Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSG vom 03.12.2003, RV/0060-G/03

Studienwechsel bei zwischenzeitiger Berufsausbildung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0060-G/03-RS1
Ein Studienwechsel liegt auch dann vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt, dazwischen eine andere Berufsausbildung absolviert, und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetzes fallendes Studium beginnt.

Entscheidungstext

BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Franz Zeitlhofer und die weiteren Mitglieder Hofrat Mag. Herwig Aigner, Ernst LUX und Prokurist Mag. Christiane RIEL-KIENZER im Beisein der Schriftführerin Eveline Wünscher am über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Leibnitz vom betreffend Abweisung über die Gewährung der Familienbeihilfe ab nach in Graz durchgeführter Berufungsverhandlung entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. beantragte mit bei der Finanzverwaltung in Graz die Gewährung der Familienbeihilfe (für sich selbst) ohne Angabe eines Zeitpunktes. Zuständigkeitshalber wurde der Antrag an das Finanzamt Leibnitz weitergeleitet, wo er am eingelangt ist. Am selben Tag wurde seitens des Finanzamtes Leibnitz auf Grund eines Telefonates mit der Bw. in einem Aktenvermerk festgehalten, dass die Eltern keinen Unterhalt leisteten sondern nur die Studiengebühr bezahlten. Gleichzeitig wurde der Bw. mitgeteilt, dass sie - wegen Studienwechsels - keinen Anspruch auf Familienbeihilfe habe.

Mit Schreiben vom , eingelangt am , ersuchte die Bw. um eine schriftliche Entscheidung und deren Begründung. Dieser Abweisungsbescheid erging mit und enthielt folgende Begründung:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gelten bei einem Studienwechsel die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Gemäß § 17 Abs. 1 Studienförderungsgesetz 1992 liegt ein günstiger Studienerfolg nicht vor, wenn das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester gewechselt wird.

Sie haben vom Wintersemester 1997 an bis zum Wintersemester 2001 das Studium der Medizin an der Karl-Franzens-Universität Graz betrieben. Ab dem Wintersemester 2002 sind Sie in der Studienrichtung Soziologie inskribiert. Es wurde von Ihnen demnach ein Studienwechsel von der Studienrichtung Medizin auf die Studienrichtung Soziologie, und zwar nach dem dritten inskribierten Semester vorgenommen. Gemäß den o.a. gesetzlichen Bestimmungen besteht daher für das nunmehr betriebene Studium kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr. Ein weiterer Anspruch wäre erst gegeben, wenn in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester zurückgelegt wurden wie in dem vor dem Studienwechsel betriebenen Studium (siehe § 17 Abs. 4 Studienförderungsgesetz 1992). Ihr Ansuchen auf Familienbeihilfe musste daher abgewiesen werden.

Gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom brachte die Bw. mit rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung ein. Zur Begründung des Rechtsmittels führte sie Folgendes aus:

Das Finanzamt Leibnitz hat meinen Antrag unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in Verbindung mit § 17 StudienförderungsG 1992 mit der Begründung abgelehnt, es liege ein günstiger Studienerfolg nicht mehr vor, weil ich das Studium nach dem (jeweils) dritten Semester gewechselt hätte. Ein weiterer Anspruch könne erst wieder begründet werden, wenn ich in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester zurückgelegt habe wie in dem vor dem Studienwechsel betriebenen Studium.

1.) Begriff des "Studienwechsels"

