Haftungsbescheid, Strohmann
Rechtssätze
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RV/0697-W/03-RS1 | Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, welche die zukünftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung unmöglich macht. Der Umstand allein, dass ein Geschäftsführer seine Funktion nie ausgeübt hat, bedeutet nicht, dass er wie ein zurückgetretener Geschäftsführer zu beurteilen wäre. (). |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der
unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch
Mag. Michael Rudnigger, gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes für den
21. und 22. Bezirk in Wien entschieden:
Die
Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß
§ 291
der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht
zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen
nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die
Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich
bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich
bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer
unterschrieben sein.
Gemäß
§ 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das
Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung
(Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu
erheben.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt für den 21.
und 22. Bezirk hat am einen Haftungsbescheid erlassen und den
Bw. betreffend Abgabenschuldigkeiten der K. GesmbH im Ausmaß von €
22.175,85 gemäß
§ 9 i.V. § 80 BAO zur Haftung
herangezogen.
Gegen den Bescheid erhob der
Bw. am Berufung. Der Begründung des Haftungsbescheides,
wonach der Bw. im Zeitraum bis handelsrechtlicher
Geschäftsführer der K. GesmbH gewesen sei und demnach ihm die
Verpflichtung obläge wäre die Abgaben aus Mitteln der Gesellschaft zu
entrichten, werde entgegengestellt, dass der Bw. zwar als
Geschäftsführer und Liquidator im Firmenbuch eingetragen gewesen sei,
jedoch diese Funktion faktisch nie ausgeübt habe.
Der Bw. sei von den beiden
Machthabern E. und S.K. lediglich als Strohmann eingesetzt worden. Auf dieses
Argument sei die Behörde im Haftungsbescheid nicht ausreichend
eingegangen.
Zur Uneinbringlichkeit der
Abgabenschuldigkeiten bei der K. GesmbH wurde in der Berufung zugestanden, dass
die Gesellschaft mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom
gemäß
§ 40 FBG amtswegig gelöscht worden sei.
Mit der Berufung wurde auch ein
Antrag gemäß
§ 212 a BAO auf Aussetzung der Einhebung der
Abgabenschuldigkeiten gestellt, diesbezüglich wird auf die gesonderte
Entscheidung zu RV/2042-W/2003 verwiesen.
Mit Berufungsentscheidung vom
wurde die Berufung gegen den Haftungsbescheid vollinhaltlich
abgewiesen. Zur Frage der Haftung eines Strohmannes wurde durch das Finanzamt
ausgeführt, dass eine Übertragung abgabenrechtlicher Verpflichtungen
einen Geschäftsführer nicht von seiner Verantwortung befreie. Es
verblieben Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung zu Haftungsfolgen
nach § 9 BAO führen könnten.
Es gehöre zur Pflicht des
vom § 9 BAO erfassten Vertreters, durch geeignete Aufsichts- und
Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von
Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung
abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolge.
Wenn unternehmensintern eine
Arbeitsteilung vorgenommen werde, oder man sich anderer Personen zur
Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten bediene, stelle es eine zumutbare
Obsorgepflicht dar, die Aufgabenerfüllung zu überprüfen oder
durch geeignete Personen überprüfen zu lassen ().
Der Geschäftsführer
habe insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln der
Gesellschaft entrichtet würden ().
Es entspräche der
gängigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein
Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen
Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder durch dritte
Personen behindert sehe, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der
ungehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion
niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden habe (, , 95/15/0163).
Ein für die Haftung
relevantes Verschulden liege auch dann vor, wenn sich der
Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer
Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt habe bzw. eine
solche Beschränkung in Kauf nehme, die die künftige Erfüllung
seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden
gegenüber, unmöglich mache (, , 91/15/0063).
Am wurde gegen die Berufungsvorentscheidung
ein Vorlageantrag an den unabhängigen Finanzsenat eingebracht und wiederum
eingewendet, dass die Abgabenbehörde auf das Vorbringen, der Bw. sei nur
Strohmann der GesmbH und nicht für abgabenrechtliche Belange
Zuständiger gewesen, nicht entsprechend eingegangen sei.
