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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 25.06.2003, RV/1945-W/02

Erlassung von Festsetzungsbescheiden bei Selbstbemessungsabgaben

Beachte

Der Fall betrifft Abgabenansprüche, die vor dem entstanden sind. Die Neufassung des § 201 BAO nach dem AbgRmRefG (BGBl I Nr 97/2002) war daher noch nicht anzuwenden.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch PKF Österreicher - Staribacher WP GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 6., 7. und 15. Bezirk in Wien betreffend Zurückweisung eines Antrags auf bescheidmäßige Festsetzung von selbstberechneten Abgaben entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. stellte mit Schreiben vom den Antrag, gemäß § 201 BAO einen Bescheid zu erlassen, aus dem ersichtlich sei, dass Dienstgeberbeiträge in Höhe von S 124.663,-, die für den Gesellschafter-Geschäftsführer entrichtet worden seien, obgleich seine Beteiligung über 25% betragen habe, ausgeschieden worden seien und nicht mehr zur Vorschreibung gelangen.

In der Begründung führte die Bw. aus, dass nach der durch den Verwaltungsgerichtshof vertretenen Rechtsansicht die Einhebung von Dienstgeberbeiträgen für Geschäftsführer mit einer Beteiligung von mehr als 25% nicht verfassungsgemäß und daher die Bezahlung dieses Dienstgeberbeitrages zu Unrecht erfolgt sei.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom zurück. Begründend führte es aus, dass die Zurückweisung erfolgte, weil die Eingabe nicht zulässig sei. § 201 BAO sehe kein entsprechendes Antragsrecht vor. Außerdem liege in einem solchen Bescheid kein Mittel einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne der Judikatur vor.

Gegen diesen Bescheid wurde Berufung eingebracht. Die Bw. führte darin aus, nach § 201 erster Satz BAO sei bei Selbstberechnungsabgaben ein Bescheid dann zu erlassen, wenn die Selbstberechnung sich als unrichtig erweise. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Judikat vom , 86/17/0195, erkannt, dass die Erlassung eines Festsetzungsbescheides nicht im Ermessen der Behörde liege, sondern eine Verpflichtung dazu bestehe. Nach Judikatur und Literatur sei es Pflicht der Behörde, sofern ein Antrag auf Rückzahlung einer Selbstbemessungsabgabe eingebracht werde, einen Bescheid nach § 201 BAO zu erlassen, welcher über die Rechtsfrage der Abgabenschuld abspreche. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sei die Erlassung eines Bescheides nach § 201 BAO erforderlich.

Über die Berufung wurde erwogen:

Bei Selbstbemessungsabgaben (Abgaben, die der Abgabenschuldner oder der Abfuhrpflichtige selbst zu berechnen und zu entrichten hat, ohne eine bescheidmäßige Festsetzung abwarten zu dürfen) sind nach § 201 BAO Abgabenbescheide nur zu erlassen, wenn

  • allenfalls vorgesehene Erklärungen nicht eingereicht wurden,

  • diese Erklärungen unvollständig sind oder

  • die Selbstberechnung unrichtig ist.

Die Erlassung solcher Festsetzungsbescheide liegt für bis zum entstandene Abgabenansprüche nicht im Ermessen der Behörde. Wird der Abgabenbehörde die Unrichtigkeit der Selbstbemessung bekannt, so ist sie verpflichtet, einen solchen Bescheid zu erlassen.

Die bescheidmäßige Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe setzt daher voraus, dass sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist oder die Erklärungen nicht oder nicht vollständig abgegeben wurden. Trotz dieser einschränkenden Bestimmungen kann nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Entscheidungspflicht über diese Selbstbemessungsabgaben auch dann bestehen, wenn die in der genannten Bestimmung geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Judikatur hat nämlich bei Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der Selbstbemessung den Anspruch auf Erlassung von Bescheiden bejaht (). Dies umfasst auch Meinungsverschiedenheiten über das Bestehen eines Abgabenanspruches.

Im vorliegenden Fall hat die Bw. die Unrichtigkeit der Selbstbemessung insoferne geltend gemacht, als sie die Abgabepflicht der Vergütungen des wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers unter Hinweis auf die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Rechtsansicht bestritt. Sie begehrte, die betreffenden Selbstbemessungsabgaben bescheidmäßig festzusetzen. Damit befand sich - wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich ist - die Bw. in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Bestimmung des § 201 BAO richtet sich auf Grund der gesetzlichen Formulierung an die Abgabenbehörde. Ein Antragsrecht wird dem Abgabepflichtigen in dieser Bestimmung nicht eingeräumt. Jedoch trifft die Behörde auf Grund der Bestimmung des § 115 Abs. 1 und Abs. 3 BAO die Verpflichtung, die materielle Wahrheit zu erforschen und sämtliche Umstände auch zu Gunsten des Abgabepflichtigen zu würdigen. Weiters ist die Behörde auf Grund der Bestimmung des § 201 BAO verpflichtet, einen Bescheid zu erlassen, wenn ihr die Unrichtigkeit einer Selbstbemessung bekannt wird. Aus diesem Grund muss dem Abgabepflichtigen auch die Möglichkeit eingeräumt sein, das Tätigwerden der Behörde im Sinne des § 201 BAO durch einen eigenen Antrag zu veranlassen. Ein entsprechender Antrag ist daher zulässig, auch wenn die Möglichkeit hierzu vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich eingeräumt wurde.

Die Behörde hat bei Anbringen vor einer inhaltlichen Erledigung stets die Zulässigkeit eines Anbringens zu überprüfen. Stellt sie die Unzulässigkeit eines Anbringens fest, so hat sie das Anbringen zurückzuweisen. Bei Zulässigkeit des Anbringens ist jedoch ein Bescheid mit einer inhaltlichen Entscheidung zu erlassen.

Im vorliegenden Fall hat die Bw. einen Antrag auf Erlassung eines Festsetzungsbescheides gestellt, den die Behörde zurückgewiesen hat. Der Antrag war jedoch im Sinne der obigen Ausführungen zulässig. Die Behörde hätte daher eine Entscheidung in der Sache treffen müssen, d. h. einen Bescheid über die Festsetzung der selbst berechneten und entrichteten Abgaben Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag in Höhe von S 124.663,- erlassen müssen. Die Zurückweisung des Antrages der Bw. erfolgte damit zu Unrecht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Festsetzungsbescheid
bescheidmäßige Festsetzung
Selbstberechnung
Selbstbemessungsabgaben
Richtigkeit
Meinungsverschiedenheiten
Antrag
zulässig
unterschiedliche Rechtsauffassung
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at