaufpreis aufzuzahlen, bei einer der Wertpapiere, einer langfristigen Zlotyanleihe führt dies sogar dazu, dass der Erwerber des Papiers eine Gutschrift erhält, die höher ist als der Kaufpreis. Da die Papiere von den Banken im Ausland besorgt wurden, kam es aber andererseits in diesen Fällen zu keinem korrespondierenden Kapitalertragsteuerabzug.

Einige Banken dürften bei Verkäufen von Nullkuponanleihen, gestützt auf eine seitens des Bundesministeriums für Finanzen erteilte Anfragebeantwortung, dass auch eine exakte Berechnung der zeitanteiligen Kapitalerträge möglich ist und die im Erlass dargestellte vereinfachende Abgrenzung hinter eine angestrebte genaue Berechnung zurückzutreten hat (vgl. zitiert in Schönstein, KESt und Zero-Bonds, SWK 14/2001, 404), die Stückzinsen finanzmathematisch berechnet haben. Dies wurde von einigen Kunden dazu genutzt, den sich aus den beiden unterschiedlichen Berechnungsweisen ergebenden Differenzbetrag zu lukrieren, indem sie Wertpapiere bei einer linear abrechnenden Bank kauften, die Papiere aus dem Depot entnahmen und bei einer finanzmathematisch abrechnenden Bank wieder verkauften. Weiters wurden wahrscheinlich Wertpapiere nach der Depotentnahme ins Ausland verbracht und dort steuerfrei verkauft und verblieb dadurch die beim Kauf erhaltene Kapitalertragsteuergutschrift dem Kunden als endgültiger Vorteil.

Im Zuge der Prüfung bei der Bw. über die Voranmeldungszeiträume Juli 1999, August 1999, September 1999, Oktober 1999, November 1999, Dezember 1999, Jänner 2000, März 2000, und Mai 2000wurde von der Betriebsprüfung bei hochverzinsten und langfristigen Nullkuponanleihen die Ermittlung der Kapitalertragsteuer abweichend von der linearen Ermittlung durch die Bw. aufgrund einer kalkulatorischen Berechnungsmethode ermittelt.

Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt für den 23. Bezirk die sich aufgrund der von den Erklärungen der Bw. abweichenden finanzmathematischen Berechnung der Erwerbe und Verkäufe von Wertpapieren resultierende Kapitalertragsteuer für


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Juli 1999
mit
17.039,96 €
das entspricht
234.475,- ATS
August 1999
mit
42.312,81€
das entspricht
582.237,- ATS
September 1999
mit
222.193,77 €
das entspricht
3.057.453,- ATS
Oktober 1999
mit
19.925,58 €
das entspricht
274.182,- ATS
November 1999
mit
70.041,42 €
das entspricht
963.791,- ATS
Dezember 1999
mit
97.503,40 €
das entspricht
1.341.676,- ATS
Jänner 2000
mit
108.507,88 €
das entspricht
1.493.101,-ATS
März 2000
mit
68.211,52 €
das entspricht
938.611,- ATS
Mai 2000
mit
14.076,95 €
das entspricht
193.703,- ATS

fest und zog die Bw. dafür zur Haftung heran. Hinsichtlich der genaue Zusammensetzung der Beträge wird auf die Darstellung in Niederschrift der Betriebsprüfung vom verwiesen.

Dagegen erhob die Bw Berufung und beantragte die Aufhebung der Bescheide.

In der Berufung sowie einem ergänzenden Schreiben wurde folgendes vorgebracht:

Der Sachverhalt als solcher stehe außer Streit. Er sei daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens, in dem es ausnahmslos um Rechtsfragen gehe.

Anlassfall für dieses Verfahren seien offensichtlich die vorzeitigen Verkäufe von Nullkuponanleihen (sog. Zero-bonds) von manchen Anlegern bei Kreditinstituten in Österreich. Durch Depotüberträge von der Bw auf finanzmathematisch rechnende Kreditinstitute sei es zum Ergebnis gekommen, dass die dem Erwerber gutgeschriebene Kapitalertragsteuer höher gewesen sei als die von der Bw auf Basis einer linearen Abgrenzung der Stückzinsen ordnungsgemäß einbehaltene und abgeführte Steuer. Der Fiskus habe daraus einen Schaden in Millionenhöhe erlitten, der nun auf die Bw. und andere Banken abgewälzt werden solle. Dagegen bestünden massive Bedenke. Die Bw. habe sich in dieser Sache gesetz-und erlasskonform verhalten. Gegenteiliges sei nicht einmal im Zuge der Prüfung behauptet oder gar an Hand von Fakten erhärtet worden. Dazu komme noch, dass dieser Steuerausfall durch entsprechende Vorkehrungen seitens der Behörde vermieden hätte werden können. Schließlich dürfe die dem Erwerber gutgeschriebene Steuer von Gesetzes wegen die einbehaltene KESt nicht übersteigen (§ 95 Abs. 6 EStG 1988). Daher wäre es dem Fiskus oblegen, dafür zu sorgen, dass die KESt-Gutschrift auch tatsächlich mit dem von der Bw ordnungsgemäß berechneten und abgeführten Betrag begrenzt werde. Die Bw. habe darauf überhaupt keinen Einfluss gehabt. Nicht unerwähnt bleiben dürfe, dass es hier überhaupt nicht um eine eigene Steuer der Bw gehe (die Bw. sei nicht Schuldner, sondern nur Haftender für die KESt) und sie habe aus dieser Konstruktion auch keinerlei steuerlichen Nutzen gezogen. Dazu komme noch, dass es bei der weitaus überwiegenden Zahl der betroffenen Depots weder zu Überträgen, noch zu Verkäufen gekommen sei, sondern die Wertpapiere noch immer auf den Depots liegen würden. Umgekehrt gäbe es einige wenige Fälle, bei denen die Steuergesetze exzessiv ausgenützt worden seien, um daraus einen ungerechtfertigten KESt-Vorteil zu ziehen. Diese Differenzierung wäre auch auf Seiten der Behörde wünschenswert gewesen, alleine schon, um den Eindruck zu verhindern, dass auch die "Anständigen" - sie repräsentieren die absolute Mehrheit - bestraft würden, nur um wenige "schwarze Schafe" zu erwischen. Durch ein solches sprichwörtliches "alles über einen Kamm scheren" werde im Ergebnis wesentlich Ungleiches gleich behandelt, was sogar verfassungsrechtliche Aspekte unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes erwecke.

Die Begründung der angefochtenen Bescheide sei nur wenig ergiebig. Die Niederschrift über die Schlussbesprechung vom - die einzige Bescheidbegründung - enthalte lediglich eine detaillierte Übersicht über die Abfuhrdifferenz laut Betriebsprüfung

Den angefochtenen Bescheiden (einschließlich der Niederschrift) sei somit nur zu entnehmen, dass die gewählte Berechnung nicht den Vorstellungen der Behörde entspreche. Dies bedeute weder, dass die Berechnung unzutreffend (oder gar gesetzwidrig) wäre, noch dass die Berechnung der Behörde "richtiger" sei.

Nach Ansicht der Behörde sei die Abgrenzung der Stückzinsen finanzmathematisch (und nicht linear) vorzunehmen. Die Bw. teile diese Auffassung nicht, die insbesonders aus folgenden Gründen nicht überzeuge:

  • Das Gesetz treffe zur Berechnung der Stückzinsen keine Aussage. Daher könne aus dem EStG 1988 weder ein Verbot der linearen Abgrenzung noch ein Vorrang der (oder gar eine Pflicht zur) finanzmathematischen Berechnung abgeleitet werden.

  • Auf dieser Linie lägen auch die KESt-RL (Pkt. 5.1. Abs. 6) und der RdW 2001/696, die beide Berechungsmethoden als gleichwertig behandeln würden. Somit habe die Bw. den erlassmäßig vorgegebenen Rahmen zu keinem Zeitpunkt verlassen.

  • Der KESt-Abzug erweise sich auch in zeitlicher Hinsicht als fragwürdig. So verlange § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 einen Zufluss im Sinne des § 19 leg.cit..Nach der Judikatur des VwGH sei dieser Zufluss nicht bereits bei der Veräußerung sondern erst bei Erwerb durch den Rechtsnachfolger zu unterstellen (Erk. , 91/14/0064, ÖStZB 1995, 98). Aus dieser Entscheidung werde völlig zurecht - abgeleitet, dass § 95 Abs. 4. Z 3 EStG 1988 für die Abrechung von Stückzinsen bei vorzeitigen Verkauf eines Forderungswertpapiers keinen Anwendungsbereich mehr besitze (Mühlehner; RdW 1997, 746, unter Hinweis auf Zorn, RdW 1994, 290) 292).

  • Dazu kämen noch massive Bedenken gegen die Haftungsinanspruchnahme (nicht nur) unter dem Aspekt der Ermessensübung. Schließlich seien die Voraussetzungen für einen direkten Zugriff auf den Primärschuldner vorgelegen (§ 95 Abs. 5. EStG 1988). Eine solche Vorgangsweise - also die direkte Inanspruchnahme des Primärschuldners - wäre insbesondere bei missbräuchlicher Ausnutzung der gesetzlichen Regelungen/Richtlinien geboten gewesen, da er - nicht die Bw- die KESt "optimiert" und auch den finanziellen Nutzen aus dieser Transaktion gezogen habe

Einwand: Kein gesetzliches Verbot gegen die lineare Abgrenzung

Die Vorgangsweise bei der Abgrenzung von Stückzinsen beim vorzeitigen Verkauf eines Wertpapiers (hier: einer Nullkuponanleihe) sei gesetzlich nicht geregelt. Das BMF habe auf dem Erlassweg ein an keine Bedingungen geknüpftes Wahlrecht eingeräumt, von dem die Bw durch Anwendung der linearen Berechnung Gebrauch gemacht habe. Somit sei ihre Vorgangsweise als ordnungsgemäß und gesetzeskonform zu bezeichnen.

Das Gesetz treffe an mehreren Stellen Aussagen zur prinzipiellen Steuerpflicht für Stückzinsen und - davon abgeleitet - zum KESt-Abzug. Doch gerade darum gehe es in diesen Verfahren nicht. Die Bw bestreite die Steuerpflicht weder dem Grunde nach, noch den KESt-Abzug als solchen. Entscheidend sei vielmehr die Art der Berechnung der Stückzinsen, und damit die Höhe der KESt-pflichtigen Kapitalerträge. Gerade dazu treffe das EStG 1988 keine Aussage. Folgende Beispiele würden dies belegen:

  • Gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gehörten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch "Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabewert eines Wertpapiers und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert, wenn diese 2 % des Wertpapiernominales übersteigen würden. Im Fall des vorzeitigen Rückkaufes trete an die Stellte des Einlösungswertes der Rückkaufpreis." Stückzinsen, die anlässlich der Veräußerung fest verzinslicher Wertpapiere gesondert vergütet werden und auf die Zeit von der letzten Kuponfälligkeit bis zum Verkaufstermin entfallen, seien dem Veräußerer zuzurechen (Doralt, EStG4, § 27 Tz 95). Dem sei uneingeschränkt zuzustimmen. Für die Höhe der KESt-pflichtigen Kapitalerträge sei damit aber noch nichts gewonnen; denn diese Bestimmung treffe dazu keine Aussage.

  • Die Kapitalerträge (somit auch jene nach § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988) würden gemäß § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 für KESt-Zwecke als zugeflossen gelten. Auch diese Bestimmung lasse die Frage nach der Abgrenzung der Stückzinsen gänzlich offen. Ihr sei nicht - nicht einmal andeutungsweise - zu entnehmen, wie die Berechnung zu erfolgen habe. Sie biete nicht einmal Anhaltspunkte dafür, ob hiefür nur eine einzige Methode zur Verfügung stehe oder ob der Abzugsverpflichtete zwischen mehreren Varianten frei wählen könne. Erst recht lasse diese Norm offen, ob ein solches Wahlrecht an Bedingungen geknüpft sei oder ob der Abzugsverpflichtete hier wirklich die sprichwörtliche "freie Hand" habe. Das Gesetz biete somit keinen Anhaltspunkt für ein Gebot zur finanzmathematischen Berechnung. Daraus sei im Umkehrschluss abzuleiten, dass auch die lineare Abgrenzung gesetzlich gedeckt sei. Dies umso mehr, als das BMF diese Art der Berechnung erlassmäßig eingeräumt habe und den BMF-Erlässen ein Verstoß gegen das Gesetz wohl nicht ernsthaft unterstellt werden könne.

