Strittig ist das Vorliegen sachlicher und persönlicher Unbilligkeit im Fall beantragter Nachsicht von (bereits entrichteter) Grunderwerbsteuer
Entscheidungstext
BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Franz Zeitlhofer und die weiteren Mitglieder Dr. Andrea Ornig, Dr. Wolfgang Bartosch und Mag. Christiane Riel-Kienzer im Beisein der Schriftführerin Eveline Wünscher am über die Berufung der Bw., vertreten durch EWB Revisions- und Treuhandgesellschaft m.b.H.,, gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung, vertreten durch Wolfgang Guggi, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO 2002 nach in Graz durchgeführter mündlicher Berufungsverhandlung entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit dem Sacheinbringungsvertrag vom brachte die Bw. ihren Teilbetrieb "Grundstückshandel" in die P AG ein. Da die vom Finanzamt gegenüber der P AG in diesem Zusammenhang mit dem Bescheid vom festgesetzte Grunderwerbsteuer in der Höhe von 101.360,00 S (7.366,12 €) nicht einbringlich war, schrieb das Finanzamt mit dem Solidarschuldbescheid vom der Bw. diese Abgabe gemäß § 9 GreStG 1987 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BAO zur Entrichtung vor.
Die am Abgabenkonto der Bw. aushaftende Grunderwerbsteuerschuld wurde am durch Überrechung eines bei einem anderen Finanzamt auf einem Abgabenkonto der Bw. bestehenden Guthabens zur Gänze abgedeckt.
In der Eingabe vom stellte die Bw. ein "Nachsichtsansuchen zur Bezahlung der Grunderwerbsteuer, da unsere Gesellschaft keinerlei Tätigkeiten mehr ausführt und über keinerlei aktives Bilanzvermögen verfügt".
Mit dem Bescheid vom wies das Finanzamt das Ansuchen als unbegründet ab.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom stellte die Bw. den Antrag auf Nachsicht der Grunderwerbsteuer in der Höhe von 7.366,12 €. Die Bw. habe die Zahlungsunfähigkeit nur durch ein Paket an Maßnahmen vermeiden können: Nach dem Eintreten von Zahlungsrückständen habe mit der kreditgebenden Bank nach schwierigen Verhandlungen im September 2002 eine Umschuldungsvereinbarung getroffen werden können. Die neue Vereinbarung sehe einen tilgungsfreien Zeitraum von zwei Jahren vor. Mit den anderen Gläubigern hätten ebenfalls Vereinbarungen erzielt werden können, mit denen die drohende Zahlungsunfähigkeit vermieden werden konnte. Die Bw. übe keine aktive Tätigkeit mehr aus. Die (geringfügigen) Einnahmen aus der Vermietung der Liegenschaft seien gänzlich für die Bedienung der Bankkredite zu verwenden. Die Bw. sei buchmäßig überschuldet und verfüge über kein aktives Bilanzvermögen mehr. Es bestehe keinerlei Verfügbarkeit über die Aktiva, weil Liquidität und Liegenschaftsvermögen zur Gänze zu Gunsten der kreditgebenden Bank verpfändet und alle anderen werthaltigen Aktiva zu Gunsten der anderen Gläubiger belastet seien. Es liege persönliche Unbilligkeit vor, weil die Einhebung der Grunderwerbsteuer die Existenz der Bw. durch Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gefährden würde. Eine Generierung liquider Mittel aus den bestehenden Vermögensgegenständen sei durch die erläuterte Belastung der Aktiva unmöglich. Eine dennoch erzwungene Vermögensrealisierung würde zwangsläufig zu einer Vermögensverschleuderung führen, darüberhinaus könnten auf Grund der Belastung aller Aktiva zu Gunsten der Bank und anderer Gläubiger auch keine Mittel zur Bezahlung der Grunderwerbsteuer generiert werden. Im Übrigen liege eine persönliche Unbilligkeit auch deshalb vor, weil die Abgabe beim originären Schuldner, der P AG, uneinbringlich und deshalb die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer an die Bw. erfolgt sei.
