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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 24.06.2003, RV/1612-L/02

Haftung für Abgabenschulden bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/14/0030 eingebracht. Mit Erk. v. , 2004/14/0030, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Mayer GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz betreffend Haftung gemäß § 9 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Haftungsinanspruchnahme wird auf folgende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt 76.341,39 € eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag in €
Kammerumlage
10-12/00
187,38
Umsatzsteuer
12/00
10.452,50
Säumniszuschlag
2001
215,11
Säumniszuschlag
2001
26,98
Säumniszuschlag
2001
19,48
Säumniszuschlag
2001
32,62
Körperschaftsteuer
01-03/01
699,98
Säumniszuschlag
2001
14,01
Säumniszuschlag
2001
19,94
Umsatzsteuer
02//01
5.487,55
Säumniszuschlag
2001
109,77
Pfändungsgebühr
2001
176,86
Postgebühr
2001
0,41
Stundungszinsen
2001
78,54
Kammerumlage
01-03/01
289,01
Umsatzsteuer
03/01
15.606,69
Säumniszuschlag
2001
17,27
Säumniszuschlag
2001
26,51
Säumniszuschlag
2001
285,63
Umsatzsteuer
04/01
7.191,76
Säumniszuschlag
2001
143,83
Säumniszuschlag
2001
13,66
Säumniszuschlag
2001
329,93
Umsatzsteuer
06/01
7.428,44
Säumniszuschlag
2001
148,54
Kammerumlage
04-06/01
251,27
Umsatzsteuer
05/01
16.496,50
Stundungszinsen
2001
156,51
Körperschaftsteuer
07-09/01
349,99
Stundungszinsen
2001
100,06
Stundungszinsen
2001
162,67
Umsatzsteuer
07/01
6.232,65
Säumniszuschlag
2001
124,65
Dienstgeberbeitrag
1999
1.404,04
Zuschlag zum DB
1999
149,76
Dienstgeberbeitrag
2000
1.737,17
Zuschlag zum DB
2000
173,72
76.341,39

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. war seit Geschäftsführerin der P-GmbH (Primärschuldnerin). Ab März 2001 wurden von der Gesellschaft fortwährend Zahlungserleichterungsansuchen eingebracht, die vom Finanzamt abgewiesen wurden. Am wurde eine Fahrnispfändung durchgeführt. Schließlich drohte das Finanzamt am die Einbringung eines Konkursantrages an, falls nicht innerhalb von vier Wochen mindestens 75 % des aushaftenden Rückstandes bezahlt würden und für den Restrückstand ein akzeptabler Abstattungsplan vorgelegt würde.

In einem an die Bw. gerichteten Vorhalt vom wies das Finanzamt auf aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in Höhe von 1,238.076 S (89.974,49 €) hin, die zwischen dem und fällig waren, und forderte die Bw. auf, darzulegen, weshalb sie nicht dafür Sorge tragen hätte können, dass die im Einzelnen aufgegliederten Abgaben entrichtet wurden. Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis ihrer Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden wären, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen. Falls nicht nachgewiesen werden könne, dass vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, möge nachgewiesen werden, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre.

Zur Konkursandrohung wurde in einem Schreiben vom mitgeteilt, dass aufgrund der katastrophalen Geschäftsentwicklung die Gesellschaft selbst einen Konkursantrag vorbereite.