  • Bereits diese beiden Beispiele machten deutlich, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen die Frage der Berechnung der Stückzinsen offen ließen. Zu prüfen sei allerdings noch, ob eine eindeutige Lösung aus dem Gesetz als Gesamtwerk abgeleitet werden könne. Dies wäre dann der Fall, wenn das EStG 1988 ein Gebot zur genaueren (aufwendigeren) Berechnung enthalte und Durchschnittsbetrachtungen, Pauschalierungen u.dgl. ablehne (bzw. umgekehrt). Dies sei nicht der Fall. So enthalte das Gesetz selbst an mehreren Stellen Vereinfachungsregeln, wie zB

    • die lineare Berechung der AfA (§ 7 Abs. 1),

      • die Erleichterungen für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 13),

      • diverse Pauschbeträge etwa im Bereich der Werbungskosten (§ 16), oder

      • die Besteuerung nach Durchschnittssätzen in ausgewählten Fällen (§ 17).

Dem stehe die Notwendigkeit einer versicherungs- oder finanzmathematische Berechnung nur beim Sozialkapital gegenüber (vgl. nur § 14 Abs. 7 Z 1 und Abs. 12 EStG 1988). Damit sei dem EStG 1988 ein Gebot zur finanzmathematischen Berechnung in - wie hier - ungeregelten Fällen nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen. Somit bestätige auch die Gesamtbetrachtung den ersten Eindruck, dass die lineare Berechnung von der Warte des Gesetzes in gleicher Weise zulässig sei wie beispielsweise eine finanzmathematische Abgrenzung.

Dieses Zwischenergebnis werde durch die Verwaltungspraxis erhärtet. Das BMF habe mehr als einmal bestätigt, dass beide Varianten gleichwertig seien.

Ein Streifzug durch die einschlägigen BMF-Erlässe zeige folgendes Bild:

  • Nach Pkt. 5.1 Abs. 6 der KESt-RL könne der Kapitalertrag aus Unterschiedsbeträgen im Sinne des Punktes 3.3. "einschließlich Nullkuponanleihen ...... nach der im Pkt. 5.1 Abs. 1 dargestellten Formel abgegrenzt werden." Somit sei auch für Zerobonds die lineare Berechnung ausdrücklich vorgesehen.

  • Diese Auffassung wäre in einer Einzelerledigung vom , RdW 2001/696 ausdrücklich bestätigt worden. Demnach sei bei der Veräußerung eines Wertpapiers vor dem Ende der Laufzeit für den zeitanteiligen Kapitalertrag des Veräußerers im Zeitpunkt Abzugspflicht gegeben. Die Berechnung dieser anteiligen Kapitalerträge habe grundsätzlich finanzmathematisch zu erfolgen; die KESt RL erlaubten allerdings auch eine (vereinfachte) Berechnung anhand der in Pkt. 5. 1 dargestellten Formel.

Der Bw sei durchaus bewusst, dass diese Haltung des BMF großzügiger als jene in Deutschland sei, wo nur die finanzmathematische Abgrenzung anerkannt werde ( DB 465). Die lineare Abgrenzung sei - dieser Aspekt erscheine wesentlich - auch an keine Bedingungen geknüpft. So wäre für die einfachere Berechnung weder ein Antrag noch das Nichtüberschreiten einer bestimmten Bandbreite zur finanzmathematischen Berechnung erforderlich gewesen. Vielmehr wäre es jedem einzelnen Abfuhrverpflichteten freigestellt, für welche Berechnungsvariante er sich entscheide. Diesbezüglich habe somit ein freies Wahlrecht bestanden, von dem die Bw in Form der linearen Abgrenzung Gebrauch gemacht habe. Dieser Weg sei - wie eben gezeigt - gesetzes- und erlasskonform. Gerade unter diesem Aspekt verwunderten die Prüfungsfeststellungen (samt Steuernachforderung), da der Bw damit - freilich unterschwellig - ein fehlerhaftes Verhalten unterstellt werde. Dafür gäbe es aber keine objektiven Anhaltspunkte. Die Vorgangsweise der Bw. sei ordnungsgemäß und daher nicht zu beanstanden.

Dieses Wahlrecht wurde - soweit ersichtlich - durch die EStR 2000 beseitigt. Dort sei nur mehr die finanzmathematische Berechnung vorgesehen. Diese Änderung der Erlasspraxis sei für die Zukunft - und nur insoweit - von Bedeutung, nicht hingegen auch für die Vergangenheit. Dies komme in den EStR 2000 selbst zu Ausdrucke, die in der Einleitung zu folgende bemerkenswerte Aussage treffen würden:

"Die EStR 2000 sind auf der Veranlagung 2000 generell anzuwenden. Bei abgabenbehördlichen Prüfungen für vergangene Zeiträume und auf offene Veranlagungsfälle .... sind die EStR 2000 anzuwenden, soweit nicht........andere Erlässe für diese Zeiträume günstigere Regelungen vorsehen."

Die bisherigen BMF-Erlässe hätten eine solche für die Bw günstigere Regelung enthalten, die der Bw dem gemäß nicht (auch nicht unter Hinweis auf die EStR 2000) verwehrt werden dürfe. Ergänzend sei noch auf folgenden Aspekt hinzuweisen: Die Änderung der Erlasspraxis ändere nichts daran, dass das Gesetz in dieser Frage unverändert geblieben sei. Daher könne die Vorgangsweise der Bw nicht nachträglich gesetzwidrig geworden sein, nur weil das BMF in dieser Frage nunmehr eine weniger großzügige Haltung einnehme.

Einwand: Rückgängig gemachte Kapitalerträge (§ 95 Abs. 6 EStG 1988)

Das Rückgängigmachen von Kapitalerträgen führe gemäß § 95 Abs. 6 EStG 1988 zu einer KESt-Gutschrift, die jedoch der Höhe nach mit den an den rückgängig gemachten Kapitalerträgen einbehaltene KESt beschränkt sei (Quantschnigg/Schuch, ESt-HB2, § 95 Tz 12). Damit bilde die ist die erhobene bzw. zu erhebende KESt die Obergrenze für die KESt-Gutschrift (Doralt EStG4, § 95 Tz 49 mwN). Im Bereich der Forderungswertpapiere lägen rückgängig gemachte Kapitalerträge iZm Stückzinsenabrechnungen vor (Quantschnigg/Schuch, ESt-HB2' § 95 Tz 9 Pkt. 2; Doralt, EStG4, § 95 Tz 32).

Auf Grund dieser Bestimmung wäre es - insbesondere unter Bedachtnahme der Möglichkeit des Depotübertrages von einem Kreditinstitut zu einem anderen - Aufgabe der Behörde gewesen, dafür zu sorgen, dass die KESt-Gutschrift die ordnungsgemäß einbehaltene und abgeführte KESt nicht übersteigt. Die von der Bw gewählte Berechnung - die lineare Abgrenzung - entspreche jedenfalls dem Gesetz, dass zu dieser Frage keine Aussage treffe, sie somit gänzlich offen lasse. Das BMF habe auf dem Erlassweg die einfachere ("lineare") Abgrenzung ausdrücklich zugelassen (zuletzt: RdW 2001/6696). Aus diesem Grund spreche die KESt Handhabung durch die Bw dem Gesetz und der Verwaltungspraxis. Dies bedeute in weiterer Folge, dass die von der Bw ermittelten Werte ordnungsgemäß und daher als Obergrenze für die KESt-Gutschrift heranzuziehen seien (§ 95 Abs. 6 EStG 1988). Die Bw habe somit eine richtige Methode angewendet und bei dieser ausreichend KESt abgezogen, sodass es für ihre Haftungsinanspruchnahme keine sachliche Rechtfertigung mehr gäbe (vgl. dazu auch Moritz, SWK 2001, S 361; S 362). Deutlich mache dies auch die Tatsache, dass von der Finanzverwaltung nur KESt-Gutschriften zu Zerobonds, welche sich noch am Depot befänden oder zu anderen Kreditinstituten übertragen wurden, beeinsprucht worden seien. Offensichtlich sei die Finanzverwaltung der Auffassung, dass bei Zerobonds, bei welchen sowohl die KESt-Gutschrift anlässlich des Kaufes als auch die KESt anlässlich des Verkaufes nach der linearen Methode berechnet wurde, kein Handlungsbedarf bestehe. Wohl auch deshalb, da es bei Anwendung der finanzmathematischen Methode hier in vielen Fällen möglicherweise zu Korrekturen zu Lasten der Finanz kommen könnte.

Bedenken gegen die Haftungsinanspruchnahme

Einfachgesetzliche Einwendungen

Die bisherigen Einwendungen zur KESt Vorschreibung würden auf die Haftungsinanspruchnahme zwangsläufig durchschlagen, ohne dass hiezu noch viel zu sagen wäre.

Bei der KESt sei - ebenso wie bei der Lohnsteuer - zwischen dem Steuerschuldner und dem Abzugsverpflichteten, der für die Abfuhr der Steuer haftet, zu unterscheiden:

  • Steuerschuldner sei nach § 95 Abs. 2 der Empfänger (Gläubiger) der Kapitalerträge, dem die KESt aber nur ausnahmsweise direkt vorgeschrieben werden dürfe. Lägen die Vorraussetzungen des § 95 Abs. 5 EStG 1988 (dazu gleich unten) nicht vor, so sei der Haftende für die KESt zwingend in Anspruch zu nehmen.

  • Der zum Abzug Verpflichtete (§ 95 Abs. 3 EStG 1988) sei zur Einbehaltung und Abfuhr der KESt verpflichtet.

Die Geltendmachung der Haftung habe gemäß § 224 Abs. 1 BAO durch Erlassung eines Haftungsbescheides zu erfolgen (Doralt EStG4, § 95 Tz 4; Hofstätter/Reichel/ Fellner/Fuchs/Zorn, EStG 1988, § 95 Rz 3). Gemäß § 202 BAO dürfe ein Haftungsbescheid nur dann erlassen werden, wenn sich die Abgabeberechnung als unrichtig erweise oder wenn sie zwar richtig erfolgt sei, aber ein zu geringer Betrag abgeführt wurde (sog. Abfuhrdifferenzen). Die Nachforderung solcher Abfuhrabgaben (zB KESt) sei durch Haftungsbescheid (§ 224 BAO) geltend zu machen (Ritz, BAO2, § 202 Tz 3).

In diesem Zusammenhang sei § 224 Abs. 2 BAO zu berücksichtigen, wonach die Bestimmungen des EStG 1988 über die Geltendmachung der Haftung für Steuerabzugsbeträge unberührt blieben. Daher sei in dieser Frage vorrangig auf § 95 EStG 1988 bedacht zu nehmen, der primär die Heranziehung des Haftenden im Auge habe (Abs. 2), daneben ausnahmsweise aber auch einen direkten Zugriff auf den Gläubiger vorsähe (Abs. 5). Nach dieser Bestimmung sei an Stelle des Haftenden der Gläubiger nur dann (arg: "ausnahmsweise ") heranzuziehen

  • wenn der Haftungsschuldner die geschuldeten Beträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hatte (Abs. 5 Z 1); oder

  • wenn der Steuerschuldner wusste, dass der zum Abzug verpflichtete die einbehaltenen Steuerbeträge nicht vorschriftsmäßig abgeführt und dies der Abgabenbehörde nicht unverzüglich mitgeteilt hatte.

Somit dürfe der eigentliche Steuerschuldner nur dann unmittelbar (mit Abgabenbescheid) in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerabzug unrichtig (zu gering oder gar nicht) vorgenommen wurde (erster Tatbestand). Dagegen könne der Steuerschuldner auch nicht einwenden, der unrichtige Steuerabzug sei ohne sein Wissen erfolgt (Hofstätter/Reichel/-Fellner/Fuchs/Zorn, EStG 1988, § 95 Rz 3). Der zweite Tatbestand sei erfüllt, wenn dem Steuerschuldner die nicht - oder nicht vollständige - Abfuhr der einbehaltenen Beträge ausdrücklich bekannt war. Es genüge daher zu seiner unmittelbaren Inanspruchnahme nicht, dass er die nicht vorschriftsmäßige Abfuhr bloß hätte erkennen können oder müssen. Selbst wenn ihm die Abfuhrdifferenzen (zumindest dem Grunde nach) bekannt waren, könne er sich durch unverzügliche Mitteilung des maßgeblichen Sachverhaltes an das zuständige Finanzamt von seiner Inanspruchnahme befreien. Unverzüglich bedeute ohne schuldhafte Verzögerung.

Beide Tatbestände seien erfüllt, sodass die Behörde auch auf den Primärschuldner greifen hätte können. Für die Z 1 des § 95 Abs. 5 EStG 1988 könnten bereits die Prüfungsfeststellungen der Behörde ins Treffen geführt werden, die - im Falle ihrer Richtigkeit - zwangsläufig zu den Abfuhrdifferenzen führten. Für den zweiten Tatbestand wäre in jedem Einzelfall das Wissen des Steuerschuldners (Primärschuldners) zu beweisen. Das sei wörtlich gemeint: Ein bloßes "Wissen-können " oder "Wissen-müssen " reiche dafür nicht aus. Die Bw habe über den konkreten Wissenstand der einzelnen Anleger keine genauen Informationen. Daher könne sie dazu auch keine konkrete Aussage abgeben. Sie halte es aber für möglich, dass der eine oder andere Anleger das für seine Inanspruchnahme erforderliche Wissen tatsächlich gehabt hat.

