Vervielfachungsfaktoren bei Bestandverträgen
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1676/03 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/16/0144 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze | |
---|---|
Stammrechtssätze | |
RV/4131-W/02-RS1 | § 33 TP 5 Abs. 3 GebG ist mit der Einführung der Höchstgrenze bei Vervielfachung der wiederkehrenden Leistungen bei Wohnungsmietverträgen, wodurch die durch die anfallende Hundertsatzgebühr entstehenden Kosten beschränkt werden sollten, dem im bürgerlichen Recht (§ 16 MRG) niedergelegten Ordnungsprinzip, nämlich im Rahmen des Mieter- und Pächterschutzes für Wohnraummieten Obergrenzen bezüglich der Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses gegenüber der Geschäftsraummiete zu normieren, gefolgt. Eine Differenzierung in Wohnraum- und Geschäftsraummiete bezüglich unterschiedlicher Vervielfachungsfaktoren im Gebührengesetz ist daher nicht unsachlich und widerspricht nicht dem Gleichheitsgebot. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien betreffend § 201 BAO über die Festsetzung der Gebühr nach § 33 TP 5 GebG entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Am überreichte Dr. Roland Kassowitz für die Bw. (M.N., Ma. N., D.N. A.N. und S.N. =Vermieterin) und die Mieterin an das Finanzamt einen Rückzahlungsantrag mit auszugsweise folgendem Inhalt:
"Mit dem in Fotokopie vorgelegten Mietvertrag vom haben die Erst- bis Fünfteinschreiter an die Sechsteinschreiterin Geschäftsräumlichkeiten in 1120 Wien, M-Straße 64 vermietet. An Gebühr haben die Erst- bis Fünfteinschreiter den Betrag von S 324.360,00 errechnet und an das Finanzamt am abgeführt. Die Gebühr wurde wie folgt berechnet....Anwendung findet die Bestimmung des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG, idF BGBl. 1999/I/28. Danach ist bei bestimmter Vertragsdauer der mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachte Jahreswert Bemessungsgrundlage für die Hundertsatzgebühr, hier also der fünfzehnjährige Bestandzins.
Handelt es sich hingegen um Bestandverträge über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen, ist die wiederkehrende Leistung höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen. Unter Zugrundelegung des dreifachen Jahresmietzinses würde sich die Gebühre wie folgt errechnen:....Die Differenz beträgt daher S 259.200.-/€ 18.836,80.
Diesen Betrag fordern wir hiemit zurück. Die Differenzierung zwischen Geschäftsraummiete und Wohnungsmiete ist unsachlich und verstößt daher gegen den Gleichheitsgrundsatz....Grundlage der von den Vermietern (Erst- bis Fünftantragstellern) im Wege der Selbstberechnung auf Grund der geltenden Gesetzeslage ermittelten und abgeführten Gebühr ist daher ein verfassungswidriges Gesetz, nämlich § 33 TP 5 Abs. 3 GebG der geltenden Fassung."
Auf Grund des Rückzahlungsantrages überprüfte das Finanzamt die Höhe der selbstberechneten Gebühr anhand des mitvorgelegten Mietvertrages und erließ den Bescheid gemäß § 201 BAO über die Festsetzung der Gebühr nach § 33 TP 5 GebG vom (angefochtener Bescheid). Darin korrigierte das Finanzamt die Bemessungsgrundlage (S 17,280.000,00 x 1% = S 172.800,00/€ 12.557,87), da die Selbstberechnung auf der Grundlage des 15-fachen Jahresmietzinses vorgenommen wurde, gebührenrechtlich aber der Vertrag auf bestimmte Dauer (5 Jahre) und zusätzlich auf unbestimmte Dauer (3facher Jahreswert) abgeschlossen gilt (Wortlaut des Mietvertrages, auf den das Finanzamt diesen Bescheid stützte: Die Vermieterin vermietet an die Mieterin den Vertragsgegenstand auf die Dauer von 15 Jahren....Ab dem sechsten Jahr erhält die Mieterin das Recht zu einer halbjährlichen Kündigung zum Quartal.).
Fristgerecht wurde dagegen Berufung erhoben.
Eingewendet wurde, dass richtigerweise vom dreifachen Jahresmietzins auszugehen sei, da die Differenzierung zwischen Geschäftsraummiete und Wohnungsmiete unsachlich sei und daher gegen den Gleichheitssatz verstoße.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 33 TP 5 GebG unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert 1%. Bei unbestimmter Vertragsdauer sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert....Abweichend (davon) sind bei Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen, einschließlich sonstiger selbständiger Räume und anderer Teile der Liegenschaft (wie Keller- und Dachbodenräume, Abstellplätze und Hausgärten, die typischerweise Wohnräumen zugeordnet sind), die wiederkehrenden Leistungen höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen.
Da die Hundertsatzgebühr zwingend vom Bestandgeber selbst zu berechnen ist, kommt für den Fall der Erlassung eines Bescheides die Regelung des § 201 BAO zum Tragen: Wenn gemäß § 201 BAO aF die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ist ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Da im gegenständlichen Fall die Selbstberechnung hinsichtlich der laut Mietvertrag vereinbarten Dauer sich als nicht richtig erwies, schritt das Finanzamt zu Recht zu dieser Maßnahme.
