OGH vom 09.11.2022, 7Ob97/22y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die KosesnikWehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei E* Versicherung Aktiengesellschaft, *, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 15/22f14, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 17 Cg 8/21i8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Spruchpunkt 1.a) des Ersturteils bestätigt und in dessen Spruchpunkt 1.b) sowie in den Kostenentscheidungen dahin abgeändert, dass das Urteil insofern lautet:
„1.b) Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Vertragsverhältnissen mit Verbrauchern, denen die Klausel
'Wahlmöglichkeiten – Rentenwahlrecht und Kapitalwahlrecht
Unabhängig davon, ob Sie einen Versicherungsvertrag gewählt haben, der grundsätzlich eine Kapitalleistung im Erlebensfall oder Rentenleistungen vorsieht, haben Sie die Möglichkeit, entweder die Auszahlung der Kapitalleistung in verschiedenen Rentenformen nach den im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalzahlung geltenden Tarifen zu beanspruchen (weshalb die Höhe der Rente erst unmittelbar vor dem Rentenzahlungsbeginn garantiert werden kann und alle früher gemachten Zahlenangaben unverbindlich sind) […]'
oder eine sinngleiche Klausel zugrunde gelegt wurde, zu unterlassen, von Verbrauchern, die das in dieser Klausel vereinbarte Rentenwahlrecht in Anspruch nehmen wollen, als Voraussetzung dafür den Abschluss eines neuen Rentenversicherungsvertrags zu verlangen, dessen Inhalt sich nach von der Beklagten vorformulierten Formblättern und Vertragsklauseln bestimmt, obwohl die Rentenwahlrechtsklausel dem Verbraucher ein Gestaltungsrecht einräumt und die beklagte Partei daher unmittelbar durch eine einseitige Erklärung des Verbrauchers verpflichtet wird;
sowie das Eventualbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Vertragsverhältnissen mit Verbrauchern, denen die Klausel
'Wahlmöglichkeiten – Rentenwahlrecht und Kapitalwahlrecht
Unabhängig davon, ob sie einen Vertrag gewählt haben, der grundsätzlich eine Kapitalleistung im Erlebensfall oder Rentenleistungen vorsieht, haben Sie die Möglichkeit, entweder die Auszahlung der Kapitalleistung in verschiedenen Rentenformen nach den im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalzahlung geltenden Tarifen zu beanspruchen
oder eine sinngleiche Klausel zugrunde gelegt wurde, gegenüber Verbrauchern, die das in dieser Klausel vereinbarte Recht auf Auszahlung der Versicherungsleistung als Rente in Anspruch nehmen wollen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsblättern die Verwendung der Klausel:
'Dieser Vorschlag stellt ein verbindliches Angebot unsererseits zum Rentenwahlrecht anstelle der einmaligen Kapitalauszahlung dar. Mit Ihrer Unterzeichnung und rechtzeitigen Übermittlung an uns gilt das Rentenwahlrecht durch den Kunden als angenommen. Die Übermittlung erfolgt rechtzeitig, wenn dieses Angebot während der Laufzeit des Versicherungsvertrags spätestens eine Kalenderwoche vor der Fälligkeit unterschrieben bei uns einlangt, da andernfalls die Auszahlung der vereinbarten Kapitalleistung als Einmalzahlung erfolgt.'
oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen; sie sei ferner schuldig, es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannte Klausel oder sinngleiche Klauseln zu berufen;
werden abgewiesen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.653,98 EUR (darin 1.188,57 EUR USt und 526,51 EUR anteilige Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist ein klageberechtigter Verein im Sinn des § 29 Abs 1 KSchG.
[2] Die Beklagte betreibt ein Versicherungsunternehmen. Sie schließt im gesamten Bundesgebiet Lebensversicherungsverträge mit Verbrauchern ab, denen die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Stammversicherung – Lebensversicherung mit garantierten Versicherungsleistungen und garantiestützender Gewinnbeteiligung“ zugrunde liegen. Diese enthalten die folgende Klausel 1:
„Wahlmöglichkeiten – Rentenwahlrecht und Kapitalwahlrecht
Unabhängig davon, ob Sie einen Versicherungsvertrag gewählt haben, der grundsätzlich eine Kapitalleistung im Erlebensfall oder Rentenleistungen vorsieht, haben Sie die Möglichkeit, entweder die Auszahlung der Kapitalleistung in verschiedenen Rentenformen nach den im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalzahlung geltenden Tarifen zu beanspruchen (weshalb die Höhe der Rente erst unmittelbar vor dem Rentenzahlungsbeginn garantiert werden kann und alle früher gemachten Zahlungsangaben unverbindlich sind). [...]“
Die Beklagte sendet jenen Kunden, deren Verträge die Klausel 1 enthalten, zum Ende der Vertragslaufzeit einen Vorschlag zur Ausübung des Rentenwahlrechts, der die folgende Klausel 2 enthält:
„Dieser Vorschlag stellt ein verbindliches Angebot unsererseits zum Rentenwahlrecht anstelle der einmaligen Kapitalauszahlung dar. Mit ihrer Unterzeichnung und rechtzeitigen Übermittlung an uns gilt das Rentenwahlrecht durch den Kunden als angenommen. Die Übermittlung erfolgt rechtzeitig, wenn dieses Angebot während der Laufzeit des Versicherungsvertrags spätestens eine Kalenderwoche vor der Fälligkeit unterschrieben bei uns einlangt, da andernfalls die Auszahlung der vereinbarten Kapitalleistung als Einmalzahlung erfolgt.“
[3] Der Kläger begehrt die Unterlassung der Verwendung der Klausel 1 sowie die Unterlassung der Berufung auf diese oder sinngleiche Klauseln und zudem der Beklagten zu verbieten, von Verbrauchern, die das in der Klausel 1 vereinbarte Rentenwahlrecht in Anspruch nehmen wollen, als Voraussetzung dafür, wie in der Klausel 2 vorgesehen, den Abschluss eines neuen Rentenversicherungsvertrags zu verlangen, dessen Inhalt sich nach von der Beklagten vorformulierten Formblättern und Vertragsklauseln bestimme, obwohl die Klausel 1 dem Verbraucher ein Gestaltungsrecht einräume. Hilfsweise begehrt er, der Beklagten auch die Verwendung der Klausel 2 zu verbieten und ihr zu verbieten, sich auf diese zu berufen. Zudem stellt er jeweils ein Veröffentlichungsbegehren.
