Widerruf des Verzichts auf Kleinunternehmerregelung nicht rechtzeitig
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RV/4258-W/02-RS1 | Die Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe hat der Absender zu tragen, weshalb eine Eingabe nur dann als eingebracht gilt, wenn sie der Behörde tatsächlich zugekommen ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Melk betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2000 vom entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Entscheidungsgründe
Berufungsgegenständlich ist die Rechtzeitigkeit des Widerrufs eines Regelbesteuerungsantrages für das Veranlagungsjahr 2000.
a) Bescheid - Berufung
Der Bw. ist als Masseur tätig.
Mit Schreiben vom , laut Eingangsstempel beim Finanzamt Melk (FA) eingelangt am , stellte der Bw. den Antrag gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 und erklärte, dass er seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes versteuern wolle (Akt Dauerbelege, Seite 8). Dieser Antrag auf Regelbesteuerung bindet den Bw. für mindestens fünf Kalenderjahre (§ 6 Abs. 3 UStG 1994). Ab dem Jahr 1995 wurden dementsprechend laufend Umsatzsteuerbescheide erlassen.
Für das Jahr 2000 brachte der Bw. die Umsatzsteuererklärung - samt Einkommensteuererklärung und Einnahmen-Ausgabenrechnung - am beim FA ein (siehe Eingangstempel des FAes Akt 2000, Seite 16). In der Umsatzsteuererklärung 2000 sind einzig S 0,00 als Bemessungsgrundlage angegeben. Der Umsatzsteuererklärung liegt in Kopie folgendes Schreiben bei:
"[Name und Adresse Bw.]
[Anschrift FA]
Widerruf der Verzichtserklärung gem. Paragraph 6 Abs.. 3 UstG 1994 zu meiner Steuernummer [...]
Ab dem Kalenderjahr 2000 übersteigen meine Umsätze ATS 300.000,-- nicht mehr.
Ich widerrufe daher die Verzichtserklärung, wonach auf die Steuerbefreiung verzichtet wurde, und somit mit Beginn des Kalenderjahres 2000 wieder auf die Steuerbefreiung übergegangen wird.
Hochachtungsvoll
[Handzeichen]"
Das zitierte Schreiben (Akt 2000, Seite 17) ist durch einen roten Stempel als Kopie ausgewiesen und trägt ebenfalls den Eingangsstempel des FAes vom .
Mit Bescheid vom setzte das FA die Umsatzsteuer für das Jahr 2000 mit € 2.394,21 fest (20% Normalsteuersatz vom Umsatz S 308.225,00 ergibt S 61.645,00, abzüglich Vorsteuern S 28.700,00 ergibt Zahllast S 32.945,00 bzw € 2.394,21).
In der schriftlichen Bescheidbegründung wies das FA darauf hin, dass wegen "Nichtabgabe der Steuererklärungen" die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt worden seien und der Widerruf der Verzichtserklärung (unter Hinweis auf § 6 Abs. 3 UStG 1994) nicht zeitgerecht erfolgt sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bw. durch seine steuerliche Vertretung mit Schreiben vom Berufung und brachte vor, dass der Bw. mit Schreiben vom zeitgerecht den Widerruf der Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 bekannt gegeben habe. Das Schreiben sei dem FA auch mit Kopie übermittelt worden. Die Begründung, dass der Widerruf der Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 nicht zeitgerecht erfolgte, sei somit unrichtig.
Der Bw. beantrage daher, die Veranlagung unter Berücksichtigung des Widerrufes der Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 "wie auch in der USt-Erklärung 2000 erklärt" zu veranlagen.
b) Berufungsvorentscheidung - Vorlageantrag
Das FA wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH der Absender die Beweislast hinsichtlich des Einlangens des Schreibens bei der Behörde trage. Die Erfahrungstatsache, dass üblicherweise der Post übergebene Briefsendungen den Adressaten erreichen, ersetze nicht den im Einzelfall erforderlichen Nachweis, dass die konkrete Sendung auch tatsächlich beim Empfänger eingelangt sei (unter Hinweis auf die Erkenntnisse des , 1712/64, , 82/16/0119, sowie , 84/17/0068).
Nicht schon die Übergabe der Briefsendung vom Absender an die Post, sondern erst die Übergabe der Briefsendung von der Post an den Empfänger bewirke das Einlangen einer Sendung bei der Behörde. Die Gefahren des Verlustes einer zur Post gegeben Eingabe auf dem Postweg habe der Absender zu tragen. Da der Widerruf der Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 nicht rechtzeitig, d h bis Ende Jänner 2000, erklärt worden sei, sondern erst mit einer Beilage zur Steuererklärung vom beim FA eingelangt sei, sei die Berufung abzuweisen.
