Zwangsstrafe, Wirtschaftsprüfungsbericht, Privatstiftung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0764-W/02-RS1 | Die Vorlage eines noch nicht fertiggestellten Wirtschaftsprüfungsberichtes kann nicht mit Zwangsstrafe durchgesetzt werden. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes für Körperschaften in Wien betreffend Festsetzung einer Zwangsstrafe entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Bei der Bw. handelt es sich um eine Privatstiftung.
Das Finanzamt für Körperschaften hat mit Schreiben vom die Bw. ersucht, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung gemäß § 44 Abs. 3 EStG den Steuererklärungen für das Jahr 1996 den Wirtschaftsprüfungsbericht anzuschließen. Für den Fall, dass diesem Ersuchen nicht Folge geleistet würde, wurde der Bw. die Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO in Höhe von 5.000,00 S angedroht.
Die Bw. ist dem Ersuchen des Finanzamtes innerhalb der angeführten Frist nicht nachgekommen.
Mit Bescheid vom verhängte das Finanzamt für Körperschaften wegen Nichteinreichung des Wirtschaftsprüfungsberichtes für 1996 über die Bw. eine Zwangsstrafe in Höhe von 5.000 S.
Gegen diesen Bescheid hat die Bw. berufen und eingewendet, die Privatstiftung sei zwar zur handelsrechtlichen Rechnungslegung verpflichtet, die Gewinnermittlung nach § 5 EStG sei aber nur für die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzuwenden. Die Ermittlung für ertragsteuerliche Zwecke erfolge daher nach den allgemeinen steuerlichen Regelungen. Die Ermittlung der Einkünfte der Bw. für 1996 sei im Rahmen einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung erfolgt, die der Steuererklärung auch beigelegt worden sei. Da für handelsrechtliche und steuerrechtliche Zwecke unterschiedliche Aufzeichnungsvorschriften anzuwenden seien und daher § 44 Abs. 1 und 3 EStG auf Privatstiftungen nicht anwendbar sei, stellte die Bw. den Antrag auf Aufhebung des Bescheides über die Festsetzung einer Zwangsstrafe. Die Bw. habe aufgrund einer telefonischen Anfrage im Herbst 1997 von Herrn Min.Rat Wiesner eine ihre Begründung deckende Auskunft erhalten. Abschließend erklärte die Bw., sie sei bereit, dem Finanzamt die Wirtschaftsprüfungsberichte der Bw. zukommen zu lassen. Eine endgültige Ausfertigung des Berichtes 1996 sei jedoch bislang nicht möglich gewesen, weil sich der testierende Wirtschaftsprüfer erst von der Werthaltigkeit einer im Jahresabschluss 1996 der Bw. ausgewiesenen Forderung überzeugen habe müssen. Vorab übermittelte die Bw. einen Entwurf des Berichtes, der dem endgültigen Bericht materiell entsprechen würde. Der Bestätigungsvermerk des (endgültigen, nicht mehr als Entwurf bezeichneten) Berichtes über die Prüfung des Jahresabschlusses zum , wurde mit unterfertigt.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung.
Die Bw. stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und begründete diesen ergänzend mit Zitaten aus Stoll, Kommentar zu § 124 BAO, Seite 1384, wonach nur jene außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten im Interesse der Abgabenerhebung zu erfüllen seien, die steuerrechtlich bedeutsame Sachverhalte zum Gegenstand hätten. Eine Sanktion wegen Verletzung abgabenrechtsfremder Buchführungspflichten ... sei ... nur dann zulässig, wenn diese Bücher und Aufzeichnungen für sich den Erfordernissen der Abgabenerhebung nicht genügten oder gegen die Richtigkeit Bedenken bestünden und dabei das Kalkül der Vollständigkeit und Richtigkeit der nach den Abgabenvorschriften zu führenden Bücher und Aufzeichnungen und damit deren Beweiskraft erst aus dem Zusammenhang mit den nach anderen als abgabengesetzlichen Vorschriften zu führenden Bücher und Aufzeichnungen möglich sei und diese letztgenannten Rechengrundlagen mangelhaft seien. Die Bw. habe 1996 nur außerbetriebliche Einkünfte und zwar steuerbefreite Kapitaleinkünfte erzielt. Dh., dass für ertragsteuerliche Zwecke ein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden müsse. Diese Überschussrechnung sei den Steuererklärungen 1996 beigelegt worden. Da die handelsrechtliche Rechnungslegung für die ertragsteuerliche Erfolgsermittlung bei außerbetrieblichen Einkünften keine Grundlage darstelle und daher für steuerliche Zwecke gesonderte Aufzeichnungen nach anderen als handelsrechtlichen Grundsätzen zu führen seien, sei daher die Vorlage des Wirtschaftsprüfungsberichtes mit einer Maßnahme nach § 111 BAO nicht erzwingbar.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 111 Abs. 1 BAO, BGBl. Nr. 194/1961, sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen.
