Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSL vom 29.04.2003, RV/1285-L/02

Auflösung von Mietzinsrücklagen, steuerliche Absetzbarkeit von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem Kind

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl. B 837/03 eingebracht. Mit Beschluss vom an den VwGH zur Zl. 2003/14/0103 abgetreten. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom wegen Nichtbefolgung eines Mängelbehebungsauftrages.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/1285-L/02-RS1
Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch Transferleistungen (Familienbeihilfe sowie Kinderabsetzbeträge) abgegolten. Für eine darüber hinausgehende steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen bleibt daher kein Raum.
RV/1285-L/02-RS2
Die mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl.Nr. 201/1996, eingeführte Auflösung von Mietzinsrücklagen (steuerfreien Beträgen) ist aufgrund des Legalitätsprinzipes zu vollziehen. Eventuelle Verfassungswidrigkeiten (Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bzw. Eigentumsrecht) sind vom Unabhängigen Finanzsenat nicht zu prüfen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Michael Mandlmayr und die weiteren Mitglieder Mag. Christoph Kordik, Adolf Blaschek und Dipl.Ing. Christoph Bauer am nach durchgeführter mündlicher Berufungsverhandlung über die Berufung der Bwin., vertreten durch ihren Ehemann, gleiche Adresse, gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1999 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin, Hausfrau und Vermieterin, erachtet sich in folgenden zwei Punkten steuerrechtlich beschwert:

1. Erhöhung der Überschusseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Auflösung des steuerfreien Betrages im Jahre 1999 im Ausmaß von S 431.810,88

2. Berücksichtigung der Unterhaltslasten für ihr 1978 geborenes Kind

ad 1. Mietzinsrücklage - steuerfreier Betrag - Auflösung 1999:

Nach Ansicht des Finanzamtes entspricht die Auflösung des steuerfreien Betrages gem. § 28 des EStG 1988 der Gesetzeslage (§ 116 Abs. 2 Z. 3 EStG 1988, BGBl. Nr. 201/1996 bzw. BGBl. Nr. 1999/28). In der gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 fristgerecht erhobenen Berufung wird von der Berufungswerberin im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der abrupte Entzug der Steuerbegünstigung für Mietzinsrücklagen durch das StruktAnpG 1995 in Form der vorzeitigen Zwangsauflösung nicht verwendeter steuerfreier Beträge von 6 Jahren auf einmal komme in der Praxis einem rückwirkenden Gesetz gleich und bedeute einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Folge ungerechtfertigter Enttäuschung berechtigten Vertrauens auf eine gegebene Rechtslage. Diese Vorgehensweise des Gesetzgebers stelle eine grobe Verletzung der Grundsätze von Treu und Glauben dar, an den auch der Steuergesetzgeber gebunden sei (Erlass vom , AÖFV Nr. 70). In seinem Urteil vom - G 191/94, G 192/94 bekräftige der Verfassungsgerichtshof, dass "gesetzliche Vorschriften mit dem Gleichheitssatz in Konflikt geraten können, weil und insoweit sie die im Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage handelnden Normunterworfenen nachträglich belasten, und dass schwer wiegende und plötzlich eintretende Eingriffe in erworbene Rechtspositionen, auf deren Bestand der Normunterworfene mit guten Gründen vertrauen habe können, zur Gleichheitswidrigkeit des belastenden Eingriffs führen können". Diese Gleichheitswidrigkeit wäre leicht zu vermeiden gewesen, wenn der Gesetzgeber die Bildung von Mietzinsrücklagen für die Zukunft abgeschafft, die bestehenden Vergünstigungen aber auslaufen hätte lassen. Unter diesen Voraussetzungen wären - noch ohne Berücksichtung angemessener Unterhaltslasten für ein Kind lt. Pkt. 3. - nicht S 545.973,-- sondern nur S 143.436,-- zu versteuern gewesen. Folglich wäre auch die Einkommensteuerbelastung wesentlich niedriger gewesen. In Höhe der nicht zuletzt auch progressionsbedingt erhöhten Differenz liege ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentumsrecht vor.

Zum Berufungspunkt 2. Unterhaltslasten:

Die Berufungswerberin sei im Berufungszeitraum für ein Kind unterhaltspflichtig gewesen, welches 1978 geboren sei und auch im Berufungszeitraum noch studiert habe. In seinem Urteil vom - G 168/86-36 - habe der Verfassungsgerichtshof festgestellt, dass die Unterhaltsleistungen an Kinder im EStG 1988 nicht angemessen berücksichtigt seien, was einen Verstoß gegen Artikel 7 der Österreichischen Verfassung verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes darstelle. Die einkommenssteuerliche Außerachtlassung von Unterhaltslasten für Kinder sei darüber hinaus eine Diskriminierung iSd Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention und verstoße daher gegen das Recht auf Eigentum gem. Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolles zur Europäischen Menschenrechtskonvention (Irschick, SWK 1988, Seite 723 f). Die Höhe des steuerlich zu berücksichtigenden Unterhaltes sei abhängig von Anzahl und Alter der Kinder und liege bei einem Kind zwischen 16 und 22 % des Einkommens (MACK, Kronen-Zeitung vom , Seite 31).

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom führte der Berufungswerber zusammengefasst Folgendes aus:

Es werde auf die bisherigen Ausführungen in der Berufungsschrift verwiesen. Die Nichtanerkennung in beiden Berufungspunkten (Mietzinsrücklage und Unterhaltslasten) verstoße gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte.