Mit Schreiben vom beantragte der Bw. die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz und brachte vor:
Die steuerliche Vertretung habe mit Datum die steuerliche Vertretungsvollmacht des Bw. übernommen. Bei der Übergabe der Unterlagen habe der Bw. der steuerlichen Vertretung mitgeteilt, dass er [selbst] rechtzeitig einen Widerruf der Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 vorgenommen habe. Dazu habe der Bw. der steuerlichen Vertretung eine Kopie eines Schreibens ausgehändigt, welches an das FA übermittelt worden sei.
Das Schreiben über den Widerruf der Verzichtserklärung sei nach Angaben des Bw. rechtzeitig per Post an das FA übermittelt worden. Da das Schreiben nicht eingeschrieben verschickt wurde, liege leider kein Versendungsnachweis vor.
Wesentlich sei jedoch, dass der Bw. ab bis dato keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben habe. Gemäß § 21 Abs. 3 UStG 1994 sei normiert, dass bei pflichtwidriger Unterlassung der Voranmeldung durch den Unternehmer das FA die Steuer festzusetzen habe. Gehe man nun davon aus, dass das FA, wie in der [richtig:] Berufungsvor entscheidung vom ausgeführt, die Verzichtserklärung aus unverständlichen Gründen nicht erhalten habe, so hätte die Abgabenbehörde von einem aufrechten Regelbesteuerungsantrag ausgehen müssen.
Auf Grund dessen wäre der Unternehmer verpflichtet, monatlich bzw quartalsweise Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Unterlasse der Unternehmer die Abgabe dieser Umsatzsteuervoranmeldungen, so sei die Umsatzsteuer von der Abgabenbehörde festzusetzen.
Da der Abgabepflichtige von der Abgabenbehörde keine Aufforderung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung erhalten habe bzw keine Umsatzsteuer festgesetzt worden sei, sei für den Wirtschaftstreuhänder bzw den Abgabepflichtigen nicht erkennbar gewesen, dass die Verzichtserklärung nicht ordnungsgemäß beim FA eingelangt sei. Bei einer Festsetzung der Umsatzsteuer bzw Aufforderung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung hätte der Abgabepflichtige zumindest für das Kalenderjahr 2001 rechtzeitig einen Antrag einbringen können.
Da der Wirtschaftstreuhänder von einer vorliegenden Verzichtserklärung ausgegangen sei, dies auch dadurch dokumentiert sei, dass die laufende Buchhaltung ohne Mehrwertsteuerverbuchung vorgenommen worden sei, sei sowohl für die Jahre 2000, 2001 und auch das laufende Wirtschaftsjahr 2002 keine Umsatzsteuer bzw Vorsteuer eingebucht worden.
Da der Widerruf der Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 anscheinend auf dem Postwege verloren gegangen sei und damit den Abgabepflichtigen [=Bw.] kein schuldhaftes Verhalten treffe, werde beantragt, den Widerruf der Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 mit Wirkung erklärungskonform anzuerkennen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sind die Umsätze von Kleinunternehmern von der Umsatzsteuer befreit, wobei in diesem Fall auch kein Vorsteuerabzug zusteht (unechte Steuerbefreiung § 12 Abs. 3 UStG 1994). Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat, und dessen Umsätze im Veranlagungszeitraum S 300.000,00 bzw € 22.000,00 nicht übersteigen.
Gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 kann der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 befreit sind, bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 verzichtet. Wie bereits eingangs festgestellt, bindet diese Erklärung den Unternehmer für mindstens fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum Ablauf des ersten Kalendermonats nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären.
Für den vorliegenden Fall sind dazu folgende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen:
Die Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 wurde von der damaligen steuerlichen Vertretung im Namen des Bw. mit Schreiben vom , welches laut Eingangsstempel am beim FA einlangte, abgegeben (Akt Dauerbelege, Seite 8) und band somit den Bw. für mindestens fünf Jahre, also einschließlich des Kalenderjahres 1999. Für die Jahre 1995 bis 1999 wurden dementsprechend Umsatzsteuerbescheide erlassen.
Gemäß § 6 Abs. 3 letzter Satz UStG 1994 war ein Widerruf der Verzichterklärung frühestens für das - nun berufungsgegenständliche - Jahr 2000 möglich und hätte spätestens bis Ende Jänner 2000 erklärt werden müssen.