Als weiteres Zwischenergebnis bleibe somit festzuhalten, dass die Haftungsinanspruchnahme jedenfalls unberechtigt gewesen sei. Entweder erweise sich die Berechnung - die lineare Abgrenzung der Stückzinsen als gesetzeskonform. In diesen Fall seien die Voraussetzungen für einen Haftungsbescheid von vornherein nicht gegeben, ohne dass noch viel zu sagen wäre. Wenn die Abgrenzung der Stückzinsen finanzmathematisch (und nicht linear) erfolgen hätte müssen, wäre die KESt-Berechnung unrichtig (dies werde von der Bw jedoch energisch bestritten). In diesem Fall wären die Voraussetzungen für eine direkte Inanspruchnahme des Anlegers (= Primärschuldner) gegeben, soweit er dem Fiskus bekannt sei (§ 95 Abs. 5 EStG 1988). In diesen Fällen stelle sich die Frage nach der Richtigkeit der Ermessensentscheidung. Unter Ermessen (§ 20 BAO) verstehe man einen Spielraum in der Rechtsanwendung, der es der Behörde ermöglicht, zwischen zwei oder mehreren rechtlich gleichwertigen Lösungen zu wählen (, ÖStZB 1998, 404). Die Ermessensübung sei entsprechend zu begründen (ständige Rsp. des VwGH; vgl. Erk. , 89/17/0106f, ÖStZB 1993, 253). Eine Begründung der Ermessensübung fehle. Dies werde als Verfahrensmangel (Begründungsmangel) geltend gemacht.

Die Bw hege Zweifel an der Richtigkeit der Ermessenübung, die für die Behörde zwar praktikabel sei, umgekehrt aber voll zu Lasten der Bw gehe und überdies die wirtschaftliche Realität auf den Kopf stelle. Faktum sei, dass die Bw aus dieser Konstruktion keinerlei steuerlichen Nutzen gezogen habe. Faktum sei weiters, dass es die Behörde in der Hand gehabt hätte, die KESt-Vergütung (§ 95 Abs. 6 EStG 1988) mit der von der Bw einbehaltenen (und abgeführten) KESt zu begrenzen. Faktum sei weiters, dass der Bw durch die Haftungsinanspruchnahme Kosten verwachsen, die bei ihr hängen blieben. Dazu kämen noch die Mühen des Regresses gegen die Verkäufer, die auch dazu fuhren könnten, dass Teile der Steuernachforderung uneinbringlich sein werden. Damit werde das gesamte Gläubigerinteresse auf die Bw abgewälzt, wohl das Gesetz auch die Möglichkeit eines direkten Zugriff auf die Anleger vorsähe.

Die Bw räume fairerweise ein, aus eigenem nicht beurteilen zu können, welche Fälle dem Fiskus namentlich bereits bekannt seien bzw. in welchen Fällen es sonstige Hindernisse für einen direkten Zugriff auf den Erstschuldner gäbe.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Die obigen Überlegungen zum Ermessen hätten auch eine verfassungsrechtliche Komponente. Steuerschuldner der in Rede stehenden Kapitalerträge sei der einzelne Anleger. Die Bw sei - wie auch alle anderen Banken - am Steuerschuldverhältnis selbst nicht beteiligt. Sie sei daher ein am Steuerschuldverhältnis nicht beteiligter Dritter, der von Gesetzes wegen zur Mitwirkung bei der Einhebung der Abgaben des eigentlichen Steuerschuldners verpflichtet sei. Dem Gesetzgeber sei zuzusinnen, dass er bei der Festlegung der die Bw. treffenden Pflichten den aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berücksichtigt habe (). Daraus ergäbe sich, dass dem Gesetzgeber jedenfalls auch in verfassungskonformer Interpretation der gesetzlichen Vorschriften zuzusinnen sei, dass die Bw nur dann in Anspruch genommen werden dürfe, wenn dies durch "besondere Umstände'' gerechtfertigt sei (vgl. ). Eine Inanspruchnahme scheide aber wohl jedenfalls dann aus, wenn die Bw sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht habe, den gesetzlichen Vorschriften zu entsprechen. Unzweifelhaft habe die Bw dies im vorliegenden Fall getan: Die Bw habe die lineare Abgrenzung gewählt, da sie davon überzeugt war und sei, dass es sich dabei um die einzig richtige sich aus dem Gesetz ergebende Methode handle. Wie oben in dieser Berufung bereits ausgeführt, würden überzeugenden Argumente dafür sprechen, von der Richtigkeit der linearen Abgrenzung auszugehen. Die Bw habe sich aber nicht nur vom Inhalt der gesetzlichen Vorschriften ein Bild gemacht, sondern haben zusätzlich auch noch an der in den KESt-Richtlinien wiedergegebenen Verwaltungsauffassung orientiert. Aus diesen Richtlinien ergäbe sich - worauf bereits mehrmals hingewiesen wurde-, dass jedenfalls auch die Finanzbehörden davon ausgingen, dass die lineare Methode gesetzeskonform sei. Mehr könne man aber nicht von der Bw verlangen: Wenn die Bw nicht nur die gesetzlichen Vorschriften selbst sorgfältig beachtet, sondern auch an der Verwaltungsauffassung orientiert habe, könne und dürfe ihr kein Vorwurf treffen, der dazu führe, dass sie zur Haftung herangezogen werde.

Dazu komme noch, dass selbstverständlich auch vielen Kunden nicht nur der Inhalt der Gesetze, sondern auch der Inhalt der Verwaltungsauffassung bekannt sei. Die Kunden hätten von der Bw völlig zurecht erwartet, dass diese die Kapitalertragsteuer in der Weise berechne, wie dies nach der Verwaltungsauffassung als zutreffend angesehen wurde. Hätte die Bw sich gegen die - von ihr als richtig erkannte - Interpretation der gesetzlichen Vorschriften durch die Verwaltungspraxis gestellt und sich geweigert, die Berechnung der Kapitalertragsteuer aufgrund der Verwaltungsauffassung durchzuführen, wäre dies bei ihren Kunden nicht nur auf Unverständnis gestoßen, sondern hätte zweifellos dazu geführt, dass die Kunden nicht Leistungen der Bw, sondern die Leistungen einer anderen Bank in Anspruch genommen hätten. Somit habe die Bw nicht nur sorgfältig das Gesetz beachtet, sondern auch sich vollinhaltlich anhand der Verwaltungsauffassung orientiert und habe damit auch einer berechtigten Erwartung ihrer Kunden entsprochen.

In dieser Konstellation wäre es unverhältnismäßig und durch nichts zu rechtfertigen, wenn die Bw nunmehr in Anspruch genommen werde, obwohl sie dem Gesetz und der Verwaltungsauffassung entsprochen habe, und dann auch noch durch die Inanspruchnahme gezwungen werden, zu versuchen, sich an ihren Kunden schadlos zu halten, die aber wiederum berechtigt darauf vertraut hätten und von der Bw erwarten konnten, dass sie der Verwaltungsauffassung gefolgt sei. Ohne dass der Bw ein Verschulden treffe, wäre sie dann gezwungen, die Vertrauensbasis mit zahlreichen Kunden zu zerstören und damit ihren eigenen Geschäftsbeziehungen -die Grundlage ihrer Tätigkeit - für alle Zukunft zu vereiteln. Dazu komme, dass es der Bw in vielen Fällen kaum möglich sei, sich an ihren Kunden schadlos zu halten. Zivilrechtlich und wirtschaftlich bestehe nämlich etwa im Hinblick auf die Vielzahl der möglichen Einreden, aber auch im Hinblick auf den Kursverlust der Anleihen jedenfalls erhebliche Probleme. Darüber hinaus könne es sein, dass einzelne ehemalige Kunden (Überträge) nicht mehr auffindbar wären. Jedenfalls sei die Bw wir hinsichtlich der Bonität ihrer ehemaligen Kunden einem erheblichen Risiko ausgesetzt.

Aus all diesen Gründen sei klar, dass ein Gesetzesinhalt, der im vorliegenden Fall die Heranziehung der Bw zur Haftung erlauben würde, mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar wäre und damit dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgrundsatz widersprechen würde. Jede Behörde - und damit auch die zur Entscheidung über diese Berufung zuständige Behörde - sei aber verpflichtet, einem Gesetz im Zweifel den Inhalt zu geben, den es als mit der Verfassung vereinbar erscheinen lässt. Dies bedeute, dass auch das Argument der verfassungskonformen Interpretation des § 20 BAO und der Haftungsbestimmungen dazu zwinge, im vorliegenden Fall die Bw. nicht in Anspruch zu nehmen. Sonst wäre wohl zweifellos ein Verstoß gegen die Verfassung gegeben.

Die Bw habe bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Vorschriften so zu interpretieren seien, dass sich die Anwendung der linearen Methode zwingend und als allein richtig aus dem Gesetz ergibt. Dafür würden auch weitere verfassungsrechtlichen Überlegungen sprechen. Wäre nämlich der Inhalt der gesetzlichen Vorschriften derart beliebig, dass es der Verwaltungsbehörde freistünde, völlig undeterminiert zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen die lineare Methode oder eine andere Methode zur Abgrenzung herangezogen werde, wäre der Inhalt der gesetzlichen Vorschriften wohl keineswegs mit Art 18 B-VG vereinbart. Im vorliegenden Fall stehe noch dazu gar nicht nur eine andere alternative Methode zur Verfügung, sondern eine Vielzahl finanzmathematischer Berechnungsmöglichkeiten. Dies verstärke noch die Bedenken im Hinblick auf Art 18 B-VG, da unter der Annahme, dass nach finanzmathematischen Methoden zu berechnen wäre, dem Gesetz überhaupt beim Anhaltspunkt zu entnehmen wäre, welche dieser Methoden zum Tragen kommen solle.

Nicht übersehen werden dürfe nämlich, dass nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichtshofs jeglicher Vollzugsakt auf seine Rechtsmäßigkeit hin gemessen werden können müsse, damit sich das Gesetz als verfassungskonform erweist (für alle: VfGH ........VfSlg 12133 = ÖStZB ....). "Der Inhalt einer Regelung muss soweit bestimmbar (sein), dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann" (VfGH ...., VfSlg 13460 = ÖStZB)

Kapitalertragsteuer von Behebungen

Eine wesentliche Frage bilde im konkreten Fall die Auslegung der Bestimmung des § 95 Abs 4 Z 3 EStG, wonach bei Kapitalerträgen bei Forderungswertpapieren im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalerträge und im Zeitpunkt des Zufließens anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons eine Verpflichtung zum Abzug der Kapitalertragsteuer entsteht. Dabei fingiere der Gesetzgeber die "Meldung" des Eintritts von Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen als Veräußerung. Nach Quantschnigg/Schuch, Rz 9.3 zu § 95 solle der Begriff "Meldung" im Sinn eines "Kenntniserlangens" durch die Bank verstanden werden. Abschnitt 4.4 der Kapitalertragsteuerrichtlinien interpretierten diese Bestimmung so, dass der Wegfall der Voraussetzungen für die Abzugspflicht oder für die Befreiung von der Abzugspflicht (Änderung der Grundlagen für den Steuerabzug) bzw die Meldung hierüber als Veräußerung des Wertpapiers gilt. Insbesondere sei dies in folgenden Fällen gegeben: Eintritt in die oder Austritt aus der unbeschränkten Steuerpflicht, Wegfall oder Begründung einer kuponauszahlenden Stelle im Inland, Abgabe einer Optionserklärung (siehe auch Rz 7762 EStR 2000). Im Bereich der Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren erstrecke sich die Steuerpflicht somit auch auf anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung eines Wertpapiers, also insbesondere auf die so genannten Stückzinsen (§ 95 Abs. 3 Z 2 EStG). Der Steuerabzug sei in jenem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die anteiligen Kapitalerträge nach den Kriterien des § 19 zufließen (§ 95 Abs. 4 Z 3 EStG). Die Annahme einer Veräußerung des Wertpapiers bewirke in diesen Fällen eine zeitanteilige Erhebung der Kapitalertragsteuer.

Letztlich sei zu berücksichtigen, dass bei Forderungswertpapieren die Verpflichtung zum Kapitalertragsteuerabzug an das Vorliegen einer kuponauszahlenden Stelle im Inland anknüpfe (§ 93 Abs 3 letzter Satz EStG). § 95 Abs 3 Z 2 EStG normiere die Bank, die an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt, als kuponauszahlende Stelle. Es sei grundsätzlich so, dass der Begriff der kuponauszahlenden Stelle nicht mit dem Depot identisch sei. Wenn daher die Abgabenbehörde 1. Instanz behaupte, dass die Entnahme aus dem Depot eine KEST-Pflicht begründet, dann sei dieses Ergebnis nicht aus dem Gesetz abzuleiten. Nur dann, wenn es anlässlich der Beendigung der kuponauszahlenden Stelle im Inland zu einer entsprechenden Meldung darüber komme, und dies gleichzeitig mit einem Zufließen von anteiligen Kapitalerträgen verbunden sei, könne überhaupt eine KESt-Pflicht ausgelöst werden.

