Verzollungsumgehung durch private Verwendung eines Nichtgemeinschaftsfahrzeuges
Rechtssätze
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FSRV/0031-W/2002-RS1 | Die private Verwendung eines in Ungarn amtlich zugelassenen Fahrzeuges in Österreich durch andere als die in Artikel 719 Abs. 3 lit. a, b ZK-DVO genannten Personen ist ein Verstoß gegen das Zollschuldrecht der Gemeinschaft (vgl. ). Erfolgt die Zuwiderhandlung fahrlässig im Sinne des § 8 Abs. 2 FinStrG, so ist diese als Verzollungsumgehung nach §§ 11, 36 Abs. 1 FinStrG strafbar. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates , am in der Finanzstrafsache gegen den Bw. wegen Verzollungsumgehung nach §§ 11, 36 Abs. 1 FinStrG gemäß § 161 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Berufung des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis vom des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde 1. Instanz zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid in seinem Ausspruch über die Strafe und über die Verfahrenskosten wie folgt abgeändert: Die gemäß § 36 Abs. 3 FinStrG verhängte Geldstrafe wird in der Höhe von € 300,00 und die für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafe gemäß § 20 FinstrG an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit 3 Tagen neu festgesetzt. Die gemäß § 185 FinStrG ausgesprochenen Kosten des Strafverfahrens werden in der Höhe von € 30,00 neu festgesetzt.
II. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Erkenntnis vom , StNr. 100/2001/00376-001, hat das Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Berufungswerber nach §§ 11, 36 Abs. 1 FinStrG für schuldig erkannt, weil er im September 2000 in Wien im Einvernehmen mit der (schuldlos handelnden) D. den in Ungarn zugelassenen Pkw der Marke Opel, Kennz., entgegen den Vorschriften des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung für private Fahrten benützt habe.
Aus diesem Grund wurde über ihn gemäß § 36 Abs. 3 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von € 600,00 verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen ausgesprochen.
Die Kosten des Strafverfahrens wurden gemäß § 185 FinStrG mit € 60,00 bestimmt.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten vom , wobei im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:
Die "Zollrechtsdurchführungsverordnung" sei gemeinschaftsrechtswidrig. Es werde daher angeregt, die "Konformität des Art. 719 ZK-DVO mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht durch das zuständige europäische Gericht überprüfen zu lassen". Die bloße Benützung eines Fahrzeuges müsse einem sorgfältigen Menschen nicht unbedenklich erscheinen und sei keinesfalls bereits als Verzollungsumgehung zu beurteilen. Die verhängte Strafe sei sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtswidrig.
Über die Entscheidung wurde erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 1 FinStrG macht sich der Verzollungsumgehung schuldig, wer die im § 35 Abs. 1 bezeichnete Tat fahrlässig begeht.
Nach § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich des Schmuggels schuldig, wer eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet oder aus einer Freizone oder einem Freilager in einen anderen Teil des Zollgebietes verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht.
Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 8 Abs. 2 FinStrG).
Gemäß § 11 FinStrG begeht nicht nur der unmittelbare Täter das Finanzvergehen, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, es auszuführen, oder der sonst zu seiner Ausführung beiträgt.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Zollkodex (ZK) unterliegen alle Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung.
Gemäß Art. 137 ZK können Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, im Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden.
Gemäß Art. 719 Abs. 1 Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) wird die vorübergehende Verwendung für Straßenfahrzeuge zum privaten Gebrauch bewilligt.
Gemäß Art. 719 Abs. 3 ZK-DVO unterliegt die Bewilligung nach Abs. 1 der Voraussetzung, dass die Fahrzeuge
a) von außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Personen eingeführt werden; b) von diesen Personen privat verwendet werden; c) außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft auf den Namen einer außerhalb dieses Zollgebiets ansässigen Person amtlich zugelassen sind. In Ermangelung einer amtlichen Zulassung gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn die betreffenden Fahrzeuge Eigentum einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person sind.
Gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
Zollschuldner ist gemäß Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat.
Ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung liegt immer dann vor, wenn ein Handeln, ein Tun oder Unterlassen, die Folge hat, dass konkret begonnene Überwachungsmaßnahmen nicht mehr durchgeführt werden können. Für die Verwirklichung des Tatbestandes des Art. 203 ZK ist es ausreichend, dass der Zollbehörde lediglich vorübergehend die Möglichkeit der zollamtlichen Überwachung genommen wird.
Der Bw. hat (erstmals) im September 2000 in Wien den Pkw der Marke Opel, Kennz., mit dem zuvor seine in Ungarn ansässige Schwägerin aus Ungarn nach Österreich eingereist war, mit deren Einverständnis für private Fahrten benützt. Am wurde der Bw. von Organen der Bundespolizeidirektion Wien betreten, als er dieses Fahrzeug lenkte.
Es steht (ebenfalls) außer Streit, dass der Bw. in Österreich, und somit nicht außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft im Sinne des Art. 719 Abs. 3 lit. a ZK-DVO ansässig ist.
Der Bw. hat den eingangsabgabepflichtigen Pkw erstmals im September 2000 in Wien entgegen den Bestimmungen des Art. 719 Abs. 1 lit. a und lit. b ZK-DVO verwendet. Dadurch hat er diesen Pkw der zollamtlichen Überwachung entzogen und folglich die objektiven Tatbestandsmerkmale des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 lit. a 3. Fall FinStrG verwirklicht.
