Bindung des Einkommensteuerbescheides an den Feststellungsbescheid, innerbetrieblicher Verlustausgleich, Veräußerungsgewinn
Rechtssätze
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RV/0391-F/02-RS1 | Die in Grundlagenbescheiden (hier: Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO) getroffenen Feststellungen sind zwingend dem Einkommensteuerbescheid als abgeleitetem Bescheid zugrundezulegen (Bindungswirkung).
Liegen dem Einkommensteuerbescheid Entscheidungen (hier: die Höhe des Anteils des Beteiligten an den gemeinschaftlichen Einkünften bzw. am Veräußerungsgewinn einer Kommanditgesellschaft) zu Grunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann dieser Einkommensteuerbescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des FW, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2000 vom entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabe bleiben unverändert.
Die Fälligkeit dieser Abgabe erfährt keine Änderung.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber erzielte im Streitjahr neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 309.463,- S (22.489,55 €) auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Betrage von 9,937.487,- S (722.185,34 €), welche sich aus einem laufenden Verlust aus seiner Beteiligung als Komplementär bei der WF KG in Höhe von S 182.901,- (13.291,93 €) und einem Gewinn aus der Veräußerung des Betriebes in Höhe von 10,120.388,- S (735.477,27 €) zusammensetzen. In seiner Einkommensteuererklärung 2000 beantragte der Berufungswerber die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1988 für den oben bezifferten Veräußerungsgewinn.
Mit dem Einkommensteuerbescheid 2000 vom unterzog das Finanzamt Bregenz den obgenannten Differenzbetrag von 9,937.487,- S (722.185,34 €) dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 37 EStG 1988.
Mit dem Feststellungsbescheid vom nahm das Finanzamt Bregenz einen innerbetrieblichen Verlustausgleich vor und setzte die gemeinschaftlichen Einkünfte der obgenannten Kommanditgesellschaft aus Gewerbebetrieb bzw. den gemeinschaftlichen Veräußerungsgewinn mit 20,022.565,- € (1,455.096,55 €) fest. Gleichzeitig setzte es den Anteil des Berufungswerbers an den gemeinsamen Einkünften bzw. am Veräußerungsgewinn mit 9,937.487,- S (722.185,34 €) fest.
In der gegen den obgenannten Einkommensteuerbescheid mit Schriftsatz vom erhobenen Berufung beantragte der Berufungswerber, um nicht die im Gesetz für Betriebsveräußerungen vorgesehene Begünstigung teilweise unwirksam zu machen, den oben bezifferten laufenden Verlust mit seinen Pensionseinkünften auszugleichen, zumal nach der einschlägigen Literatur eine "möglichste Schonung von ermäßigten Einkünften" verlangt werde.
Unter Verweis auf Heidinger, SWK 1994, A 529, sowie SWK 1995, A 289, Stoll, 4. Aufl., Rentenbesteuerung, Rz 286, Doralt, 4. Aufl., Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 24 EStG 1988, Rz 188, sowie Doralt/Kohlbacher, Besteuerung der Betriebsveräußerung, Seiten 243 ff, führte der Berufungswerber im Wesentlichen aus, dass es unbestritten sei, dass die Tarifermäßigung von der Einstufung in irgendeine Einkunftsart unabhängig sei; außerdem spreche § 37 Abs. 1 EStG 1988 ausdrücklich von der Tarifermäßigung auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen (und nicht auf Einkünfte) entfallenden Durchschnittssteuersatzes.
Außerdem widerspreche der horizontale Verlustausgleich der Absicht des Gesetzgebers, zumal dieser die Tarifermäßigung für die zu begünstigenden Teileinkünfte verhindere bzw. verringere. Diese Art der Gesetzesauslegung stelle ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot dar.
Weiters führte der Berufungswerber aus, dass streng zwischen Einkommensermittlung und Tarifvorschriften zu unterscheiden sei. Die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Einkünften sei erst bei der Steuersatzanwendung von Bedeutung. Daher könne das im Bereich der Einkommensermittlung wirksame Gebot der Saldierung (Verlustausgleich) nicht auf die (tarif)rechtliche Wertung von tatsächlich angefallenen außerordentlichen Einkünften Einfluss haben. Diese Wertung setze der gedanklichen Stufenfolge der gesetzlich vorgezeichneten Besteuerungsmaßnahmen entsprechend erst nach Ermittlung des Einkommens bei der Steuersatzbesprechung, also bei der Anwendung des Tarifes, ein.
