Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 13.08.2003, RV/0136-F/2002

Nachsicht, persönliche und sachliche Unbilligkeit der Einhebung, Grunderwerbsteuer, Gesamtschuldverhältnis

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0136-F/2002-RS1
Partei des Nachsichtsverfahrens ist ausschließlich der Nachsichtswerber. Umstände, die als Folgewirkung der Gewährung oder Verweigerung der Abgabennachsicht bei Dritten eintreten, sind daher für die Beurteilung, ob nach Lage des Falles beim Nachsichtswerber ein Unbilligkeitstatbestand vorliegt oder nicht, bedeutungslos ()

Entscheidungstext

BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Hermann Hager, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Mit Schriftsatz vom stellte die Bw gemäß § 236 BAO einen Antrag auf Nachsicht der mit Bescheid vom festgesetzten Grunderwerbsteuer in Höhe von 119.000,00 S (8.648,07 €). Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Bw habe ein Grundstück in F. erworben, um darauf ihren Neubau zu errichten. Zu diesem Neubau habe sie sich entschlossen, weil das derzeitige Gebäude zu klein sei, nicht den aktuellen Sanitär- und Behindertenstatus erfülle, das neue Gebäude näher bei den zu betreuenden Personen liege und eine Sanierung teurer sei als ein Neubau. Das gegenwärtig benutzte Gebäude werde nach dem Umzug verkauft. Trotz der im Verhältnis zur Sanierung geplanten sparsameren Variante sei mit dem Neubau ein erheblicher finanzieller Aufwand verbunden. Die Gebarung der Bw sei nicht gewinnorientiert. Eine schlanke und kostensparende Verwaltung sichere den effizienten Einsatz der vorhandenen Mittel. Eine Nachsicht von der Besteuerung würde die beschriebene Effizienz gewährleisten. Am wirksamsten funktioniere die karitative Hilfe, wenn jeder von seiner Möglichkeit zur Hilfe Gebrauch mache. Der Innenausbau erfolge, soweit möglich, durch ein Projekt der Bw. Der Kaufvertragsrichter und nicht zuletzt das einschreitende Notariat würden ihren Arbeitsaufwand unentgeltlich zur Verfügung stellen. Es werde daher um positive Erledigung des Nachsichtsantrages ersucht.

Mit Bescheid vom verneinte das Finanzamt das Vorliegen einer Unbilligkeit und wies das Nachsichtsersuchen ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die für den Kauf eines Grundstücks vorgeschriebene Grunderwerbsteuer widerspreche weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Grunderwerbsteuergesetzes und sei auch unter keinen im Grunderwerbsteuergesetz abschließend geregelten Ausnahmetatbestand subsumierbar, weshalb eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen sei. Eine persönliche Unbilligkeit könne nur angenommen werden, wenn die Einhebung der Grunderwerbsteuer zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder gar der Existenzgefährdung der Bw führe. Die im Antrag auf Nachsicht vorgebrachten Gründe wie die "Gewährleistung der Effizienz des Einsatzes der vorhandenen Mittel" und die "Wirksamkeit des Funktionierens der karitativen Hilfe" könnten daher nicht zur Bejahung einer persönlichen Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO führen. Es bestehe somit seitens der Abgabenbehörde kein Ermessen für eine stattgebende Erledigung des Nachsichtsansuchens, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.

In der dagegen mit Schriftsatz vom eingebrachten Berufung wurde nochmals betont, die Bw sei nicht auf Gewinn ausgerichtet und karitativ tätig. Ziel sei es, die vorhandenen Mittel möglichst effizient einzusetzen. Dies bedeute, die Verwaltung möglichst schlank zu halten, damit die beschränkten Mittel möglichst ungeschmälert für den karitativen Auftrag verwendet werden könnten. Mittel, die von der Verwaltung gebraucht würden, könnten nicht unmittelbar zur Erfüllung des karitativen Auftrags verwendet werden. In unmittelbarer Nachbarschaft des neuen Verwaltungsgebäudes läge die Wohngemeinschaft für Männer, die sozial betreutes Wohnen, insbesondere von rekonvaleszenten ehemals alkoholkranken Männern ermögliche. Diese ansonsten obdachlosen Männer würden in dieser Wohngemeinschaft nach der Therapie auf ihrem Weg in einen suchtfreien Alltag begleitet. Weiters befinde sich dort die Anlauf- und Beratungsstelle der Bw für Drogenabhängige, wo Drogensüchtige niederschwellig betreut würden. Dort werde insbesondere versucht, durch die Abgabe von Einwegspritzen die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten unter Süchtigen zu verhindern, den Betreuten die Option eines suchtfreien Lebens näher zu bringen und sie zu einer Therapie zu bewegen.

