Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 03.04.2003, RV/0517-G/02

Verkehrsunfallschaden als Werbungskosten

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0517-G/02-RS1
Die Aufwendungen für einen Verkehrsunfallschaden auf dem Weg in die Dienststelle, auf dem die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar ist, stellen keine Werbungskosten dar, wenn das Verschulden am Verkehrsunfall nicht nur gering ist. Die Missachtung eines Überholverbotes und die anschließende Kollision mit einem entgegenkommenden PKW stellt im Zusammenhang mit dem Fahren unter Zeitdruck kein geringes Verschulden dar.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldbach betreffend Einkommensteuer 1999 entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin beantragte in ihrer Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1999 die nunmehr strittigen Aufwändungen für den Verkehrsunfallschaden auf dem Weg zur Dienststelle als Werbungskosten zu berücksichtigen. In ihrem Schreiben vom führte sie unter anderem aus, dass sie zum Unfallszeitpunkt ihren Hauptwohnsitz noch in Feldbach gehabt habe. Der Unfall, an dem sie die Alleinschuld getragen habe, hätte sich am um 07.25 Uhr auf dem Weg zu ihrer Dienststelle ereignet. Da nur Sachschaden entstanden sei und sie sofort der Unfallsbeteiligten gegenüber erklärt habe, dass sie eindeutig schuld gewesen sei, hätten sie keine Gendarmerieaufnahme benötigt.

Mit der Begründung, gemäß § 16 EStG 1988 könnten Kosten für einen Unfallschaden im Falle der Unzumutbarkeit der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels und bei nicht nur leichter Fahrlässigkeit als erhöhte Werbungskosten geltend gemacht werden, und der weiteren Begründung, dass auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht auf eine leichte Fahrlässigkeit geschlossen hätte werden können, wurde das Begehren vom Finanzamt abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Berufungswerberin unter anderem vor, dass leichte Fahrlässigkeit ihrerseits sicherlich gegeben gewesen sei, allerdings sei keine amtliche Prüfung darüber vorgenommen worden. Sie hätte zwar Einsicht in die Kurve gehabt, habe aber die Entgegenkommende übersehen. Sie sei jedenfalls schuldbewusst gewesen und habe daher gleich an Ort und Stelle die angeführte Regelung treffen können.

In der wiederum abweisenden ersten Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt darauf hin, dass für die Berücksichtigung von Unfallkosten als Werbungskosten maßgeblich die Unfallursache sei. Könne der Verschuldensgrad als schwer oder grob fahrlässig eingestuft werden, so werde der berufsbedingte Zusammenhang unterbrochen. Überholmanöver würden das höchste Unfallrisiko im Straßenverkehr darstellen, insoweit sie nicht mit der uneingeschränkten Beurteilung aller Verhältnisse für einen gefahrlosen Überholvorgang einhergehen (, , 97/14/0071). Auf Grund des Unfallherganges (Überholen in einer Rechtskurve) könne ein leichtes Verschulden seitens des Finanzamtes nicht erblickt werden. Den Ausführungen über die Unzumutbarkeit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels schenkte das Finanzamt Glauben und gewährt weiterhin, wie bereits irrtümlich im Erstbescheid, das große durch den Arbeitgeber auf dem Lohnzettel berücksichtige Pendlerpauschale in Höhe von S 11.520,-.

Im Vorlageantrag wird zusammengefasst vorgebracht, dass in ihrem Fall der berufsbedingte Zusammenhang der Grund für das Zustandekommen des Verkehrsunfalls gewesen sei. Im gegenständlichen Fall sei der Verschuldensgrad ja nicht einmal amtlich festgestellt worden, da nur Sachschaden entstanden sei und sie keine Gendarmerie benötigt hätten. Gerichtsverfahren habe es auch keines gegeben. Nur weil sie sich schuldig gefühlt habe könne daraus nicht auf ein "schweres Verschulden" oder "grobe Fahrlässigkeit" geschlossen werden. Das Prinzip "im Zweifel für den Angeklagten" gelte wohl hoffentlich auch bei der Finanzbehörde. Sie seien nämlich nicht auf der Straße zusammengestoßen, sondern auf einer Ausweiche.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwändungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 94/15/0193, mit weiteren Nachweisen, diesbezüglich Folgendes entschieden: "Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall können unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten darstellen. Dies gilt jedenfalls für einen unverschuldeten Unfall. Tritt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers hinzu, kann dadurch der berufliche Veranlassungszusammenhang unterbrochen werden. Ob ein Verkehrsunfall beruflich oder privat veranlasst ist, hängt u.a. vom Grad des Verschuldens des Lenkers ab. Zwar handelt es sich bei einem - wie im Beschwerdefall - selbst verschuldeten Unfall um ein Fehlverhalten, das nicht durch die berufliche Tätigkeit veranlasst ist. Dieses Fehlverhalten tritt aber als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem angestrebten beruflichen Zweck dann in den Hintergrund, wenn der Verkehrsunfall nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers verursacht worden ist."

Beide Parteien, sowohl das Finanzamt als auch die Berufungswerberin, gehen davon aus, dass der Unfall nicht unverschuldet von der Berufungswerberin verursacht wurde. Strittig ist der Grad des Verschuldens der Berufungswerberin, demzufolge das Fehlverhalten der Berufungswerberin zu Gunsten einer Zurechnung des Schadensfalles zur beruflichen Sphäre in den Hintergrund treten kann.