Das Finanzamt geht davon aus, dass im Anlassfall ein "Studienwechsel" im Sinne des auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 in Verbindung mit § 17 StudienförderungsG 1992 vorliegt. Diese Annahme ist nicht zutreffend. Nach der Definition des Verwaltungsgerichtshofes (, bestätigt durch ) ist von einem Studienwechsel dann auszugehen, wenn der Studierende "das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht weiter fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des StudFG fallendes Studium beginnt". Ich habe aber nach dem Abbruch meines Medizinstudiums nicht ein anderes Studium begonnen, sondern in der Zeit von bis eine kaufmännische Büroausbildung bei der Fa. Uranschek in Graz, Glockenspielplatz 5, absolviert und mit Ablegung der Staatsprüfung erfolgreich abgeschlossen. Für diesen Zeitraum hat mir das Finanzamt auch die Familienbeihilfe zuerkannt (Mitteilung vom ). Die Aufnahme des Studiums der Soziologie ab dem WS 2002/03 steht nun nicht in Zusammenhang mit der Beendigung meines seinerzeitigen Medizinstudiums, es soll vielmehr meine beruflichen Chancen und Möglichkeiten bei der Ausübung eines Wirtschaftsberufes verbessern. Somit aber ist dieses Studium nicht an die Stelle eines anderen getreten.

2.) "Ausbildung für einen Beruf" im Sinne des § 2 Abs. 1lit.b FLAG

Trotz des mehrfachen Verweises des Familienlastenausgleichsgesetzes auf Vorschriften des Studienförderungsgesetzes sind auf Grund der Unterschiede im Umfang und im Inhalt der beiden Regelungsmaterien nicht sämtliche Aussagen wörtlich übertragbar. Das Studienförderungsgesetz beschränkt sich darauf, sozial bedürftigen Studierenden, die ein Vollzeitstudium frühzeitig beginnen und mit ausreichendem Erfolg betreiben, die finanziellen Voraussetzungen für die Absolvierung dieses einen (und einzigen) Studiums zu schaffen. Dagegen ist der Familienlastenausgleich von der Absicht getragen, ganz generell das Recht des Menschen auf Familie zu erhalten und diesen in die Lage zu versetzen, seinen natürlichen und rechtlichen Verpflichtungen zur Erhaltung seiner Kinder nachzukommen zu können (Erl. 549 d. Beil. zu d. sten. Prot. d. NR XI. GP). Durch die entsprechenden Rechtsvorschriften sollen die finanziellen Mehrbelastungen, die die Ernährung, Bekleidung, häusliche Unterbringung, Erziehung und Ausbildung von Kindern insgesamt mit sich bringen, ausgeglichen werden. In diesem Zusammenhang ist dem Familienlastenausgleichsgesetz auch nicht zu entnehmen, dass sich der Anspruch auf Familienbeihilfe nur auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt (Wittmann-Galletta, Kommentar zum Familienlastenausgleich, Stand Jänner 2001, C 10/5 zu § 2 FLAG).

Dementsprechend besteht nach zutreffender Auffassung der Verwaltung neuerlich Anspruch auf Beihilfe, wenn ein Studium abgeschlossen und mit einem neuen begonnen wird oder wenn nach Abbruch eines Studiums eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz FLAG begonnen wird (vgl. Abschn. 0201 Z 21.9 und 21.10 des GZ. 51 0104/5-V/1/00). Es wäre aber gänzlich unverständlich, weshalb eine weitere Ausbildung nach einem abgeschlossenen, ja sogar abgebrochenen Studium steuerlich begünstigt, der umgekehrte Fall (Studienbeginn nach einer anderweitig erfolgreichen Ausbildung) dagegen benachteiligt sein sollte.

Die Einschränkung, wonach der Wechsel von einem Studium auf ein anderes die endgültige oder zeitweise Versagung der Beihilfe nach sich zieht, ist auf die spezifischen Zielsetzungen der Studienförderung zurückzuführen. Studienbeihilfe soll gemäß § 6 Z 2 StudFG nur für ein einziges Studium gewährt werden. Wie bereits ausgeführt, ist dieser Grundsatz auf das Familienlastenausgleichsgesetz nicht übertragbar. Dem Verweis des Familienlastenausgleichsgesetzes auf das Studienförderungsgesetz kann daher nur für den speziellen Bereich des Studiums Bedeutung zukommen und auch dort nur insoweit, als die Frage der Ernsthaftigkeit der jeweiligen Hochschulausbildung berührt wird. Keine Bedenken können dagegen unter dem Gesichtspunkt des Studienförderungsgesetzes bestehen, die Familienbeihilfe für das nach einer anderweitigen Ausbildung begonnene Studium weiterhin bzw. neuerlich zu gewähren.