[4] Beide Klauseln würden gegen § 6 Abs 3 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB verstoßen. Die Klausel 1 enthalte weder einen Verweis auf einen Richtwert, noch lege sie die Tarifgrundlagen für die Rentenberechnung offen. Sie räume der Beklagten ein uneingeschränktes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ein und stelle die Wahl der Tarifgrundlage in ihr freies Ermessen. Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt. Die Klausel lege auch nicht offen, zwischen welchen Rentenformen der Verbraucher wählen könne. Die Klausel 2 suggeriere dem Verbraucher, seine (einseitige) Erklärung genüge nicht für die wirksame Begründung eines Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung als Rente, sondern die Auszahlung als Rente sei vom Abschluss eines neuen Rentenversicherungsvertrags abhängig, dessen Rechnungsgrundlagen und Versicherungsbedingungen die Beklagte in einem von ihr gestalteten Vertragsanbot einseitig festsetzen könne. Damit greife die Beklagte auch ohne sachliche Rechtfertigung in die Rechte des Verbrauchers ein.
[5] Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, die beanstandeten Klauseln seien transparent und sachlich gerechtfertigt. Klausel 1 räume dem Verbraucher eine ihn begünstigende Option ein. Ohne die Option müsste er bei Ablauf einen neuen Rentenversicherungsvertrag abschließen, um eine Rente zu erhalten. Dies würde aber erneut 4 % Versicherungssteuer auslösen. Um das zu vermeiden, räume sie ihm eine Option ein, die den Anfall der Versicherungssteuer auf zulässige Art vermeide. Die Klausel solle keine Parameter für die Berechnung der Rente festlegen oder Rentenhöhe und Rentenzahlungsdauer vorbestimmen. Sie könne dies auch gar nicht, weil beim Vertragsabschluss nicht feststehe, ob die Option gezogen werde oder nicht, und welche Rententafel und welcher zulässiger Höchstzinssatz dann anzuwenden sei. Gemessen am objektiv erkennbaren Ziel der Vermeidung des Anfalls der Versicherungssteuer sei die Klausel nicht intransparent. Sie sei ausschließlich zum Vorteil des Versicherungsnehmers, ihr gänzlicher Entfall wäre für diesen nachteilig. Die Klausel räume ihr kein unbeschränktes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ein. Erst die Ausübung des eingeräumten Wahlrechts führe zur Konkretisierung der Leistung. Der Verbraucher erhalte drei Monate vor dem Ablauf der Lebensversicherung eine Mitteilung über den bevorstehenden Ablauf. Erst wenn er mitteile, dass er Interesse an der Ausübung des Rentenwahlrechts habe, übermittle sie einen Angebotsentwurf mit mehreren Varianten, zwischen denen er wählen könne. Der Verbraucher könne sich dann entscheiden, erst dadurch komme der „Rentenversicherungsvertrag“ zustande. Zu diesem Zeitpunkt seien dann sämtliche Leistungen des Vertrags klar bestimmt. Die Klausel regle nur Selbstverständliches, nämlich dass zur Rentenberechnung die zum Zeitpunkt der Ausübung der Option relevanten Tarifgrundlagen herangezogen werden. Sie sei weder intransparent noch gröblich benachteiligend. Klausel 2 sage nichts anderes, als dass sie dem Versicherungsnehmer eine bestimmte Rentenhöhe in unterschiedlichen Varianten anstelle der einmaligen Kapitalauszahlung vorschlagen könne, der Versicherungsnehmer eine dieser Varianten durch einseitige Erklärung annehmen könne und bis wann die Annahme des Angebots einlangen müsse.
[6] Das Erstgericht gab den Hauptbegehren statt. Beide Klauseln seien intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG); Klausel 1 benachteilige zudem den Verbraucher gröblich (§ 879 Abs 3 ABGB).
