Rechtswidrigkeit von Anspruchszinsen infolge Verfassungswidrigkeit des § 205 BAO
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Z & P Steuerberatungs GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 1. Bezirk in Wien vom betreffend Anspruchszinsen 2001 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Anspruchszinsen für das Jahr 2001 in Höhe von € 64,17 fest.
In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Bw. zum Berufungsgrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aus, dass der Vorauszahlungsbescheid unrichtig berechnet worden sei. Hätte die Erstbehörde in Durchführung eines mängelfreien erstinstanzlichen Verfahrens die Vorauszahlung richtig berechnet, so hätte der Vorauszahlungsbescheid maximal auf € 5.400,00 lauten dürfen.
Zum Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führte der Bw. aus, dass die Erstbehörde vermeine, € 64,17 an Anspruchszinsen verrechnen zu dürfen. Die Bestimmung, auf deren Grundlagen die Vorschreibung von Anspruchszinsen erlassen worden sei, widerspreche den tragenden Prinzipien des österreichischen Verfassungsrechts und der Menschenrechtskonvention, insbesondere deren Eigentumsgarantien.
Die Erstbehörde vermeine, sich Zinsen, die deutlich über Basiszinssätzen lägen, dafür verrechnen zu dürfen, dass sie nicht in der Lage sei, rechtzeitig die Abgabenverbindlichkeiten bekannt zu geben. Wäre die Erstbehörde in der Lage, rechtzeitig Abgabenverbindlichkeiten bekannt zu geben, so wäre sie selbstverständlich unbenommen, für den Fall der Säumigkeit Verzugszinsen zu fordern. Die Erstbehörde fordere jedoch, möglicherweise aufgrund der geltenden, allerdings verfassungswidrigen Gesetzeslage zu Recht, Zinsen für jenen Zeitpunkt, in dem eine konkrete Abgabenschuld noch nicht festgestellt worden sei.
Ein derartiges Vorgehen verstoße jedoch gegen tragende Prinzipien der Menschenrechtskonvention, insbesondere gegen den Eigentumsschutz. Ein inhärentes Prinzip dieses Eigentumsschutzes sei eben, dass jemand zur Zahlung von Zinsen bzw. Verzugszinsen nur bei fälligen und konkreten Forderungen verpflichtet werden könne.
Der Bw. beantrage sohin, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass von der Vorschreibung von Anspruchszinsen abgesehen werde.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheides zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus
a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,
b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,
c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.
Gemäß § 205 Abs. 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen.
Gemäß § 205 Abs. 3 BAO kann der Abgabepflichtige, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.
Gemäß § 205 Abs. 4 BAO wird die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.
Gemäß § 205 Abs. 5 BAO sind Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.
Sofern aus dem Vorbringen, dass der Vorauszahlungsbescheid unrichtig berechnet worden sei, und dem Antrag, dass die Abgabenschuld in einem geringeren als dem vorgeschriebenen Ausmaß errechnet, jedenfalls von der Vorschreibung von Anspruchszinsen abgesehen werde, eine Besteitung der Anspruchszinsen auf Grund einer Unrichtigkeit des Einkommensteuerbescheides zu entnehmen ist, ist dem zu entgegnen, dass Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommensteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung oder Gutschrift gebunden sind. Wegen dieser Bindung ist der Zinsenbescheid nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Einkommensteuerbescheid sei inhaltlich rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO-Handbuch, 128).
Soweit der Bw. die Vorschreibung von Anspruchszinsen mit einer Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Rechtsnorm bestreitet, ist dem zu erwidern, dass die Behörde eine Norm der Entscheidung zugrunde zu legen hat, solange sie dem Rechtsbestand angehört.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Verfassungswidrigkeit |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at