3.) Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen durch Familienbeihilfe und Absetzbeträge

Die Rechtsprechung zu dem die Grundlage des gesetzlichen Unterhaltes für Kinder bildenden § 140 ABGB lässt zu, dass unter anderem auch Studien den Zeitpunkt der Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit hinausschieben (zB.: , die Zumutbarkeit der Kostentragung durch den Unterhaltsverpflichteten und die Fähigkeit, ein Studium ernsthaft und zielstrebig zu betreiben, vorausgesetzt: LG Innsbruck , 1 a R 415/88). Selbst nach Abschluss einer Berufsausbildung besteht noch Anspruch auf eine weiterführende Ausbildung (auch auf ein ernsthaft zu betreibendes Studium), wenn eine entsprechende Ergänzung und Vertiefung von Kenntnissen und Fähigkeiten sowie eine Verbesserung des Fortkommens zu erwarten ist (in diesem Sinne zuletzt ).

Wie eingangs dargestellt, habe ich zwischenzeitig eine kaufmännische Büroschule innerhalb der vorgegebenen Ausbildungszeit erfolgreich absolviert und über den Sommer 2002 bereits kurzzeitige Berufserfahrungen gesammelt. Ein anschließendes Studium der Soziologie käme meiner bisherigen Ausbildung und meinen Interessen außerordentlich entgegen; meine Zukunftschancen würden sich dadurch weitaus verbessern; auch die Möglichkeit und Bereitschaft der Finanzierung durch den Unterhaltsleistenden wäre gegeben. Es liegt nach meiner Ansicht daher ein Anwendungsfall von Unterhalt im Sinne des § 140 ABGB vor.

Hinsichtlich bestehender Unterhaltspflichten für Kinder hat der Verfassungsgerichtshof aber bereits mehrfach (VfSlg 12940/1991; VfSlg 14992/1997) zu Recht erkannt, dass diese nicht eine Sache privater Lebensgestaltung oder persönlichen Risikos sind. Zumindest die Hälfte der Einkommensteile, die zur Bestreitung des Unterhalts der Kinder erforderlich sind, müssen im Effekt steuerfrei bleiben. Das gegenwärtige österreichische Steuersystem sieht seit dem Familienpaket 2000, BGBI I 79/1998, die Berücksichtigung derartiger Unterhaltsleistungen nahezu ausschließlich durch eine Kombination von Transferleistungen (Familienbeihilfe, gegebenenfalls Kinderabsetzbetrag) vor; gemäß der in den Verfassungsrang erhobenen Vorschrift des § 34 Abs. 7 Z 5 EStG können Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder nur durch Auszahlung der Familienbeihilfe berücksichtigt werden. Von der rechtmäßigen Gewährung der Familienbeihilfe hängt somit in der Folge nicht nur die Zuerkennung von weiteren Transferleistungen (§ 33 Abs. 4 Z 3 lit.a EStG) ab, sondern vor allem die Verfassungskonformität der gesamten steuerlichen Unterhaltsregelung. Mag nämlich die Wahl des Systems der Familienbesteuerung dem Gesetzgeber zwar freigestellt sein, müssen doch Unterhaltsleistungen an Kinder innerhalb der vom Höchstgericht umschriebenen Grenzen steuerfrei bleiben (vgl. ).

Die grundsätzliche Versagung der Familienbeihilfe für ein studierendes Kind aus Gründen, die einem anderen Rechtsgebiet entnommen werden und nicht in Einklang mit der Familienbesteuerung stehen, wäre daher nicht nur rechtsirrig, sondern sie hätte auch verfassungsrechtlich bedenkliche Auswirkungen.

Aus obigen Gründen stelle ich daher nochmals zusammenfassend den Antrag das Finanzamt wolle mir die Familienbeihilfe mit Wirksamkeit ab Oktober 2002 neuerlich zuerkennen.

