Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 24.10.2003, RV/0285-I/02

Rückforderung Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge ,Haushaltszugehörigkeit, überwiegende Kostentragung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen vom entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt Innsbruck gem. § 26 Abs. 1 FLAG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a bzw. c EStG 1988 für den Zeitraum bis Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge im Gesamtbetrag von S 42.000.- zurück.

Dieser Bescheid wurde von der Vorinstanz wie folgt begründet :

"Gem. § 2 Abs. 2 FLAG hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Absatz 5 normiert hiezu, dass ein Kind, dann zum Haushalt einer Person gehört, wenn es bei

einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt u.a. nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält.

Die Finanzlandesdirektion hat betreffend der Berufung von Fr. R. Angelina am folgendermaßen entschieden:

R. Mario hat sich im strittigen Zeitraum mutwillig und ohne Einwilligung der Berufungswerberin aus dem Haushalt der Mutter entfernt, um sich so deren Erziehungsgewalt zu entziehen. In den jeweils kurzzeitigen Unterbringungen zur Nächtigung in diversen Sozialeinrichtungen kann daher nur ein vorübergehender Aufenthalt des damals noch minderjährigen Sohnes außerhalb der Wohngemeinschaft erblickt werden. Eine einheitliche Wirtschaftsführung setzt in Bezug auf vorübergehend außerhalb der Wohngemeinschaft lebenden Kinder voraus, dass diese Kinder im Rahmen der dem Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend bedacht und damit der elterlichen Obsorge teilhaftig werden (siehe VWGH ,1509/58). Dass die Berufungswerberin ihrer Obsorgepflicht nicht nachgekommen wäre, wird durch die vorhandenen Beweismittel widerlegt, weshalb die Haushaltszugehörigkeit des Sohnes zur Berufungswerberin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht als aufgehoben anzusehen ist. Da der Sohn der Berufungswerberin am zur Niederschrift angegeben hat, dass sich seine monatlichen Fixkosten auf ca. S 4.000,- bis S 5.000,- belaufen, ist durch die Weiterleitung der vom Kindesvater an die Berufungswerberin zu zahlenden Unterhaltskosten in Höhe von S 4.150.- erwiesen, dass sie auch zu den Unterhaltskosten überwiegend beigetragen hat.

Aufgrund dieser Entscheidung mußte die Familienbeihilfe in obiger Höhe rückgefordert werden."

Gegen den angeführten Bescheid erhob der Bw. mit Schreiben vom form- und fristgerecht Berufung. In der Berufungsschruft, die in den Antrag auf (ersatzlose) Aufhebung des Rückforderungsbescheides (hilfsweise Bescheidaufhebung unter Rückverweisung der Rechtssache an die Behörde 1. Instanz) mündet, wird vorgebracht :

"1.

Der Bw. war offenkundig in das gegenständliche Verfahren durch die erste Instanz nicht miteinbezogen worden, obwohl er ein unmittelbares rechtliches Interesse insbesondere auch im Zusammenhang mit der Schaffung der entsprechenden Sachverhaltsgrundlagen hat. Insbesondere hätten die Behauptungen der Kindesmutter entsprechend widerlegt werden können und hätte es daher niemals zur Entscheidung vom der Finanzlandesdirektion kommen können.

Insbesondere verantwortet der Antragsteller keine ohne Einwilligung der Kindesmutter vorgenommene Entfernung aus dem gemeinsamen Haushalt bzw. eine mutwillige gesonderte Wohnsitznahme. Die familiären Verhältnisse waren nämlich - wie sich aus der Einholung der diversen Bestätigungen des betreffenden Pflegschaftsaktes beim Bezirksgericht Innsbruck sowie der allfälligen Einvernahme jener Sozialarbeiter, die den Bw. in dieser Phase betreut haben für den Bw. so belastend und negativ, dass den Bw. ein gemeinsamer Haushalt mit seiner Mutter nicht zumutbar war. Die "Bandbreite" der Vorfälle reichte von körperlichen Misshandlungen, Bedrohungen bzw. verbalen Attacken bis hin zu stundenlangem Einsperren des Bw. in der Wohnung.

Durch die Nichteinholung dieser Beweismittel ist jedenfalls das erstinstanzliche Verfahren mangelhaft geblieben, da erwiesen worden wäre, dass die Aufgabe des gemeinsamen Haushaltes keineswegs freiwillig war, sondern für den Bw. die einzige Möglichkeit darstellte, in vertretbarer Weise sein "Dasein" zu fristen.

Bereits aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich im übrigen, dass der Bw. nicht nur kurzzeitig in diversen Sozialleinrichtungen untergebracht war, sondern dass er sich mit einer kurzfristigen Unterbrechung im Jänner 2000 seit Oktober 1999 faktisch zur Gänze außerhalb des gemeinsamen Haushaltes aufhalten musste.