Der ermäßigte Steuersatz für den Betriebsveräußerungsgewinn sei primär zu einer sozialen Begünstigung geworden. Dem widerspreche es, durch die Verrechnung mit Verlusten die begünstigten Einkünfte und somit die Begünstigung nach § 37 EStG 1988 soweit als möglich zu minimieren.
Auch nach dem Bundesfinanzhof (BFH , IV R 223/58) seien außerordentliche Einkünfte beim Verlustausgleich wie eine selbständige Art von Einkünften zu behandeln, um eine weitestgehende Wirkung der Tarifermäßigung zu erreichen. Nach Blümlich/Falk seien positive Einkünfte mit anderen Verlusten zu verrechnen, bis sie verbraucht seien; erst dann sei die Verrechnung mit den außerordentlichen Einkünften auszugleichen; den nach dem Sinn und Zweck des § 34 dEStG (ident mit § 37 EStG 1988) seien die außerordentlichen Einkünfte innerhalb ihrer Einkunftsart gewissermaßen als besondere Art anzusehen, für die der Gewinn besonders zu besteuern sei.
Nach Ergehen der abweisenden Berufungsvorentscheidung vom stellte der Berufungswerber mit Schriftsatz vom einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wodurch die Berufung wiederum als unerledigt galt. Im Vorlageantrag wiederholte der Berufungswerber im Wesentlichen sein Berufungsvorbringen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist, ob der begünstigte Steuersatz gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1988 für den Gewinn aus der Veräußerung des gegenständlichen Betriebes (nach Abzug des Freibetrages) in Höhe von 10,120.387,- S oder nur für jenen Teil des Veräußerungsgewinnes, der nach Vornahme des "innerbetrieblichen Verlustausgleiches" verbleibt (9,937.487,- S), zur Anwendung zu bringen ist.
Aus den §§ 185 ff BAO ergibt sich ein System von Grundlagenbescheiden und hievon abgeleiteten Bescheiden. Der obgenannte Feststellungsbescheid des Finanzamtes Bregenz vom ist in Bezug auf den angefochtenen Einkommensteuerbescheid des Berufungswerbers ein Grundlagenbescheid. Feststellungsbescheide sprechen unter anderem über die Höhe und Art der gemeinschaftlichen Einkünfte, den Feststellungszeitraum, die Namen der Beteiligten und die Höhe ihrer Anteile am laufenden Gewinn (Verlust) sowie am Veräußerungsgewinn (-verlust) ab. Diese in Grundlagenbescheiden gemäß § 188 BAO getroffenen Feststellungen sind gemäß § 192 BAO zwingend dem Einkommensteuerbescheid als abgeleitetem Bescheid zugrundezulegen. Das heißt, dass im Einkommensteuerverfahren Bindung an die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften besteht.
Liegen einem Bescheid Entscheidungen zu Grunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann nach § 252 Abs. 1 BAO der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. § 252 Abs. 1 BAO schränkt daher das Berufungsrecht gegen abgeleitete Bescheide ein.
Nachdem Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid (gegenständlich der Feststellungsbescheid vom ) getroffene Feststellungen (gegenständlich, dass der Anteil des Berufungswerbers an den gemeinschaftlichen Einkünften aus Gewerbebetrieb bzw. am Veräußerungsgewinn - nach Durchführung eines innerbetrieblichen Verlustausgleiches - S 10.085.078,- bzw. € 732.911,20 beträgt) nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können, war die gegenständliche Berufung als unbegründet abzuweisen.
Der Vollständigkeit halber wird jedoch Folgendes bemerkt:
Der von Amts wegen vorzunehmende Verlustausgleich ist Teil der Einkommensdefinition nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 (Gesamtbetrag der Einkünfte nach Ausgleich mit Verlusten und nach Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen).