Das unermüdliche Bemühen der Bw, dort Hilfe anzubieten, wo die Not am größten sei, erfordere auf Grund der Beschränktheit der Mittel ein effizientes Wirtschaften. Alle Mittel, die in die Verwaltung flößen, würden der unmittelbaren karitativen Arbeit fehlen. Aus der Sicht der Bw wirke sich eine Erhöhung der Verwaltungskosten unbillig gegenüber denjenigen Personen aus, die von der Bw betreut würden bzw. bei Vorhandensein von genügend Mitteln betreut werden könnten. Die betreuten Personen seien Teil der Bw. Die von der Bw Betreuten seien bereits in ihrer Existenz gefährdet und in der Regel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beraubt. Wichtiger Teil der karitativen Arbeit sei es, den Betreuten die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die selbstbestimmte Existenz mit dem damit verbundenen Selbstvertrauen und der Selbstachtung durch Überwindung ihrer Suchtkrankheit wiederzugeben. Selbstbestimmte und aus eigener Kraft erarbeitete wirtschaftliche Selbständigkeit der Bürger sei als hoher staatlicher Wert anzusehen. Da diese Ziele auch in den Wertungen des Gesetzgebers erkennbar seien, scheine die Ansicht vertretbar, die gegenständliche Steuereinhebung, insbesondere weil sie die von der Bw betreuten Personen treffe, laufe den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, weshalb eine Unbilligkeit zu bejahen sei.

Beantragt werde, der Berufung Folge zu geben und von der Einhebung der Grunderwerbsteuer abzusehen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Bw die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ergänzend wurde darin vorgebracht, wenn die Behörde eine Unbilligkeit verneine, weil sich aus dem Grunderwerbsteuergesetz keine Ausnahmeregelung für den gegenständlichen Fall ableiten lasse, übersehe sie, dass der Gesetzgeber vom kasuistischen Aufzählen von Härtefällen im Grunderwerbsteuergesetz abgesehen habe und für diese Fälle durch § 236 BAO vorgesorgt habe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Bw ist der Rechtsauffassung, die durch die Einhebung der bescheidmäßig festgesetzten Grunderwerbsteuer bewirkte Erhöhung ihrer Verwaltungskosten wirke sich unbillig gegenüber den von ihr betreuten Personen bzw. gegenüber denjenigen aus, die von ihr bei Minimierung der Verwaltungskosten betreut werden könnten. Da die durch ihre Tätigkeit verwirklichten Ziele den gesetzgeberischen Wertungen entsprächen, würde eine zu Lasten der von ihr betreuten Personen durchgeführte Einhebung der festgesetzten Grunderwerbsteuer den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Der Gesetzgeber habe vom kasuistischen Aufzählen von Härtefällen im Grunderwerbsteuergesetz abgesehen und für diese Fälle durch § 236 BAO vorgesorgt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 236 BAO setzt Unbilligkeit der Einhebung im allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Abgabepflichtigen oder für den Abgabegegenstand ergeben. Die im § 236 BAO geforderte Unbilligkeit kann persönlich oder sachlich bedingt sein.

Eine sachlich bedingte Unbilligkeit ist dann anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes im Einhebungsbereich aus anderen als aus "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes (belastendes) unzumutbares und unverhältnismäßig wirkendes Ergebnis eintreten würde. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen.

Die Bw sieht das Vorliegen einer sachlich bedingten Unbilligkeit darin, dass die durch ihre Tätigkeit verwirklichten Ziele auch in den Wertungen des Gesetzgebers erkennbar seien, weshalb die Ansicht vertretbar scheine, die gegenständliche Steuereinhebung laufe den Wertungen des Gesetzgebers zuwider. Wenn die Abgabenbehörde eine Unbilligkeit verneine, weil sich aus dem Grunderwerbsteuergesetz keine Ausnahmeregelung für den gegenständlichen Fall ableiten lasse, übersehe sie, dass der Gesetzgeber vom kasuistischen Aufzählen von Härtefällen im Grunderwerbsteuergesetz abgesehen habe und für diese Fälle durch § 236 BAO vorgesorgt habe.

Wie bereits im angefochtenen Bescheid und in der Berufungsvorentscheidung dargelegt wurde, kennt das Grunderwerbsteuergesetz im Gegensatz zu anderen materiellen Abgabengesetzen keine allgemeine Befreiungs- bzw. Begünstigungsbestimmung für Rechtsträger, die karitative Zwecke verfolgen. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, da das GrEStG 1987 im Gegensatz zum GrEStG 1955, welches einen umfangreichen Ausnahmekatalog enthielt, in seinem § 3 stark eingeschränkte Befreiungsbestimmungen enthält. Aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum GrEStG 1987 (109 Blg NR 17. GP) ist dazu zu entnehmen, dass die Reduktion der Begünstigungsbestimmungen zugunsten einer Herabsetzung des allgemeinen Steuersatzes, dem Prinzip der Steuergerechtigkeit und der Senkung des Verwaltungsaufwandes durchgeführt wurde. Zudem lässt auch der Wortlaut des § 3 GrEStG die Annahme einer demonstrativen Aufzählung der Ausnahmetatbestände nicht zu.

