Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 22.05.2003, RV/0299-G/02

Haftung eines Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH für Abgabenschuldigkeiten der GmbH & Co KG, die vom Finanzamt im (noch nicht abgeschlossenen) Konkursverfahren der GmbH & Co KG als Konkursforderungen geltend gemacht wurden

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0299-G/02-RS1
Aus der Konkurseröffnung allein kann nicht zwingend auf die Uneinbringlichkeit der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben geschlossen werden. Eine mögliche - wenn auch nur teilweise - Einbringlichkeit der Konkursforderungen ist insofern zu berücksichtigen, als der Geschäftsführer nur für jenen Teil der ausständigen Abgabenschuldigkeiten zur Haftung herangezogen werden darf, welcher im Insolvenzverfahren voraussichtlich nicht einbringlich gemacht werden kann.

Entscheidungstext

BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Harald Hohenberg, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldbach vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO 2001 entschieden: Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die Haftung wird auf folgende Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von insgesamt 111.238,60 € (1.530.677,00 S) eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag gesamt (S)
60% (S)
60% (€)
Umsatzsteuer
12/2000
56.241,00
33.744,00
2.452,27
Umsatzsteuer
02/2001
223.798,00
134.278,00
9.758,36
Umsatzsteuer
03/2001
589.099,00
353.459,00
25.686,87
Kammerumlage
01-12/2000
142.407,00
85.444,00
6.209,46
Lohnsteuer
02-12/2000
135.076,00
81.045,00
11.200,70
Lohnsteuer
01/2001
256.875,00
154.125,00
11.200,70
Lohnsteuer
02/2001
253.417,00
152.050,00
11.049,90
Lohnsteuer
03/2001
253.750,00
152.250,00
11.064,44
Dienstgeberbeitrag
02-12/2000
25.246,00
15.147,00
1.100,76
Dienstgeberbeitrag
01/2001
129.191,00
77.514,00
5.633,16
Dienstgeberbeitrag
02/2001
128.610,00
77.166,00
5.607,87
Dienstgeberbeitrag
03/2001
126.020,00
75.612,00
5.494,94
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02-12/2000
3.719,00
2.231,00
162,13
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
01/2001
14.355,00
8.613,00
625,93
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
02/2001
13.924,00
8.354,00
607,11
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
03/2001
13.945,00
8.367,00
608,05
Verspätungszuschlag
10/2000
51.532,00
30.919,00
2.246,97
Verspätungszuschlag
11/2000
33.205,00
19.923,00
1.447,86
Verspätungszuschlag
12/2000
23.063,00
13.837,00
1.005,57
Pfändungsgebühr
2001
14.528,00
8.716,00
633,42
Kosten des Voll-streckungsverfahrens
2001
462,00
277,00
20,13
Stundungszinsen
2001
1.313,00
787,00
57,19
Säumniszuschläge
2001
16.130,00
9.678,00
703,33
Säumniszuschläge
2001
10.549,00
6.329,00
459,95
Säumniszuschläge
2001
22.906,00
13.743,00
998,74
Säumniszuschläge
2001
11.782,00
7.069,00
513,72
1.530.677,00
111.238,60

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Gemäß dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom vertrat der Bw. seit die L GmbH (Komplementärgesellschafterin der L GmbH & Co KG) als alleiniger Geschäftsführer.

Am wurde über die L GmbH und die L GmbH & Co KG das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkurs der L GmbH ist laut Edikt des Landesgerichtes für ZRS Graz geringfügig.

Mit dem Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Bw. als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 80 Abs. 1 BAO für folgende aushaftende Abgabenschuldigkeiten der L GmbH & Co KG in Anspruch:


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Zeitraum
Abgabenart
Betrag (S)
2000-2001
Umsatzsteuer
869.138,17
1999-2001
Kammerumlage
253.500,00
2000-2001
Lohnabgaben
1,408.453,00
1999-2001
Nebenansprüche
191.184,00
2,722.374,17

