OGH 27.09.2023, 9ObA66/23f

OGH 27.09.2023, 9ObA66/23f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Karl Reiff (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Stepanowsky (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Land Niederösterreich, *, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 64.618,93 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 57/23w39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die Beurteilung, ob Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern am Arbeitsplatz ein „Mobbing“ zugrunde liegt, das den Dienstgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht zu Gegenmaßnahmen verpflichtet, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Ebenso hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob Auseinandersetzungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen als „Bossing“ zu qualifizieren sind (RS0124076 [T4, T6]). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das das Vorliegen von Mobbing/Bossing verneinte, vermag der Kläger nicht aufzuzeigen.

[2] 2. Wenn der Kläger davon ausgeht, dass er herabwürdigend behandelt worden sei, lässt sich das aus den Feststellungen nicht ableiten. Dass die in einem emotional geführten Gespräch einmalige unangemessene verbale Äußerung der unmittelbaren Vorgesetzten, die nicht als leitende Angestellte einzustufen ist, von den Vorinstanzen nicht als systematisches, prozesshaftes Geschehen beurteilt wurde, ist nicht zu beanstanden.

[3] 3. Soweit der Kläger die Nichtgewährung der von ihm beanspruchten Teilzeitvereinbarung als Mobbing/Bossing qualifiziert, übergeht er, dass allein der Umstand, dass der Arbeitgeber eine andere Rechtsansicht über einzelne aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Ansprüche hat als der Arbeitnehmer, noch kein Bossing darstellt. Nach den Feststellungen war man von Seiten der Beklagten trotz unterschiedlicher Rechtsauffassung ohnehin bemüht, in Gesprächen einen für alle annehmbaren Kompromiss zu finden. Dass dabei eine einseitig vom Kläger vorgenommene Reduktion seiner Arbeitszeit nicht akzeptiert wurde, stellt keinen Grund dar, das Verhalten des Arbeitgebers als „Bossing“ zu qualifizieren.

[4] Wenn daher die Vorinstanzen Schadenersatzansprüche aus Verletzung der Fürsorgepflicht und „Bossing“ verneint haben, hält sich diese Beurteilung ausgehend vom festgestellten Sachverhalt im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[5] 4. In der Revision wird nicht bestritten, dass der Kläger mangels Vorliegens der dafür normierten Voraussetzungen keinen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung nach dem NÖ VaterKarenzurlaubsG 2000 hat. Auch bringt der Kläger nicht vor, in den Anwendungsbereich des VKG zu fallen. Er behauptet jedoch eine geschlechtliche Diskriminierung, weil er schlechter gestellt sei als Frauen, auf die das MSchG anzuwenden sei.

[6] Bereits im Vorverfahren (9 ObA 77/21w) wurde darauf hingewiesen, dass die Differenzierung, dass beim Land beschäftigte Mütter unter Umständen eine Elternteilzeit nach dem MSchG in Anspruch nehmen können, in den unterschiedlichen – auch kompetenzrechtlich bedingten (Art 21 Abs 2 B-VG) – Geltungsbereichen der Normen angelegt ist (s § 1 Abs 2 MSchG; § 1 Abs 2 VKG; § 2 NÖ VKUG 2000). Ausführungen dazu, warum das Dienstverhältnis des Klägers – wäre er eine Frau – in den Schutzbereich des MSchG fallen würde, enthält die Revision nicht.

[7] 5. Darüber hinaus stützte der Kläger seine Ansprüche aus Diskriminierung, soweit sie nicht aus „Bossing“ abgeleitet werden, auf das NÖ GlBG und das NÖ Antidiskriminierungsgesetz. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass solche Ansprüche jedenfalls verjährt wären. Mit der Frage einer Verjährung von Ansprüchen nach dem NÖ GlBG setzt sich die Revision nicht näher auseinander, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. Hinsichtlich des NÖ Antidiskriminierungsgesetzes macht der Kläger nur geltend, dass die Vorinstanzen zu Unrecht nicht von einer dreijährigen Verjährungsfrist ausgegangen seien. Allerdings zeigt die Revision nicht auf, aufgrund welcher Umstände selbst bei Zugrundelegung dieser Frist, die Klage als fristgerecht erhoben anzusehen wäre, vielmehr wird nur pauschal auf die getroffenen Feststellungen verwiesen. Nach diesen ist aber der Kläger bereits mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung von einer Diskriminierung als Mann und Vater durch die Beklagte ausgegangen. Wodurch und für welchen Zeitraum es zu einer Unterbrechung oder Verlängerung der Frist gekommen wäre, lässt sich der Revision nicht entnehmen und auch aus den Feststellungen nicht ohne weiteres ableiten.

[8] 5. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00066.23F.0927.000

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.at | Judikat (RIS)