Zum Vorhalt vom führte die Bw. in einer Stellungnahme vom aus, dass der Grund für die Nichtentrichtung der Abgaben insbesondere das Fehlen ausreichender Mittel gewesen sei. Dazu hätte einerseits der Umstand geführt, dass wesentliche Zahlungen an Lieferanten aufgrund der Belieferung "Zug um Zug" stattgefunden hätten und die Waren unter Eigentumsvorbehalt gestanden wären. Zusätzlich hätten ungeplante Umsatzrückgänge von ca. 50 % die Disposition enorm erschwert und sei in weiterer Folge auch die Durchführung von Überweisungen durch die Hausbank teilweise verweigert worden. Im Zeitraum November 2000 bis Juni 2001 sei ein wesentlicher Teil der frei verfügbaren Mittel (662.503 S) an das Finanzamt zur Begleichung von Abgabenverbindlichkeiten überwiesen worden. Zur Frage, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, könne derzeit noch nicht Stellung genommen werden, da das Datenmaterial dazu im Moment im Rahmen der Vorbereitung des Insolvenzantrages erhoben werde.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Ausgleichsverfahren eröffnet. Dieses wurde mit Beschluss vom eingestellt und mit weiterem Beschluss vom selben Tag der Anschlusskonkurs eröffnet.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt die Bw. für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von 1,246.667,20 S (90.598,84 €) in Anspruch. Dabei sind - wie in der Begründung ausgeführt wurde "unter der Annahme der rechtlichen Möglichkeit eines Zwangsausgleiches" - von den im Einzelnen angeführten Abgaben jeweils nur 80 % in Ansatz gebracht worden. In der Stellungnahme vom sei die Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes nicht nachgewiesen worden, weshalb von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen sei.

Ein Ersuchen um Erstreckung der Berufungsfrist wurde mit Bescheid vom abgewiesen, in dem das Finanzamt unter anderem darauf hinwies, dass das Vorliegen einer "Gläubigerbegünstigung" bereits aus der Vorhaltsbeantwortung vom offenkundig sei.

Mit Schriftsatz vom wurde gegen den Haftungsbescheid Berufung erhoben und beantragt, denselben zur Gänze als gegenstandslos aufzuheben. Die Begründung werde nachgereicht, da infolge der Insolvenz der Primärschuldnerin das Rechnungswesen in Händen des Masseverwalters sei und der Nachweis der aus Sicht der Bw. sehr wohl erfolgten Gläubigergleichbehandlung daher entsprechender zeitaufwändiger Dokumentationsarbeiten bedürfe.

In einem Mängelbehebungsauftrag vom trug das Finanzamt der Bw. die Nachreichung der fehlenden Berufungsbegründung bis auf.

In einem dazu eingereichten Schriftsatz vom führte die Bw. aus, dass sehr wohl eine Gläubigergleichbehandlung stattgefunden habe. Die vorhandenen Mittel hätten jedoch zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger nicht ausgereicht. Lieferantengläubiger wären Zug um Zug bezahlt worden. Das Finanzamt wäre durch die bezahlten Raten sowie die vorgenommene Pfändung sogar besser behandelt worden als andere Gläubiger. Daher beabsichtige der Masseverwalter - wie aus einem in Ablichtung angeschlossenen Auszug aus dessen Bericht ersichtlich sei - eine Anfechtung der geleisteten Zahlungen an das Finanzamt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung gegen den Haftungsbescheid als unbegründet ab. In der Berufungsbegründung wären nur die in der Beantwortung des Haftungsvorhaltes vorgetragenen Argumente wiederholt worden ohne konkrete Zahlen vorzuweisen, die die Gläubigergleichbehandlung beweisen könnten. Die offenen Umsatzsteuern in Höhe von mehr als 100.000 € würden hingegen eine Ungleichbehandlung "zweifelsfrei erkennen" lassen.

Mit Eingabe vom wurde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. Die Bw. wiederholte darin ihr bisheriges Vorbringen, und wies darauf hin, dass der Masseverwalter eine Anfechtung der Fahrnispfändung vom beabsichtige. Ursache für die aufgestauten Finanzamtschulden sei nicht eine einseitige Benachteiligung des Finanzamtes gewesen, sondern ein allgemeiner Vermögensverfall, der durch massive (ca. 50 %ige) ungeplante Umsatzrückgänge bedingt gewesen wäre, welche in weiterer Folge zur Verweigerung der Durchführung von Überweisungen durch die Hausbank geführt hätten. Von den gesamten Zahlungen der Primärschuldnerin im Zeitraum bis in Höhe von 16,265.078 S sei - laut beiliegender Zahlungsauflistung - ein Betrag von 662.503 S an das Finanzamt abgeführt worden. Die Verteilung der restlichen Zahlungen auf verschiedene "Aufwands- bzw. Gläubigerkategorien" sei ebenfalls aus der Beilage ersichtlich. Dabei zeige sich, dass dem Finanzamt im angeführten Zeitraum rund 32 % der aufgelaufenen Verbindlichkeiten bezahlt worden wären, während die Bankengläubiger lediglich 4,4 % ihrer aufgelaufenen Verbindlichkeiten getilgt erhalten hätten. Lediglich bevorrechtete Gläubiger (Zug um Zug Geschäfte etc.) hätten höhere Prozentsätze erhalten. Eine Gläubigerbenachteiligung des Finanzamtes sei somit nicht vorgelegen.