Die Bw. erhob Berufung, da sie die unterschiedlichen Vervielfachungsfaktoren für Wohnraum - und Geschäftsraummiete als verfassungswidrig, da dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend, erachtet.
Die Einwände der Bw. gegen die Regelung an sich und deren Vereinbarkeit mit der Bundesverfassung können nicht Gegenstand eines ordentlichen Rechtsmittelverfahrens sein, denn der unabhängige Finanzsenat ist als Verwaltungsbehörde nur dazu berufen, die geltenden Abgabengesetze zu befolgen, nicht jedoch sie verfassungsmäßig zu prüfen.
Allerdings wird Folgendes bemerkt:
Art. 2 StGG bestimmt: "Vor dem Gesetz sind alle Staatsbürger gleich", desgleichen Art. 7 Abs. 1 BVG "Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich". Dem Gesetzgeber verbietet der Gleichheitssatz, Gleiches ungleich zu behandeln, d.h., sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierungen zu treffen. Unterschiedliche Regelungen müssen durch Unterschiede im Tatsächlichen begründet sein. Umgekehrt verbietet der Gleichheitssatz auch, wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln.
Die Feststellung der Gleichheit oder Ungleichheit als Ergebnis des Vergleichens und der Feststellung des Gerechtfertigtseins von gleichen Rechtsfolgen (trotz partiell unterschiedlicher Sachverhalte) und die Feststellung der Zulässigkeit unterschiedlicher Regelungen(trotz teilweise gleicher Sachverhalte) erfolgt in einem die Gedankenschritte ordnenden stufenförmigen Verfahren. Dabei steht die Sachlichkeit einer Regelung im Vordergrund. Der Gesetzgeber gestaltet komplexe Regelungen nach einem bestimmten Ordnungsprinzip (Stoll, Das Sachgesetzlichkeitsprinzip als Ausformung des Gleichheitsgrundsatzes, ÖStZ 1989, 188 ff).
Nach der Regierungsvorlage (), 1471 der Beilagen zu den Stenografischen Protokollen des Nationalrates XX. GP, BGBl. I 28/1999 zu § 33 TP 5 Abs. 3 GebG sollte die Einführung der Höchstgrenze bei Vervielfachung der wiederkehrenden Leistungen bei Wohnungsmietverträgen die durch die anfallende Hundertsatzgebühr entstehenden Kosten beschränken und dadurch die Miete und Nutzungsüberlassung von Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten begünstigen.
Unterschiedliche Rechtsfolgen für die Miete von Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten normiert auch § 16 MRG: "Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses für einem in Hauptmiete gemieteten Mietgegenstand sind ohne die Beschränkungen der Abs. 2 bis 5 bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig, wenn der Mietgegenstand nicht zu Wohnzwecken dient; wird ein Mietgegenstand teils als Wohnung, teils als Geschäftsräumlichkeit verwendet, so darf nur der für Wohnungen zulässige Hauptmietzins angerechnet werden, es sei denn, dass die Verwendung zu Geschäftszwecken die Verwendung zu Wohnzwecken überwiegt....".
Ein Vergleich der Bestimmungen des Gebührengesetzes und des Mietrechtsgesetzes ist möglich, da Steuergegenstand des Gebührengesetzes u.a. "Rechtsgeschäfte" sind und § 33 TP 5 GebG die §§ 1090 ff ABGB ausdrücklich als Klammerausdruck und damit als Verweis anführt. Die Regelungen des ABGB über den Bestandvertrag wurden durch Sondergesetze wie das Mietrechtsgesetz modifiziert. Intention des Mietrechtsgesetzes ist der Mieter- und Pächterschutz, wobei die Wohnraummiete zB bezüglich der Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses als schutzwürdiger eingestuft wurde, als die Geschäftsraummiete.
§ 33 TP 5 Abs. 3 GebG ist mit der Einführung der Höchstgrenze bei Vervielfachung der wiederkehrenden Leistungen bei Wohnungsmietverträgen, wodurch die durch die anfallende Hundertsatzgebühr entstehenden Kosten beschränken werden sollten, dem im bürgerlichen Recht (§ 16 MRG) niedergelegten Ordnungsprinzip, nämlich im Rahmen des Mieter- und Pächterschutzes für Wohnraummieten Obergrenzen bezüglich der Vereinbarung über die Höhe des Hauptmietzinses gegenüber der Geschäftsraummiete zu normieren, gefolgt. Eine Differenzierung in Wohnraum- und Geschäftsraummiete bezüglich unterschiedlicher Vervielfachungsfaktoren im Gebührengesetz ist daher nicht unsachlich und widerspricht nicht dem Gleichheitsgebot.
Aus all diesen Gründen war der Berufung der Erfolg zu versagen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 33 TP 5 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Schlagworte | Bestandvertrag Wohnraummiete Geschäftsraummiete Selbstberechnung Gleichheitsgrundsatz Vervielfachungsfaktor |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at