Beginn der Verjährungsfrist von Zollschulden nach dem ZollG 1988
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
ZRV/0064-Z4I/03-RS1 | Bei abgabenrechtlichen Verjährungsbestimmungen im Sinne des Zollkodex und des ZollR-DG handelt es sich um Verfahrensrecht, wobei neues Recht ab den Zeitpunkt seines Inkrafttretens auch auf Rechtsvorgänge die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrecht ereignet haben anzuwenden ist. Als maßgeblicher Zeitpunkt ist die Erlassung des Rechtsmittelbescheides und nicht die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung heranzuziehen. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung vom der Bf., vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, gegen den Bescheid des Hauptzollamtes Innsbruck vom , GZ. 800/22548/03/96, auf Grund des Antrages vom betreffend eine Zollschuld kraft Gesetzes, entschieden:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid des Hauptzollamtes Innsbruck vom , GZ. 800/22548/03/96 wird aufgehoben.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85c Abs. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) iVm § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG steht der Berufungsbehörde der ersten Stufe das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Hauptzollamtes Innsbruck vom , Zl. 800/22548/03/96, wurde der Firma mit der Bezeichnung1 eine gemäß § 174 Abs. 3 lit. d Zif. 2 Zollgesetz 1988 (ZollG) entstandene Einfuhrzollschuld von insgesamt ATS 2.295.863,00 (S 2.270.953,00 an Zoll und S 24.910,00 an Außenhandelsförderungsbeitrag) vorgeschrieben. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass anlässlich einer Prüfung durch die Außen- und Betriebsprüfung/Zoll des Hauptzollamtes Innsbruck auf Grund einer Selbstanzeige, festgestellt worden wäre, dass in den Jahren 1992 bis 1994 die Firma 1 verschiedene Weine, die im Rahmen des Accordino-Abkommens "zoll- und Af-frei" eingeführt worden waren, an Abnehmer außerhalb von Tirol und Vorarlberg weiterverkauft habe. Für diese Waren wäre somit die mit der Gewährung der Zollbegünstigung auferlegte Verpflichtung nicht erfüllt worden und es wäre daher für die Firma mit Bezeichnung 1 als Rechtsnachfolgerin hinsichtlich der unerhoben gebliebenen Abgabenbeträge gemäß §174 Abs. 3 lit. d Z 2 ZollG 1988 die Zollschuld kraft Gesetzes entstanden. Bezüglich der Verjährung wurde ausgeführt, dass die Vorschreibung, trotz Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist, möglich wäre, da das Hauptzollamt Innsbruck den gesetzlich geschuldeten Betrag auf Grund einer strafbaren Handlung nicht habe ermitteln können. Mit Schreiben vom erhob die Bf. dagegen fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung und führte aus, dass nicht gegen das Accordino-Abkommen verstoßen worden wäre und außerdem bereits Verjährung eingetreten wäre. Mit Berufungsvorentscheidung vom , Zl. 800/00831/998, wurde die Berufung vom Hauptzollamt Innsbruck als unbegründet abgewiesen und ergänzend ausgeführt, dass der Verpflichtung, die im Rahmen des Accordino-Abkommens eingeführten Waren nicht außerhalb von Tirol und Vorarlberg abzusetzen, nicht entsprochen worden wäre. Die in den Jahren 1992 bis 1994 an Abnehmer in den übrigen Bundesländer verkauften Warenmengen wären anlässlich einer mit Niederschrift abgeschlossenen Betriebsprüfung bei der Bf. festgestellt worden. Wesentlicher Zweck des Accordino-Abkommens wäre es, dass Waren in den beiden Regionen lokal ausgetauscht würden. Von einem lokalen Austausch könne aber rechtens nicht mehr gesprochen werden, wenn die begünstigten Waren, wie im gegenständlichen Fall, an Unternehmer verkauft würden, die ihren Sitz bzw. Betriebsstätte im übrigen Bundesgebiet hätten. Bezüglich der Verjährung wurde in der Berufungsvorentscheidung ausgeführt, dass für vor dem Beitritt entstandene Eingangsabgaben, die