Unterstelle man, dass mit Entnahme aus dem Depot auch eine kuponauszahlende Stelle im Inland hinsichtlich der entnommenen Wertpapiere wegfalle (was nicht zwingend sei und von der bescheiderlassenden Behörde nicht einmal behauptet wurde), stelle sich weiters die Frage, ob diese Beendigung der Funktion als kuponauszahlende Stelle zu einer fiktiven Veräußerung iSd § 95 Abs 4 Z 3 EStG führe. § 95 Abs 4 Z 3 EStG spreche allgemein von "Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen". Nachdem die Kapitalertragsteuerpflicht an das Bestehen einer kuponauszahlenden Stelle knüpfe, könne der Wegfall einer derartigen kuponauszahlenden Stelle im Inland in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Kapitalertragsteuerrichtlinien (EStR) iVm einer Meldung über diesen Umstand gegenüber dem Abfuhr- und Haftungspflichtigen als eine fiktive Veräußerung anzusehen sein. Fraglich sei, ob dies im konkreten Fall zutreffe. Jedenfalls habe die bescheiderlassende Behörde keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen. Im konkreten Fall werde aber von der bescheiderlassenden Behörde die Depotentnahme als solche - entgegen dem Gesetzeswortlaut - als Veräußerungstatbestand gesehen. Gern § 93 Abs 1 EStG unterlägen im Inland bezogene Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren der KESt, wobei die kuponauszahlende Stelle gern § 95 Abs 3 Z 2 EStG zum Abzug der KESt verpflichtet sei. Darunter falle insbesonders ein inländisches Kreditinstitut, "das an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt". Eine kuponauszahlende Stelle sei durch das Kriterium der Auszahlung der Kapitalerträge charakterisiert. Die kuponauszahlende Stelle werde begründet, indem ein inländisches Kreditinstitut die Kapitalerträge an den Investor auszahlt oder gutschreibt. Die Zahlstelle müsse weder über das Wertpapier noch über den Kupon verfügen. Insbesondere müsse das Wertpapier nicht auf einem inländischen Depot hinterlegt sein (Rz 7712 EStR 2000). Es komme nicht auf einen bestimmten Titel für die Auszahlung der Kapitalerträge an. Auch nach den Erläuternden Bemerkungen sei eine Hinterlegung auf einem inländischen Depot nicht erforderlich (§ 93; 621 BlgNR XVII. GP. Ebenso Doralt, ESt-Kommentar3 Tz 9 zu § 95). Da es daher für das Vorliegen einer kuponauszahlenden Stelle unerheblich sei, ob das Wertpapier bzw der Zinskupon tatsächlich in einem inländischen Depot verwahrt werde oder nicht, könne die Entnahme aus dem Depot keinen Einfluss auf die Abzugspflicht durch die kuponauszahlende Stelle haben. Einziges Kriterium für das Vorliegen einer kuponauszahlenden Stelle sei die Auszahlung der Zinsen. Die KESt-Pflicht gehe daher wesentlich weiter und sei auch in Fällen anzuwenden, bei denen das Wertpapier gerade nicht in einem Depot einer Bank lagere.

Gern § 95 Abs 4 Z 3 EStG erfolge der KESt-Abzug bei Forderungswertpapieren im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalerträge und im Zeitpunkt des Zufließens anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons. Ebenso als Veräußerung gelte die "Meldung des Eintritts von Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen". Beispielsweise werde im Gesetz die Erteilung bzw der Widerruf einer Betriebsvermögenserklärung gern § 94 Z 5 EStG aufgezählt. Die KESt-Abzugspflicht könne daher nur die Meldung eines Ereignisses auslösen, das die Abzugspflicht durch die kuponauszahlende Stelle beendet.

§ 95 Abs 4 Z 3 2. Satz EStG sei mit BGBl 1993/12 eingeführt worden. Die Erläuternden Bemerkungen (811 BlgNR XVIII. GP) sähen vor, dass diese Bestimmung auf die Erteilung bzw den Widerruf einer Befreiungserklärung gern § 94 Z 5 EStG anwendbar ist. Wörtlich führten die EB weiter aus: "Durch die Einfügung des Begriffes "insbesondere" im Klammerausdruck des § 95 Abs 4 Z 3 soll - der derzeitigen Praxis entsprechend - verdeutlicht werden, dass die Begründung der Abzugspflicht in Ausnahmefällenauch aus anderen Gründen als dem Widerruf der Befreiungserklärung denkbar ist (zB Meldung über einen Wechsel in der persönlichen Steuerpflicht)." Da durch die Entnahme aus dem Depot nicht das "Bestehen" einer Bank als inländische kuponauszahlende Stelle beendet werde, komme es zu keiner Beendigung der Abzugspflicht seitens der Bank. Der Bank als Haftungsverpflichtender für die KESt gehe im Normalfall keine vom Gesetz geforderte "Meldung des Eintritts von Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen" zu. Bei der Bank selbst werde idR nur der faktische Vorgang der Depotentnahme gesetzt. Dies schließe das Weiterbestehen einer inländischen kuponauszahlenden Stelle nicht aus.

Wäre die Rechtsansicht des Finanzamtes, die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegt, gesetzeskonform, würde die Depotentnahme eine Beendigung der KESt-Pflicht bedeuten. Dies würde zur Folge haben, dass beispielsweise das so genannte "Tafelgeschäft" nicht KESt-pflichtig wäre. Beim so genannten Tafelgeschäft würden die Kunden das entsprechende Wertpapier mit nach Hause nehmen. Bei Kuponfälligkeit werde der Kupon zur Abrechnung bei der Bank eingereicht. Gehe man davon aus, dass die Depotentnahme bzw die körperliche Ausfolgerung des Wertpapiers an den Kunden die KESt-Abzugspflicht beendet, wären die bei der Bank als Zahlstelle eingereichten Zinskupons beim Tafelgeschäft nicht KESt-pflichtig. Dasselbe würde im wesentlichen auch bei Übertragung auf eine Depot bei einer anderen Bank gelten. Mangels einer Beendigung einer kuponauszahlenden Stelle im Inland bzw einer Meldung darüber sei der Tatbestand es § 95 Abs 4 Z 3 EStG nicht erfüllt.

Im Ergebnis würde die Rechtsansicht des Finanzamtes bedeuten, dass die von § 95 Abs 4 Z 3 EStG geforderte "Meldung des Eintritts von Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen", insofern ins Gegenteil verkehrt wird, als die Bank jedenfalls bei der Depotentnahme die KESt auf die zeitanteiligen Zinsen abziehen müsste, außer ihr liegt eine "Meldung über das Nichtvorliegen von Umständen vor, die die Abzugspflicht beenden". Dieses Ergebnis sei aber nicht aus dem Gesetz abzuleiten.

Selbst wenn man der Meinung wäre, es würde durch die Depotentnahme ein Veräußerungstatbestand verwirklicht, würde mangels eines Zuflusses von Zinserträgen anlässlich der Depotentnahme kein KESt-Pflicht ausgelöst.

Gehe man nämlich grundsätzlich davon aus, dass eine fiktive Veräußerung iSd § 95 Abs 4 Z 3 EStG vorliegt, werde aber für eine tatsächliche KESt-Pflicht zusätzlich verlangt, dass es zu einem "Zufließen (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anlässlich dieser Veräußerung" kommt. § 95 Abs 4 Z 3 EStG enthalte eine Fiktion hinsichtlich des Veräußerungstatbestandes. Bezüglich des Zuflusses werde auf § 19 EStG verwiesen.

Auf Grundlage des Erkenntnisses des VwGH vom 5,7.1994, 91/14/0064, liege aber kein Zufluss vor. Für die Verpflichtung zur Vornahme eines Steuerabzuges sei nämlich jedenfalls Voraussetzung, dass es zu einem Zufließen von Kapitalerträgen iSd § 19 EStG aus Anlass der (fiktiven) Veräußerung kommt. Aufgrund der zitierten Entscheidung des VwGH sei davon auszugehen, dass es bei Veräußerung eines Wertpapiers zu keinem Zufluss von anteiligen Kapitalerträgen aus Anlass dieser Veräußerung kommt. Nach der zitierten Entscheidung trete nämlich der anteilige Zufluss an den Veräußerer erst in dem Zeitpunkt ein, in dem auch der Zufluss beim Rechtsnachfolger erfolgt. Aus der Sicht des Kapitalertragsteuerabzuges stelle sich aber die Frage, ob sich aus § 95 Abs 4 Z 3 EStG nicht ein anderer Zuflusszeitpunkt ableiten lässt. Diese Bestimmung enthalte eine Zuflussfiktion für Zwecke der Kapitalertragsteuer.

Bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren würden für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer die Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit oder im Zeitpunkt des Zufließens (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers als zugeflossen gelten.

Bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren sähe somit der Gesetzgeber den Zeitpunkt der Fälligkeit oder den Zeitpunkt des Zufließens anteiliger Kapitalerträge iSd § 19 EStG aus Anlass der Veräußerung als maßgeblichen Zeitpunkt für den Kapitalertragsteuerabzug an. Der Zufluss für Zwecke der Kapitalertragsteuer setze damit voraus, dass in einem Veranlassungszusammenhang mit der Veräußerung des Wertpapiers ein Zufluss von Kapitalerträgen iSd § 19 EStG stattfindet. Nach der zitierten Rechtsprechung sei dies allerdings nicht der Fall. Nach dieser Rechtsprechung sei nämlich nicht der Zufluss des für die Übertragung der Zinsanwartschaft erhaltenen Abtretungspreises beim Abtretenden, sondern der Zufluss des Zinsertrages beim Übernehmer für die zeitliche Erfassung iSd § 19 EStG maßgebend. Erst der Zufluss beim Erwerber bewirke auch den Zufluss beim Veräußerer des Wertpapiers. Das Entgelt aus der Abtretung der Forderung auf den anteiligen Zinsertrag (Stückzinsen) werde nicht als Kapitalertrag angesehen, sodass es im Zeitpunkt der Veräußerung des Wertpapiers auch zu keinem Zufließen anteiliger Kapitalerträge iSd § 19 EStG komme, was aber § 95 Abs 4 Z 3 EStG ausdrücklich verlangt. Der Zufluss bei Fälligkeit der Kapitalerträge erfolge aber nicht anlässlich einer Wertpapierübertragung, sondern unabhängig von einer solchen. Durch den ausdrücklichen Verweis auf § 19 EStG würden die Zuflussgrundsätze nach dieser Bestimmung auch für KESt-Zwecke gelten. Ein unterschiedlicher Zuflussbegriff sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Im Gegenteil: Durch die ausdrückliche Bezugnahme auf § 19 EStG in § 95 Abs 4 Z 3 EStG sei vielmehr davon auszugehen, dass der Gesetzgeber einen identen Zuflussbegriff verwendet (vgl demgegenüber die davon abweichenden Zuflussfiktionen in § 95 Abs 4 Z l und Z 2 EStG).

Bei Nullkuponanleihen erfolgte somit der Zufluss im Sinne des § 19 EStG 1988 erst bei Tilgung am Ende der Laufzeit (; siehe auch Rz 6178 EStR 2000).

Wenn nun daher bei einer Veräußerung eines Wertpapiers kein Zufluss von anteiligen Kapitalerträgen nach den Grundsätzen des § 19 EStG stattfinde, weil der Zufluss unabhängig von der Wertpapierübertragung erst bei Kuponfälligkeit (bei Nullkuponanleihen: bei Endfälligkeit) eintritt, dann könne dies erst recht nicht bei einer fiktiven Veräußerung der Fall sein. Tatsächliche und fiktive Veräußerung seien nämlich nach dem Gesetzeswortlaut gleich zu behandeln. Entfalle aber nun bei einer tatsächlichen Veräußerung die Annahme eines Zuflusses, komme auch bei einer fiktiven Veräußerung ein derartiger nicht in Betracht. Damit bestehe keine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kapitalertragsteuer.

Insgesamt sei die Bw. daher der Ansicht, dass die Kapitalertragsteuervorschreibung "aufgrund von Behebungen" zu Unrecht erfolgte, weil

  • eine Depotentnahme keinen Umstand darstellt, der die Abzugspflicht beendet, weil die KEST-Pflicht gar nicht an die Depotverwahrung anknüpft

  • weil eine Meldung über die Abzugspflicht beendende Umstände in den konkreten Fällen nicht erfolgte

• anlässlich der Depotentnahme keine anteiligen Kapitalerträge zuflossen.

Anwendung von § 117 BAO

In der Praxis sei für die Abgrenzung von Zinserträgen für Nullkupon-Anleihen die lineare Berechnungsmethode verwendet worden. Die für die KESt-Berechnung verwendeten Programme stützten sich auf diese vom BMF ermöglichte Ermittlung der KESt-Bemessungsgrundlage.