Es ist unerfindlich, wie die FLD Tirol in ihrer Entscheidung vom zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass es sich dabei um "frei gewählte" Aufenthalte gehandelt haben soll. Allein die Überlegung, dass der Bw., der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig war, freiwillig und gerne Obdachloseneinrichtungen aufgesucht hätte bzw. sich zum Teil im Freien wochen- und monatelange selbst "gerne" versorgt hätte, ist nicht nachvollziehbar.

Im übrigen ist auch aus jugendpsychologischer Sicht eine Rückkehrmöglichkeit verneint worden.

Diesbezüglich ist ausdrücklich auf die Stellungnahme der Ass.Prof. und Sachverständigen Dr. B. H. zu verweisen, nach der eine Rückkehr in den gemeinsamen Haushalt mit der Kindesmutter für den Bw. aus medizinischen Gründen nicht zumutbar war.

Darüber hinaus ist die Bw. ihren Obsorgepflichten nachhaltig nicht nachgekommen. Die Kindesmutter hat den Bw. nicht nur vor massiven körperlichen Angriffen Verwandter nicht geschützt, sie hat ihn auch zumindest seit Herbst 1999 finanziell in keiner Weise mehr unterstützt. Lediglich die Unterhaltsleistungen des Kindesvaters wurden von ihr ab April 2000 an den Bw. weitergeleitet. Die diesbezüglichen Feststellungen, die Kindesmutter sei ihren finanziellen Verpflichtungen nachgekommen, sind daher nicht nachvollziehbar. Insbesondere hat sie aus eigenen Mitteln keinerlei Zahlungen an den Bw. geleistet, sondern sogar zum Teil die Familienbeihilfe für den Bw. bezogen.

Die Kindesmutter konnte daher keinerlei Beweise dafür erbringen, welche Leistungen sie tatsächlich aus eigenen Mitteln erbracht haben soll, die als Unterstützungsmaßnahmen für den Bw. anzusehen sind. Die reine Weiterleitung der Unterhaltsleistungen des Kindesvaters sind jedenfalls nicht ihr anzurechnen, sondern eben dem Kindesvater. Es bleibt festzuhalten, dass der Bw. keinerlei Zahlungen von der Kindesmutter erhalten hat.

Auch in dieser Hinsicht hätte durch eine einfache Einsichtnahme in den Akt beim Pflegschaftsgericht bzw. den Akt beim Jugendamt Innsbruck erwiesen werden können, dass die Kindesmutter keine Unterhaltsleistungen aus eigenem erbracht hat.

Dazu wäre sie jedoch zwingend verpflichtet gewesen, da ihr nur dann allenfalls die Familienbeihilfe zustünde, wenn sie tatsächlich Beiträge für den Bw. erbracht hat. Im übrigen bleibt festzuhalten, dass ein Zeitraum von beinahe zwei Jahren jedenfalls ausreichend ist, um von einer Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes zwingend sprechen zu können (;97/13/0127).

Bei Einholung der diversen Unterlagen bzw. genauer Prüfung der Sachlage wäre das Finanzamt auch zwingend zu dem Ergebnis gelangt, dass sogar die Kindesmutter selbst im relevanten Zeitraum, sohin im Zeitraum April 2000 bis Jänner 2001 den fehlenden gemeinsamen Haushalt bestätigt hat und auch keinerlei Gründe dafür ins Treffen geführt hat, dass dieser in diesem Zeitraum gegen ihren Willen aufgehoben sei bzw. es dem Minderjährigen möglich wäre, in den Haushalt zurückzukehren. Wie sich aus dem Pflegschaftsakt nämlich ergibt, hat die Kindesmutter mit Juni 2000 zugestimmt, dass die Unterhaltszahlungen des Kindesvaters direkt an den Bw. ausbezahlt werden, sohin sie keinerlei Vermittlerrolle mehr eingehe. Damit ist erwiesen, dass wohl auch seit Juni 2000 die Kindesmutter davon ausging, dass ein gemeinsamer Haushalt nicht mehr besteht.

2.

Nachdem sohin die Kindesmutter tatsächlich keinerlei Unterhaltsleistungen für den Minderjährigen erbracht hat, dieser sich vielmehr selbst versorgen mußte und - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - de facto auf Zuwendungen des Kindesvaters im Ausmaß von S 4.000,00 - 5.000,00 monatlich angewiesen war, ist davon auszugehen, dass ihr die entsprechenden Familienbeihilfemittel auch nicht zustehen.

Ein vorübergehender Aufenthalt außerhalb des gemeinsamen Haushaltes liegt jedenfalls nicht vor, sondern war es tatsächlich so, dass der Bw. über den gesamten Zeitraum seit Oktober 1999 außerhalb des Haushaltes sich aufgehalten hat. Im übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Bw. die Beträge zur Bestreitung seines eigenen Unterhaltes verwendet hat und sie auch gutgläubig verbraucht hat. Der Bw. hat im übrigen unter Offenlegung sämtlicher Sachverhaltsmomente einen entsprechenden Antrag an das Finanzamt Innsbruck gerichtet und wurde diesem dann stattgegeben und die Beträge auch an ihn ausbezahlt.