Das Finanzamt Leibnitz erließ am eine abweisende Berufungsvorentscheidung mit folgender Begründung:

Gemäß § 6 Abs. 5 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 lit. a und § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht bei volljährigen Kindern, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, u.a. dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Weiters ist im § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 festgehalten, dass bei einem Studienwechsel die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe gelten.

§ 17 Studienförderungsgesetz 1992 Abs. 1 Z. 2 i. d. Fassung BGBI. I Nr. 76/2000 normiert, dass "ein günstiger Studienerfolg nicht vorliegt, wenn der Studierende das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat, wobei gemäß Abs. 4 "ein Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z. 2 nicht mehr zu beachten ist, wenn der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Wechsel betriebenen Studien zurückgelegt hat."

Aus dem von Ihnen anlässlich der Erstantragsstellung auf Familienbeihilfe vorgelegten Studienbuchblatt der Karl-Franzens-Universität Graz für das Wintersemester 2002 geht hervor, dass sie vom Wintersemester 1997 an bis einschließlich zum Wintersemester 2001 in der Studienrichtung Medizin inskribiert waren, wobei die Zulassung zum Studium mit erlosch ("Ende Meldungsstatus"). Mit Beginn des Wintersemesters 2002 erfolgte die Inskription in der Studienrichtung Soziologie. Das Studium der Medizin wurde laut Ihren Angaben nie abgeschlossen, jedoch mindestens bis einschließlich Sommersemester 2000 (laut Inskriptionsnachweis sogar bis einschließlich Wintersemester 2001), also mindestens über die gesamte Dauer der vorgesehenen Studienzeit für den 1. Abschnitt (sechs inskribierte Semester) betrieben. Ab Oktober 2000 bis März 2002 absolvierten Sie außerdem an der Büroschule Uranschek in Graz eine kaufmännische Büroausbildung. Für die Dauer dieser Berufsausbildung wurde Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. b 1. Satz FLAG 1967 gewährt, nachdem die vorgesehene Studienzeit im 1. Abschnitt in der Studienrichtung Medizin bereits abgelaufen war und mangels Abschluss dieses Abschnittes Familienbeihilfe für dieses Studium nicht weiter zuerkannt werden konnte.

Aufgrund dieses Sachverhaltes ist offenkundig, dass ein Wechsel des Studiums erfolgt ist (anstelle des noch nicht abgeschlossenen Studiums Medizin wird nunmehr das Studium der Soziologie betrieben). Der Wechsel des Studiums hat jedenfalls nach dem dritten inskribierten Semester stattgefunden.

Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 sieht für solche Fälle vor, dass die Regelungen des Studienförderungsgesetzes 1992, insbesondere der § 17 (s.o.), gelten, der eben normiert, dass diesfalls kein günstiger Studienerfolg vorliegt, was übertragen auf den Familienbeihilfenanspruch bedeutet, dass ein weiterer Anspruch auf Familienbeihilfe erst unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Studienförderungsgesetz 1992 gegeben ist.

Aufgrund dessen ist ein Anspruch auf Familienbeihilfe ab nicht gegeben, weshalb Ihre Berufung abzuweisen war.

Mit Schreiben vom beantragte die Bw. gemäß § 276 Abs. 2 BAO die Vorlage des Rechtsmittels an die Abgabenbehörde II. Instanz und die Entscheidung über die Berufung durch den gesamten Berufungssenat (§ 282 Abs.1 Z. 1 BAO). Als Begründung wurde ausgeführt:

Zu den Gründen beziehe ich mich auf die ausführlichen Darstellungen in meinem Rechtsmittel vom , mit welchen sich das Finanzamt inhaltlich leider nicht auseinander gesetzt hat. Aus meinen bisherigen Ausführungen ergibt sich zusammenfassend, dass

1. mein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern noch nicht erloschen ist, weil ich das Soziologiestudium im Anschluss an die erfolgreich absolvierte Büroausbildung ernsthaft und zielstrebig betreibe und der Unterhaltsanspruch nicht nach den Vorschriften des Studienförderungsgesetzes zu beurteilen ist (so ausdrücklich );