Im vorliegenden Fall jedoch ist ein spätestens am erklärter Widerruf nicht aktenkundig:
Das eingangs der vorliegenden Berufungsentscheidung wörtlich wiedergegebene Schreiben des Bw. datiert mit (Akt 2000, Seite 17) wurde dem FA erstmals zusammen mit den Abgabenerklärungen am (siehe Eingangsstempel) als Kopie übermittelt.
Das FA wies in der Berufungsvorentscheidung zutreffend darauf hin, dass der Beweis für den Zugang eines Schriftstückes dem Absender obliegt. In dem vom FA zitierten Erkenntnis vom , 84/17/0068, stellte der VwGH fest, dass nach der ständigen Rechtsprechung eine Eingabe nur dann als eingebracht gilt, wenn sie der Behörde wirklich behändigt, also ihr tatsächlich zugekommen ist. Es ist Sache der Partei, die rechtzeitige Überreichung einer Eingabe bzw deren rechtzeitige Aufgabe zur Post nachzuweisen und zu diesem Zweck den Rückschein über die Postaufgabe vorzulegen (). Die Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe trägt der Absender, im vorliegenden Fall somit der Bw. ().
Der Bw. gibt selbst an, dass er keinen Rückschein über die Postaufgabe vorlegen könne, da er den Widerruf nicht eingeschrieben zur Post gegeben habe. Mangels Aufgabeschein (Rückschein) kann der Bw. somit den von der Rechtsprechung geforderten Beweis über das tatsächliche Einbringen der Eingabe bei der Behörde nicht erbringen.
Der Bw. gibt im Vorlageantrag vom weiters an, dass der schriftliche Widerruf (Zitat:) "anscheinend auf dem Postweg verlorengegangen ist". Den Verlust des Widerrufs auf dem Postweg bzw das Risiko für den Zugang an die Behörde hat jedoch der Absender einer Eingabe, somit der Bw. selbst zu vertreten (siehe die oben zitierte Rechtsprechung). Dabei ist unerheblich, ob dem Bw. ein Verschulden am Verlust der Sendung trifft, oder ob ihm dieser erkennbar war.
Es ist daher die Sachverhaltsfeststellung zu treffen, dass der vom Bw. verfasste "Widerruf der Verzichtserklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994" erst am (Datum laut Eingangsstempel) zusammen mit den Abgabenerklärungen für das Jahr 2000 beim FA einlangte.
Daraus folgt rechtlich, dass der am erklärte Widerruf für die Veranlagung der Umsatzsteuer für das berufungsgegenständliche Jahr 2000 keine Wirkung mehr entfalten kann, da dieser spätestens am hätte erklärt werden müssen (§ 6 Abs. 3 letzter Satz UStG 1994).
Dabei ist es auch unerheblich, ob der Bw. ab Jänner 2000 keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgab, die Umsatzsteuer in seinem Rechenwerk nicht berücksichtigte, das FA von Amts wegen keine Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen vornahm bzw den Bw. nicht zur Abgabe von Voranmeldungen aufforderte, wie im Vorlageantrag vorgebracht wird, da die genannten Ereignisse keine Tatbestandsvoraussetzungen für den Widerruf gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 sind. Daran vermag auch nichts das Vorbringen des Bw. zu ändern, es sei ihm mangels Aufforderung zur Abgabe von Voranmeldung bzw wegen nicht erfolgter Festsetzung von Vorauszahlungen durch das FA (Zitat:) "nicht erkennbar gewesen, dass die Verzichtserklärung nicht ordnungsgemäß beim FA eingelangt sei". Mit dieser Argumentation übersieht der Bw. nämlich, dass der frühest mögliche Voranmeldungszeitraum Jänner 2000 am selben Tag endete, an dem der Widerruf gemäß § 6 Abs. 3 UStG 1994 spätestens abzugeben gewesen wäre, nämlich am . Der Fälligkeitstag für diese erste Voranmeldung war überhaupt erst der (§ 21 Abs. 1 UStG 1994), also einundeinhalb Monate nach Ablauf des letzten Tages, an dem der Verzicht spätestens abzugeben gewesen wäre, sodass selbst bei einer Aufforderung zur Abgabe von Voranmeldungen bzw einer Festsetzung von Vorauszahlungen durch das FA dem Bw. auf jeden Fall zu spät "erkennbar" gewesen wäre, dass eine Verzichtserklärung nicht beim FA einlangt war.
Da der Widerruf von der Verzichtserklärung des § 6 Abs. 3 UStG 1994 für das berufungsgegenständliche Jahr 2000 nicht fristgerecht erfolgte, war die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 108 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Widerruf Verzicht Kleinunternehmerregelung Postaufgabe Verlust Rechtzeitigkeit Eingabe |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at