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OGH vom 20.10.2022, 9ObA97/22p

OGH vom 20.10.2022, 9ObA97/22p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Alexander Noga (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Stefan Gschwendt (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Verein *, vertreten durch die Spitzauer & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei H*, vertreten durch List Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C*, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, wegen 3.364 EUR sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 1.681,99 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 13/22p-37, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei und der Nebenintervenient haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen jeweils selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. § 2d Abs 1 AVRAG definiert Ausbildungskosten als die vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen Arbeitgebern verwerten kann.

[2] 2. Der Zweck des § 2d AVRAG liegt darin, für den Arbeitnehmer Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde (9 ObA 124/19d; 8 ObA 92/11d; 9 ObA 125/11i ua).

[3] Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass dem Gesetzeszweck entsprechend nur eine der Ausbildung abgeschlossene Vereinbarung dem Arbeitnehmer eine selbstbestimmte Entscheidung sichert, sich auf eine Ausbildung einzulassen, die unter bestimmten Umständen zu einem Ausbildungskostenrückersatz führen kann (9 ObA 85/21x).

[4] 3. Im konkreten Fall wurden die Ausbildungskosten vom früheren Arbeitgeber aufgewendet und war die Beklagte nach einer – unstrittig – wirksam geschlossenen Vereinbarung nach § 2d AVRAG bei ihrem Ausscheiden zu deren aliquoten Ersatz verpflichtet. Diese Kosten wurden in der Folge vom Kläger übernommen, der dem neuen Arbeitgeber der Beklagten nahesteht, wobei vereinbart wurde, dass es sich um ein Darlehen handelt, das von der Beklagten in voller Höhe zurückzuzahlen ist, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf von drei Jahren aufgelöst wird. Die Beklagte kündigte vor Ablauf dieser Frist.

[5] Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Vereinbarung zwischen den Parteien nicht der Bestimmung des § 2d AVRAG unterliegt, ist nicht korrekturbedürftig.

[6] 4. Die Beklagte hat ihre Ausbildung ohne Bezug zu dem erst wesentlich später eingegangenen Arbeitsverhältnis absolviert. Auch die von ihr übernommene Ersatzpflicht stand nicht in Zusammenhang mit dem späteren Arbeitsverhältnis. Die Gewährung eines Darlehens zur Unterstützung der Beklagten bei Zahlung des wirksam vereinbarten Ausbildungskostenrückersatzes stellt keine Übernahme der Ausbildungskosten durch den neuen Arbeitgeber oder durch ihm allenfalls nahestehende Rechtssubjekte dar. Damit liegen aber schon keine „tatsächlich aufgewendeten Kosten für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung“ im Sinn des § 2d AVRAG vor.

[7] 5. Der Sachverhalt bietet auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts.

[8] 6. Die Vereinbarung widerspricht entgegen der Revision auch nicht dem zuvor dargestellten Zweck des § 2d AVRAG. Die im Vorfeld einer Ausbildung zu klärende Frage einer Kostenübernahme durch den Arbeitnehmer ist einem späteren Arbeitgeber rein faktisch nicht möglich. Auch die Entscheidungssituation des Arbeitnehmers ist eine andere. Es liegt keine vergleichbare Interessenlage zu Arbeitnehmern vor, die mit der Frage der Übernahme von Ausbildungskosten im Zusammenhang mit einer beruflichen Weiterbildung während aufrechtem oder in Hinblick auf ein in Aussicht genommenes Arbeitsverhältnis konfrontiert sind.

[9] 7. Ist aber nicht davon auszugehen, dass § 2d AVRAG auf eine entsprechende Vereinbarung der Beklagten mit einem neuen Arbeitgeber anzuwenden wäre, kommt es auf die Frage einer Analogie, wenn statt des neuen Arbeitgebers ein diesem nahestehender Dritter eine solche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer schließt, nicht an.

[10] 8. Ob die in der getroffenen Vereinbarung enthaltene indirekte Beschränkung des Kündigungsrechts der Beklagten nach § 879 ABGB allenfalls (teil-)nichtig ist, muss nicht geprüft werden, da die Revision auf diese Anspruchsgrundlage nicht zurückkommt. Im Übrigen hat das Erstgericht unbekämpft bereits eine Aliquotierung der Forderung entsprechend der Dauer des Dienstverhältnisses vorgenommen.

[11] 9. Insgesamt gelingt es der Beklagten somit nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[12] 10. Die ohne Zustellung einer Mitteilung nach § 508a Abs 2 erster Satz ZPO erstatteten Revisionsbeantwortungen sind als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig nicht zu honorieren (RS0043690 [T6, T7]).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00097.22P.1020.000

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