Dem Vorlageantrag war als Beilage folgende Aufstellung der ab von der Primärschuldnerin geleisteten Zahlungen angeschlossen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
11/00
12/00
1/01
2/01
Finanzamt
23.290,00
206.475,00
23.176,00
Entnahmen RP
10.099,63
Lieferanten
651.754,38
1,542.709,23
1,770.094,69
1,585.594,56
Gemeinde
5.819,00
5.400,00
4.092,00
6.578,00
GKK
79.595,99
64.393,46
28.592,97
Reklamtionsrückzahl.
36.750,00
8.725,00
14.490,00
Löhne/Gehälter
129.761,36
84.683,34
145.880,46
Zinsen/Bankverbindl.
143.751,62
gesamt
680.863,38
2,144.443,20
1,965.264,12
1,781.135,99


Tabelle in neuem Fenster öffnen
3/01
4/01
5/01
6/01
Finanzamt
37.759,00
81.329,00
150.210,00
140.264,00
Entnahmen RP
15.000,00
5.855,24
Lieferanten
1,778.352,83
1,950.460,86
2,460.086,09
2,076.458,31
Gemeinde
5.205,00
6.553,00
11.835,00
GKK
55.942,81
151.576,01
108.381,31
Reklamtionsrückzahl.
4.500,00
12.320,00
72.336,16
Löhne/Gehälter
125.532,22
162.371,65
117.109,89
89.656,56
Zinsen/Bankverbindl.
4.890,50
69.285,17
100,62
gesamt
2,027.182,36
2,433.895,69
2,733.261,22
2,499.031,96


Tabelle in neuem Fenster öffnen
bezahlte Verbindlichkeiten gesamt 11/00-6/01
offene Verbindlichkeiten per brutto
Verbindlichkeiten gesamt von 11/00-6/01
getilgt in %
Finanzamt
662.503,00
1,385.025,15
2,047.528,15
32,4
Entnahmen RP
30.954,87
0,00
30.954,87
Lieferanten
13,815.510,95
15,592.222,20
29,407.733,15
47,0
Gemeinde
45.482,55
8.326,00
53.808,00
84,5
GKK
488.482,55
48.211,34
536.693,89
91,0
Reklamtionsrückzahl.
149.121,16
0,00
149.121,16
Löhne/Gehälter
854.995,48
143.328,64
998.324,12
85,6
Zinsen/Bankverbindl.
218.027,91
4,788.400,00
5,006.427,91
4,4
erhaltene Anzahlungen
855.410,00

Weiters wurde wiederum eine Ablichtung des bereits der Berufung beigefügt gewesenen Auszuges aus einem Bericht des Masseverwalters angeschlossen, in dem dieser die beabsichtigte Anfechtung der Fahrnispfändung vom und der an das Finanzamt geleisteten Zahlungen festhielt.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin nach Verteilung des Massevermögens (Quote rund 6,58 %) gemäß § 139 KO aufgehoben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen gegen die P-GmbH sind im vorliegenden Fall ebenso unstrittig wie die Stellung der Bw. als verantwortliche Geschäftsführerin der Primärschuldnerin im haftungsrelevanten Zeitraum.

Auch die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft steht fest. Das Konkursverfahren wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom nach Verteilung des Massevermögens (Konkursquote rund 6,58 %) aufgehoben. Vom Finanzamt waren im erstinstanzlichen Haftungsbescheid unter der Annahme eines allenfalls erzielbaren Zwangsausgleiches nur jeweils 80 % der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Ansatz gebracht worden.