[7] Klausel 1 lege dem Versicherungsnehmer die Zusammensetzung der Rechnungsgrundlage nicht offen: Sie verweise lediglich auf die im Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Tarife sowie darauf, dass die Rentenhöhe erst unmittelbar vor dem Zahlungsbeginn garantiert werden könne. Eine weitere Erläuterung fehle, insbesondere auch der Hinweis auf die nach § 2 Abs 1 Z 2 und Z 4 der Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung (LV-InfoV) heranzuziehenden Rechnungsgrundlagen, nämlich die Sterbetabelle und den Rechnungszins. Die Klausel 1 eröffne der Beklagten daher in kundenfeindlichster Auslegung die Möglichkeit, die Tarifgrundlage selbst und nach beliebigem Ermessen zu wählen. Sie vermittle dem Verbraucher kein klares Bild seiner vertraglichen Position. Dazu komme, dass sie „verschiedene Rentenformen“ anspreche, ohne die Unterschiede zwischen den einzelnen Formen zu erklären. Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten führe auch zu einem groben Missverhältnis der beiderseitigen Rechtspositionen.
[8] Die Beklagte berufe sich bei Unterbreitung des Angebots zur Ausübung des Rentenwahlrechts auf die nichtige Klausel 1. Sie tue dies in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle. Der Durchschnittsverbraucher verstehe das durch die Klausel 2 vermittelte Angebot so, dass ein neuer Vertrag geschlossen werde. Damit werde ihm die wahre Rechtslage verschleiert, nämlich dass ihm eigentlich ein Gestaltungsrecht zustehe. Da bereits beim Vertragsabschluss die wesentlichen Parameter für die Rentenoption determiniert sein müssten, bleibe für ein Angebot, wie es die Klausel 2 vorsehe, kein Raum.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Rechtlich führte es zur Klausel 1 aus, diese sehe ebenso wie die vom Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 186/20h geprüften Klauseln ein Rentenwahlrecht des Versicherungsnehmers vor und verweise auf „die im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalzahlung geltenden Tarife“, ohne diese näher zu konkretisieren. Gemäß § 2 Abs 1 Z 4 LV-InfoV sei der Versicherungsnehmer über die Rechnungsgrundlagen zur Berechnung der Rente und die damit verbundenen Chancen und Risiken zu informieren. Die Klausel 1 präzisiere die Rechnungsgrundlagen der Rentenberechnung nicht. Konsequenz dieses Gesetzesverstoßes sei, dass die Wahl der Tarifgrundlage – zumindest bei kundenfeindlichster Auslegung – dem Versicherer überlassen und somit in sein beliebiges Ermessen gestellt werde. Eine nachvollziehbare Begründung für den pauschalen Vorwurf, diese Auffassung sei „lebensfremd“ und auf Versicherungsnehmer zugeschnitten, die sich „am Rande der Geschäftsunfähigkeit bewegen“, liefere die Beklagte nicht. Entgegen ihrer Ansicht gelte § 2 Abs 1 Z 4 LV-InfoV nicht nur für „garantierte“ Renten, sehe doch diese Bestimmung im Zusammenhang mit der Information über die Rechnungsgrundlagen sowie den Chancen und Risiken der Rente, insbesondere die Information darüber vor, „ob“ die Höhe der Rente garantiert sei. Die Klausel 1 sei daher intransparent. Durch das Fehlen der Angaben über die der Berechnung der auszuzahlenden Rente zugrunde liegenden Rechnungsgrundlagen und der damit unvollständigen Information werde dem Versicherungsnehmer kein ausreichend klares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt. Damit erübrige sich die Prüfung, ob die Klausel 1 den Versicherungsnehmer gröblich benachteilige.
[10] Die Klausel 2 sei ebenfalls missbräuchlich. Sie erwecke beim Verbraucher den Eindruck, er könne nur dann eine Rente beanspruchen, wenn er mit der Beklagten einen neuen Vertrag schließe. Die Klausel verschleiere diesem damit die wahre Rechtslage, nämlich dass er bereits aufgrund der Klausel 1 eine „Rentenwahloption“ habe – also nur sein Gestaltungsrecht ausüben müsse, um eine Rente erhalten zu können –, weshalb auch diese Klausel gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoße. Es bestehe ein „doppelter“ Zusammenhang der vom Kläger beanstandeten Geschäftspraktik mit der Vereinbarung missbräuchlicher Klauseln: Zum einen knüpfe sie nicht nur an die missbräuchliche Klausel 1 an, sondern werde sogar allein wegen der Missbräuchlichkeit der Klausel 1 notwendig; wäre die Klausel 1 transparent ausgestaltet, bedürfte es der Klausel 2 gar nicht. Zum anderen sei die Klausel 2 ihrerseits intransparent und damit missbräuchlich. Die Geschäftspraktik falle damit in den „Kernanwendungsbereich“ des § 28a Abs 1 KSchG, ohne dass zu klären wäre, ob die Schreiben der Beklagten an jene Kunden, mit denen sie die Klausel 1 vereinbart habe, tatsächlich als Vertragsformblätter anzusehen seien. Der nach § 28a Abs 1 KSchG erforderliche Gesetzesverstoß sei gegeben, weil beide Klauseln gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoßen würden. Die Klausel 2 beeinträchtige die allgemeinen Interessen der Verbraucher.
