Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 07.11.2003, RV/0066-I/02

Bestehen einer Lebengemeinschaft mehr als sechs Monate im Kalenderjahr

Entscheidungstext

BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1998 entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

In der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1998 kreuzte die Bw. als Familienstand "verwitwet" an und machte den Alleinerzieherabsetzbetrag geltend.

Im Einkommensteuerbescheid wurde der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt mit der Begründung, die Steuerpflichtige habe im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner gelebt.

Die Abgabepflichtige brachte gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 Berufung ein und bekämpfte den Nichtansatz des von ihr beanspruchten Alleinerzieherabsetzbetrages mit folgender wörtlich wiedergegebener Begründung:

"Da ich seit 1994 in keiner Ehegemeinschaft lebe und dies bereits mehrmals dem Amt bekanntgegeben habe, ersuche ich den mir von rechtswegen zustehenden Alleinerzieherabsetzbetrag zuzuerkennen. Wie das Amt zu dieser Entscheidung kommt, mir ständig eine Partnergemeinschaft aufgrund fadenscheiniger Indizien unterzuschieben, kann ich mir nur aufgrund persönlicher Interessen in meiner Angelegenheit erklären."

Ohne vorherige Erlassung einer Berufungsvorentscheidung legte das Finanzamt diese Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Da hinsichtlich der Nichtzuerkennung des geltend gemachten Alleinerzieherabsetzbetrages bezogen auf die Veranlagungsjahre 1994 bis 1997 bereits unter den Zahlen 99/14/0224, 0225 eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war und dem Ausgang dieses Beschwerdeverfahrens somit wesentliche Bedeutung für die Entscheidung über die gegenständliche Berufung zukam, wurde nach erfolgter Zustimmung der Bw. mit Bescheid vom das gegenständliche Berufungsverfahren gemäß § 281 BAO ausgesetzt. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zlen. 99/14/0224, 0225 über dieses Beschwerdeverfahren abgesprochen hat, war gemäß § 281 Abs. 2 BAO das ausgesetzte Berufungsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 steht einem Alleinerzieher ein Alleinerzieherabsetzbetrag von 5.000 S (364 Euro) jährlich zu. Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt. Gemäß § 106 Abs. 3 EStG 1988 idF BGBl. Nr. 312/1992 ist (Ehe)Partner eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit der er mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Alleinverdiener ist demgegenüber nach § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 ein Steuerpflichtiger, der mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet ist und von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt. Alleinverdiener ist auch ein Steuerpflichtiger mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), der mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer anderen Partnerschaft lebt. Weitere Voraussetzung beim Alleinverdienerabsetzbetrag ist, dass der (Ehe)Partner bei mindestens einem Kind Einkünfte von höchstens 60.000 S (4.400 Euro) jährlich erzielt.

  • Der Begriff des Alleinerziehers deckt sich weitgehend mit dem des Alleinerhalters, an dessen Stelle er ab 1993 getreten ist. Dies bedeutet, dass der Alleinerzieher so wie früher der Alleinerhalter ein Steuerpflichtiger mit mindestens 1 Kind ist, der mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt (siehe hiezu zB Hofstätter-Reichel, Kommentar zum EStG 1988, Band III, § 33 Tz 11.3 und § 57 Tz 4.4 und die dort referierte Rechtsprechung, sowie Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch EStG 1988, 1993, Tz 14.2 und 3 zu § 33 zum Alleinerhalterabsetzbetrag). Den als "Alleinerzieher" bezeichneten Personenkreis stellt der Gesetzgeber in Bezug auf die Gewährung des Alleinverdienerabsetzbetrages den sogenannten "Alleinverdiener" gleich worunter unbeschränkt steuerpflichtige Personen zu verstehen sind, die verehelicht sind und von ihrem Ehepartner, der selbst über bestimmte Höhe nicht übersteigende Einkünfte verfügt, nicht dauernd getrennt leben. Der Gesetzgeber unterscheidet demnach bei Ehepartnern zwischen zwei Gruppen: Jenen, die nicht dauernd getrennt leben, und jenen, die dauernd getrennt leben. " Dauernd getrennt" lebt der Ehegatte, der die gemeinsame Wohnung verlässt und auf Dauer sein Leben in einer anderen Wohnung verbringt. Nicht dauernd getrennt lebt jedoch ein Ehegatte, der aus beruflichen Gründen- sei es auch auf längere Zeit- immer wieder vom gemeinsamen Familienwohnsitz abwesend ist, in regelmäßigen Abständen jedoch zu diesem zurückkehrt, um dort gemeinsam mit seinem Ehegatten zu leben. Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung (siehe Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Band II, Tz. 31 zu § 33 EStG 1988). Auch bei einer (bloßen) Lebensgemeinschaft hebt eine berufliche Abwesenheit das gemeinsame Wohnen in einer bestehenden Lebensgemeinschaft dann nicht auf, wenn beide Partner außerhalb dieser beruflich notwendigen Abwesenheit miteinander in Gemeinschaft leben (,0225).