Die Haftungsinanspruchnahme war auf die am Abgabenkonto insbesondere nach Verrechnung der Konkursquote auf den ältesten Rückstand (§ 214 Abs. 1 BAO) und nach Durchführung offener Veranlagungen noch rückständigen Abgabenschuldigkeiten einzuschränken. Die Haftungssumme reduzierte sich dadurch auf das im Spruch angeführte Ausmaß.

Zur Frage der schuldhaften Pflichtverletzung ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Aufgabe des Geschäftsführers ist, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze ().

Entgegen der Verantwortung der Bw. ist der vorgelegten Aufstellung über die im Zeitraum bis geleisteten Zahlungen nicht die Gleichbehandlung des Abgabengläubigers, sondern im Gegenteil eine massive Benachteiligung desselben gegenüber dem Großteil der übrigen Gläubiger zu entnehmen. Mit Ausnahme der Banken haben alle anderen Gläubiger einen prozentuell wesentlich höheren Anteil der vorhandenen Mittel erhalten (Lieferanten 47 %, Gemeinde 84,5 %, Gebietskrankenkasse 91 %, Löhne und Gehälter 85,6 %). Der Abgabengläubiger wurde dagegen nur mit 32,4 % bedient.

Aus dem Hinweis, dass Zahlungen an das Finanzamt zu einer Gläubigerbegünstigung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Konkursordnung geführt hätten, ist für das Haftungsverfahren nichts zu gewinnen, da die Frage, ob bzw. inwieweit Zahlungen nach den Bestimmungen der Konkursordnung unwirksam oder anfechtbar gewesen wären oder nicht, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen ist. Die im Abgabenverfahren zu prüfende Frage, ob der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt wurde, bleibt davon unberührt (vgl. etwa , ).

Auch der Einwand, dass "lediglich bevorrechtete Gläubiger (Zug um Zug Geschäfte)" höhere Prozentsätze erhalten hätten, vermag die Bw. nicht zu entschuldigen. Diese verkennt die Rechtslage, wenn sie meint, sie hätte die für die Aufrechterhaltung des Betriebes ihrer Meinung nach notwendigen Zahlungen leisten und erst danach allfällig übrige Beträge für die Abgabenentrichtung verwenden dürfen. Damit benachteiligte sie offenkundig bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel bestimmte Gläubiger und liegt ihr daher ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot zur Last ().

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Dazu forderte das Finanzamt die Bw. im Vorhalt vom ausdrücklich zum Nachweis auf, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre. In der Vorhaltsbeantwortung vom wurde dazu jedoch nur ausgeführt, dass zu dieser Frage derzeit noch nicht Stellung genommen werden könne, da das Datenmaterial dazu im Rahmen der Vorbereitung des Insolvenzantrages erhoben werde.

Auch in der im Zuge der Vorlageantrages vom vorgelegten Aufstellung über die im Zeitraum bis geleisteten Zahlungen wurde nicht dargestellt, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Die Berechnung dieser Differenzquote bzw. der Fehlbeträge, die zu den einzelnen Fälligkeitsterminen bei Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes zusätzlich zu den tatsächlich geleisteten Zahlungen an den Abgabengläubiger abzuführen gewesen wären, ist nicht Aufgabe der Abgabenbehörde, sondern wäre der Bw. oblegen (vgl. mit Hinweis auf ).

Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang (). Es wurden keinerlei Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Unbestritten ist, dass die Bw. im haftungsrelevanten Zeitraum einzige Geschäftsführerin der P-GmbH war, somit die einzig in Betracht kommende Haftende iSd § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO gewesen ist, und dass die Abgabenschulden bei der Gesellschaft nicht mehr eingebracht werden können. Die Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten durch die Bw. erstreckte sich über einen längeren Zeitraum. Von der Bw. wurden auch keine berechtigten Gründe vorgebracht, die trotz Vorliegens der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 9 BAO eine Abstandnahme von der Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung rechtfertigen würden.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Linz,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Gleichbehandlungsgebot

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at