[11] Die Leistungsfrist von drei Monaten – wie vom Erstgericht festgelegt – sei nicht zu beanstanden. Im gegenständlichen Fall sei nur eine einzige Klausel anzupassen (Klausel 1) und das Muster eines Schreibens an die Kunden zu ändern (Klausel 2).
[12] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil im Zusammenhang mit der Klausel 2 eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Beurteilung einer (schriftlichen) Geschäftspraktik fehle, die an eine intransparente Klausel anknüpfe und ihrerseits eine weitere intransparente Klausel enthalte.
[13] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Begehren, das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[14] Der Kläger begehrt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[15] Die Revision ist zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.
[16] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Eine angeblich mangelhafte (rechtliche) Beurteilung durch das Berufungsgericht begründet nicht den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO (vgl RS0042206).
2. Für Klauseln sind im Verbandsprozess folgende Grundsätze maßgeblich:
[17] 2.1. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ (RS0016914). Ein Abweichen vom dispositiven Recht kann unter Umständen schon dann eine „gröbliche“ Benachteiligung des Vertragspartners sein, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RS0016914 [T3, T4, T6]). Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall gilt (RS0014676 [T7, T13, T43]).
[18] 2.2. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten vor der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit der formellen Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2]). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die den Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten können oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegen. Daraus kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115217 [T8]; RS0115219 [T1, T14, T21]; RS0121951 [T4]).
[19] 2.3. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich ist (RS0038205 [insbesondere T20]).
3. Klausel 1:
„Wahlmöglichkeiten – Rentenwahlrecht und Kapitalwahlrecht
Unabhängig davon, ob Sie einen Versicherungsvertrag gewählt haben, der grundsätzlich eine Kapitalleistung im Erlebensfall oder Rentenleistungen vorsieht, haben Sie die Möglichkeit, entweder die Auszahlung der Kapitalleistung in verschiedenen Rentenformen nach den im Zeitpunkt der Fälligkeit der Kapitalzahlung geltenden Tarifen zu beanspruchen (weshalb die Höhe der Rente erst unmittelbar vor dem Rentenzahlungsbeginn garantiert werden kann und alle früher gemachten Zahlungsangaben unverbindlich sind). [...]“
[20] 3.1. Die Beklagte argumentiert in der Revision, der Entscheidung 7 Ob 186/20h sei eine anders formulierte Klausel zugrunde gelegen, weshalb die dortigen Rechtsausführungen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar seien. Unter Bezugnahme auf die von der österreichischen Versicherungswirtschaft und dem Versicherungsverband Österreich beauftragten Gutachten von Perner/Spitzer (Rentenoption und Rentenberechnung in der Lebensversicherung, VersRdSch H 7–8/2021, 37 ff) und Schauer (Transparenzgebot, die Wievielte?, Vom Rentenwahlrecht zur Kinderprämie, ZVers 2022, 1 ff) argumentiert sie, dass sie bei der Wahl der Tarifgrundlage kein beliebiges Ermessen habe. Vielmehr sei sie bei der Gestaltung der Tarife an aufsichtsrechtliche Vorgaben gebunden. Die von den Vorinstanzen vorgenommene kundenfeindlichste Auslegung unterstelle ein aufsichts- und damit ein gesetzwidriges Handeln. Eine transparentere Darstellung sei weder möglich noch erforderlich. Zur Judikatur betreffend den Verweis auf den Tarif bei Berechnungen des Rückkaufswerts gebe es einen wesentlichen Unterschied, weil bei der Ermittlung des Rückkaufswerts einer kapitalbildenden Lebensversicherung der Versicherer alle Berechnungsformeln und Berechnungsparameter kenne. Die Berechnungsparameter der Rente seien demgegenüber zum Zeitpunkt des Abschlusses der Kapitalversicherung weder bekannt noch bestimmbar. Eine Verpflichtung zur Angabe konkreterer Rechnungsgrundlagen ergebe sich aus § 2 Abs 1 Z 4 LV-Info nur, wenn eine Rente garantiert sei. Das sei gegenständlich nicht der Fall. Zudem würde ein Verweis auf die anzuwendenden Rechnungsgrundlagen vielleicht zu einer Bestimmbarkeit führen, keinesfalls aber zu einer höheren Transparenz für den Versicherungsnehmer. Zudem sei das Unterlassungsbegehren zu weit gefasst, weil das Transparenzgebot keine Anwendung auf Verträge finde, die vor dessen Inkrafttreten, also vor dem abgeschlossen worden seien. Das Unterlassungsgebot sei daher auf jene Lebensversicherungsbeträge zu beschränken, die nach dem abgeschlossen worden seien.