Mit der Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Auch im Fall von Liquiditätsengpässen, die zur Verpfändung von Liegenschaften und anderer Aktiva zu Gunsten anderer Gläubiger führe, dürfe die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht geschmälert werden oder unterbleiben. Die Bewilligung einer Abgabennnachsicht würde sich ausschließlich zu Lasten der Abgabenverwaltung und zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken.
In der Berufung vom beantragt die Bw. die Aufhebung des Abweisungsbescheides vom und verweist hinsichtlich der Begründung auf die Ausführungen in der Berufung vom . Darüberhinaus beantragt die Bw. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch einen Berufungssenat.
Die Bw. ist trotz ausgewiesener Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Der Vertreter des Finanzamtes wies darauf hin, dass auf dem Abgabenkonto der Bw. derzeit ein Rückstand in der Höhe von 225.040,00 € bestehe, weshalb in der Einhebung eines Betrages von 7.366,00 € keine persönliche Unbilligkeit liegen könne.
Der Senat hat erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Im vorliegenden Fall ist, da die verfahrensgegenständliche Abgabe am durch Überrechnung zur Gänze getilgt wurde, zu prüfen, ob eine Unbilligkeit der Einhebung darin liegt, dass der Abgabengläubiger die entrichtete Abgabe behält. Dabei ist an den Begriff der Unbilligkeit kein strengerer Maßstab anzulegen als bei der Nachsicht noch nicht entrichteter Abgabenschuldigkeiten.
Der Nachsichtswerber hat mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage bei Nachsichtsmaßnahmen einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann.
Gemäß § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner. Gemäß § 9 Z. 4 GrEStG 1987 sind Steuerschuldner die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen. Im vorliegenden Fall sind daher die Bw. und die P AG Gesamtschuldner. Die Nachsicht einer Abgabenschuld kommt allen Solidarschuldnern (Mitschuldnern) zugute. Eine Nachsicht nach § 236 BAO darf einem Gesamtschuldner nur dann erteilt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen bei allen Mitschuldnern vorliegen (, 0076). Die Bw. hat im gesamten Verfahren nicht einmal behauptet, die Einhebung der Grunderwerbsteuer bei der P AG sei unbillig. Das Nachsichtsansuchen ist bereits aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen, weil die Bw. der ihr im Nachsichtsverfahren auferlegten Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen ist. Die Tatsache, dass die Grunderwerbsteuer bei der P AG uneinbringlich ist, kann nicht mit einem Vorliegen der Unbilligkeit der Einhebung gleichgesetzt werden ().
Tatbestandsmäßige Voraussetzung für die der Behörde nach § 236 Abs. 1 BAO eingeräumte Ermessensentscheidung ist die Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Bejaht die Abgabenbehörde hingegen das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Sinne des § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden ().
Die Einhebung einer Abgabe kann nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach der Lage des Falles entweder sachlich oder persönlich unbillig sein.
Mit dem Vorbringen, eine Unbilligkeit liege darin, dass die Abgabe beim ursprünglichen Schuldner P AG uneinbringlich und aus diesem Grund die Vorschreibung an die Bw. erfolgt sei, wird das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit geltend gemacht.
Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn im Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt.
Wie bereits ausgeführt, besteht im vorliegenden Fall ein Gesamtschuldverhältnis zwischen der Bw. und der P AG. Es liegt grundsätzlich im Ermessen der Behörde, ob sie das Leistungsgebot an einen der Gesamtschuldner und an welchen sie es richtet. Die Abgabenbehörde darf sich aber nicht ohne sachlichen Grund an die Person halten, die nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Steuerlast nicht tragen sollte.
Da jedoch die Abgabenschuld bei der laut § 12 des Sacheinbringungsvertrages vom zur Zahlung der durch den Vertrag ausgelösten Abgaben - und somit der Grunderwerbsteuer - verpflichteten übernehmenden Gesellschaft P AG nicht einbringlich ist, bestand für das Finanzamt kein Ermessensspielraum bei der Heranziehung der Bw. als Solidarschuldnerin. In dieser dem Gesetzesauftrag entsprechenden Vorgangsweise des Finanzamtes ist eine sachliche Unbilligkeit nicht gelegen, denn eine allgemein gültige Rechtsvorschrift für sich allein vermag keine Unbilligkeit der Einhebung zu begründen. Eine Unbilligkeit kann weder aus der im Gesetz in § 9 Z 4 GrEStG 1987 normierten Gesamtschuldnerschaft der Vertragspartner, noch aus der späteren Heranziehung der Bw. abgeleitet werden (). Das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit kann daher in der Einhebung (im Behalten) der verfahrensgegenständlichen Grunderwerbsteuer nicht erblickt werden.