2. ein Studienwechsel iSd § 17 StudFG nicht vorliegt, weil zwischen der Beendigung des seinerzeitigen Medizinstudiums und der Aufnahme des Soziologiestudiums volle zwei Kalenderjahre liegen, in denen ich eine andere Ausbildung erfolgreich absolviert habe, und ein Willensentschluss, ein Studium durch ein anderes zu ersetzen, bei mir zu keinem Zeitpunkt bestanden hat;

3. der steuerliche Beihilfenanspruch unverändert fortdauert, weil auch der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch weiterhin aufrecht ist und dieser Umstand nach der Intention des Verfassungsgerichtshofes ( G 168 /96; G 285/96) durch eine Steuerbefreiung im Ausmaße der Hälfte des für den Unterhalt erforderlichen Einkommens zu berücksichtigen ist, was entsprechend der gegenwärtigen österreichischen Rechtslage wiederum nur durch die Zuerkennung der Familienbeihilfe möglich ist (vgl. § 34 Abs. 7 Z 5 EStG 1988).

Ich ersuche daher den unabhängigen Finanzsenat er wolle meinen rechtlichen Erwägungen auf Grundlage des unbestrittenen Sachverhaltes folgen und den zu Recht bestehenden Familienbeihilfenanspruch zuerkennen.

In der am abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt:

Der Senat hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3) (BGBl. 1992/311 ab ).

Volljährige Vollwaisen haben gemäß § 6 Abs. 2 dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs.1 lit. b FLAG 1967 zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden (BGBl. 1996/201 ab ).

Nach § 2 Abs. 1 lit. b des FLAG 1967, BGBl.I Nr.1967/376 vom i.d.g.F., gelten bei einem Studienwechsel die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG), BGBl.I Nr. 305, idF 76/2000, angeführten Regelungen auch für die Gewährung der Familienbeihilfe. Anspruch auf Familienbeihilfe liegt daher nur dann vor, wenn nach dem § 17 StudFG 1992 ein günstiger Studienerfolg vorliegt.

§ 17 Studienförderungsgesetz lautet:

(1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende 1. das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder 2. das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder 3. nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium keinen günstigen Studienerfolg nachgewiesen hat, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium.

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten: 1. Studienwechsel, bei welchen die gesamten Vorstudienzeiten für die Anspruchsdauer des nunmehr betriebenen Studiums berücksichtigt werden, weil sie dem nunmehr betriebenen Studium auf Grund der besuchten Lehrveranstaltungen und absolvierten Prüfungen nach Inhalt und Umfang der Anforderungen gleichwertig sind, 2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden, 3. Studienwechsel, die unmittelbar nach Absolvierung der Reifeprüfung einer höheren Schule erfolgen, wenn für das während des Besuchs der höheren Schule betriebene Studium keine Studienbeihilfe bezogen wurde, 4. die Aufnahme eines Doktoratsstudiums gemäß § 15 Abs. 3.

(3) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 Z. 1 und 2 gilt der Wechsel von der Studienrichtung Medizin zur Studienrichtung Zahnmedizin für Studierende, die die Studienrichtung Medizin vor dem Studienjahr 1998/99 aufgenommen haben und den Studienwechsel spätestens im Sommersemester 2001 vornehmen.

(4) Ein Studienwechsel im Sinnes des Abs. 1 Z 2 ist nicht mehr zu beachten, wenn der Studierende in dem nunmehr gewählten Studium so viele Semester wie in den vor dem Studienwechsel betriebenen Studium zurückgelegt hat.

Bei der Regelung des § 17 (Studienwechsel) handelt es sich um eine unter dem spezifischen Gesichtspunkt des Studienförderungsgesetzes (Zielstrebigkeit des Studiums als Teilelement des günstigen Studienerfolges) getroffene abschließende Regelung.