Dieser Umstand sei auch deswegen von Bedeutung, weil durch, das Abgaben-Rechtsmittel-Reform-Gesetz, BGB1 12002/97, ohne besondere Inkrafttretensbestimmung die Regelung des § 117 BAO eingefügt worden sei.

Nach dem Wortlaut der Bestimmung sei für die Anwendbarkeit des § 117 BAO die Erwähnung der Judikatur oder der Richtlinie(n) in der Abgabenerklärung nicht erforderlich. Maßgebend sei vielmehr, ob die Rechtsauslegung, die der Abgabenerklärung bzw der Selbstberechnung zu Grunde liegt, im Ergebnis mit der Rechtsauslegung eines Erkenntnisses des VwGH oder des VfGH oder eines als Richtlinie bezeichneten Erlasses des BMF übereinstimmt (vgl Abschn 7 der Richtlinie zu § 117 BAO, 05 1201/3-IV/5/02). Eine iSd § 117 BAO bedeutsame Änderung der Rechtsauslegung liege vor, wenn die hierfür maßgebende Rechtsprechung bzw der Erlass des BMF nachträglich, dh nach Einreichung der Abgabenerklärung, ergeht, wobei die nachteilige Judikatur bzw der Erlass veröffentlicht sein muss (vgl Abschn 8 der Richtlinie zu § 117 BAO).

Die Bw habe sich in den dem Berufungsverfahren zugrundeliegenden Fällen auf die Aussagen des BMF in Pkt 4.3 iVm Pkt 5.1 der Richtlinien zur Erhebung der Kapitalertragsteuer von Kapitalerträgen aus Einlagen und Forderungswertpapieren, vom , AÖF 1993/158, gestützt und die Stückzinsenberechnung linear vorgenommen.

Die von der Bw auf Basis der linearen Methode ermittelten KESt-Gutschriften wären höher gewesen als jene durch die Finanzbehörde mittels der progressiven Methode ermittelten Beträge.

Dieser Differenzbetrag seien der Bw im Haftungswege vorgeschrieben worden. Die Kapitalertragsteuerbeträge iZm Nullkuponanleihen in den entsprechenden Kapitalertragsteuer-Anmeldungen beruhten auf der in den Richtlinien zur Erhebung der Kapitalertragsteuer von Kapitalerträgen aus Einlagen und Forderungswertpapieren vom , AÖF 1993/158, (Kapitalertragsteuer-Richtlinien 1993,im folgenden kurz: KESt-RL 1993) dargelegten Auffassung des BMF, dass bei der Abgrenzung von Zinsen iZm Nullkuponanleihen die lineare Berechnungsmethode angewendet werden darf (vgl Pkt 5.2 Abs 6 iVm 5.1 Abs l KESt-RL 1993, AÖF 1993/158). Dieses in der KESt-RL 1993 normierte Wahlrecht wurde - soweit ersichtlich - durch der Änderung der Einkommensteuerrichtlinien bei der Besteuerung von Kapitalanlagen vom , AÖF 2001/145,(vgl Rz 6186 f EStR 2000) beseitigt. Dort sei grundsätzlich nur mehr die finanzmathematische Berechnung vorgesehen.

Die Ausführungen in Rz6186 EStR 2000 zur Ermittlung des inneren Wertes einer Nullkuponanleihe stellten eine wesentliche qualitative Änderung gegenüber jenen in der KESt-RL 1993 dar. Zum einen sei die finanzmathematische Berechnungsmethode ganz offenbar ausschließlich anzuwenden. Darüber hinaus sei iZm der linearen Methode nur mehr von pauschaler Ermittlung und einer Art Schätzung die Rede. Im Unterschied zu den Ausführungen in den EStR 2000 zur linearen Berechnungsmethode (Rz 6186: "wesentliche Abweichung um mehr als 25 %, mindestens aber um S 10.000) sei die Anwendung dieser in den KESt-RL 1993 an keinerlei Bedingung geknüpft gewesen.

Die gewählten Formulierungen in den EStR 2000 zur linearen Berechnungsmethode könnten nun zu dem Schluss verleiten, dass auch die KESt-RL 1993 die lineare Methode lediglich als Vereinfachung vorgesehen hätten, eine korrekte Berechnung also schon immer finanzmathematisch vorzunehmen gewesen sei, und daher die vereinfachte Methode immer nur in jenen Fällen zur Anwendung kommen dürfe, in denen nur geringfügige Abweichungen gegenüber der finanzmathematischen Berechnung bestehen.

Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass sich in den KESt-RL 1993 keinerlei Hinweis darauf befindet, dass die lineare Berechnung für den Fall, dass es zu Abweichungen gegenüber der finanzmathematischen Berechnung kommt, nicht anwendbar gewesen wäre. Die Option zur linearen Berechnung wäre nach Ansicht der Finanzverwaltung eine gleichwertige Alternative zur finanzmathematischen Berechnung, die bei jeder Pauschalierung typischerweise eintretenden Verschiebungseffekte wurden bewusst in Kauf genommen. Wäre dies anders, müsste jede Pauschalierungsregelung auf Abweichungen im Einzelfall hin überprüft werden, was letztlich das Institut der Pauschalierung in Frage stellt und dem mit jeder Pauschalierung verfolgten Zweck der Vereinfachung zuwider laufe.

Eine derartige Regelung ohne weitere Voraussetzungen und Prüfungspflichten im Einzelfall sei aufgrund des hohen Programmieraufwandes der Banken auch erforderlich gewesen. Die Ausführungen in den KESt-RL 1993 zur Ermittlung des inneren Wertes von Nullkuponanleihen wären zuvor mit dem BMF eingehend erörtert und letztlich die Berechnungsweise in Abstimmung mit dem BMF festgelegt worden. Im Vertrauen auf den Erlass wäre schließlich die Software der Banken entsprechend ausgestaltet bzw programmiert und angewendet worden.

Letztlich werde aus Sicht des Abgabengläubigers jedenfalls auch die Form der linearen Abgrenzung der zeitanteiligen Zinserträge während der Gesamtlaufzeit des Forderungswertpapiers ein systemkonformes Ergebnis erzielt, weil vom Veräußerer eines Wertpapiers verrechnete anteilige Kapitalerträge beim Erwerber einen vorweg rückgängig gemachten Kapitalertrag darstellen. Dies ergäbe sich daraus, dass der zur Kuponfälligkeit erhaltene volle Kapitalertrag durch die Bezahlung der Stückzinsen vorbelastet ist. Die Belastung mit Stückzinsen führe daher in Bezug auf den Erwerber des Wertpapiers insoweit zu einer Kapitalertragsteuergutschrift (§ 95 Abs. 6 EStG 1988), als diese Einkünfte im Zeitpunkt der Gewährung der Gutschrift der Kapitalertragsteuerpflicht unterliegen. Damit stehe einer systembedingt einer Kapitalertragsteuergutschrift beim Käufer eine Kapitalertragsteuerbelastung beim Verkäufer gegenüber. Sowohl die Höhe der Gutschrift als auch die Höhe der Belastung bestimmten sich dabei nach der angewendeten Berechnungsmethode. Dass es dabei in Einzel fällen zu einer unterschiedlichen Behandlung komme (zB infolge einer persönlichen Befreiung eines Vertragspartners) ergäbe sich, ebenfalls aus dem vom Gesetzgeber vorgesehenen System. Unabhängig von der für die Stückzinsenberechnung angewendeten Methode unterliege bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen der gesamte Zinsertrag aus dem Forderungswertpapier während seiner Laufzeit der Besteuerung. Daraus sei auch erklärbar, dass die lineare Berechnung für Zwischenveräußerungen als eine zulässige Methode in den. Richtlinien des BMF vorgesehen gewesen war.

Dabei könne außer Streit gestellt werden, dass die lineare Abgrenzung der zeitanteiligen Kapitalerträge - wie jede Pauschalierungsregelung - im Einzelfall zu Vorteilen für den Abgabenpflichtigen führen kann. Die lineare Abgrenzung könne aber auch zu Vorteilen für den Fiskus führen. Dazu komme es nämlich dann, wenn bei Verwendung der linearen Methode bei vorzeitiger Veräußerung einer Nullkuponanleihe ein höherer Unterschiedsbetrag gern § 27 Abs 2 Z 2 EStG errechnet werde als bei Verwendung der finanzmathematischen Methode. Diesfalls komme es nämlich zur Versteuerung eines tatsächlich noch gar nicht am Markt erwirtschafteten Ertrags. Die Anwendung der linearen Methode führe aber, im Gegensatz zu anderen Pauschalierungsmethoden, insgesamt bis zur Tilgung des Wertpapiers zu einem der finanzmathematischen Methode entsprechenden Gesamtergebnis.

Daraus werde deutlich, dass die lineare Methode den gesetzlichen Wertungen entspricht. Allenfalls könnte jedoch auch ein Wahlrecht betreffend den Einsatz einer alternativen Berechnungsmethode zeitanteiliger Kapitalerträge vertreten werden. Zu diesem Ergebnis komme man bei einer analogen Anwendung von § 6 Z 3 EStG. Diese Bestimmung enthalte nämlich für den Schuldner einer Nullkuponanleihe das Wahlrecht, bilanziell entweder die lineare Methode anzuwenden oder aber alternativ den Differenzbetrag (das sei der im Ausgabebetrag berücksichtigte Zinsaufwand, der wertungsmäßig mit den hier interessierenden Fällen gänzlich gleichgelagert ist) auch entsprechend "abweichender handelsrechtlicher Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" zu erfassen.

Daraus ergäbe sich, dass die lineare Methode - wenn möglicherweise schon nicht zwingend - jedenfalls zulässig sei. Zudem werde aus § 6 Z 3 EStG deutlich, dass nur die lineare Methode im Gesetz eindeutig geregelt sei. Eine nähere Beschreibung der alternativ zulässigen Methode sei dem Gesetz nicht zu entnehmen und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung vorbehalten. Da diese Grundsätze im Bereich der §§27 bzw 93 EStG keine Wirkung entfalten würden, weil für diese Vorschriften § 5 EStG nicht anzuwenden ist, spreche auch dieses Argument gegen die finanzmathematische Methode bei der Kapitalertragsteuerabrechnung bei Zerobonds.

Die Rechtsauffassung in den durch AÖF 2001/145 geänderten EStR 2000 könne infolge der Regelung des § 117 BAO keinesfalls rückwirkend zur Anwendung kommen.

Der Meinungsumschwung der Finanzverwaltung im Jahr 2000 sei daher aus Sicht der Bw völlig überraschend, entspreche nicht der gesetzlichen Regelung und könne - wenn überhaupt - schon nach den einleitenden Bemerkungen in des EStR 2000 selbst höchstens für die Zukunft relevant sein.

Dies sei nunmehr durch § 117 BAO auch gesetzlich ausdrücklich geregelt. Die Änderung der EStR 2000 sei im Juni 2001 veröffentlicht worden, dh nach jenem Zeitpunkt, in dem oa Kapitalertragsteuerbeträge iZm den in Streit stehenden Haftungs- und Abgabenbescheiden anzumelden gewesen wären. Die geänderte Auffassung des BMF in den EStR 2000 sei erst nach Einreichung der angesprochenen Kapitalertragsteuer-Anmeldung bekannt geworden. Entsprechend Abschn 7 der Richtlinie zu §117 BAO schütze §117 BAO den Abgabepflichtigen ab Veröffentlichung des Erkenntnisses bzw der Richtlinie davor, dass die Abgabenbehörde die geänderte Rechtsauffassung rückwirkend zum Nachteil des betroffenen Steuerpflichtigen berücksichtigt.

§ 117 BAO sei im Zeitpunkt der Erlassung berufungsgegenständlichen Haftungs- und Abgabenbescheide noch nicht in Kraft gewesen. Bei Berufungsvorentscheidungen (§ 276 Abs l BAO) und bei Berufungsentscheidungen (§ 289 Abs 2 BAO) sei jedoch grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen (vgl Ritz, Bundesabgabenordnung, § 289 BAO, Rz 11). Entsprechend Abschn 9 der Richtlinie zu §117 BAO sei - soweit dieser Grundsatz gilt - §117 BAO für die Nichtberücksichtigung späterer Änderungen der Rechtsauslegung (als Folge von Erkenntnissen bzw Erlassänderungen) zum Nachteil der betroffenen Partei auch dann zu beachten, wenn im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Verböserungsverbot des § 117 BAO noch nicht anwendbar gewesen ist. Die Abgabenbehörde habe grundsätzlich von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung auszugehen (vgl zB /02529. Eine Änderung der Rechtslage wäre nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn die Änderung als Folge einer Übergangsregelung nicht zurückwirkt bzw anzuwenden wäre (). Auch der Grundsatz der Zeitbezogenheit (Rechtslage im Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts), dem im materiellen Steuerrecht Bedeutung zukommt, spiele im konkreten Fall keine Rolle.