Begründend wurde ausgeführt, die gegenständlichen Abgaben seien in Folge Insolvenz der L GmbH & Co KG nicht einbringlich. Der Bw. habe als Vertreter der GmbH (und damit der KG) seine abgabenrechtlichen Pflichten schuldhaft verletzt, weil die Abgaben nicht an den Fälligkeitstagen entrichtet worden seien. Auszubezahlende Löhne seien entsprechend zu kürzen, wenn die vorhandenen Mittel für die Entrichtung der Löhne und der darauf entfallenden Lohnabgaben nicht ausreichten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bw. durch seinen Vertreter das Rechtsmittel der Berufung mit der Begründung, im angefochtenen Bescheid werde nicht angeführt, worin die schuldhafte Pflichtverletzung im konkreten Fall bestehen solle. Eine solche Pflichtverletzung liege nicht vor, weil er nicht in der Lage gewesen sei, diese Schulden, so wie auch andere Schulden zu begleichen. Durch das Unterlassen der Anführung eines konkreten Schuldtatbestandes sei der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Das Finanzamt teilte dem Vertreter des Bw. daraufhin im Vorhalt vom mit, die Zedierung aller Forderungen aus Warenlieferungen mittels Factoring Vertrag mit Wirkung ab stelle eine Benachteiligung der Abgabenforderungen und somit einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Weiters sei aus der Aktenlage ersichtlich, dass die Löhne und Gehälter in ungekürzter Höhe zur Auszahlung gelangt seien, die darauf entfallende Lohnsteuer jedoch nicht abgeführt wurde. Der Bw. wurde aufgefordert, darzulegen, aus welchem Grund er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe und eine schuldhafte Pflichtverletzung daher nicht angenommen werden solle.

Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.

Mit der Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

In der Eingabe vom beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde erster (gemeint offensichtlich: zweiter) Instanz. Bekämpft werden einerseits die Haftungspflicht dem Grunde nach mit der Begründung, der Bw. habe während seiner Zeit als Geschäftsführer zwei erfahrene, gut ausgebildete und bewährte Mitarbeiter, an deren Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein er keinen Grund zu zweifeln hatte, mit der Leitung des Rechnungswesens und der Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Agenden, insbesondere der Buchhaltung, der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Lohnverrechnung beauftragt. Der Bw. habe daher bei seiner Mitteldisposition stets auf die vorbereiteten Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnabrechnungen zurückgegriffen. Wenn sich diese im nachhinein als unvollständig oder fehlerhaft erwiesen haben sollten, so komme ein haftungsbegründendes Verschulden des Bw. für die Lohnabgaben 2000-2001 und Säumniszuschläge 2001 nicht in Betracht. Für den Bw. hätten keine Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit oder Unkorrektheit seiner Mitarbeiter im Rechnungswesen bestanden. Im Sinne von Lehre und Rechtsprechung sei in diesem Fall ausreichend, wenn sich der Geschäftsführer auf jährliche Kontrollen anlässlich der Bilanzerstellung verlasse. Da die Bilanzerstellung für die Geschäftsjahre 2000 und 2001 im Zeitpunkt des Ausscheidens des Bw. aus der Geschäftsführung in Folge Konkurseröffnung der L GmbH & Co KG noch nicht erfolgt war, könne ihm die Verletzung von Auswahl- und Kontrollpflichten und damit eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht zur Last gelegt werden. Hinsichtlich der Lohnabgaben 1999 liege deshalb kein haftungbegründendes Verschulden vor, weil der Bw. erst seit Geschäftsführer der L GmbH war und auf eine Verkürzung der Kammerumlage vor diesem Zeitpunkt keinen Einfluss haben konnte. Die Berufung richte sich aber auch gegen die Höhe der Haftungspflicht. Dem Bw. könnten ohnehin nur jene Abgabenausfälle zur Last gelegt werden, die auf Grund einer Pflichtverletzung eingetreten seien. Im Haftungsbescheid fehlten jedoch Feststellungen, inwiefern die Republik Österreich als Abgabengläubigerin schlechter gestellt worden sei als andere Gläubiger. Die Unterlagen seien vom Masseverwalter beschlagnahmt worden, weshalb es dem Bw. an der Möglichkeit fehle, sich "frei" zu beweisen. Die ersatzlose Aufhebung des Haftungsbescheides werde beantragt.

Aus einer in den vorgelegten Akten erliegenden Stellungnahme des Alpenländischen Kreditorenverbandes vom geht hervor, dass die Verbindlichkeiten der L GmbH & Co KG laut Konkursantrag insgesamt 128,9 Millionen S, die Aktiva insgesamt 40,6 Millionen S betragen. Die gemeinschuldnerischen Liegenschaften sind mit einer Höchstbetragshypothek von 30 Millionen S belastet. Eine Weiterführung des Unternehmens sei unwahrscheinlich, da es nicht liquid sei und die monatliche Bruttolohnsumme ca. 4,5 Millionen S betrage.

Vom Masseverwalter wurde die sofortige Schließung des Unternehmens angeordnet.