Der Begriff Studienwechsel bedeutet den Betrieb einer anderen Studienrichtung als jener, die in den vorangegangenen Semestern betrieben wurde. Im Zusammenhalt mit § 14 StudFG 1992 (Mehrfachstudien) ist dies noch dahin gehend zu ergänzen, dass ein Studienwechsel auch dann vorliegt, wenn mehrere Studien neben einander betrieben werden und der Studierende die Entscheidung darüber, welches er durch eine Studienbeihilfe fördern lassen will, ändert. Wenn ein Studierender, der mehrere Studien nebeneinander betrieben hat, eine Studienrichtung beendet (entweder abschließt oder abbricht), so gilt bei Fortführung einer anderen Studienrichtung automatisch diese als die betriebene Studienrichtung, so dass auch in diesem Fall ein Studienwechsel vorliegt.

Ein Studienwechsel liegt ebenso vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetz fallendes Studium beginnt. Im Falle der gleichzeitigen Absolvierung mehrerer Studien liegt ein Studienwechsel dann vor, wenn der Studierende an Stelle des bisher angegebenen Studiums ein anderes von ihm betriebenes Studium benennt (VwGH 98/12/0163 v. ).

Maßgebend für einen Studienwechsel ist immer der Studienbeginn.

Grundsätzlich ist ein Studienwechsel nach zwei Semestern in der Zulassungsfrist für ein folgendes Semester möglich. Wechselt ein Studierender das Studium zwei Mal, und zwar jeweils spätestens in der Inskriptionsfrist des dritten Semesters, kann das zu einer Verlängerung des Bezuges von Familienbeihilfe führen.

Zu keiner Verlängerung der Familienbeihilfe führt hingegen ein Wechsel der Studienrichtung nach dem sechsten Semester.

Das bedeutet für den vorliegenden Fall:

Unbestritten ist der Zeitpunkt des Studienbeginns für die Studienrichtung Medizin im Wintersemester 1997.

Der Zeitpunkt des Abbruches wurde nach eigenen Angaben der Bw. (Berufungsschreiben vom ) folgend dargestellt:

Ich habe nach dem Abbruch meines Medizinstudiums nicht ein anderes Studium begonnen, sondern in der Zeit von bis eine kaufmännische Büroausbildung bei der Fa. U. absolviert.

Die Aufnahme des Studiums der Soziologie ab dem WS 2002/03 steht nun nicht im Zusammenhang mit der Beendigung meines seinerzeitigen Medizinstudiums, es soll vielmehr meine beruflichen Chancen und Möglichkeiten bei der Ausübung eines Wirtschaftsberufes verbessern. Somit aber ist dieses Studium nicht an die Stelle eines anderen getreten.

Außer Streit steht damit, dass die Bw. zumindest sechs Semester Medizin studiert hatte und dass das Studium der Soziologie mit WS 2002/03 begonnen wurde.

Wenn die Bw. nun vermeint, ein familienbeihilfenschädlicher Wechsel liege deshalb nicht vor, weil das neue Studium nicht unmittelbar an die Stelle des anderen getreten sei, und dabei unter Punkt 1 der Berufung auf zwei VwGH - Erkenntnisse verweist, wird entgegengehalten, dass diese Erkenntnisse für den vorliegenden Fall nicht zutreffend sind. Im ersten Fall stellte der VwGH fest, dass entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch die "Rückkehr" der Beschwerdeführerin zu ihrem früheren (d.h. vor dem ersten nach dem StudFG maßgebenden Studienwechsel betriebenen) Studium einen Studienwechsel darstelle.

Im zweiten Fall befasste sich der VwGH mit der Problematik "Wechsel eines kombinationspflichtigen Studiums unter Anrechnung der Vorstudienzeiten".

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des StudFG 1992 bzw. FLAG 1967 ist ein Studienwechsel nach dem dritten Semester nur dann nicht beihilfenschädlich, wenn der Studienwechsel ohne Verschulden des Studierenden durch ein unabwendbares Ereignis herbeigeführt wird. Ein solches unabwendbares Ereignis könnte zum Beispiel eine Krankheit sein oder ein eintretendes Gebrechen, das die Beibehaltung und Fortführung der betriebenen Studienrichtung unmöglich macht. Das unabwendbare Ereignis (Krankheit, Verletzung) bzw. das Vorliegen eines wichtigen Grundes muss also den Studienwechsel erforderlich machen.