In der bekämpften Entscheidung seien nur allgemeine
Rechtsausführungen zur Haftung angeführt gewesen, eine Verbindung mit
dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt sei nicht hergestellt
worden.
Über
die Berufung wurde erwogen:
Gemäß
§ 80 Abs.1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen
Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten
zu erfüllen, die den von Ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, sie
diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu
sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten entrichtet
werden.
Gemäß
§ 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter
neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden
Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den
Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden
können.
Geht einem Haftungsbescheid ein
Abgabenbescheid voraus, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in
der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung an den Abgabenbescheid
zu halten.
Unstrittig sind die Höhe
der dem Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Abgabenschuldigkeiten, die
Uneinbringlichkeit bei der K.GesmbH und der Zeitraum der handelsrechtlichen
Geschäftsführung des Bw.
Der Bw. fungierte im Zeitraum
bis als Geschäftsführer der K. GesmbH
daher oblag ihm gemäß
§ 18 GesmbHG die Vertretung der GesmbH und
die Entrichtung der in diesem Zeitraum fälligen Abgabenschuldigkeiten.
Sämtliche im Haftungsbescheid angeführte Abgaben fallen in den
Zeitraum der handelsrechtlichen Geschäftsführerschaft des
Bw.
Das Berufungsvorbringen
beschränkt sich lediglich auf den Einwand der Bw. habe die Funktion des
Geschäftsführers nicht tatsächlich ausgeübt, sondern nur als
Strohmann fungiert.
Dieser Argumentation wurde
bereits in der Berufungsvorentscheidung vom entgegnet, dass
die bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen nicht auf eine faktische Wahrnehmung
der steuerlichen Angelegenheiten abstellen, sondern rein die rechtliche Stellung
als handelrechtlicher Geschäftsführer eine Verpflichtung zur
Sicherstellung der Entrichtung der im Zeitraum der jeweiligen
Geschäftsführung anfallenden Abgaben nach sich zieht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat
wiederholt ausgeführt, dass ein Geschäftsführer, der sich durch
Gesellschafter oder dritte Personen behindert sieht, entweder sofort im
Rechtsweg die Möglichkeit der ungehinderten Ausübung seiner Funktion
zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer
auszuscheiden hat. (VwGH 20030813, 2000/08/0032, 20020702, 96/14/0076,19970123,
95/15/0163)
Ein für die Haftung
relevantes Verschulden liegt auch dann vor, wenn sich der
Geschäftsführer schon bei Übernahme seiner Funktion mit einer
Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche
Beschränkung in Kauf nimmt, welche die zukünftige Erfüllung
seiner gesetzlichen Verpflichtung unmöglich macht. Der Umstand allein, dass
ein Geschäftsführer seine Funktion nie ausgeübt hat, bedeutet
nicht, dass er wie ein zurückgetretener Geschäftsführer zu
beurteilen wäre. (VwGH 20030813, 2000/08/0032)
Eine Zurücklegung der
Geschäftsführerstellung wurde im gegenständlichen Verfahren nicht
behauptet. Aus dem Berufungsvorbringen ergibt sich lediglich, dass sich der Bw.
mit dem tatsächlichen Entzug seiner Berechtigungen durch die beiden
Machthaber abgefunden hat.
Diese im Innenverhältnis
getroffene Vereinbarung kann ihn jedoch nicht gänzlich von seinen
steuerrechtlichen Verpflichtungen entbinden, er hätte bei Übertragung
seiner Pflichten zumindest eine Auswahl- und Kontrollpflicht wahrzunehmen
gehabt, deren Verletzung eben die Konsequenzen einer Haftungsinanspruchnahme
nach § 9 BAO nach sich zieht.
Dem Bw. ist es nicht gelungen
darzulegen, dass er geeignete Maßnahmen zur Überprüfung der
beiden Personen E. und S. K. gesetzt hat und sohin ohne sein Verschulden daran
gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, daher wurde
zu Recht durch die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung
angenommen.
Die Berufung war als
unbegründet abzuweisen.
Wien,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Haftungsbescheid Strohmann |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at