Zum Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit bringt die Bw. vor, mit ihren Gläubigern seien Vereinbarungen getroffen worden, mit denen eine Zahlungsunfähigkeit vermieden werden konnte. Die Bw. übe keine aktive Tätigkeit mehr aus, geringfügige Einnahmen aus einer Liegenschaftsvermietung dienten zur Rückzahlung der offenen Bankkredite. Eine Vermögensrealisierung würde nicht nur zu einer Vermögensverschleuderung führen, sondern auf Grund der Belastung aller Aktiva zu Gunsten der Bank auch keine Mittel zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer generieren.
Diesen wenig konkretisierten Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Bw. - so wurde nicht dargetan, wie hoch die Einkünfte der Bw. bzw. ihre Verbindlichkeiten bei anderen Gläubigern sind - kann entnommen werden, dass eine Veräußerung von Vermögen bzw. eine Verschleuderung von noch vorhandenen Aktiva (Liegenschaften) zum Zwecke der Entrichtung der Grunderwerbsteuer ohnehin nicht in Frage kommt, weil mit dem Veräußerungserlös ausschließlich Bankverbindlichkeiten abgedeckt werden könnten. Eine Vermögensverschleuderung ist aber im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil die in Rede stehende Abgabe durch die vom Finanzamt vorgenommene Überrechnung des Abgabenguthabens ohnehin nicht mehr offen aushaftet.
Der Vertreter des Finanzamtes bringt vor, dass am Abgabenkonto der Bw. derzeit ein Rückstand von insgesamt 225.040,62 offen aushaftet. Abgesehen davon, dass eine Nachsichtsgewährung wieder zu einer Verrechnung des Guthabens mit den aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten führen würde und daher nur eine Umschichtung der Verbindlichkeiten beim Abgabengläubiger zur Folge hätte, liegt eine persönliche Unbilligkeit nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte ().
Das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit ist im vorliegenden Fall daher ebenfalls zu verneinen, weil die Bw. nicht einmal selbst behauptet, durch die Nachsicht der in Rede stehenden Abgabe würde sich ihre finanzielle Notlage verändern bzw. verbessern. Da die Bw. ohnehin überschuldet ist, würde, da die Abgabe bereits getilgt ist, das Behalten des Betrages von 7.366,12 € durch den Abgabengläubiger zu keiner Änderung der Vermögenslage, sondern lediglich zu einer Abdeckung anderer Verbindlichkeiten führen.
Die vorliegende Berufung ist daher aus den Rechtsgründen des § 236 Absatz 1 und 2 BAO (mangels Vorliegens des Tatbestandsmerkmales Unbilligkeit der Einhebung) als unbegründet abzuweisen.
Darüberhinaus ist festzustellen, dass - worauf bereits das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung verwiesen hat - auch im Fall einer von der Behörde nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffenden Ermessensentscheidung das Nachsichtsansuchen abzuweisen wäre, weil im Fall einer Nachsicht nach den Ausführungen der Bw. die Verbindlichkeiten der übrigen Gläubiger der Bw. abgedeckt würden und sich die Nachsicht daher nur zu Gunsten der anderen Gläubiger auswirken würde. Damit wären diese Gläubiger, die nicht auf Forderungen verzichtet haben, gegenüber der Abgabenbehörde bevorzugt. In einem solchen Fall ist eine Nachsicht aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht zu gewähren ().
Graz,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 236 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | sachliche Unbilligkeit persönliche Unbilligkeit Gesamtschuldner Vermögensverschleuderung Zweckmäßigkeit Unbilligkeit der Einhebung |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at