3.2. Der Revision kommt keine Berechtigung zu:
[21] Wie die Vorinstanzen zutreffend ausführten, ist die Unzulässigkeit der Klausel 1 bereits durch die Entscheidung zu 7 Ob 186/20h geklärt. In dieser hat der Oberste Gerichtshof die zu den Rückkaufswertklauseln entwickelten Grundsätze auf Rentenwahlklauseln – wie die hier zu beurteilende Klausel 1 – übertragen und das Fehlen eines Hinweises darauf bemängelt, dass sich die Rentenberechnung nach zwei Faktoren richtet, nämlich Sterbetafel und Rechnungszins. Über diese ist nämlich der Versicherungsnehmer nach § 2 Abs 1 Z 4 der Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung 2018, BGBl II 2018/247 (vormals § 2 Abs 1 Z 4 der Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung, BGBl II 2015/294), der die produktbezogenen Aufklärungspflichten nach § 135c Abs 1 Z 1 VAG 2016 in der Fassung BGBl I 2018/16 (vormals § 253 Abs 1 Z 1 VAG 2016 in der Fassung BGBl I 2015/34) konkretisiert, vor Vertragsabschluss zu informieren. Ausgehend davon kann der Verweis auf einen Tarif in einer Klausel, die den Versicherungsnehmer über die Rechnungsgrundlagen zur Berechnung einer auszuzahlenden Rente informieren soll, nur dann im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG als klar und verständlich angesehen werden, wenn die Zusammensetzung der Rechnungsgrundlage dem Versicherungsnehmer offengelegt wird. Dies trifft aber nicht zu, wenn die „zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Tarife“ in Klausel 1 überhaupt keine Erläuterung erfahren. Die Klausel ist insoweit im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG intransparent und damit unwirksam. Dem Versicherungsnehmer wird durch die fehlenden Angaben über die der Berechnung der auszuzahlenden Rente zugrunde liegenden Rechnungsgrundlagen und damit durch eine unvollständige Information zweifellos kein klares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt. Aus dem Transparenzgebot ist eine Pflicht zur Vollständigkeit abzuleiten, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Verbraucher andernfalls unklar bleiben. Daran mag auch der Einwand der Beklagten nichts zu ändern, dass die genauen Berechnungsgrundlagen bei Vertragsabschluss noch gar nicht feststehen können. Erforderlich ist – im Lichte von § 2 Abs 1 Z 4 Lebensversicherung Informationspflichtenverordnung 2018 – die Information des Versicherungsnehmers darüber, welche Rechnungsgrundlagen zur Berechnung der Rente zur Anwendung kommen (zB Sterbetafel und Rechnungszins), welche Chancen und Risiken damit verbunden sind und dass eine von den im Anfallszeitpunkt geltenden Rechnungsgrundlagen abhängige Rente höher oder, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung stärker steigt als angenommen, niedriger als die prognostizierte Rentenleistung sein kann.
[22] Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BGH zu IV ZR 121/00, wonach eine Klausel in AGB über die kapitalbildende Lebensversicherung, die die Überschussermittlung und -beteiligung regelt, nicht deshalb wegen Intransparenz unwirksam sei, weil die Klausel die Berechnungsmethode nicht aufzeige, ist nicht einschlägig.
[23] Die Klausel 1 ist damit im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG intransparent und unwirksam. Auf eine Prüfung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB kommt es daher nicht mehr an.
[24] 3.3. Zum von der Beklagten in erster Instanz erhobenen – in der Revision wiederholten – Einwand, das Unterlassungsbegehren sei zu weit gefasst, weil § 6 Abs 3 KSchG erst am in Kraft getreten sei und bei ihr noch „einige kapitalbildende Lebensversicherungsverträge mit Rentenwahlrecht“ vor diesem Zeitpunkt existierten, enthielt schon ihre Berufung keine inhaltlichen Ausführungen. Dieser selbständige zu beurteilende Einwand ist daher im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen (RS0043338 [insb T4, T10, T13, T27]; vgl RS0043352 [T31, T33]).
[25] 3.4. Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Verpflichtung, Allgemeine Geschäftsbedingungen zu ändern, keine reine Unterlassung, sodass das Gericht gemäß § 409 Abs 2 ZPO eine angemessene Leistungsfrist zu setzen hat (RS0041260 [T2]; RS0041265 [T2, T3]). Nach der Rechtsprechung ist eine Leistungsfrist von drei Monaten zur Umgestaltung des Klauselwerks grundsätzlich angemessen (RS0041265 [T5]). In zahlreichen Entscheidungen wurde dem AGB-Verwender eine Frist von drei Monaten gewährt (vgl etwa 7 Ob 44/13s). Für die Gewährung einer längeren, sechsmonatigen Leistungsfrist waren stets besondere Umstände ausschlaggebend, die hier bei der Abänderung bloß einer Klausel nicht vorliegen. Eine Leistungsfrist von drei Monaten zur Änderung der als unzulässig erkannten Klausel 1 ist angemessen. Dem beklagten Versicherungsunternehmen ist zuzumuten, den Änderungsbedarf wegen des Wegfalls nur einer Klausel binnen drei Monaten zu bewältigen.