Gemäß § 44 Abs. 3 EStG 1988, BGBl. 400/1988 müssen im Fall des Vorliegens von Jahresberichten (Geschäftsberichten) oder Treuhandberichten (Wirtschaftsprüfungsberichten), diese der Steuererklärung beigefügt werden.
Die Bw. ist (handelsrechtlich) als Privatstiftung zur Buchführung verpflichtet. Strittig ist ua., ob die Bw. mittels Zwangsstrafe verhalten werden kann, einen Wirtschaftsprüfungsbericht vorzulegen, obwohl sie aufgrund des Vorliegens von (bloßen) Einkünften aus Kapitalvermögen steuerlich lediglich den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt.
Wie Vetter in SWK 1998, W 16 unter dem Titel "Privatstiftung und verpflichtende Konzernabschlussprüfung?" ausführt, fehlt (abgesehen vom Stiftungsprüfer) jede kritische Hinterfragung der wirtschaftlichen Lage der Privatstiftung, weil diese weder Eigentümer hat, noch zur Offenlegung von Jahres- und Konzernabschluss verpflichtet ist. Prinzipiell ist daher die Aufforderung an eine Privatstiftung, die Wirtschaftsprüfungsberichte vorzulegen, nicht unzulässig, weil diese einen Einblick in die wirtschaftliche Tätigkeit der Privatstiftung gewähren.
Im gegenständlichen Fall bestand das Problem - wie aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich - nicht nur im zunächst mangelnden Willen der Bw., den Wirtschaftsprüfungsbericht zur Verfügung zu stellen (er wurde nach dessen Vorliegen nachgereicht), sondern auch der faktischen Unmöglichkeit, diesen vorzulegen, weil er noch nicht fertiggestellt war. Nun ist der Vorstand der Bw. zwar laut Privatstiftungsgesetz bzw. Stiftungsurkunde verpflichtet, den Jahresabschluss und den Lagebericht innerhalb von fünf Monaten aufzustellen und dem Stiftungsprüfer vorzulegen und hat dieser den Jahresabschluss einschließlich der Buchführung und den Lagebericht innerhalb von drei Monaten ab Vorlage zu prüfen (dh., dass der Wirtschaftsprüfungsbericht spätestens im September 1997 hätte vorliegen müssen), doch sind die diesbezüglichen Bestimmungen des Privatstiftungsgesetzes sanktionslos. Während im Falle von Kapitalgesellschaften § 282 HGB eine Prüfungspflicht des Registergerichts anordnet, welches auch die jeweils erforderliche Offenlegung mittels Zwangsstrafe durchsetzen kann, gibt es keine vergleichbare Bestimmung für Privatstiftungen.
Da es sich beim Wirtschaftsprüfungsbericht auch nicht um "Bücher und Aufzeichnungen" iSd § 124 BAO handelt, kann auf diesen und die dazu ergangene Literatur nicht zurückgegriffen werden.
Zum Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuergesetzes 1988 bestand die Möglichkeit der Gründung einer Privatstiftung zwar noch nicht. Dennoch lässt der Wortlaut des § 44 Abs. 3 EStG 1988 erkennen, dass Wirtschaftsprüfungsberichte der Steuererklärung nur beigefügt werden müssen, wenn sie vorliegen. Das bedeutet, dass auch steuerlich die Vorlage von noch nicht erstellten Wirtschaftsprüfungsberichten nicht mittels Zwangsstrafe durchgesetzt werden kann.
Da im Zuge des Berufungsverfahrens hervorgekommen ist, dass der abverlangte Wirtschaftsprüfungsbericht zum Zeitpunkt der Festsetzung der Zwangsstrafe noch nicht vorgelegen ist, war von der Festsetzung einer Zwangsstrafe Abstand zu nehmen.,
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 111 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 44 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Zwangsstrafe Wirtschaftsprüfungsbericht Privatstiftung |
Anmerkung | Siehe auch RV/2012-W/02-RS1 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at