So hat auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 98/12/0419, erkannt, dass eine mehrjährige Ganztagesbeschäftigung als Studienunterbrechung keinen wichtigen Grund darstellt.

Zum Abbruch eines Studiums und mehrjährige dazwischen liegende Berufstätigkeit stellte der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 2002/10/0167, Folgendes fest:

Zwar enthält das Studienförderungsgesetz - abgesehen vom § 14 Abs. 1 letzter Satz, der für den Sonderfall von Mehrfachstudien eine spezielle Regelung trifft - keine Definition, was unter einem Studienwechsel zu verstehen ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Studienwechsel allerdings dann vor, wenn der Studierende das von ihm begonnene und bisher betriebene, aber noch nicht abgeschlossene Studium nicht mehr fortsetzt und an dessen Stelle ein anderes unter den Geltungsbereich des Studienförderungsgesetzes fallendes Studium beginnt. Im Falle der gleichzeitigen Absolvierung mehrerer Studien (Mehrfachstudien) liegt ein Studienwechsel dann vor, wenn der Studierende an Stelle des bisher angegebenen Studiums ein anderes von ihm betriebenes Studium benennt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 97/12/0371, mit Hinweis auf Vorjudikatur). Da die Beschwerdeführerin somit ihren Studienwechsel erst mit der Aufnahme des Studiums an der Fachhochschule in Dornbirn vollzogen hat, war § 17 Abs. 1 Z. 2 StudFG in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 anzuwenden. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn ihr Antrag auf Gewährung von Studienbeihilfe im Dezember 2001 mangels eines günstigen Studienerfolges (verspäteter Studienwechsel) abgewiesen worden ist.

Im vorliegenden Fall liegt somit ein schädlicher Studienwechsel vor.

Im Punkt 2 der Berufung stützt sich die Bw. auf den Kommentar zum Familienlastenausgleich (Wittmann-Galleta), C 10/5 zu § 2 FLAG, wo es ua. heißt:

Dem FLAG 1967 ist nicht zu entnehmen, dass sich der Anspruch auf Familienbeihilfe nur auf eine einzige Berufsausbildung, also auf ein einziges Studium beschränkt.

Die Bw. erklärt zwar unter dem gleichen Punkt, dass nach Auffassung der Verwaltung neuerlich Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn ein Studium abgeschlossen und mit einem neuen begonnen wird oder wenn nach Abbruch eines Studiums eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b erster Satz begonnen wird, kann aber nicht verstehen, weshalb eine weitere Ausbildung nach einem abgeschlossenen, ja sogar abgebrochenen Studium steuerlich begünstigt, der umgekehrte Fall (Studienbeginn nach einer anderweit erfolgreichen Ausbildung) dagegen benachteiligt sein sollte.

Der § 2 Abs1 lit. b FLAG 1967 normiert, dass bei einem Studienwechsel, der im gegenständlichen Fall nach der Judikatur des VwGH vorliegt, die im § 17 StudFG 1992 angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe gelten. Dazu wird auf den Kommentar zum Familienlastenausgleich (Wittmann Galleta), 10/5 zu § 2 verwiesen, wo ebenfalls klargestellt ist, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich auch dann weg fällt, wenn der Studierende das Studium nach dem jeweils geltenden dritten inskribierten (zugelassenen) Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) wechselt.

Die im Punkt 3 der Berufung angeführte Berücksichtigung von Unterhalt im Sinne des § 140 ABGB vermag einen Familienbeihilfenanspruch nicht zu begründen, weil der schädliche Studienwechsel dem entgegensteht.

Die kürzer gefasste Begründung im Vorlageantrag entspricht im Wesentlichen der Berufung und wurde somit in obige Erwägung miteinbezogen.

Der unabhängige Finanzsenat hatte daher die Berufung vollinhaltlich abzuweisen.

Graz,

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Familienbeihilfe
Studienwechsel
Abbruch eines Studiums
dazwischen liegende Berufsausbildung
Verweise


Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at