  • Im gegenständlichen Berufungsfall besteht ausschließlich Streit darüber, ob die nicht standesamtlich (siehe § 15 EheG) sondern bloß kirchlich mit H. A. verheiratete Bw. im Kalenderjahr 1998 die Tatbestandsvoraussetzung "mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt" erfüllte und ihr damit der geltend gemachte Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht. Von der Bw. selbst gar nicht beansprucht und auf Grund der Höhe der Einkünfte des H. A. von über 60.000 S schlichtweg auszuschließen war, dass im Gegenstandsfall die für den Alleinverdienerabsetzbetrag erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.

  • Bei der Abklärung des den Berufungsfall entscheidenden Tatumstandes des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer im Streitjahr mehr als 6 Monate bestehenden Lebensgemeinschaft ist von folgenden Sachverhaltsfeststellungen auszugehen: Einleitend ist festzuhalten, dass die Bw. mit H. A. laut Trauungsschein vom kirchlich "verheiratet" ist. Wenn auch unter Beachtung der Bestimmung des § 15 EheG keine staatlich anerkannte Ehe vorliegt, spricht doch die kirchliche Trauung für das Bestehen einer Lebensgemeinschaft, ist doch für eine kirchliche Ehe die auf Dauer ausgerichtete Leibes- Wohn- und Lebensgemeinschaft schlichtweg charakteristisch. Auch im Trauungsschein wurde als gemeinsame Wohnadresse Innsbruck, KStr. 3 angeführt. Laut Abgabenerklärung lebt die Bw. unter dieser Adresse und aus einer Meldeauskunft der Bundespolizeidirektion Innsbruck, Meldeamt, vom geht hervor, dass auch A. H. seit unter der Adresse Innsbruck, KStr. 3 gemeldet ist. Außerdem hat H. A. am fernmündlich mitgeteilt, dass er gemeinsam mit der ihm kirchlich angetrauten B. A. die Wohnung in Innsbruck, KStr.3 bewohne. Desweiteren sind im Telefonbuch 1999/2000 H. A. und B. A. unter gemeinsamer Wohnadresse und gemeinsamer Telefonnummer angeführt. Diesbezüglich darf ergänzend noch auf die Ausführungen in der an die Berufungswerberin ergangenen, die Jahre 1994 bis 1997 betreffenden Berufungsentscheidungen der Finanzlandesdirektion für Tirol verwiesen werden, die hinsichtlich der darin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen einen integrierenden Bestandteil dieser Berufungsentscheidung bilden.

  • Vor dem Hintergrund der polizeilichen Meldung und der genannten anderen für ein Zusammenleben sprechenden Hinweise war in freier Beweiswürdigung für das Jahr 1998 weiterhin davon auszugehen, dass die Bw., die seit dem Jahr 1992 mit ihrem kirchlich angetrauten Partner H. A. in der Wohnung Innsbruck KStr. 3 in Gemeinschaft (siehe diesbezüglich ,0225) lebt, diese Lebensgemeinschaft auch im Streitjahr 1998 länger als 6 Monate fortsetzte. Die für die Zuerkennung des beantragten Alleinerzieherabsetzbetrages erforderliche (negative) Tatbestandsvoraussetzung des "Nichtlebens" in einer Gemeinschaft mit einem Partner mehr als 6 Monate im Kalenderjahr liegt somit im Streitfall nicht vor. Sollte mit der Wortwahl in der Berufung, sie lebe in keiner "Ehegemeinschaft" zum Ausdruck gebracht werden, dass mangels standesamtlicher Eheschließung keine staatlich anerkannte Ehe und damit keine "Ehegemeinschaft" vorliege, dann ist diesem Argument entgegenzuhalten, dass es bei der Frage der Zuerkennung des beanspruchten Alleinerzieherabsetzbetrages ausdrücklich nur darauf ankommt, ob die Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind mehr als 6 Monate im Kalenderjahr nicht mit einem Partner in einer Gemeinschaft lebte. Hingegen muss es sich, und dies geht aus dem Gesetzeswortlaut mit aller Deutlichkeit hervor, bei einer solchen Gemeinschaft mit dem (Ehe)Partner nicht um eine staatlich anerkannte Ehe handeln. Dass aber die Bw. mit H. A. (kirchlich verheiratet) im Jahr 1998 länger als 6 Monate in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebte, ließ sich aus den vorliegenden für ein Zusammenleben sprechenden Hinweisen schlüssig folgern.

  • Das Finanzamt hat demzufolge zu Recht im Einkommensteuerbescheid 1998 mangels Vorliegens der in Frage stehendenTatbestandsvoraussetzung den geltend gemachten Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zuerkannt. Es war daher wie im Spruch ausgeführt die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 als unbegründet abzuweisen.

Innsbruck,

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Alleinerzieherabsetzbetrag
Gemeinschaft
Lebensgemeinschaft
Verweise
, betraf die Jahre 1994 - 1997 des gegenständlichen Berufungsfalles

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at