Vom Gesetzgeber vorgenommene Abgrenzungen der Grundtatbestände von befreienden Ausnahmetatbeständen können an den Nahtstellen des Bereiches der Regelbesteuerung und des der speziellen anspruchsmindernden Gestaltungsordnungen zu subjektiv empfundenen Unbilligkeiten führen. Dabei handelt es sich jedoch um Folgen allgemeiner Regelungen und nicht um solche Unbilligkeiten, die dem an der Besonderheit des Einzelfalles orientierten § 236 BAO zugeordnet werden könnten (siehe dazu ).

Zudem trifft diese mit der Abgabenleistung verbundene Vermögenseinbuße alle karitativ tätigen Rechtsträger im gleichem Maße, sodass auch insofern nicht von einer individuellen, einzelfallbedingten Einhebungsunbilligkeit gesprochen werden kann ().

Eine persönlich bedingte Unbilligkeit wäre zu bejahen, wenn bei Aufrechterhaltung der Steuerpflicht die Bw überhaupt nicht mehr in der Lage wäre, ihre Verpflichtungen im Interesse des Gemeinwohls zu erfüllen bzw. wenn sie dadurch in ihrem wirtschaftlichen Bestehen ernsthaft gefährdet wäre. Ein solcher Sachverhalt wurde nicht behauptet und ist auch aus den Akten nicht zu entnehmen.

Partei des Nachsichtsverfahrens ist ausschließlich der bzw. - bei einem Gesamtschuldverhältnis - die Steuerpflichtigen. Umstände, die als Folgewirkung der Gewährung oder Verweigerung der Abgabennachsicht bei Dritten eintreten, sind für die Beurteilung, ob nach Lage des Falles beim Steuerpflichtigen ein Unbilligkeitstatbestand vorliegt, grundsätzlich bedeutungslos. So hat der Verwaltungsgerichtshof es abgelehnt, eine Abgabennachsicht auch dann in Erwägung zu ziehen, wenn die Einhebung der Abgabenschuldigkeiten zu Härten bei Dritten führen würde, weil nur der Abgabepflichtige es sein kann, bei dem der Tatbestand des § 236 BAO erfüllt sein muss (; ). Im Sinne der dargelegten Rechtsprechung kann daher das Vorbringen der Bw, "die durch die Aufrechterhaltung der Grunderwerbsteuerschuld bewirkte Erhöhung ihrer Verwaltungskosten wirke sich unbillig gegenüber den von ihr betreuten Personen bzw. gegenüber denjenigen aus, die von ihr bei Minimierung der Verwaltungskosten betreut werden könnten" eine Unbilligkeit der Einhebung nicht begründen.

Zu beachten ist auch, dass gegenständlich gemäß § 9 Z 4 GrEStG iVm § 6 BAO und § 891 ABGB ein Gesamtschuldverhältnis vorliegt. Auch wenn daher die Abgabenschuld zur Gänze der Bw vorgeschrieben wurde (ob sich die Bw vertraglich zur Tragung der Grunderwerbsteuer verpflichtet hat oder - bei Fehlen einer Vereinbarung - die Bw als Erwerberin im Rahmen des Ermessens in Anspruch genommen wurde, kann mangels Vorliegens des die Grunderwerbsteuerschuld gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG auslösenden Kaufvertrages nicht beurteilt werden), kommt eine Nachsicht bei einem Gesamtschuldverhältnis nur dann in Betracht, wenn die Nachsichtsvoraussetzungen bei allen Gesamtschuldnern erfüllt sind. Aufgrund des bei der Nachsicht bestehenden Antragsprinzips ist es Sache des Nachsichtswerbers, von sich aus konkret und unter Ausschluss jeglicher Zweifel darzulegen, ob bzw. weshalb die Einhebung auch bei den übrigen Gesamtschuldnern als unbillig anzusehen wäre.

Vertragspartner des Kaufvertrages ist die Fa. DB GesmbH. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, aus dem geschlossen werden könnte, die Nachsichtsvoraussetzungen seien auch bei diesem Mitschuldner zu bejahen. Selbst wenn daher das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung in der Sphäre der Bw bejaht worden wäre, hätte der Berufung bereits aus diesem Grund nicht stattgegeben werden können.

Da die Einhebung der Grunderwerbsteuerschuld nicht als unbillig angesehen wurde, verblieb für eine Ermessensentscheidung kein Raum und die Berufung war als unbegründet abzuweisen.

Feldkirch,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Nachsicht
persönliche und sachliche Unbilligkeit der Einhebung
Grunderwerbsteuer
Gesamtschuldverhältnis
karitativ tätiger Rechtsträger
Partei des Nachsichtsverfahrens ist ausschließlich der Nachsichtswerber
Folgewirkungen der Gewährung oder Verweigerung der Abgabennachsicht bei Dritten sind daher unbeachtlich

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