Zum Unfallhergang ist den Ausführungen der Berufungswerberin zu entnehmen, dass sie dringend zu ihrer Dienststelle gemusst hätte und durch einen langsam vor ihr über den gesamten Rittscheinberg herfahrenden LKW aufgehalten worden sei, weshalb sie dann die einzige einsichtige Stelle zum Überholen genutzt hätte, dabei aber ganz unabsichtlich fahrlässig gehandelt hätte. Sie bestehe auf Fahrlässigkeit. Genau das sei ja eben der Punkt beim beruflichen Zusammenhang. Jeder kenne ihn. Man habe es eilig in den Dienst zu kommen, weil dringende Arbeiten auf Erledigung warten würden, da komme es leider vor, dass fahrlässigerweise Fehler gemacht werden würden. Sie habe zwar Einsicht in die Kurve gehabt, habe aber die Entgegenkommende übersehen. Der Schadensmeldung ist zum Schadenshergang zu entnehmen, dass die Berufungswerberin mit ihrem KFZ einen LKW überholen wollte und dabei das entgegenkommende Fahrzeug übersehen habe (leichte Rechtskurve).

Die Berufungswerberin verweist in ihrem Schreiben vom unter anderem auf das Erkenntnis des , dem jener Sachverhalt zu Grunde liegt, wonach der Beschwerdeführer

"von der Autobahn Belgrad - Zagreb abgefahren ist und in Richtung Flughafen "Beograd" fuhr und weil er vor sich ein langsam fahrendes Fahrzeug hatte und er zum Flughafen eilen wollte, ist er auf die linke Fahrbahnseite gefahren, um das Fahrzeug zu überholen, aber er hat nicht erwartet, dass ihm aus der Gegenrichtung ein Fahrzeug entgegenkommt, weil er gerechnet hat, dass das eine Zone der Autobahn ist und daher eine Einbahn und als er das ihm entgegenkommende Fahrzeug erblickte, versuchte er durch starkes Bremsen das Fahrzeug anzuhalten, was aber nicht zur Gänze gelungen ist und es kam zu einem Frontalzusammenstoß."

Das Strafbezirksgericht hat diesen Unfalllenker zu einem Strafausmaß verurteilt, das auf ein "durchschnittliches qualifiziertes Verschulden" hinweise.

Im gegenständlichen Fall hat die Berufungswerberin nichts vorgebracht, was auf ein geringeres Verschulden als in dem oben genannten Erkenntnis hindeuten würde. Ganz im Gegenteil gab es für die Berufungswerberin keinen Grund, nicht mit Gegenverkehr zu rechnen. Für einen hinter einem LKW nachfahrende PKW-Lenker ist grundsätzlich die Sicht nach vorne stark eingeschränkt und weiters im Falle einer leichten Rechtskurve beim Wechseln auf die linke Fahrbahnseite die Sicht auf die Überholstrecke gänzlich genommen. Umso mehr wird in einer derartigen Verkehrssituation zu fordern sein, nur bei völliger Risikofreiheit zu überholen, denn § 16 Abs 1 lit a der Straßenverkehrsordnung 1960 verbietet dem Lenker eines Fahrzeuges das Überholen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden wäre.

Wenn die Berufungswerberin angibt, dass sie dringend zu ihrer Dienststelle gemusst hätte, man es eilig habe in den Dienst zu kommen, weil dringende Arbeiten auf Erledigung warten würden, da komme es leider vor, dass man fahrlässigerweise einen Fehler mache, so gibt sie damit zu erkennen, dass sie auf Grund ihrer Zeitnot zum Zeitpunkt des Unfalls ein hohes Unfallrisiko in Kauf genommen hat und daher der Schuldgehalt der Berufungswerberin nicht mehr als gering eingestuft werden kann.

Der von der Berufungswerberin vertretenen Meinung, dass der berufsbedingte Zusammenhang, nämlich, dass sie dringend zu ihrer Dienststelle musste, der Grund für das Zustandekommen des Verkehrsunfalls gewesen sei, ist entgegen zuhalten, dass die Unfallsursache grundsätzlich in ihrer persönlichen und gegenständlich auch noch mit nicht nur geringer Schuld behafteten Fehlleistung gelegen ist. Soweit Aufwändungen für die private Lebensführung mit der beruflichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, können sie als steuerliche Abzugspost nur Berücksichtigung finden, wenn sich der Teil der Aufwändungen, der auf die ausschließlich berufliche Sphäre entfällt, einwandfrei von den Ausgaben, die der privaten Lebensführung dienen, trennen lässt. Ist eine solche Trennung der Aufwendungen nicht einwandfrei durchführbar, dann gehört der Gesamtbetrag derartiger Aufwendungen gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit a EStG 1988 zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben und unterliegt dem Aufteilungsverbot (vgl. z.B. das Erkenntnis des Zl. 84/14/0119).

Die Berufung war daher, wie aus dem Spruch ersichtlich, vollinhaltlich abzuweisen.

Graz,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Verkehrsunfallschaden
Werbungskosten
Alleinschuld
Fahrlässigkeit
Verschuldensgrad
Verschulden
Überholmanöver
Rechtskurve
Fehlverhalten
Unfallrisiko
Massenbeförderungsmittel
Überholverbot
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at