4. Zur Geschäftspraktik (Klausel 2):
„Dieser Vorschlag stellt ein verbindliches Angebot unsererseits zum Rentenwahlrecht anstelle der einmaligen Kapitalauszahlung dar. Mit ihrer Unterzeichnung und rechtzeitigen Übermittlung an uns gilt das Rentenwahlrecht durch den Kunden als angenommen. Die Übermittlung erfolgt rechtzeitig, wenn dieses Angebot während der Laufzeit des Versicherungsvertrags spätestens eine Kalenderwoche vor der Fälligkeit unterschrieben bei uns einlangt, da andernfalls die Auszahlung der vereinbarten Kapitalleistung als Einmalzahlung erfolgt.“
[26] 4.1. Die Beklagte erachtet die Klausel 2 nicht als intransparent, weil einziger Zweck der „Rentenoptionsklausel“ gerade die Vermeidung eines Neuabschlusses einer Rentenversicherung (und damit die Vermeidung neuerlicher Versicherungssteuer) sei. Durch die Vereinbarung der „Rentenoptionsklausel“ werde gerade nicht der Neuabschluss eines Rentenversicherungsvertrags verlangt. Sie unterbreite dem Versicherungsnehmer, der sich für die Inanspruchnahme der „Rentenoption“ entscheide, diverse Möglichkeiten, die für die Verrentung bestünden. In der Verwendung der Klausel 2 liege keine unzulässige Geschäftspraxis im Sinn des § 28a KSchG. Nachdem der Versicherungsnehmer eine Festlegung für seine Kriterien bei Abschluss der Kapitalversicherung noch nicht getroffen habe, müsse er bei Inanspruchnahme der „Rentenoption“ seine individuell gewünschte Rente erst „gestalten“. Ohne ihr Angebot einer Verrentung stelle sich die Frage, wie eine solche dann in der Praxis funktionieren solle. Die begehrte Unterlassungsverpflichtung würde sie zu einem rechtswidrigen Verhalten zwingen: Entweder zum Bruch des Grundsatzes pacta sunt servanda (indem sie die Verrentung ablehne) oder zum Verstoß gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen (indem sie die Verrentung ohne Rententarif vornehme). Die Klausel 2 sei weder intransparent noch liege eine unzulässige Geschäftspraxis vor.
[27] 4.2. Der Kläger hält den Argumenten entgegen, dass Klausel 2 beim Verbraucher den Eindruck erwecke, dieser könne nur dann eine Rente beanspruchen, wenn er mit der Beklagten einen neuen Vertrag schließe. Der Verbraucher habe ein Rentenwahlrecht und müsse nur „sein Gestaltungsrecht ausüben“, um eine Rente zu erhalten. Durch das einem Verbraucher eingeräumte „Gestaltungsrecht“ werde die Beklagte „unmittelbar durch eine einseitige Erklärung des Verbrauchers verpflichtet“. Aufgrund eines neu abzuschließenden Rentenversicherungsvertrags müsse der Verbraucher neuerlich Versicherungssteuer und Abschlusskosten zahlen, was durch das vereinbarte Rentenwahlrecht gerade vermieden werden hätte sollen. Die Klausel 2 sei gemäß § 879 Abs 1 und 3 ABGB unwirksam, weil sie dem Verbraucher bei sonstigem Verlust seines Rechts die Verpflichtung auferlege, sein Rentenwahlrecht zumindest eine Woche vor Fälligkeit der Kapitalleistung unterschriftlich auszuüben. Nach der Klausel 1 könne der Verbraucher sein Recht jedenfalls bis zur Fälligkeit der Kapitalleistung ausüben („Das Recht besteht jedoch nur, solange das Kapital bzw die erste Rente nicht ausbezahlt ist.“) und er müsse für eine wirksame Ausübung seines Rechts auch keine unterschriebene Erklärung abgeben.
4.3. Das Unterlassungsbegehren betreffend die Klausel 2 ist nicht berechtigt:
[28] 4.3.1. Nach § 28a Abs 1 KSchG kann, wer im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit der Vereinbarung von missbräuchlichen Vertragsklauseln gegen ein gesetzliches Gebot verstößt, und dadurch jeweils die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt, unbeschadet des § 28 Abs 1 KSchG auf Unterlassung geklagt werden. § 28a KSchG erweitert den Anwendungsbereich der Verbandsklagen auf gesetzwidrige Geschäftspraktiken von Unternehmen im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern, beschränkt auf die in § 28a Abs 1 KSchG
angeführten Vertragsverhältnisse und außervertraglichen Rechtsverhältnisse. Der Unterlassungsanspruch gemäß § 28a KSchG setzt (unter anderem) voraus, dass das beanstandete Verhalten die „allgemeinen Interessen der Verbraucher“ beeinträchtigt. Die beanstandete Verhaltensweise muss daher für eine Vielzahl von Verträgen oder außervertraglichen Rechtsverhältnissen von Bedeutung sein, was vor allem bei gesetzwidrigen Verhaltensweisen im Massengeschäft der Fall ist (RS0121961).