Anlass für die Zahlungen an den Bw. war sohin die Entscheidung des Finanzamtes, sodass eine Rückzahlungsverpflichtung für den Bw. jedenfalls . nicht

besteht ()."

Die Finanzlandesdirektion für Tirol führte (als bis zuständig gewesene Berufungsbehörde) umfangreiche Ermittlungen durch. Die Ermittlungsergebnisse wurden dem. Bw. zur Stellungnahme vorgehalten.

Der Bw. gab hiezu mit Eingabe vom eine schriftliche Stellungnahme ab.

Im Hinblick auf den Umfang der Beweisergebnisse und den Umstand, dass die Beweisergebnisse dem Bw. und der Amtspartei bekannt sind, wird zur Vermeidung von umfangreichen Wiederholungen auf die detaillierte Darstellung der Ergebnisse der Verfahrensergänzungen verzichtet.

Die Ergebnisse der Verfahrensergänzung samt der Stellungnahme der Bw. wurden in der Folge dem Finanzamt Innsbruck als Amtspartei zur Kenntnisnahme und Stellungnahme übermittelt.

In der Stellungnahme vom vertritt das Finanzamt Innsbruck nunmehr die Auffassung, dass der Bw. im Streitzeitraum ( bis ) nicht zum Haushalt seiner Mutter gehört habe. Auch könne nicht von einer überwiegenden Kostentragung der Kindesmutter bzw. des Kindesvaters ausgegangen werden.

Der mit Berufung angefochtene Rückforderungsbescheid sei daher zu Unrecht ergangen, da der Bw. Anspruch auf Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) gehabt habe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Wie bereits im Bescheid der Vorinstanz zutreffend ausgeführt wurde, hat gemäß § 2 Abs. 2 FLAG die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Absatz 5 leg.cit. normiert hiezu, dass ein Kind dann zum Haushalt einer Person gehört, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt u.a. nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält.

Zudem bestimmt § 6 Abs. 5 FLAG, dass Kinder, die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen für sich selbst Anspruch auf Familienbeihilfe haben, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat, wenn ihnen deren Eltern nicht überwiegend Unterhalt leisten.

Im gegenständlichen Fall ist daher zu prüfen, ob es sich bei den Aufenthalten des Bw. in den diversen Sozialhilfeeinrichtungen um einen nur vorübergehenden Aufenthalt außerhalb der gemeinsamen Wohnung gehandelt hat und ob seitens der Mutter im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend Unterhalt geleistet wurde.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens ist als erwiesen anzunehmen, dass sich der Bw. während der nachstehend angeführten Zeiträume an folgenden Orten aufgehalten hat:


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Zeitraum
Ort
-
A
-
B
-
obdachlos
-
B
-
C
-
D
-
C
-
H

Der Bw. war im Streitzeitraum somit durchgehend in Sozialeinrichtungen untergebracht bzw. war kurzfristig überhaupt obdachlos. Er war somit nicht bei seiner Mutter haushaltszugehörig. Im gegenständlichen Fall kann unter Bedachtnahme auf die dargestellten Umstände auch nicht von einem nur kurzfristigen Aufenthalt außerhalb der Wohnung der Mutter des Bw. gesprochen werden. Ausschlaggebend für das Verlassen der mütterlichen Wohnung waren Beziehungsprobleme zwischen dem Bw. und seiner Mutter, was jedoch für die rein faktisch zu beurteilende Frage der Haushaltszugehörigkeit nicht relevant ist.

Hinsichtlich der Frage der Unterhaltstragung ist davon auszugehen, dass der Bw. von seiner Mutter nur in geringfügigem Ausmaß finanziell unterstützt wurde (laut Aktenlage nur geringfügige Geld- und Sachzuwendungen). Die vom Vater des Bw. geleisteten Unterhaltszahlungen, die von der Kindesmutter (quasi als Treuhänderin) an den Bw. weitergeleitet wurden, sind - wie in der Berufung zutreffend aufgezeigt- nicht der Mutter des Bw. zuzurechnen.

Die von der Vorinstanz getroffene Sachverhaltsfeststellung, dass die Mutter des Bw. überwiegend für die Unterhaltskosten des Bw. aufgekommen sei, erweist sich daher als unrichtig.

Unter Bedachtnahme auf die Verfahrensergebnisse und die eingangs dargestellte Rechtslage ergibt sich daher, dass der Bw. die Familienbeihilfe (samt Kinderabsetzbeträgen) im Streitzeitraum zu Recht bezogen hat und der angefochtene Rückforderungsbescheid daher - wie das Finanzamt Innsbruck in seiner Stellungnahme vom im übrigen nunmehr selbst einräumt- zu Unrecht erlassen wurde.

Der Berufung war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Innsbruck,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at