Damit sei der allgemeine Grundsatz gültig, dass die Abgabenbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide geltende Recht anzuwenden hat. Die Abgabenbehörde sei verpflichtet, auf eingetretene Rechtsänderungen Bedacht zu nehmen (vgl VfSlg 1770/1949 und 2136/1951, 2792/1955, 6944/1972 siehe insbesonders die umfangreichen Rechtsprechungshinweise in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, E 299 ff zu § 66 AVG).

§ 117 BAO sei daher auch in den, den Berufungen zugrundeliegenden Fällen, anzuwenden. Der Behörde sei es daher versagt, ihre Entscheidung über die Berufung gegen die angefochtenen Bescheide auf die offenbar geänderte Rechtsauffassung in den EStR 2000 zu stützen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 93 Abs. 4 Z. 2 EStG 1988 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 unterliegen Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabewert eines Wertpapiers und den im Wertpapier festgelegten Einlösungswert, soweit sie 2% des Wertpapiernominales übersteigen, einem Kapitalertragsteuerabzug.

Dieser Kapitalertragsteuerabzug ist bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 von der kuponauszahlenden Stelle, das ist das Kreditinstitut, das die Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung eines Forderungswertpapiers auszahlt, vorzunehmen.

Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen. Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren gelten für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer als zugeflossen im Zeitpunkt der Fälligkeit und im Zeitpunkt des Zufließens (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons.

Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen. Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren gelten für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer als zugeflossen im Zeitpunkt der Fälligkeit und im Zeitpunkt des Zufließens (§ 19) anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers oder des Wertpapierkupons. Die Meldung des Eintritts von Umständen, die die Abzugspflicht beenden oder begründen (insbesondere Befreiungserklärung oder Widerrufserklärung), oder die Zustellung eines Bescheides im Sinne des § 94 Z 5 letzter Satz gilt als Veräußerung (§ 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988).

Gemäß § 96 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 hat bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren der zum Abzug Verpflichtete, die in einem Kalendermonat einbehaltenen Steuerbeträge abzüglich gutgeschriebener Beträge spätestens am 15. Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonats abzuführen.

Der zum Abzug Verpflichtete haftet gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.

Gemäß § 95 Abs. 5 ist dem Empfänger der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer nur ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn

1. der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder 2. der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies nicht dem Finanzamt unverzüglich mitteilt.

Stellt sich heraus, dass die vom Haftungspflichtigen vorgenommene Selbstberechnung der Kapitalertragsteuer unrichtig ist, so ist gemäß § 202 Abs 1 BAO unter sinngemäßer Anwendung von § 201 BAO ein Abgabenbescheid zu erlassen und die Kapitalertragsteuer festzusetzen

1. Lineare und/oder finanzmathematische Stückzinsenberechnung

Strittig ist im gegenständlichen Fall zunächst, ob bei einem Verkauf eines Wertpapiers vor dem Ende der Laufzeit die im Kaufpreis abgegoltenen Kapitalerträge(Stückzinsen) nach einer linearen oder nach einer finanzmathematischen Berechnungsmethode als Basis für den Kapitalertragsteuerabzug zu ermitteln sind bzw. ob, wie die Bw. meint, beide Berechnungsarten nebeneinander zulässig sind und diesbezüglich eine Wahlrecht besteht.

Wie bereits erwähnt, gehen Verwaltungspraxis und Lehre (vgl. Doralt Einkommensteuer Kommentar, Bd. II Tz 53 zu § 95) davon aus, dass der Erwerber eines Forderungswertpapiers aufgrund der im Kaufpreis enthaltenen anteiligen Kapitalerträge eine Kapitalertragsteuergutschrift erhält, wobei dies auch dann erfolgt, wenn anlässlich des Erwerbsvorganges keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt wird. Es wird dies als ein Fall des § 95 Abs. 6 EStG 1988 angesehen.

Bemessungsgrundlage für den Kapitalertragsteuerabzug sind die erzielten Kapitalerträge. Wird nun ein endfälliges Wertpapier vor Ablauf der Laufzeit veräußert, ergibt sich das Erfordernis der Ermittlung kalkulatorischer Zinsen für den Zeitraum des Wertpapierbesitzes. Dabei handelt es sich aber um ein Problem der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen somit also um eine Frage der Sachverhaltsermittlung.

Wenn in weiterer Folge von kalkulatorischen Zinsen gesprochen wird, ist damit auch ein kalkulatorisch zu ermittelnder Unterschiedsbetrag im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 gemeint.

Der Ausgabekurs einer Nullkuponanleihe ist nicht beliebig festgesetzt, sondern ergibt sich aus der Anwendung des jeweiligen Marktzinssatzes über die Laufzeit der Anleihe. Dies entspricht auch der allgemein anerkannten Definition der Nullkuponanleihe, nach der die Verzinsung dieser Wertpapiere durch ein hohes Disagio zum Ausdruck kommt , wobei der Nominalbetrag über die Laufzeit mit einem laufzeitadäquaten Kapitalmarktzinssatz abgezinst wird (Moritz in SWK 2001, S. 361f mit den dort angeführten Verweisen). Die Berechnung von Abzinsungen erfolgt herkömmlich nach finanzmathematischen Methoden.

Dass bei der Berechnung von Zinserträgen grundsätzlich finanzmathematische Methoden verwendet werden ist allgemein bekannt und dem Bankengeschäft - hier im besonderen dem Wertpapiergeschäft - geradezu immanent. Auch aus der Rechtsprechung ergibt sich eindeutig eine Anwendung von finanzmathematischen Methoden. So judizierte der VwGH bereits mit Erkenntnis vom , 292/58, Slg 2271/F, dass bei der Verteilung von Kapitalzahlungen auf mehrere Jahre eine Zerlegung in einen steuerfreien Tilgungsanteil und steuerpflichtigen Zinsanteil zu erfolgen hat, wobei die Zinsen durch Errechnung des Barwertes der gesamten Teilbeträge mit Hilfe der Rentenformel (Berechnung von Zinseszinsen) zu ermitteln sind

Das Abgabenrecht knüpft daher auch im Bereich des Kapitalertragsteuerabzuges bei Forderungswertpapieren an diesen wirtschaftlich geprägten Begriff des Kapital(Zins)- ertrages an. Die kalkulatorischen Zinsen für den Kapitalertragsteuerabzug sind daher grundsätzlich nach finanzmathematischen Methoden zu ermitteln.

Dem Einwand, systematische und teleologische Gründe würden für eine lineare Verteilung der Zinsen sprechen, ist entgegenzuhalten, dass spezielle bzw. ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen über die Ermittlung von Zinserträgen für Forderungswertpapiere - im besonderen von Stückzinsen bei vorzeitigen Verkäufen, wie sie beispielsweise §§ 7 und 8 EStG für den Bereich der Absetzung für Abnutzung vorsehen, nicht bestehen.

Die Bw. stützt ihre Ansicht, dass die kalkulatorischen Zinsen durch eine lineare Verteilung auf die Laufzeit des Wertpapiers zu ermitteln seien auf . Pkt. 4. 5 (2) bzw Pkt. 5.1. (1) des Erlasses des GZ. 14 0602/1-IV/14/93 (KESt-Richtlinien).

Pkt. 4.5 (2) lautet:

Wird ein Wertpapier vor dem Ende der Laufzeit verkauft, dann ist für den zeitanteiligen Kapitalertrag des Veräußerers im Zeitpunkt der Veräußerung Abzugspflicht gegeben. Es bestehen keine Bedenken, wenn der zeitanteilige Kapitalertrag unter sinngemäßer Anwendung der in Pkt. 5.1 dargestellten Formel ermittelt wird. ........

Pkt. 5.1 (1) lautet:

Der Abzugspflicht von 22% unterliegen erst Kapitalerträge, die als Entgelt für die Überlassung von Kapital für die Zeit ab anzusehen sind. Bei Kapitalerträgen aus Einlagen, die mit abgeschlossen werden, besteht erst für die Kapitalerträge aus Abschlüssen nach dem eine Abzugspflicht von 22%. Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern kann der auf die Zeit ab dem anfallende Kapitalertrag einfachheitshalber nach folgender Formel berechnet werden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einlösungswert abzüglich Ausgabewert
= monatlicher Kapitalertrag
Anzahl der vollen Monate zwischen Ausgabe und Einlösung

........................

Während des gesamten berufungsgegenständlichen Zeitraumes sei diese Regelung in Kraft gewesen. Weiters wurde auf die Argumente von Schönstein, SWK 2001 S 403, 571 verwiesen, wonach Abgrenzungsfragen nach den Grundsätzen der Zinsertragsteuerrichtlinie zu lösen seien.

Die Zinsertragsteuerrichtlinien vom , Z 13 950/1-IV/13/83 sahen unter VII. Übergangsbestimmungen Pkt. 15. (1) folgendes vor.

Der Zinsertragsteuer unterliegen im Bereich der Zinserträge aus Einlagen bei Kreditunternehmungen sowie sonstigen Forderungen gegenüber Kreditunternehmungen nur Kapitalerträge, die als Entgelt für die Zurverfügungstellung von Kapital nach dem anzusehen sind. Bei Zinserträgen aus Spareinlagen sowie aus Sichteinlagen wird es dabei zu keinen Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern errechnet sich der auf Zeiträume nach dem entfallende Zinsertrag nach folgender Formel:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einlösungswert abzüglich Ausgabewert
= monatlicher Zinsertrag x Anzahl der vollen Kalendermonate bis zum Auflösungszeitpunkt = steuerpflichtiger Zinsertrag
Anzahl der vollen Monate zwischen Ausgabe und Einlösung

Nach den Einkommensteuerrichtlinien 2000 liegen beim Veräußerer Kapitaleinkünfte in Höhe der Differenz zwischen dem Ausgabewert und dem "inneren Wert" der Anleihe im Veräußerungszeitpunkt vor; dieser "innere Wert" errechne sich durch Aufzinsung des Ausgabepreises mit dem Renditezinssatz. Wenn sich keine wesentlichen Abweichungen zu dem durch Aufzinsung des Ausgabepreises ermittelten Zinsertrag ergeben, bestünden keine Bedenken, den anteiligen Zinsertrag nach der "linearen" Formel zu berechnen (EStR 2000 Rz 6186). Mit Erlass des BM für Finanzen AÖF Nr. 145/2001 wurde diese Aussage in der Rz 6186 der Einkommensteuerrichtlinien 2000 dahingehend geändert bzw. ergänzt, dass keine Bedenken bestehen, wenn anlässlich von steuerpflichtigen Vorgängen, die vor dem gelegen sind, der innere Wert nach der linearen Methode pauschal berechnet werde. Diese Art der Schätzung sei jedoch nur zulässig, wenn keine wesentliche Abweichung zum Ergebnis nach der Zinseszinsformel bestehe und somit das Schätzungsergebnis dem tatsächlichen Ergebnis nahe komme. Als wesentliche Abweichung sei eine Abweichung um mehr als 25 %, mindestens aber um 10.000 S anzusehen.

Wie bereits dem Text der KESt-Richtlinien 1993 zu entnehmen ist, handelt es sich dabei um eine im Zuge der Erhöhung der Kapitalertragsteuer von 10 % auf 22% auf Einlagen bei Banken und Forderungspapiere ab vom BMF getroffene Maßnahme zur Vereinfachung der Abgrenzung der Zinserträge. Die lineare Abgrenzung war unter den damaligen EDV-Verhältnissen die einzige Möglichkeit, dass alle - auch kleinere Kreditinstitute - den damals übertragenen Steuereinbehaltungsaufgaben nachkommen konnten. Sie entspricht aber nicht der wirtschaftlich getreuen Abbildung der auf die einzelnen Zeiträume entfallenden Zinsenanteile und ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Die Argumentation Schönsteins in diesem Zusammenhang, dass in den Gesetzesmaterialien bei der Einführung der Kapitalertragsteuer hinsichtlich der Abgrenzung zeitlicher Natur bei Forderungswertpapieren auf die Grundsätze der Zinsertragsteuerrichtlinien verwiesen werde, (diese enthalten dieselbe Formel wie nun die KESt-Richtlinien - nämlich eine lineare Berechnung) und solcherart die zwingende Anwendung einer linearen Abgrenzungsmethode in den Bereich der Kapitalertragsteuer übergegangen sei und eine finanzmathematische Abgrenzung ausschließe, wird nicht geteilt. Gesetzesmaterialien sind zwar grundsätzlich zu einer teleologisch/historischen Interpretation einer gesetzlichen Regelung heranzuziehen. Gegenständlich handelt es sich aber auch bei dieser Formel um eine durch die damaligen Gegebenheiten bedingte technisch-pragmatische Erleichterung bei der Umsetzung des Gesetzes aus der aber für die Frage der richtigen Ermittlung kalkulatorischer Zinsen nichts gewonnen werden kann. Auf die obigen Ausführungen zum wirtschaftlich geprägten Begriff des Kapital(Zins)ertrages wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Im Übrigen spricht gegen eine lineare Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen auch, dass -folgte man der Ansicht der Bw.- ein originärer Erwerber einer der berufungsgegenständlichen Nullkuponanleihen beim einem Verkauf vor dem Ende der Laufzeit in vielen Fällen mit einem unverhältnismäßig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichenden Kapitalertragsteuerabzug endgültig belastet würde.