[29] Die Berufung auf eine missbräuchliche Klausel kann einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot darstellen. In der Entscheidung 4 Ob 143/14d bejahte der Oberste Gerichtshof einen „Zusammenhang“ zwischen einem beanstandeten Verhalten eines Unternehmens und der Vereinbarung einer missbräuchlichen Vertragsklausel, wenn sich die Missbräuchlichkeit einer Klausel gerade aus ihrer Unvereinbarkeit mit einer bestimmten Norm oder einer insofern bestehenden Unklarheit (Intransparenz) ergibt. Eine solche Unklarheit wird regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn sich der Unternehmer der Klausel zur Rechtfertigung einer rechtswidrigen Vorgangsweise bedient.
[30] 4.3.2. Die hier zu beurteilende und nach § 1 Abs 1 Satz 2 VersVG zulässige Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht sieht im Versicherungsfall die Zahlung eines Kapitalbetrags vor, jedoch mit der Möglichkeit für den Versicherten, statt des Kapitalbetrags die Zahlung einer im Wert entsprechenden Geldrente zu verlangen (vgl BGH IV b ZB 887/80 = VersR 1984, 51). Das – in der Klausel 1 genannte – Rentenwahlrecht ist das Recht des Versicherungsnehmers oder Bezugsberechtigten aus einem Lebensversicherungsvertrag, anstatt der einmaligen Ablaufleistung eine entsprechende Rente zu beziehen. Mit dem Rentenwahlrecht verbunden ist der vollkommene oder teilweise Verzicht des Versicherers auf eine erneute Belastung des Versicherungsvertrags mit Abschlusskosten für die Rentenleistung (vgl Wagner, Gabler Versicherungslexikon2 Stichwort: Rentenwahlrecht; von Fürstenwerth/Weiß, VersicherungsAlphabet10 [2001] 527). Zudem soll mit dem Rentenwahlrecht – so die Beklagte – der Anfall neuerlicher Versicherungssteuer vermieden werden. Das Rentenwahlrecht bedeutet damit bei kapitalbildenden Lebensversicherungen, dass der Versicherungsnehmer anstelle einer einmaligen Kapitalleistung eine Auszahlung in Form einer regelmäßigen Rente wählen kann.
[31] 4.3.3. Entgegen der Ansicht des Klägers und der Vorinstanzen verlangt die Beklagte mit dem Angebot entsprechend Klausel 2 nicht den Abschluss eines neuen Rentenversicherungsvertrags. Solches widerspräche gerade einem Grundelement für das zu beurteilende Rentenwahlrecht, anstelle der Kapitalauszahlung und dem kostenträchtigen Neuabschluss (insbesondere neuer Versicherungssteuer) mittels desselben Vertrags die Kapital- in eine Rentenleistung überzuführen. Die Beklagte verlangt keineswegs den Abschluss eines „neuen“ Vertrags und es besteht auch kein Anhaltspunkt, dass sie dies in Zukunft verlangen würde, sodass es schon an einer diesbezüglichen Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr fehlt. Vielmehr handelt es sich bei der Vereinbarung über eine Rentenleistung um eine Vertragsänderung.
[32] Das Begehren und das Vorbringen des Klägers lassen insgesamt den Standpunkt erkennen, dass es nur der Optionserklärung des Versicherungsnehmers bedürfte und schon daraus dessen bezifferbarer Rentenanspruch resultierte – also allein anhand der seinerzeitigen Vertragslage und ohne Erfordernis einer weiteren vertraglichen Ausgestaltung. Allerdings enthalten der Versicherungsvertrag und die Rentenwahlklausel keine ausreichende Ausgestaltung der vereinbarten Rentenhöhe. Der Versicherungsnehmer hat zwar grundsätzlich das Wahlrecht auf eine Rente, die diesbezügliche Vereinbarung ist aber unbestimmt und erfordert gerade eine entsprechende beiderseitige Einigung auf die später zum Tragen kommenden Konditionen. Daher kann auch die Prämisse des Klägers, dass bereits die Optionserklärung einen konkreten Rentenanspruch auslöse, infolge betraglicher Unbestimmtheit eines solchen Anspruchs nicht geteilt werden. Das Unterlassungs-(haupt-)begehren muss daher schon aufgrund dessen, dass sich bestimmte im Klagebegehren genannte Bestandteile nicht verwirklichten, scheitern. Zwar mag die Rentenwahlklausel 1 Auslöser der nunmehr inkriminierten Vorgangsweise der Beklagten sein. Ausgehend von der mangelnden Bestimmtheit des Rentenanspruchs mit der Folge, dass eine Rentenwahl des Versicherungsnehmers konkret gar nicht möglich wäre, kann aber nicht erkannt werden, warum ein später konkretisiertes Angebot der Beklagten zur Ausübung des Rentenwahlrechts durch den Versicherungsnehmer als eine die Verbraucherinteressen beeinträchtigende verpönte Geschäftspraxis nach § 28a KSchG zu beurteilen sein soll.
[33] Aus demselben Grund kann auch nicht erkannt werden, warum – im Sinn des Eventualbegehrens – die Formulierung „verbindliches Angebot unsererseits zum Rentenwahlrecht“ der Klauselkontrolle nicht Stand halten soll. Die Unbestimmtheit der Rentenhöhe aufgrund der seinerzeitigen Vertragslage erfordert eine – von beidseitigem Konsens getragene – spätere Einigung. Warum eine solche Vereinbarung nicht durch ein diesbezügliches „Angebot“ der Beklagten im Sinn einer Information über die möglichen Varianten – und dessen Auswahl durch den Versicherungsnehmer – zustande kommen darf, ist nicht erkennbar.
