Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 10.04.2003, RV/0235-G/02

Umsatzsteuerpflicht einer Gewerbeförderung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0235-G/02-RS1
Die Hingabe einer Gewerbeförderung duch eine Gemeinde zur Anschaffung eines Grundstückes für die Neuerrichtung eines Betriebes zum Zwecke der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen stellt keinen umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausch dar. Die Gewährung eines derartigen Zuschusses der öffentlichen Hand liegt im Interesse der Allgemeinheit und ist das gleichzeitige Interesse des Zuschussempfängers am Erhalt des Zuschusses nicht schädlich. Die Erfüllung von Auflagen im Sinne der Gewerbeförderrichtlinien des Zuschussgebers führt für sich nicht zu einem Leistungsaustausch. Nach der Zielsetzung der Mehrwertsteuer als Verbrauchsteuer führt das Eingehen einer Verpflichtung nur dann zu einer steuerpflichtigen Dienstleistung, wenn ein Verbrauch impliziert ist.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Edgar Steinberger gegen den Bescheid des Finanzamtes Liezen vom betreffend Umsatzsteuer 1997 entschieden: Der Berufung wird Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bildet einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Bw., eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die den Geschäftszweig der Zimmerei ausübt, hat im Wirtschaftjahr bis für die Neugründung des Betriebes eine Gewerbeförderung der Gemeinde A. in Höhe von 480.000,00 S  erhalten. Mit Schreiben des Gemeindeamtes A. vom wurde der Förderungswerberin mitgeteilt, dass die Gewerbeförderung durch den Gemeinderat bewilligt worden war, nach den Gewerbeförderrichtlinien der Gemeinde an den Standort gebunden ist und nur einmal gewährt wird. Die Förderung wurde unter der Auflage der Beibehaltung der Arbeitsplätze und somit Fortführung des Betriebes auf zehn Jahre gewährt. Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung durch das Finanzamt Liezen wurde die Hingabe der Förderung unter der genannten Auflage als Leistungsaustausch zwischen der Gemeinde A. und der Bw. beurteilt und folglich mit dem angefochtenen Bescheid der Umsatzsteuer unterworfen. Dagegen wurde Berufung eingebracht und ausgeführt, dass ein steuerbarer Zuschuss ua dann nicht vorliege, wenn der Zuschussempfänger zu einem im öffentlichen Interesse gelegenen Handeln angeregt werden soll, dass jedoch gleichzeitig im Interesse des Zuschussempfängers gelegen sein kann. Dass die Erhaltung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Interesse gelegen und volkswirtschaftlich erwünscht ist, liege klar auf der Hand und stelle daher die strittige Förderung einen echten, nicht umsatzsteuerbaren Zuschuss dar.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde das Berufungsbegehren abgewiesen. In der Folge stellte die Bw. rechtzeitig den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Nach Auskunft der Gemeinde A. liegt das Ziel einer Gewerbeförderung in der Schaffung bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen und ist arbeitsplatzbezogen zu sehen. Eine derartige Förderung wird üblicherweise einmal anlässlich einer Betriebserrichtung gewährt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Entscheidend für das Vorliegen eines umsatzsteuerpflichtigen Leistungsaustausches im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 ist, ob Leistung und Gegenleistung im Verhältnis einer Wechselbeziehung, in einem inneren Zusammenhang und in einer gegenseitigen Abhängigkeit stehen. Subventionen hingegen, wie sie vor allem von öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewährt werden, sind grundsätzlich kein marktwirtschaftliches Entgelt empfangener Güter oder Leistungen (siehe /00071). Nach § 4 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 gilt beim Leistungserbringer nicht nur die Gegenleistung des Leistungsempfängers, sondern auch ein von dritter Seite gewährter Zuschuss als Entgelt. Dieser Zuschuss von dritter Seite muss allerdings in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Leistungsaustausch stehen, der zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger stattfindet. Der Dritte muss also ein zusätzliches Entgelt deshalb gewähren, damit oder weil der Unternehmer eine Leistung bewirkt. Ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Zuschuss durch den Dritten und dem fremden Leistungsaustausch nicht feststellbar, so muss geprüft werden, ob nicht ein Leistungsaustausch zwischen Zuschussempfänger und dem Zuschussgeber vorliegt. Liegt weder ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einem Leistungsaustausch zwischen fremden Personen noch eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers an den Zuschussempfänger vor, dann stellt der Zuschuss eine Prämie dar, die dem Unternehmer gegeben worden ist, um ihn zu einem im öffentlichen Interesse gelegenen Handeln anzuregen (siehe auch ). Die Verpflichtung zur bestimmungsgemäßen Verwendung einer Subvention bzw. die Erfüllung von Auflagen oder Bedingungen, unter denen die Subvention gewährt wird, bewirkt noch keinen Leistungsaustausch. Zuschüsse, die den Zuschussempfänger zu einem im öffentlichen Interesse liegenden Verhalten anregen sollen, sind somit nicht als steuerbares Leistungsentgelt anzusehen, auch wenn das Verhalten gleichzeitig im Interesse des Zuschussempfängers liegt (siehe auch Ruppe, UStG 1994 Kommentar[WUV-Universitätsverlag], [Wien 1999], [§ 4 Tz 116]). Nach der ständigen Judikatur des EuGH besteht unbedingter Vorrang des Gemeinschaftsrechts im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten (vgl. Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen [Verlag Linde], [Wien 1997], [S 35]) hinsichtlich der ins innerstaatliche Recht durch das UStG 1994 umgesetzten 6. Mehrwertsteuerrichtlinie und ist dieses innerstaatliche Recht grundsätzlich richtlinienkonform auszulegen. Sonach ist im Gegenstandsfall auch auf die Rechtsprechung des EuGH, dem nach Art 220 EGV (ex-Art 164) das Monopol zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zukommt, Bedacht zu nehmen. Im vorliegenden Fall ist die Frage zu beurteilen, ob ein direkter Leistungsaustausch zwischen der Bw. und der zuschussgebenden Gemeinde erfolgte. Der EuGH hat zu dieser Frage einige grundlegende Rechtssätze entwickelt. Laut Urteil ([ EuGH [ vom ]] Rs C-384/95, Landboden-Agrardienste GmbH & Co. KG [gg Finanzamt Calau]) sind Artikel 6 Absatz 1 und Art 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, die sich auf die Definition von Dienstleistungen und auf die Zusammensetzung der Besteuerungsgrundlagen beziehen, dahingehend auszulegen, dass die von einem Landwirt im Rahmen einer nationalen Entschädigungsregelung eingegangene Verpflichtung, mindestens 20% der von ihm angebauten Kartoffeln nicht zu ernten, keine Dienstleistung im Sinn der Richtlinie ist. Die zu diesem Zweck gezahlte Zuwendung unterliegt daher nicht der Umsatzsteuer. Nach der Zielsetzung der Mehrwertsteuer als Verbrauchsteuer führt das Eingehen einer Verpflichtung nur dann zu einer steuerpflichtigen Dienstleistung, wenn ein Verbrauch impliziert ist. Im Urteil ([EuGH[vom ]]Rs C-215/94, Mohr[gg Finanzamt Segeberg]) hat der Gerichtshof zur Frage Stellung genommen, ob die Verpflichtung zur Aufgabe der Milcherzeugung, die ein Landwirt im Rahmen einer Gemeinschaftsverordnung zur Festsetzung einer Vergütung bei der endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung übernimmt, eine Dienstleistung im Sinne der Sechsten Richtlinie ist. Der Gerichtshof hat diese Frage verneint, indem er feststellte, dass die Mehrwertsteuer eine allgemeine Verbrauchsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen sei und dass es in dem ihm vorgelegten Fall keinen Verbrauch im Sinne des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems gebe. Die Gemeinschaft erwerbe dadurch, dass sie den Landwirten, die sich zur Aufgabe ihrer Milcherzeugung verpflichteten, einen Ausgleich gewähre, keine Gegenstände und empfange auch keine Dienstleistungen zur eigenen Verwendung, sondern sie handle im allgemeinen Interesse an der Förderung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Milchmarktes der Gemeinschaft. Unter diesen Umständen bringe die Verpflichtung des Landwirts zur Aufgabe seiner Milchproduktion weder der Gemeinschaft noch den zuständigen nationalen Stellen Vorteile, aufgrund derer sie als Empfänger einer Dienstleistung angesehen werden könnten, und stelle daher keine Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dar. Die Hingabe der gegenständlichen Subvention von der Gemeinde auf der Grundlage ihrer Gewerbeförderrichtlinien zur Erhaltung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen und die damit zwangsläufig verbundene Auflage, den geförderten Betrieb eine Mindestzeit zu führen, stellt nach diesen Ausführungen keinen Leistungsaustausch dar, da damit lediglich die Förderungsbedingungen erfüllt werden und ein im öffentlichen Interesse gelegenes Handeln (Arbeitsplatzsicherung) bewirkt werden soll. Die Gewährung eines derartigen Zuschusses der öffentlichen Hand liegt im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse (Arbeitsplatzsicherung) und wird der Zuschussempfänger zu einem dem Gemeinwohl dienenden Handeln angeregt. Es ist dabei nicht schädlich, dass der Zuschussempfänger gleichzeitig ein Interesse am Empfang des Zuschusses hat. Die Verpflichtung zur Erfüllung von Auflagen im Sinne der Gewerbeförderrichtlinien des Zuschussgebers führt für sich nicht zu einem Leistungsaustausch. Ein verbrauchsfähiger Nutzen, der eine Dienstleistung unter der Zielsetzung der Mehrwertsteuer als Verbrauchsteuer steuerpflichtig macht, ist jedoch im bedingungskonformen Handeln im Gegenstandsfall nicht zu erblicken.

Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Gewerbeförderung als Entgelt von dritter Seite im Sinne des § 4 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 zu werten ist.

Der Begriff der unmittelbar mit dem Preis zusammenhängenden Subventionen im Sinne des Art 11 Teil A Abs. 1 Buchstabe a der sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer ist nach der Judikatur des EuGH dahingehend auszulegen, dass er nur die Subventionen erfasst, die vollständig oder teilweise Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen oder von Dienstleistungen sind und dem Verkäufer oder Dienstleistungserbringer von einem Dritten gezahlt werden.

Die Möglichkeit alleine, dass eine Subvention sich auf die Preise der vom subventionierten Unternehmen gelieferten Gegenstände oder Dienstleistungen auswirkt, macht diese Subvention nicht schon steuerbar. Für einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Subvention und Preis ist es erforderlich, dass die Subvention gerade für die Lieferung eines bestimmten Gegenstandes oder die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung gezahlt wird. Diese Verbindung zwischen Subvention und Preis muss nach einer Untersuchung der Umstände des Einzelfalles, auf denen die Zahlung dieser Gegenleistung beruht, eindeutig zum Ausdruck kommen. Eine Subvention ist dann steuerpflichtig, wenn nachgewiesen wird, dass durch die Subvention objektiv der Verkauf eines Gegenstandes oder die Erbringung einer Dienstleistung zu einem niedrigeren Preis als ohne Erhalt der Subvention ermöglicht wird (siehe diesbezüglich ausführlich ([EuGH[vom ]]Rs C-184/00, Office de produits wallons ASBL[gg Belgischer Staat]). Dass im gegenständlichen Fall eine Preisauffüllung oder eine direkte Zahlung von dritter Seite hinsichtlich der von der Bw. an ihre Kunden erbrachten Leistungen erfolgt, ist weder aktenkundig noch wurde dies vom bescheiderlassenden Finanzamt behauptet. Feststellungen, dass für die Gewährung des Zuschusses die Bw. als Zimmereibetrieb Leistungen an die Gemeinde erbracht hätte, wurden ebenfalls nicht getroffen, sodass auch unter diesem Aspekt kein Leistungsaustausch bewirkt werden konnte. Die den Erkenntnissen des (Hotel) und vom , 95/14/0084 (Golfplatz) zu Grunde liegenden Sachverhalte sind mit dem Berufungsfall nicht vergleichbar, da in beiden Fällen über eine allgemeine auflagenkonforme Verwendung des Zuschusses hinaus, konkrete Gegenleistungen ausbedungen worden waren.

Mangels Vorliegens eines Leistungsaustausches zwischen der Gemeinde A. und der Bw. als Zuschussempfängerin war die Hingabe der strittigen Gewerbeförderung von 480.000,00 S weder als steuerbarer Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 noch als Entgelt von dritter Seite nach § 4 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 zu qualifizieren und der Berufung daher antragsgemäß stattzugeben.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Graz,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Gewerbeförderung
Leistungsaustausch
Arbeitsplatzsicherung
Auflage
Verweise



Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at