Dass eine lineare Berechnung einfacher durchzuführen ist, als eine finanzmathematische Berechnung liegt in der Natur der Sache. Die im Kaufpreis der Nullkuponanleihen enthaltene "Zinskomponente" muss für Zwecke der Kapitalertragsteuer(gutschriften) berechnet bzw. geschätzt werden. Jede Schätzung muss zum Ziel haben, ein Näherungsergebnis zu erreichen, das der Wirklichkeit weitest möglich entspricht (Stoll, BAO, Band 2, S. 1905). Dazu ist eine geeignete Schätzungsmethode zu wählen. Eine finanzmathematische Methode ist zweifellos zur Ermittlung der im Kaufpreis von Nullkuponanleihen enthaltenen Zinsen geeignet. Vereinfachend wird in vielen Fällen auch die lineare Methode zu einem Näherungswert führen, der dem Marktwert noch soweit entspricht, dass die Schätzung rechtmäßig bleibt. Bei den hier strittigen Berechnungen ist dies angesichts der aufgezeigten Differenzen zu einer (genaueren) finanzmathematischen Methode jedoch nicht mehr der Fall. Dieser Umstand erlaubt es aber nicht, auch dann eine von den konkreten wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichende lineare Berechnung aus Vereinfachungsgründen vorzunehmen, wenn dies in den einzelnen Abgabengesetzen nicht vorgesehen ist.

Grundsätzliches Ziel einer Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen (Ritz ², Bundesabgabenordnung Rz 3 zu § 184 BAO). Selbst wenn eine vereinfachte lineare Berechnung in vielen Fällen den Anforderungen an eine Schätzung entsprechen mag, kann den Ausführungen in den KESt-Richtlinien 1993 kein Anspruch auf deren Anwendung dann unterstellt werden, wenn daraus, wie dies für den Berufungsfall aus den oben dargestellten Tabellen hervorgeht, absolut realitätsfremde Ergebnisse resultieren.

Bei den erheblichen Differenzen zwischen den Berechnungsmethoden (insgesamt betragen die nach der Linearmethode ermittelten KEST-Gutschriften ein vielfaches der nach finanzmathematischen Kriterien ermittelten Beträge) kann wohl nicht angenommen werden, dass die lineare Methode vom Gesetzgeber gleichwertig neben einer finanzmathematischen Berechnung gewollt war.

Seitens des BM für Finanzen wurde in einer Anfragebeantwortung die Auskunft erteilt, dass eine exakte Berechnung der zeitanteiligen Kapitalerträge möglich ist und die im Erlass dargestellte vereinfachende Abgrenzung hinter eine angestrebte genaue Berechnung zurückzutreten hat (vgl. zitiert in Schönstein, KESt und Zero-Bonds, SWK 14/2001, 404). Daraus ist zu ersehen, dass auch nach Ansicht des BM für Finanzen die zeitanteiligen Kapitalerträge nach einer finanzmathematische Methode zu ermitteln sind.

Wenn die Bw. einen Verstoß gegen Treu und Glauben darin sieht, dass das Finanzamt von einer Berechnungsmethode abgeht, an der sich der Steuerpflichtige orientiert hat , weil diese von der Finanzverwaltung in Punkt 5.1.(1) bzw. 4. 5. (2) des Erlasses des GZ. 14 0602/1-IV/14/93 "nahegelegt" worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der Judikatur der Grundsatz von Treu und Glauben nicht allgemein das Vertrauen eines Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung schützt. Die Abgabenbehörde ist vielmehr verpflichtet, von einer nicht dem Gesetz entsprechenden Verwaltungsübung abzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof schützt das Vertrauen in die Richtigkeit von allgemeinen Verwaltungsanweisungen, wie zB. Richtlinien oder Erlässe nicht. Erlässe der Finanzverwaltung begründen keine Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen. Allgemeinen Verwaltungsanweisungen wie z.B. Richtlinien oder Erlässen, kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht die gleiche Wirkung beigemessen werden, wie einer verbindlichen Zusage oder Auskunft für den Einzelfall, weil der Grundsatz von Treu und Glauben ein konkretes Verhältnis zwischen dem Abgabepflichtigen und dem Finanzamt voraussetzt, bei dem allein sich eine Vertrauenssituation bilden kann. (; ).

Ergänzend sei auf das Erkenntnis des , verwiesen, wonach eine für Vorjahre vorgenommene rechtliche Beurteilung, die sich zu Gunsten des Abgabepflichtigen ausgewirkt hat, bei diesem zwar die Hoffnung wecken kann, die Abgabenbehörde werde diese Beurteilung auch in Folgejahren beibehalten, sie schafft aber kein schutzwürdiges Vertrauen, die Behörde werde diese Beurteilung - wenn sie sich als unrichtig herausstellt - auch für Folgezeiträume beibehalten.

Die Formulierung in den KESt-Richtlinien 1993, dass "keine Bedenken" gegen eine lineare Abgrenzung bestünden, impliziert nach Ansicht der Berufungsbehörde kein Anhalten bzw. keine Aufforderung des Steuerpflichtigen zu einer bestimmten Vorgangsweise, zumal die Vereinfachungsbestimmung in den unter Punkt 5. zusammengefassten "Übergangsbestimmungen" offenkundig administrative Erleichterungen in der Übergangsphase bezweckte.

Vielmehr ist aus der von den Richtlinien verwendeten Formulierung abzuleiten, dass die lineare Methode nur dann keine Bedenken auslöst, wenn sich bei ihrer Anwendung eine sachgerechte Schätzung der Gutschriftszinsen ergibt, andernfalls ist sie von vornherein (auch nach der Intention des Richtlinienverfassers) nicht zulässig und ihre (diesfalls unrichtige) Verwendung kann auch nicht als "nahegelegt" angesehen werden.

Wenn - wie bei den gegenständlichen Konstellationen - die lineare Verteilungsmethode zu einem wirtschaftlich völlig realitätsfremden Resultat führt und die Abrechnung des Erwerbes selbst einem fachlich nicht versierten Anleihe-Käufer unplausibel erscheinen musste , kann sich erst recht eine Bank (die Bw.) mit ihren einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen im Bank- und Wertpapiergeschäft nicht auf die Bindungswirkung von Richtlinienaussagen stützen, um eine Rückforderung von offensichtlich sachlich nicht gerechtfertigten KESt-Gutschriften zu vermeiden. Darüber hinaus weist die Finanzverwaltung in der Einleitung zu den KESt-Richlinien 1993 ausdrücklich darauf hin, dass mit den Ausführungen in den Richtlinien keine über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Rechte und Pflichten begründet werden.

Der Umstand, dass seitens der Banken Anfragen an das BMF zur Berechnung gestellt wurden, legt überdies den Schluss nahe, dass nicht von allen Banken bzw. in allen Fällen die lineare Methode angewendet wurde bzw. werden sollte, sondern bei Transaktionen, wo es für den Kunden von Vorteil war, eine finanzmathematische Ermittlung in Erwägung gezogen bzw. sogar der Vorzug eingeräumt wurde.

In Anbetracht dieser Umstände stellt das Vorgehen des Finanzamtes, in den berufungsgegenständlichen Fällen anstatt der linearen Berechnung von Stückzinsen eine finanzmathematische Berechnung vorzunehmen, keine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben gegenüber der Bw. dar.

2. Haftungsinanspruchnahme

Die Bw verneint zunächst die Anwendbarkeit der Haftungsbestimmung des § 95 Abs. 2 EStG dem Grunde nach.

Eine Haftungsinanspruchnahme ist zwar nach herrschender Ansicht in das Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde gestellt (Ritz, Bundesabgabenordnung, 2. Auflage, Rz 5 zu § 7 BAO und der dort zitierten Judikatur und Literatur), die Kapitalertragsteuer stellt aber- wie die Lohnsteuer - eine Abzugssteuer dar, und darf dem Schuldner nur ausnahmsweise in den gesetzlich vorgesehenen Fällen des § 95 Abs. 5 EStG 1988 direkt vorgeschrieben werden.

Im Bereich der Kapitalertragsteuer und Lohnsteuer hat der Gesetzgeber spezielle Haftungsnormen festgelegt, welche durch die besondere Nahebeziehung zwischen dem eigentlichen Schuldner und dem Haftenden sachlich gerechtfertigt erscheinen. Durch die Anordnung in § 95 Abs. 5 EStG 1988 und § 83 Abs. 2 EStG 1988, dass der eigentliche Schuldner zufolge ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nur in bestimmten Ausnahmefällen als Schuldner herangezogen werden darf, hat der Gesetzgeber die Vorranghaftung des Einbehaltungs- und Abzugsverpflichteten ausdrücklich begründet (Stoll, Ermessen im Steuerrecht, S. 378).

§ 95 Abs. 5 EStG 1988 sieht die unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge nur ausnahmsweise in den Fällen vor, wenn

  • der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder

  • der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

Nach dem Wortlaut der Bestimmung liegt keiner dieser Fälle vor. Eine Inanspruchnahme des Empfängers der Kapitalerträge für unrichtige KESt-Gutschriften ist nämlich in § 95 Abs. 5 EStG 1988 nicht vorgesehen. Eine analoge Ausdehnung auf diese Fälle einer unrichtigen KESt-Gutschrift erscheint im Hinblick auf die Formulierung "ausnahmsweise" gegenständlich nicht zulässig.

Die Bw. sieht in ihrer Heranziehung zur Haftung einen Ermessensmissbrauch, weil sie als zur Haftung herangezogener Steuerpflichtiger nicht ausschließlich aus eigener Beurteilung zu der von ihr vertretenen Rechtsauffassung kam, sondern deshalb, weil diese Rechtsauffassung von der Abgabenbehörde ausdrücklich als zutreffend erachtet und von ihr geradezu nahegelegt wurde.

Dagegen ist einzuwenden, dass die Bestimmung des § 95 Abs. 2 EStG 1988 eine spezielle Haftungsnorm ist und dem Finanzamt diesbezüglich kein Ermessen eingeräumt ist. Diesbezüglich wird auf Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch EStG 1988, Rz 2 zu § 95, verwiesen, wo ausgeführt wird: "Liegen die Voraussetzungen für eine unmittelbare Inanspruchnahme nicht vor, so ist die Heranziehung des Haftenden nicht etwa in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Der zum Abzug Verpflichtete haftet zwingend und jedenfalls für die KESt."

Aber selbst wenn der Behörde diesfalls ein Ermessen für die Heranziehung zur Haftung eingeräumt wäre, läge der von der Bw. behauptete Ermessensmissbrauch nicht vor.

Gegen die Argumentation der Bw. ist zunächst einzuwenden, dass dann, wenn - wie bei den gegenständlichen Konstellationen - die lineare Verteilungsmethode zu einem wirtschaftlich völlig realitätsfremden Resultat führt und die Abrechnung des Erwerbes selbst einem fachlich nicht versierten Anleihe-Käufer unplausibel erscheinen musste, sich erst recht eine Bank mit ihren einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen im Bank- und Wertpapiergeschäft nicht auf das Vertrauen auf die Bindungswirkung von Richtlinienaussagen zurückziehen darf. Dies auch unter Berücksichtigung der von der Bw. aufgezeigten Umstände hinsichtlich der Verhandlungen von Bankenvertretern mit dem BMF.

Die Heranziehung der Bw. zur Haftung erscheint nicht unbillig, weil

  • sie verpflichtet war die Kapitalertragsteuer richtig zu berechnen

  • sie, auch wenn die Initiative wohl überwiegend von den Kunden ausgegangen ist, die unrichtige Gutschrift verhindern hätte können,

  • ihr bzw. den handelnden Bankbedienstete die besonderen Umstände bezüglich der gegenständlichen Wertpapiere auffallen mussten bzw. auch aufgefallen sind.

Im Hinblick auf die Einbringlichkeit ist die Heranziehung der Bw. zur Haftung zweckmäßiger als die Heranziehung der Kunden der Bw.