[34] 4.3.4. Der von beiden Parteien im Zusammenhang mit der Rentenwahlklausel verwendete Begriff der Option wäre ein Vertrag, durch den einem Vertragsteil das Recht eingeräumt wird, ein inhaltlich bereits festgelegtes Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung in Gang zu setzen. Der Optionsberechtigte kann das Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung ohne neuerlichen Vertragsabschluss begründen (RS0019191 [T1, T2]; RS0115633 [T2]). Mit der vorliegenden Rentenwahlklausel soll dem Versicherungsnehmer nicht ein Gestaltungsrecht in dem Sinn, dass ein inhaltlich bereits festgelegtes Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung in Gang gesetzt wird, eingeräumt werden, sondern dieser erhält das Recht, sich das angesparte Kapital bei Fälligkeit statt in der vereinbarten Form einer Einmalzahlung in Form einer Rente auszahlen zu lassen. Da aber die konkrete Rentenhöhe im Vorhinein nicht festgelegt werden kann und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer wohl auch dann nicht errechenbar wäre, wenn die Rentenwahlklausel die Sterbetafel und den Zinsfuß enthalten würde, ist dem Versicherungsnehmer die Ausübung des Wahlrechts ohne Mitwirkung der Beklagten gar nicht möglich. Aus diesem Grund ist die Mitwirkung der Beklagten an der Entscheidung des Versicherungsnehmers, das Rentenwahlrecht auszuüben, insbesondere in Form der Bekanntgabe der Höhe der Rente, nicht nur zulässig, sondern geboten. Das erkennt der Kläger auch selbst, wenn er in der Rentenwahlklausel eine Verpflichtung der Beklagten vermisst, dem Versicherungsnehmer in Sinn einer transparenten und gesetzeskonformen Vorgangsweise rechtzeitig vor Vertragsablauf die Höhe der Rente samt deren Rechnungsgrundlagen bekannt zu geben, damit der Verbraucher nach Erhalt dieser Informationen eine entsprechende Entscheidung treffen kann. Die vom Kläger geforderten Informationen (Rentenhöhe garantiert, Rentenhöhe inklusive Gewinnbeteiligung und Erhöhungen, Rechnungszins, Hinweis auf gültige Sterbetafel usw) übermittelt die Beklagte dem Versicherungsnehmer mit den Angeboten Beilage ./2. Anhand dieser Informationen können die Versicherungsnehmer ihre Entscheidung treffen, ohne dass es einer weiteren Zustimmung der Beklagten bedarf. Der Umstand, dass dieses Formblatt nicht mit „Informationsblatt“ oder dergleichen, sondern mit „Unser Vorschlag, Rentenwahlrecht zu Polizze Nr: [...], anstelle der einmaligen Kapitalauszahlung …“ bezeichnet ist, führt zu keiner erkennbaren Beeinträchtigung der allgemeinen Interessen der Verbraucher, zumal die durch die Ausübung des Rentenwahlrechts bewirkte Umwandlung der ursprünglich vereinbarten Kapitalauszahlung in eine Rentenzahlung tatsächlich eine Vertragsänderung erfordert.
[35] Dass die Beklagte die schriftliche Annahme ihres Angebots auf Rentenleistung eine Woche vor Fälligkeit (der Auszahlung der vereinbarten Kapitalleistung als Einmalzahlung) verlangt, ist im Hinblick auf die zeitgerechte Durchführung der Rentenzahlung weder nach § 879 Abs 1 ABGB noch nach § 879 Abs 3 ABGB zu beanstanden.
[36] 4.4. Hinsichtlich der inkriminierten Geschäftspraxis (Klausel 2) sind daher in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren abzuweisen.
[37] 5. Die Kostenentscheidungen gründen sich auf § 43 Abs 1 und § 50 ZPO. Ausgehend von seiner Bewertung obsiegte der Kläger mit 30.500 EUR (Klausel 1) und unterlag mit 5.500 EUR (inkriminierte Geschäftspraktik), womit sich eine Obsiegensquote von etwa 85 % ergibt. Diese ist, weil die inkriminierte Geschäftspraktik nicht mehr von dem zu veröffentlichenden klagsstattgebenden Teil des Urteils umfasst ist, auch auf das mit 5.500 EUR bewertete Veröffentlichungsbegehren anzuwenden. Dem Kläger stehen daher 70 % der Vertretungskosten und 85 % der Pauschalgebühr zu, wohingegen die Beklagte 15 % der von ihr ausgelegten Pauschalgebühr ersetzt erhält. Für die Berufungsbeantwortung des Klägers beträgt bei der Bemessungsgrundlage von 41.500 EUR der Tarifansatz nach TP 3B 1.022,70 EUR (anstatt verzeichnet 1.023,70 EUR).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00097.22Y.1109.000 |
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