Es ist zunächst ein innerbetrieblicher Verlustausgleich für jeden einzelnen Betrieb vorzunehmen, wobei ein Veräußerungsgewinn bzw. -verlust als Teil des Betriebserfolges bzw. als letzter Gewinn des Betriebes auch zu den betrieblichen Einkünften der jeweiligen Einkunftsart zählt (siehe den Hinweis für Einkünfte aus Gewerbebetrieb in § 23 Z 3 EStG 1988). Sodann werden im Rahmen des sog. horizontalen Verlustausgleiches die positiven und negativen Einkünfte innerhalb der jeweiligen Einkunftsarten ausgeglichen. Verbleibt nach Vornahme des horizontalen Verlustausgleiches bei einer Einkunftsart ein Verlust, so ist dieser im Rahmen des vertikalen Verlustausgleiches mit den positiven Ergebnissen anderer Einkunftsarten auszugleichen.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie nach herrschender Lehre und Verwaltungsübung ist ein horizontaler Verlustausgleich auch bei Einkünften vorzunehmen, die dem ermäßigten Steuersatz (§ 37 EStG 1988) unterliegen. Verluste reduzieren den dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Betrag (), da die begünstigt besteuerten Einkünfte nie höher sein können als die insgesamt aus der betreffenden Einkunftsart erzielten Einkünfte (, 0082).
Bei der Ermittlung der für die Anwendung des § 37 Abs. 1 EStG 1988 (Hälftesteuersatz) maßgebenden Steuerbemessungsgrundlage sind somit die außerordentlichen Einkünfte mit Verlusten aus der gleichen Einkunftsart auszugleichen (horizontaler Verlustausgleich). Darüber hinaus sind die außerordentlichen Einkünfte mit einem etwaigen Verlustüberschuss, der sich bei der rechnerischen Zusammenfassung der Einkünfte und der Verluste aus den anderen Einkunftsarten ergibt, auszugleichen (; ); die verbleibenden außerordentlichen Einkünfte sind gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuern (vgl. dazu auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 53 zu § 2 EStG 1988 sowie Tz 6 zu § 37 EStG 1988; Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Tz 8 zu § 2 EStG 1988, Tz 4 zu § 24 EStG 1988 sowie Tz 17 zu § 37 EStG 1988; Doralt, a.a.O., Tz 174 zu § 2 EStG 1988, Tz 187 f zu § 24 EStG 1988 sowie Tz 11 ff zu § 37 EStG 1988).
Die Frage der Tarifermäßigung stellt sich erst im Anschluss an die Ermittlung des Einkommens bzw. erst nach erfolgtem horizontalem und vertikalem Verlustausgleich. § 37 EStG 1988 als bloße Tarifbestimmung schafft keine neue Einkunftsart, sondern zählt nur Sonderfälle auf, bei deren Vorliegen bestimmte zu den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG 1988 gehörende Einkünfte einem begünstigten Steuersatz zu unterwerfen sind. Der begünstigte Steuersatz des § 37 Abs. 1 EStG 1988 kommt nur insoweit zur Anwendung, als im Einkommen überhaupt die in § 37 EStG 1988 erfassten Einkunftsteile enthalten sind. Im Einkommen sind aber die mit einem ermäßigten Steuersatz zu besteuernden Teileinkünfte nur mehr insoweit für die Besteuerung vorhanden, als sie nicht mit anderen Einkünften derselben Einkunftsart (horizontal) oder mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten (vertikal) ausgeglichen worden sind. Dass der Gesetzgeber die Tarifermäßigung des § 37 Abs. 1 EStG 1988 aber nur für die nach allfälligen Verlustausgleichen verbleibenden positiven Einkünfte vorgesehen hat, erscheint sachlich und rechtfertigt jedenfalls nicht die Beurteilung, dass hiedurch eine unzulässige Verschärfung der Steuerbelastung herbeigeführt wird ().
Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Überlegungen, wonach es eben die Systematik des Einkommensteuerrechtes nicht zulässt, einzelne Komponenten des Ergebnisses einer bestimmten Einkunftsquelle herauszulösen (eine andere Vorgangsweise würde zur Begünstigung von anderen Einkünften führen, deren Begünstigung vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist), verbleiben im vorliegenden Fall - nach Vornahme des innerbetrieblichen Verlustausgleiches - für die Anwendung des Hälftesteuersatzes außerordentliche Einkünfte in Höhe von 9,937.487,- S (722.185,34 €) und war daher - auch im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung - spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch,
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 192 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 252 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 37 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Grundlagenbescheid abgeleiteter Bescheid Bindungswirkung Einkommensermittlung Verlustausgleich Tarifermäßigung Veräußerungsgewinn begünstigter Steuersatz |
Anmerkung | vgl. auch UFS Wien, RV/0113-W/03; Ritz, BAO-Kommentar², §252 Tz. 3 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at