Die Bw. stützt ihre Behauptung, die konkreten Folgen der Haftungsbestimmung des § 95 Abs. 2 EStG 1988 seien unverhältnismäßig, unter anderem auf das Erkenntnis des . In diesem Erkenntnis wurde die Verfassungswidrigkeit der Einhebung und Haftung für die Spekulationsertragsteuer und die Inpflichtnahme einer Person vor allem deshalb als verfassungswidrig erachtet, weil die den Steuertatbestand auslösenden Sachverhalte teilweise außerhalb der Interessens- und Einflusssphäre des Abfuhr- und Haftungsverpflichteten gelegen sind, weshalb die erforderliche qualifizierte rechtliche und wirtschaftliche Beziehung zwischen dem Primärschuldner und Haftenden verneint und daher die Auferlegung der Abfuhr- und Haftungsverpflichtung als nicht sachgerecht erachtet wurde. Diese Sachlage ist jedoch mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei den hier strittigen Wertpapiertransaktionen um klassische Effektengeschäfte einer Bank handelt, bei denen die Bank fast immer selbst Veräußerer der Wertpapiere ist, indem sie entweder als Eigenhändlerin oder als Kommissionärin eingeschaltet ist und daher zwangsläufig über die für die gesetzeskonforme KESt-Gutschrift für Stückzinsen erforderlichen Daten verfügt. Der in der oben angeführten VfGH-Judikatur geforderte qualifizierte rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Primärschuldner und dem Haftungspflichtigen liegt daher nach Ansicht der Berufungsbehörde zweifellos vor. Das Missverhältnis zwischen den linear berechneten KESt-Gutschriften und den Wertpapierkaufpreisen sowie das sich daraus ergebende Rückforderungsrisiko musste einer mit dem Wertpapiergeschäft vertrauten und als Verkäuferin oder Kommissionärin eingebundenen fachkundigen Bank auffallen und geht in diesem Fall nicht "zu Lasten" eines "Unkundigen". Es erscheint daher keinesfalls unsachlich, wenn Banken in diesem Zusammenhang auch entsprechende Verpflichtungen in Form von Haftungen treffen.

Die Haftung ist nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht nur dem Grunde nach unbedenklich, sondern auch das Erfordernis der adäquaten Begrenzung des Haftungsumfanges ist als erfüllt anzusehen, weil das Haftungsrisiko für den Haftenden abschätzbar war. Dies umso mehr, als es beim Haftungspflichtigen selbst gelegen ist, mit Hilfe von Vertragsgestaltungen eine Risikolimitierung zu erreichen und in den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken Schad- und Klaglosstellungen für abgabenrechtliche Haftungsinanspruchnahmen nicht unüblich sind. Nachdem bei den vorliegenden Konstellationen einem Wertpapierkäufer bedenklich erscheinen musste, dass die beim Kauf der Anleihe ausgewiesenen Kapitalertragsteuergutschriften im Verhältnis zum Kaufpreis unangemessen hoch sind, kann sowohl eine Vereinbarung als auch eine Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen nicht als ein die Geschäftsbeziehung zerstörender Vertrauensbruch angesehen werden, zumal der Kunde bei derartigen "Geschäften" mit einer Schad- und Klaglosstellung auch bei den Konkurrenzbanken rechnen musste.

3. Steuerpflicht von Entnahmen aus dem Depot

Strittig ist weiters, ob die Entnahme (von Nullkuponanleihen) aus dem Bankdepot als Veräußerung im Sinne des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 gilt und als solche Kapitalertragsteuerpflicht begründet. Die gesetzliche Fiktion der Veräußerung des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 knüpft an die Meldung von Umständen an, welche die Abzugspflicht beenden oder begründen.

Die kuponauszahlende Stelle wird begründet, indem ein inländisches Kreditinstitut das Forderungswertpapier oder den Zinskupon verwahrt oder verwaltet (und dementsprechend das Kreditinstitut die Kapitalerträge an den Investor auszahlt oder gutschreibt; Doralt, Einkommensteuergesetz, Band II, Tz 9 zu § 95). Dem gemäß muss die Entnahme des Wertpapiers aus dem Depot dieses Kreditinstitutes als Beendigung seiner Stellung als kuponauszahlende Stelle - bezogen auf das entnommene Wertpapier - gesehen werden. Zwar setzt das Entstehen einer Kapitalertragsteuerpflicht nicht notwendig voraus, dass das Wertpapier auf einem inländischen Depot hinterlegt ist, weil der Begriff der kuponauszahlenden Stelle allein durch das Kriterium der Auszahlung von Kapitalerträgen charakterisiert ist (§ 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988). Das Gesetz fingiert aber eine Veräußerung des Wertpapiers bei der Meldung von Umständen, die eine Änderung der Grundlagen für den Steuerabzug bewirken. Die Entnahme eines (endfälligen) Wertpapiers aus dem Depot der (inländischen) Bank ist ein solcher Umstand (so im Ergebnis auch Doralt, Einkommensteuergesetz, Band II, Tz 39 zu § 95; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Tz 9.3 zu § 95). Denn mit Beendigung der Depotführung ist das (inländische) Kreditinstitut nicht mehr in der Lage, die Gutschrift bzw. Auszahlung von Kapitalerträgen aus diesem Wertpapier und die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer wahrzunehmen. Der weitere Verbleib des Wertpapieres entzieht sich jeglicher Kontrolle. Dass es dem Inhaber unbenommen bleibt, die Anleihe am Ende der Laufzeit bei eben jenem Kreditinstitut einzulösen, aus dessen Depot sie zuvor entnommen worden ist, ändert nichts daran, dass dessen Status als kuponauszahlende Stelle mit der Entnahme endete (und bei Einlösung der Anleihe allenfalls neu begründet wird). Das Tatbestandsmerkmal der "Meldung" kann im Sinne eines bloßen "Kenntniserlangens" durch die depotführende Bank verstanden werden (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Tz 9.3 zu § 95) und ist bei der Entnahme von Wertpapieren aus dem Bankdepot naturgemäß erfüllt.

Soweit die Schönsteins in seinen Ausführungen in SWK 1988 A I 318 die Auffassung vertritt, die Bestimmung des § 95 Abs. 4 Z 3 1. Satz sei als Ausnahmebestimmung jedenfalls eng auszulegen, so ist dazu darauf hinzuweisen, dass mit der Novelle BGBl. Nr. 12/1993 der Begriff "insbesondere" in den Klammerausdruck eingefügt wurde. Nach den Erläuternden Bemerkungen sollte damit zum Ausdruck gebracht werden, dass die Begründung der Abzugspflicht in Ausnahmefällen auch aus anderen Gründen als dem Widerruf der Befreiungserklärung denkbar ist. Nach dem Gesetzeszweck besteht somit kein Zweifel an der Einbeziehung anderer Formen der Beendigung der Abzugspflicht in die Veräußerungsfiktion. Die Auffassung Schönsteins ist daher jedenfalls nach dieser Novellierung überholt.

Liegt demnach in den Fällen der Entnahme von Nullkuponanleihen aus dem Depot der Bw. eine (fiktive) Veräußerung im Sinne des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 vor, so bleibt noch zu klären, ob zum Zeitpunkt ("anlässlich") der Veräußerung ein Zufluss von Kapitalerträgen stattfindet. In dem von der Bw. zitierten Erkenntnis vom , 91/14/0064, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Fall der Veräußerung einer echten stillen Beteiligung die Auffassung vertreten, dass die vom Erwerber mit dem Kaufpreis abgelösten Gewinnanteile dem Veräußerer nicht mit Erhalt des Kaufpreises (als Surrogatzahlung für die Kapitalerträge), sondern erst in jenem Zeitpunkt zufließen, in dem der Inhaber des Handelsgewerbes die Gewinnauszahlung (an den Erwerber) vornimmt. In der Kaufvereinbarung sei nämlich hinsichtlich der Kapitalerträge eine Vorausverfügung des Veräußerers zu Gunsten des Erwerbers der Beteiligung gelegen. Einnahmen aus der Abtretung von Forderungen auf den Kapitalertrag sind nach dieser Rechtsprechung keine Kapitalerträge im Sinne des § 27 Abs. 1 EStG 1988 (Zorn, Einkünftezurechnung bei Abtretung einer stillen Beteiligung, RdW 1994, 290; Aktuelle einkommensteuerliche Probleme im Bereich der Kapitalveranlagungen, ÖStZ 2003, 164). In der Literatur ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zum Teil auch auf Kritik gestoßen (Doralt, Einkommensteuergesetz, Band I, Tz 21 zu § 19; Mühlehner, KeSt-Pflicht für Stückzinsen?, RdW 1997, 746). Nach Zorn, aaO, wird allerdings der Begriff "Kapitalertrag" im Sinne des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 (für Zwecke der Erhebung der Kapitalertragsteuer) weiter zu verstehen sein als der Kapitalertrag im Sinne des § 27 EStG (ÖStZ 2003, 166). Aus Praktikabilitätsgründen müsse die Kapitalertragsteuer bei den Stückzinsen anknüpfen, weil die Beziehung des Veräußerers zur kuponauszahlenden Stelle mit der Veräußerung des Wertpapieres beendet ist (RdW 1994, 292).

Dieser Ansicht wird zu folgen sein. Sie hat auch den Wortlaut des § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 für sich, dem zufolge als kuponauszahlende Stelle jenes Kreditinstitut in Betracht kommt, das anteilige Kapitalerträge "anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers" auszahlt. Der Verweis des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 auf die Zuflussgrundsätze des § 19 ist demnach so zu verstehen, dass im Falle der Veräußerung des Wertpapiers die (anteiligen) Kapitalerträge - für Zwecke des KESt-Abzuges - mit der Kaufpreiszahlung als zugeflossen gelten; in den Fällen der vom Gesetz fingierten Veräußerung ist auch ein solcher Zahlungsfluss nicht erforderlich. Die aus dem VwGH-Erkenntnis vom abgeleitete Interpretation der Bw., der zufolge eine KESt-Pflicht für Kapitalerträge aus Nullkuponanleihen erst bei der Einlösung der Wertpapiere eintreten könnte, würde nicht nur der Bestimmung des § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 jeglichen Anwendungsbereich nehmen; konsequent weiter gedacht dürfte diese Rechtsansicht auch die im angefochtenen Bescheid gewährten KESt-Gutschriften bei Erwerb der Anleihen nicht mehr zulassen, weil rückgängig gemachte (anteilige) Kapitalerträge beim Erwerb einer Anleihe nicht denkbar sind, wenn der gesamte Kapitalertrag (der Anteil des Veräußerers und jener des Erwerbers) erst mit der Einlösung anfällt. Im Ergebnis wäre daraus für die Bw. nichts gewonnen.

4. §117 BAO

§117 BAO in der Fassung BGBl. I Nr.97/2002 lautet:

Liegt eine in Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder in als Richtlinien bezeichneten Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen vertretene Rechtsauslegung dem Bescheid einer Abgabenbehörde, der Selbstberechnung von Abgaben, einer Abgabenentrichtung in Wertzeichen (Stempelmarken), einer Abgabenerklärung oder der Unterlassung der Einreichung einer solchen zu Grunde, so darf eine spätere Änderung dieser Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen stützt, nicht zum Nachteil der betroffenen Partei berücksichtigt werden.

Im Zeitpunkt der Selbstberechnung der Kapitalertragsteuern für die berufungsgegenständlichen Zeiträume standen noch die KESt-Richtlinien 1993 in Geltung. Die EStR 2000 (Erlass des BM für Finanzen vom , GZ. 060104/9-IV76/00) wurden im AÖF Nr. 232/2000 am veröffentlicht. Wie oben ausführlich dargestellt, durfte das Finanzamt im Zeitpunkt der Erlassung der Haftungs- und Abgabenbescheide zur Ermittlung der Stückzinsen keine Methode anwenden, die den Grundsätzen der Schätzung im Sinne von § 184 BAO nicht entspricht und zu unvertretbaren wirtschaftlichen Ergebnissen führt.

Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 117 BAO muss es sich aber auch um Änderungen von "Rechtsauslegungen" - im Sinne der Interpretation rechtlicher Normen - handeln.

Mit der Formulierung in Punkt 4. 5. Abs. 2 iVm Punkt 5. 1. Abs. 1 KESt-Richtlinien 1993, dass "keine Bedenken" gegen eine pauschale Zinsertragsermittlung durch lineare Verteilung des Unterschiedsbetrages über die Laufzeit bestehen würden, wird eine vereinfachte pauschale Schätzungsmethode unter Einhaltung der allgemeinen abgabenrechtlichen Schätzungsvoraussetzungen gestattet. Dies konnte - wie oben ausgeführt - jedoch nicht so ausgelegt werden, dass die lineare Methode ohne Rücksicht auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten angewendet werden kann. Die Ausführungen in EStR 2000 (Rz 6186) behandeln erstmals Stellungnahmen zum Begriffsverständnis der "kalkulatorischen Zinsen" und einem sich daraus schlüssig ergebenden Ermittlungsverfahren, welches vorher im Wege der Auslegung zu ermitteln war. Die Gestattung einer pauschalen vereinfachten Berechnungsmethode zur Ermittlung der Steuergrundlagen stellt keine Rechtsauslegung im Sinne von § 117 BAO dar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien,

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Nullkuponanleihen
Zero-Bonds
Stückzinsen
finanzmathematische Berechnung
Depotentnahme
Vertrauensschutz

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