Der (Primär-) Tatbestand des Schmuggels hat den Zweck, Verstöße gegen das Zollschuldrecht der Gemeinschaften strafrechtlich zu sanktionieren (vgl. ). Die beiden ersten Begehungsarten entsprechen den Zollschuldentstehungstatbeständen des Art. 202 Abs. 1 lit. a und b ZK, die dritte Begehungsart deckt sich mit jenem des Art. 203 Abs. 1 ZK (vgl. , EvBl. 1998/131).
Den Ausführungen des Bw. zum Gemeinschaftsrecht kann nicht gefolgt werden.
Der Maßstab der objektiv gebotenen pflichtgemäßen Sorgfalt richtet sich nicht nach einem allgemein besonnenen und einsichtigen Menschen, sondern nach einem solchen Menschen in der Lage des Täters, d.h. der Mensch des objektiven Maßstabes muss dem Lebenskreis, Berufskreis oder Bildungskreis des Täters angehören ().
Die mehrmalige Benützung des in Ungarn zugelassenen Fahrzeuges, das der Schwägerin des Bw. lediglich zu ihrer persönlichen Verwendung im Zollgebiet der Gemeinschaft überlassen worden war, ist dem Bw. jedenfalls als Verstoß gegen die objektive Sorgfaltspflicht anzulasten. Ein allgemein besonnener und einsichtiger Mensch in seiner Lage hätte sich anders verhalten und sich vorher bei einer Zollbehörde informiert.
Aus den Aktenunterlagen ergibt sich kein Hinweis darauf, dass es dem Bw. nicht zumutbar gewesen wäre, sorgfältig zu handeln. Es hätte hiezu lediglich einer kurzen fernmündlichen Anfrage bei einer Zollbehörde bedurft.
Da der Bw. dies unterließ, hat er die Sorgfalt außer acht gelassen, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkannt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.
Das Verhalten des Bw. erfüllt daher den Tatbestand des § 36 Abs. 1 FinStrG, wobei der Bw. als unmittelbarer Täter im Sinne des § 11 Abs. 1 FinStrG und D. als Inhaberin des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung schuldlos gehandelt hat.
Grundlage für die Strafbemessung ist zufolge § 23 Abs. 1 FinStrG die Schuld des Täters.
Bei der Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Im Übrigen gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß (§ 23 Abs. 2 FinStrG). Die Finanzstrafbehörde I. Instanz wertete die finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw. als mildernd. Als erschwerend wurde kein Umstand gewertet.
Bei Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen (§ 23 Abs. 3 FinStrG).
Der Bw. ist verheiratet und von Beruf Angestellter. Er verdiente im Jahre 2000 monatlich ca. ÖS 8.200,00.
Auf das tatgegenständliche Fahrzeug entfallen Eingangsabgaben (Zoll, Einfuhrumsatzsteuer) in der Gesamthöhe von € 3.139,46. Dieser Betrag legt daher die Strafhöchstgrenze fest.
Die Festsetzung der Strafhöhe ist eine Ermessensentscheidung (). Dieses Ermessen bei der Strafbemessung muss sich in den vom Gesetz gezogenen Grenzen halten. Innerhalb dieser Grenzen ist die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bw. rechtfertigen nach Ansicht des Senates die Reduzierung der verhängten Geldstrafe auf € 300,--.
Weiters ist die nach § 20 FinStrG festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe zu berichtigen, wobei unter Beachtung der Bestimmungen des § 23 FinStrG über die Strafbemessung vorzugehen, und darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass die Ersatzfreiheitsstrafe den Bestraften nicht schwerer, aber auch nicht leichter treffen soll als die primäre Strafe. Eine Reduzierung der Ersatzfreiheitsstrafe auf 3 Tage ist daher nach Ansicht des Senates ebenfalls angemessen.
Schließlich ist der Ausspruch über den Kostenersatz im Sinne des § 185 FinStrG entsprechend zu berichtigen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 164 FinStrG ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen aber das Recht zu, gegen diesen Bescheid binnen sechs Wochen nach dessen Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und/oder beim Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof muss -abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 169 FinStrG wird zugleich dem Amtsbeauftragten das Recht der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingeräumt.
Zahlungsaufforderung
Die Geldstrafe, die Wertersatzstrafe und die Kosten des Finanzstrafverfahrens sind gemäß § 171 Abs. 1 und § 185 Abs. 4 FinStrG binnen eines Monates nach Rechtskraft dieser Entscheidung fällig und mittels eines gesondert zugehenden Erlagscheines auf das Postsparkassenkonto 5504006, BLZ 60000, des Hauptzollamtes Wien zu entrichten, widrigenfalls Zwangsvollstreckung durchgeführt und bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe bzw. der Wertersatzstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe/n vollzogen werden müssten.
Wien,
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | Art. 719 Abs. 3 Buchstabe a ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1 Art. 719 Abs. 3 Buchstabe b ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1 § 8 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 11 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 36 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Schlagworte | Beförderungsmittel vorübergehende Verwendung von Straßenbeförderungsmitteln zum eigenen Gebrauch Zollschuldentstehung durch Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung Verzollungsumgehung |
Verweise | |
Anmerkung | Int, ZK-DVO Art.719 Abs3 lit.a, b in der Fassung .
Die den Artikel 141 ZK ergänzenden Bestimmungen betreffend die Beförderungsmittel finden sich seit der durchgeführten Reform der Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung durch die Verordnung (EG) der Kommission Nr. 993/2001 vom , ABl. Nr. L 141 vom in den Art.555 ff. ZK-DVO. |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at