OGH vom 21.11.2022, 8Ob131/22f

OGH vom 21.11.2022, 8Ob131/22f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* GmbH, *, vertreten durch die Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C* GmbH, *, vertreten durch Dr. Robert Weik, Rechtsanwalt in Wien, wegen 72.500 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 4 R 126/22m-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Beklagte erhob gegen den mahnklagekonform erlassenen Zahlungsbefehl rechtzeitig mit folgendem Wortlaut

„Einspruch:

Das gesamte Vorbringen der klagenden Partei wird zur Gänze bestritten. Das Klagebegehren besteht weder dem Grunde noch der Höhe nach zu Recht. Die beklagte Partei stellt sohin den nachstehenden

Antrag

auf kostenersatzpflichtige Klagsabweisung.“

[2] Das Erstgericht stellte der Beklagten den Einspruch zur Verbesserung binnen vier Wochen zurück, dies mit der „Begründung: Auf § 248 ZPO wird verwiesen“.

[3] Erst nach Ablauf dieser Frist brachte die Beklagte einen als „Verbesserung des Einspruchs“ bezeichneten Schriftsatz ein, der ein eigenes Tatsachenvorbringen samt Beweisanbot enthielt.

[4] Das Erstgericht wies den Einspruch als verspätet zurück.

[5] Das Rekursgericht hob diesen Beschluss ersatzlos mit der Begründung auf, auch ein sogenannter leerer Einspruch setze einen Zahlungsbefehl außer Kraft, weshalb das Verbesserungsverfahren entbehrlich gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zulässig.

[7] Die Klagebeantwortung hat gemäß § 239 Abs 1 Satz 2 ZPO (idF ZVN 2002, BGBl I 2002/76) „ein bestimmtes Begehren zu enthalten und, soweit der Klagsanspruch bestritten wird, Anträge gestellt und Einreden erhoben werden, die Tatsachen und Umstände, auf welche sich die Einwendungen, Anträge und Einreden der beklagten Partei gründen, im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben sowie die Beweismittel, deren sich der Beklagte zum Nachweis seiner tatsächlichen Behauptungen bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt, im Einzelnen genau zu bezeichnen“. Der Einspruch gegen den Zahlungsbefehl hat im Gerichtshofverfahren gemäß § 248 Abs 1 Satz 2 ZPO den Inhalt einer Klagebeantwortung zu haben (im bezirksgerichtlichen Verfahren gilt gemäß § 448 Z 1 ZPO anderes). Gleiches verfügt § 397a Abs 1 Satz 2 ZPO für den Widerspruch gegen das Versäumungsurteil.

[8] Vorgängerbestimmung des § 239 Abs 1 Satz 2 ZPO war – mit ähnlichem Inhalt – die durch die 5. GEN (BGBl 1925/183) eingefügte Bestimmung des § 243 Abs 2 Satz 2 ZPO aF. Nach der vor der ZVN 2002 ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stand auch eine Klagebeantwortung, die den Erfordernissen des § 243 Abs 2 Satz 2 ZPO aF nicht genügte, der Erlassung eines Versäumungsurteils entgegen (7 Ob 44/63 = EvBl 1963/190; RISJustiz RS0039839). Dementsprechend war auch ein Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil, der nicht den Inhalt einer Klagebeantwortung aufwies, wirksam und durfte, wenn er rechtzeitig erhoben wurde, nicht zurückgewiesen werden (zB 1 Ob 567/80 = JBl 1981, 549). Die Verletzung der Vorschrift des § 243 Abs 2 Satz 2 ZPO aF (gegebenenfalls iVm § 397a Abs 1 Satz 2 ZPO aF) konnte nach dieser Rechtsprechung lediglich Kostenfolgen nach sich ziehen (7 Ob 44/63 = EvBl 1963/190).

[9] Dass die Rechtsprechung auch eine in diesem Sinne „leere“ Klagebeantwortung (zB eine solche, die nur das Wort „Klagebeantwortung“ enthält) akzeptierte (und aufgrund des gesetzlichen Verweises auch einen „leeren“ Widerspruch), entsprach der Intention des Gesetzgebers der 5. GEN (ErläutRV 304 BlgNR 2. GP 12).

[10] Die vom Obersten Gerichtshof noch nicht behandelte und in der Literatur (zum Meinungsstand siehe insb Mayr in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 239 ZPO Rz 19 ff und G. Kodek ebenda §§ 84, 85 ZPO Rz 159 f) strittige Frage, ob diese Rechtsprechung auch nach der ZVN 2002, deren Ziel erklärtermaßen die „Hintanhaltung“ der leeren Klagebeantwortung war (ErläutRV 962 BlgNR 21. GP 29), fortzusetzen ist, mit anderen Worten ob auch nach der heutigen Gesetzeslage eine „leere“ Klagebeantwortung der Erlassung eines Versäumungsurteils entgegensteht, ein „leerer“ Widerspruch zur Aufhebung eines Versäumungsurteils führt und (im Gerichtshofverfahren) ein „leerer“ Einspruch den Zahlungsbefehl außer Kraft treten lässt (für das bezirksgerichtliche Mahnverfahren siehe die besondere Vorschrift des § 448 Z 1 ZPO), bedarf hier keiner Erörterung.

[11] Bereits der zur Verbesserung zurückgestellte Einspruch erfüllte nämlich die Mindesterfordernisse des § 239 Abs 1 Satz 2 (iVm § 248 Abs 1 Satz 2) ZPO (und war damit nicht „leer“). Er enthielt – zusätzlich zur gänzlichen Bestreitung des klägerischen Vorbringens – das von § 239 Abs 1 Satz 2 ZPO verlangte Begehren (Abweisung der Klage). „Anträge“ iSd § 239 Abs 1 Satz 2 ZPO wurden von der Beklagten nicht gestellt (der „Antrag“ auf Klageabweisung unterfällt dem Begriff „Begehren“ in § 239 Abs 1 Satz 2 ZPO), ebensowenig „Einreden“ im Sinne dieser Vorschrift von ihr erhoben. Dass nach dem Gesetz die Klagebeantwortung (auch) „soweit der Klagsanspruch bestritten wird […] die Tatsachen und Umstände, auf welche sich die Einwendungen [...] der beklagten Partei gründen, im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben sowie die Beweismittel, deren sich der Beklagte zum Nachweis seiner tatsächlichen Behauptungen bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt, im Einzelnen genau zu bezeichnen [hat]“, bedeutet nur, dass der Beklagte gegebenenfalls rechtsvernichtende, rechtshindernde und rechtshemmende Tatsachen anzuführen hätte. Bei einer bloßen Bestreitung des Klagevorbringens muss der Beklagte aber kein eigenes Tatsachenvorbringen samt Beweisanbot in die Klagebeantwortung aufnehmen, trägt doch der Kläger die Behauptungs- und Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen (vgl RS0039936; Mayr aaO Rz 22; Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rz 787; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO5 [2019] § 239 Rz 5).

[12] Da die von der Klägerin nach § 528 Abs 1 ZPO relevierte Rechtsfrage der Zulässigkeit eines sogenannten „leeren“, das heißt den Mindesterfordernissen des § 239 Abs 1 Satz 2 ZPO nicht genügenden Einspruchs nach der ZVN 2002 nicht präjudiziell ist, ist ihr außerordentlicher Revisionsrekurs zurückzuweisen.

[13] Die Frage der Rechtzeitigkeit des Einspruchs vor dem Hintergrund des nicht (fristgerecht) erfüllten Verbesserungsauftrags wird im Revisionsrekurs nicht releviert (vgl § 85 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00131.22F.1121.000

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