Auf Grund des vollstreckbaren Rückstandsausweises vom hat das Finanzamt Abgabenforderungen in der Höhe von 5,450.419,00 S im Konkurs angemeldet.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus. Die Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären.

Aus der Konkurseröffnung allein kann noch nicht zwingend auf die Uneinbringlichkeit der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben geschlossen werden. Eine mögliche - wenn auch nur teilweise - Einbringlichkeit der Konkursforderungen ist insofern zu berücksichtigen, als der Geschäftsführer nur für jenen Teil der ausständigen Abgabenschulden zur Haftung herangezogen werden darf, welcher im Insolvenzverfahren voraussichtlich nicht einbringlich gemacht werden kann ().

Aus dem vom Alpenländischen Kreditorenverband übernommenen, vom gemeinschuldnerischen Unternehmen im Konkursantrag angeführten Vermögensstatus ergibt sich, dass möglicherweise ein Drittel der bestehenden Verbindlichkeiten abgedeckt werden kann. Berücksichtigt man in der Aufstellung der Passiva allerdings die tatsächlich vom Finanzamt angemeldeten 5,4 Millionen S Abgabenverbindlichkeiten und nicht die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung geschätzten 1,7 Millionen S, steigen die Passiva auf 132,6 Millionen S. Die Höhe der zu erwartenden Konkursquote wird daher mit größter Wahrscheinlichkeit 30% nicht übersteigen. Die Haftung des Bw. wurde daher im Spruch des Bescheides auf den voraussichtlich nach Abwicklung des Konkursverfahrens verbleibenden uneinbringlichen Teil der Abgabenforderungen (60 %) beschränkt.

Unbestritten ist, dass der Bw. vom bis zur Konkurseröffnung der L GmbH & Co KG am der alleinige Geschäftsführer der L GmbH war.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Bei einer GmbH & Co KG, bei welcher wie im vorliegenden Fall die KG durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer, vertreten wird, haben die Geschäftsführer der GmbH die abgabenrechtlichen Pflichten, die die KG betreffen, zu erfüllen. Sie haften bei schuldhafter Pflichtverletzung für die Abgaben der KG ().

Der Bw. bringt vor, er habe verlässliche Mitarbeiter mit der Buchhaltung, der Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen und der Lohnabrechnung beauftragt. Da keine Anhaltspunkte für Unkorrektheiten vorgelegen seien, habe er seine Kontrollpflichten nicht verletzt, weil in die Zeit seiner Geschäftsführung keine Bilanzerstellung gefallen sei und es nach Lehre und Rechtsprechung ausreichend sei, wenn Kontrollen jährlich bei Bilanzerstellung durchgeführt werden. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass hinsichtlich der Häufigkeit und Intensität der Überwachung von Mitarbeitern kein genereller Maßstab angelegt werden kann. Unabdingbar ist, dass sich ein neu in ein Unternehmen eintretender Geschäftsführer zu Beginn seiner Tätigkeit über die Zuverlässigkeit jener Mitarbeiter informieren muss, denen er Aufgaben seines Geschäftsbereiches überträgt. Die erstmalige Kontrolle von Mitarbeitern anlässlich einer (in weiter Ferne liegenden) Bilanzerstellung ist in diesem Fall nicht ausreichend. Dahingestellt bleibt, wie der Bw. die in der Berufung gepriesene Tüchtigkeit seiner Mitarbeiter festgestellt hat, wenn er nach den diesbezüglichen Ausführungen im gesamten Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit - immerhin 14 Monate - keine Überwachungsmaßnahmen gesetzt hat.

Den Ausführungen in der Berufung ist insoweit zuzustimmen, dass einem Geschäftsführer weder die Nichtentrichtung von Abgaben der Gesellschaft, die vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer fällig wurden noch die Nichtentrichtung von Abgaben, die nach Konkurseröffnung fällig wurden, als Verletzung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen angelastet werden kann. Die folgenden im Haftungsbescheid des Finanzamtes enthaltenen Abgaben wurden daher aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden:


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Kammerumlage 01-03/99 (Fälligkeitstag ) in der Höhe von
87.087,00 S,
Kammerumlage 01-03/01 (Fälligkeitstag ) in der Höhe von
24.105,00 S,
Stundungszinsen 2001 (Fälligkeitstag ) in der Höhe von
3.972,00 S,
Säumniszuschlag 1999 in der Höhe von 1.742,00 S.

