OGH 25.01.2023, 8ObA88/22g
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch die Haider Obereder Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* gemeinnützige GmbH, *, vertreten durch Mag. Martin Nemec, Rechtsanwalt in Wien, wegen 551,84 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 41/22h-21, mit welchem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 7 Cga 95/21x-14, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 252,31 EUR (darin 42,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin war bei der Beklagten als Heimhelferin beschäftigt. Am kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis zum und zahlte der Klägerin den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses für das Jahr 2020 aus. Auf das Dienstverhältnis der Klägerin ist der Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ-KV) anzuwenden, dessen § 26 lautet:
„(1) Arbeitnehmerinnen erhalten spätestens mit der Juniauszahlung sowie mit der Novemberauszahlung jeden Jahres eine Sonderzahlung (im Sinne von Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration). (...)
(4) Den während des Jahres ein- oder austretenden Arbeitnehmerinnen/Lehrlingen gebührt im Kalenderjahr der aliquote Teil. Wenn eine Arbeitnehmerin/Lehrling nach Erhalt des für das laufende Kalenderjahr gebührenden Urlaubszuschusses bzw der Weihnachtsremuneration ihr Arbeitsverhältnis selbst auflöst, aus ihrem Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder infolge Vorliegens eines von ihr verschuldeten wichtigen Grundes vorzeitig entlassen wird, muss sie sich die im laufenden Kalenderjahr anteilsmäßig zuviel bezogenen Sonderzahlungen auf ihre, ihr aus dem Arbeitsverhältnis zustehenden Ansprüche, in Anrechnung bringen lassen.“
[2] Die Klägerin begehrt 551,84 EUR brutto. Angesichts der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung habe sie Anspruch auf den gesamten Urlaubszuschuss für das Jahr 2020.
[3] Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Der Kollektivvertrag sei dahin zu verstehen, dass nicht mehr der volle Urlaubszuschuss auszuzahlen sei, wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit des Urlaubszuschusses bereits feststeht, dass das Dienstverhältnis während des Kalenderjahres enden wird. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Auslegung des Kollektivvertrags keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Revision der Klägerin ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, nicht zulässig.
[5] 1. Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile zu 9 ObA 65/22g entschieden, dass § 26 Abs 4 SWÖ-KV dahin auszulegen ist, dass Sonderzahlungen auch dann nur aliquot gebühren, wenn im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit bereits feststeht, dass das Dienstverhältnis während des Jahres enden wird. Der Umstand, dass diese Entscheidung erst nach der Berufungsentscheidung ergangen ist, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist nämlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen, sodass das Rechtsmittel auch dann unzulässig ist, wenn die als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nachträglich durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112769; RS0112921). Das Rechtsmittel der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
[6] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat aufgrund der zum Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 9 ObA 84/13p auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass die Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00088.22G.0125.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAB-55789