Über Befragung durch den Vorsitzenden wurde die Aufteilung der Mietzinsreserve für die Jahre 1992 bis 1994 (Gesamtbetrag S 431.810,88) vom Vertreter der Berufungswerberin bekanntgegeben.

Weiters wurde vom Vertreter der Bwin. im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung ein Artikel der Kronenzeitung (Autor Prof. Heinz Mayer), datiert vom , vorgelegt, in dem Ausführungen über den Vertrauensschutz in Angelegenheiten der Pensionsreform enthalten sind.

Über die Berufung wurde erwogen:

Ad 1. Berufungspunkt steuerfreier Mietzinszinsreserve, Auflösung 1999:

Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 BGBl., 201/1996, hat der Gesetzgeber die Bestimmungen über die Mietzinsrücklage aufgehoben und mit einer Übergangsbestimmung in § 116 Abs. 2 Z. 2 bzw. Z. 3 EStG 1988 Folgendes normiert:

Für die bis 1995 gebildeten Mietzinsrücklagen und steuerfreien Beträge (§ 11 in der bis 1995 geltenden Fassung) gilt Folgendes:

...

2. Mit den im letzten vor dem endenden Wirtschaftsjahr ausgewiesenen Rücklagen bzw. steuerfreien Beträgen sind innerhalb von 9 Jahren nach ihrer Bildung, längstens aber bis zum (BGBl. I 1999/28) in folgender Reihenfolge zu verrechnen:

a) Instandsetzungsaufwendungen...

b) ...

c) ...

d) ...

3. Rücklagen (Rücklagenteile) bzw. steuerfreie Beträge (Teilbeträge), die nicht bis zum Ende der Frist der Z 2 zu verrechnen sind, sind zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen.

Mit dieser Gesetzesänderung entfiel die Möglichkeit, Überschüsse aus verrechnungspflichtigen Mietzinsen einer steuerfreien Rücklage bzw. einem steuerfreien Betrag zuzuführen, wodurch sich im Ergebnis eine Steuerstundung ergeben hatte (vgl. Doralt, in ÖStZ 1995, S.171).

Durch die ab 1996 geänderte Rechtslage trat folgende Situation ein:

Die angesammelten Rücklagen bzw. steuerfreien Rücklagen waren mit Instandsetzungsaufwendungen und Verlusten zu verrechnen. Andernfalls waren sie im 9. Jahr nach ihrer Bildung einkommensteuererhöhend aufzulösen. Auf die Übergangsregelung des § 116 EStG 1988 wird verwiesen.

Die angeführten gesetzlichen Bestimmungen wurden von der Abgabenbehörde erster Instanz richtig angewendet. Der Berufungssenat kann in der nach dem Gesetz zwingend vorzunehmenden Auflösung des steuerfreien Betrages im genannten Ausmaß keine Rechtswidrigkeit erblicken (keine Gleichheitswidrigkeit bzw. kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht).

Gemäß Art. 18 Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz (abgekürzt B-VG) darf die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden.

Der unabhängige Finanzsenat hat die oben angeführte Gesetzesbestimmung solange anzuwenden, als sie dem Rechtsbestand angehört.

Es ist nicht Aufgabe des unabhängigen Finanzsenates, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu überprüfen. Der Senat ist an das im Art. 18 B-VG verankerte Legalitätsprinzip gebunden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, 2.überarbeitete Auflage, § 114, Seite 247, Rz 7 mit Hinweis auf u.a.) ist das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben.

In diesem Punkt war daher die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Ad 2. Berufungspunkt Berücksichtigung der Unterhaltslasten für ein Kind:

Durch das Budgetbegleitgesetz 1998, BGBl.Nr. I 79/1998, wurde die Familienbesteuerung neu geregelt . Anlass für diese Neuordnung war das Erkenntnis des ,G 285/96, mit dem das Höchstgericht Teile der alten Familienbesteuerung als verfassungswidrig erachtete.

Durch die ab dem Jahre 1999 erfolgte Reform der Familienbesteuerung (Änderungen des Einkommensteuergesetzes und des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - Modifikation der Transferleistungen - Erhöhung der Kinderabsetzbeträge, Erhöhung der Familienbeihilfe in allen Altersstaffeln) wurde vom Gesetzgeber der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Rechnung getragen.

Gem. § 34 Abs. 7 Z. 1 EStG 1988 sind Unterhaltsleistungen für ein Kind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls durch den Kinderabsetzbetrag gem. § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a und c abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Ehepartner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat (BGBl. I 1998/79 ab 1999).

Sämtliche Kinderlasten sind durch die im Jahre 1999 bezogenen Transferleistungen (Familienbeihilfe bzw. Kinderabsetzbeträge) abgegolten.

Für eine über die in den genannten Bestimmungen hinausgehende steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltslasten für Kinder, wie etwa den von der Berufungswerberin geforderten Anteil an ihren Einkünften von 16 % bis 22 % , bleibt daher kein Raum und es war die Berufung in diesem Punkt ebenfalls abzuweisen.

Soweit sich die Berufungswerberin in ihren Rechten, welche sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben, beschwert erachtet , ist anzumerken, dass der Unabhängige Finanzsenat gem. Art. 18 Abs. 2 BVG an die geltenden Gesetzeslage gebunden ist.

Angemerkt wird weiters, dass die Behandlung einer gleichartigen Beschwerde betreffend den Veranlagungszeitraum 1998 vom VfGH abgelehnt , anschließend an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten und von diesem das Verfahren eingestellt worden ist ( und B 2324/00, sowie ,0137).

Aus den angeführten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltslasten
Auflösung von Mietzinsrücklagen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at