Zuzustimmen ist auch der Auffassung des Bw., wonach einem Geschäftsführer nach der Konkurseröffnung die Nichtabfuhr festgesetzter Abgabennachforderungen, die auf geringfügigen Aufzeichnungs- bzw. Buchhaltungsmängeln beruhen, nicht als Verletzung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen angelastet werden kann. Der Bw. kann daher für jene Beträge, die im Haftungs- und Abgabenbescheid vom auf die Nachversteuerung von § 26 EStG Bezügen entfallen, nicht zur Haftung herangezogen werden. Hinsichtlich der Lohnabgaben 02-12/2000 werden daher lediglich die laut Lohnsteuerprüfung vom festgestellten Abfuhrdifferenzen für diesen Zeitraum (Lohnsteuer 135.076,00 S, Dienstgeberbeitrag 25.246,00 S, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 3.719,00 S) und nicht die gesamte Nachforderung der Berechnung (60%) zu Grunde gelegt. Die Höhe der Lohnabgaben für den Zeitraum 01/01 ergibt sich aus der Voranmeldung vom 15. Febraur 2001 (Lohnsteuer 256.875,00 S, Dienstgeberbeitrag 129.191,00 S, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 14.355,00 S) ohne Nachforderung aus der Lohnsteuerprüfung.

Dass die zwei in der Berufung angeführten bewährten Mitarbeiter nicht nur für die Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnabrechnungen, sondern auch für die Entrichtung sämtlicher Abgaben zuständig waren, wird nicht behauptet. Aus den Ausführungen in der Berufung, der Bw. habe bei der Mitteldisposition stets auf die vorbereiteten Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnabrechnungen zurückgegriffen, ergibt sich, dass die L GmbH & Co KG über finanzielle Mittel verfügt und nicht diese beiden Mitarbeiter, sondern der Bw. selbst den Einsatz der finanziellen Mittel gesteuert hat.

Gemäß § 79 Abs. 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen. Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen (). Nach der durch das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 0038, VwSlg 7038 F/1995, ausdrücklich aufrecht erhaltenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nämlich einem Vertreter im Sinne der §§ 80 ff BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht an das Finanzamt entrichtet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Nicht die Abgabenbehörde hat daher ihre Schlechterstellung gegenüber anderen Gläubigern zu beweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter hat nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden.

Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt dem Bw. im Vorhalt vom16. Oktober 2001 und in der Berufungsvorentscheidung vom vorgeworfen, mittels Factoring Vertrag alle Forderungen aus Warenlieferungen zediert und somit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aller Verbindlichkeiten verstoßen zu haben. Gegen diesen Vorwurf hat der Bw. keine Einwendungen erhoben. Die Benachteiligung der abgabenrechtlichen Forderungen ist durch diese Vorgangsweise evident. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war ().

Die Behauptung, er könne sich nicht "frei" beweisen, weil der Masseverwalter die Unterlagen "beschlagnahmt" habe, stellt sich als Schutzbehauptung dar, weil eine "Beschlagnahme" von Unterlagen nach der Konkursordnung weder vorgesehen noch möglich ist. Da sich der Masseverwalter u.a. über die wirtschaftliche Lage und die bisherige Geschäftsführung informieren, den Stand der Masse ermitteln sowie darüber entscheiden muss, ob das Unternehmen fortgeführt werden kann, ist die Einsichtnahme in die Bücher unabdingbar. Ein gesetzliches Verbot, dass der bisherige Geschäftsführer (nach Rücksprache mit dem Masseverwalter) in die Bücher Einsicht nimmt, existiert jedoch nicht. Der Bw. bringt auch nicht vor, er sei vom Masseverwalter an der Einsichtnahme in die Bücher der GmbH gehindert worden.

Zusammenfassend ist darauf hinzuweisen, dass dem Bw. ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden ist, sich zum Nachweis, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der Abgabenverbindlichkeiten der L GmbH nicht Sorge tragen konnte, diesbezügliche Unterlagen zu beschaffen und der Behörde vorzulegen.

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (, 93/17/0051). Einen solchen Nachweis hat der Bw. nicht erbracht. Wie bereits ausgeführt, blieb das Vorbringen des Finanzamtes, der Bw. habe die Abgabenschulden durch Abschluss eines Factoring Vertrages gegenüber den anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt, unwidersprochen. Die Haftungsinanspruchnahme des Bw. durch das Finanzamt erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.

Graz,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Gleichbehandlungsgrundsatz
Factoring
schuldhafte Pflichtverletzung
Uneinbringlichkeit
Überwachungsmaßnahmen
Konkurseröffnung
Ausfallshaftung
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at