vor dem in Kraft gestandenen Verjährungsbestimmungen Anwendung fänden. Erst ab Inkrafttreten der mit der 3. ZollR-DG Novelle erfolgten Änderungen würde der Begriff Vorschreibung auch die Verjährung umfassen, weswegen auf den Anlaßfall die Verjährungsbestimmungen der §§ 207 Abs. 1 erster Satz und 208 Abs. 1 lit. a der Bundesabgabenordnung Anwendung fänden. Danach würde die Verjährungsfrist fünf Jahre betragen und mit Ablauf des Jahres beginnen in dem der Abgabenanspruch entstanden sei. Insoweit wäre im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Bescheiderlassung die Verjährungsfrist noch im Laufen gewesen. Mit Schreiben vom wurde fristgerecht ein Vorlageantrag gestellt und die ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt. In diesem Vorlageantrag wurden verschiedene Bescheidpunkte bekämpft wobei im nunmehrigen Stadium des Verfahers lediglich die Ausfühungen zur Verjährung maßgeblich sind. Hierzu wurde vorgebracht, dass das jeweilige zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgebliche Recht anzuwenden wäre, demnach würden die maßgebliche Abgabenvorschreibung der dreijährigen Verjährungsfrist, die längst abgelaufen wäre, unterliegen. Es komme auch europarechtlich nicht in Betracht, für nationale - alte - zollrechtliche Ansprüche einen ungünstigeren Verjährungszeitrahmen zu normieren als für geltende nationale Abgabepflichten. In der Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Tirol vom wurde ausgeführt, dass einer eingetretenen Verjährung die geltende Rechtslage entgegen stehen würde. Im Anlassfall würde die fünfjährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelangen, weswegen der Vorschreibungszeitpunkt () bezogen auf die gegenständlichen Vorschreibungsjahre 1992 bis 1994 jedenfalls als rechtzeitig anzusehen wäre. In Anlehnung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof vom ; 96/16/0073 worin ausgeführt wurde, dass nach der Rechtslage ab für die nach dem Beitritt entstandenen Eingangsabgaben die Verjährungsbestimmungen des § 74 Abs. 2 ZollR-DG, für vor dem Beitritt entstandenen Eingangsabgaben aber die vor dem in Kraft gestandenen Verjährungsbestimmungen anzuwenden wären. Erst mit der neuen Formulierung des § 122 Abs. 2 ZollR-DG vom umfasse der Begriff "Vorschreibung" auch die Verjährung. Nach ursprünglicher Ansicht der Finanzlandesdirektion bedeutete dies, da die Vorschreibung am erfolgt war, dass die alte fünfjährige Verjährung zur Anwendung kam und die Verjährung zum Zeitpunkt der Vorschreibung noch nicht eingetreten war. Insoweit stimmte diese Darstellung auch mit den Einwendungen der Bf. überein, die selbst ausführte, dass das jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebliche Recht anzuwenden wäre. Gegen diese Berufungsentscheidung erhob die Bf. sowohl Beschwerde an den Verfassungs- als auch an den Verwaltungsgerichtshof. Wobei der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde betreffend die Verjährung Erfolg beschieden war.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Im bekämpften Bescheid ging die Abgabenbehörde davon aus, dass für vor dem Beitritt entstandene Eingangsabgaben, die vor dem in Kraft gestandenen Verjährungsbestimmungen Anwendung fänden. Erst ab Inkrafttreten der mit der 3. ZollR-DG Novelle () erfolgten Änderungen würde der Begriff Vorschreibung auch die Verjährung umfassen, weswegen auf den Anlaßfall die Verjährungsbestimmungen (fünf Jahre) der §§ 207 Abs. 1 erster Satz und 208 Abs. 1 lit. a der Bundesabgabenordnung Anwendung fänden. Insoweit wäre im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Bescheiderlassung die Verjährungsfrist noch im Laufen gewesen. Hiezu hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt in seiner Entscheidung vom , 2002/16/0076 festgestellt:
Soweit die Beschwerdeführerin jedoch Verjährung der in Rede stehenden Abgaben einwendet, ist davon auszugehen, dass es sich bei abgabenrechtlichen Verjährungsbestimmungen um Bestimmungen des Verfahrensrechts handelt, bei denen es nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches, sondern auf die im Zeitpunkt von dessen Durchsetzung (Abgabenfestsetzung) gegebenen Verhältnisse ankommt (vgl das hg Erkenntnis vom , ZI 87/17/0271). Bei Änderungen verfahrensgesetzlicher Rechtsvorschriften ist im Allgemeinen das neue Recht ab demZeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (vgl Stoll, BAOKommentar, 62).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem - auch von der belangten Behörde bezogenen - Erkenntnis vom , ZI 96/16/0073, mit ausführlicher Begründung dargelegt hat, war auf Grund der Übergangsbestimmungen des § 122 Abs 2 ZolIR-DG in seiner Stammfassung zunächst davon auszugehen, dass für vor dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften entstandene Eingangsabgaben die vor dem in Kraft gestandenen Vejährungsbestimmungen - also § 207 Abs 2 BAO idF vor Inkrafttreten des BG BGBl Nr. 651/1994 - anzuwenden waren. Hingegen umfasst ab der im Bundesgesetzblatt am verlautbarten Änderung des § 122 Abs 2 ZolIR-DG auf Grund der Novelle BGBl. Nr. 13/1998 der Begriff "Vorschreibung" nach dieser Bestimmung auch die Verjährung. Daher gilt ab dem angeführten Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung in dieser Fassung das Zollrecht im Sinne des § 2 ZolIR-DG auch für die Beurteilung der Vejährung für vor dem Beitritt entstandene Abgabenschuldigkeiten. Nach § 2 ZolIR-DG iVm § 1 Abs 2 Z 1 leg cit gehört zum Zollrecht insbesondere der Zollkodex (ZK). Nach Artikel 221 Absatz 3 ZK idF der seit geltenden Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates (EG) Nr. 2700/2000 darf die Mitteilung des Abgabenbetrages an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Artikel 243 ZK eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs. Die Gesetzmäßigkeit eines vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides ist grundsätzlich nach der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Rechtslage zu beurteilen. Die Rechtsmittelbehörde hat also im Allgemeinen - insbesondere abgesehen von dem bei derAnwendung materiellen Abgabenrechts zu beachtenden Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben - das im Zeitpunkt der Erlassung des Rechtsmittelbescheides geltende Recht anzuwenden (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 105 und die dort wiedergegebene hg Rechtsprechung). Hingegen kommt es auf den Zeitpunkt der Vorschreibung der Abgaben durch die Abgabenbehörde erster Instanz entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht an.
Da somit im Beschwerdefall die Verjährungsbestimmungen des Artikel 221 Abs. 3 ZK zur Anwendung kommen, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.
Auf den Anlassfall umgelegt bedeutet dies, dass jedenfalls - auch wenn der Vorschreibungszeitpunkt mit noch vor der Änderung des ZollR-DG vom lag, die dreijährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelangt. Abgefertigt wurde dieser Bescheid am , so dass unter Berücksichtigung eines dreitägigen Postlaufes der für die Berechnung der drei Jahresfrist heranzuziehen ist. Die gegenständlichen Vorschreibungen betrafen die Jahre 1992 bis 1994, wobei aus dem Akt keine Lieferungen nach dem ersichtlich sind, wodurch sämtliche Vorschreibungen der Verjährung anheimgefallen sind. Der angefochtene Bescheid des Hauptzollamtes Innsbruck war somit wegen eingetretener Verjährung aufzuheben.
Innsbruck,
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 221 Abs. 3 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 § 122 Abs. 2 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Verjährung Zollschuld nach ZollG 1988 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at