OGH vom 16.05.2023, 7Ob21/23y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T* GmbH, *, vertreten durch Mag. Peter Wach, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. DI P* S*, und 2. W* S*, beide vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger, Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in Graz, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 137/22m-23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO und, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Mit der am beim Erstgericht eingelangten Aufkündigung erklärte die Klägerin gegenüber der damals noch unvertretenen Verlassenschaft nach der verstorbenen Mutter der beiden Beklagten die Beendigung des Mietvertrags wegen § 30 Abs 2 Z 5 MRG unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum (richtig) .
[2] Die Beklagten hatten ihrerseits mit Einschreiben vom im Namen der Verlassenschaft das Bestandverhältnis zum postalisch und zusätzlich am selben Tag per EMail aufgekündigt. Das Einschreiben langte am , die E-Mail am bei der Klägerin ein.
[3] Die Bewilligung der Aufkündigung durch das Erstgericht erfolgte am nach Vorliegen der Amtsbestätigung über die Vertretungsbefugnis des Zweitbeklagten für die Verlassenschaft und wurde diesem am zugestellt.
[4] Am wurde die Wohnung geräumt an die Klägerin übergeben.
[5] Mit Beschluss vom wurde die Bezeichnung der beklagten Verlassenschaft auf die Beklagten als eingeantwortete Erben berichtigt.
[6] Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung mit für rechtswirksam, das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf.
Rechtliche Beurteilung
[7] 1. Das Vorbringen der Klägerin, die Beklagten seien gemäß § 810 Abs 2 ABGB ohne Genehmigung des Gerichts gar nicht zur Kündigung des Bestandverhältnisses befugt gewesen, weil sie erst am ihre jeweilige bedingte Erbantrittserklärung abgegeben hätten, wurde in erster Instanz nicht erstattet und verstößt daher gegen das Neuerungsverbot.
[8] 2. Eine Kündigung ist dann für rechtsunwirksam zu erklären, wenn eine dasselbe Bestandverhältnis betreffende, zu einem früheren Kündigungstermin eingebrachte, Kündigung bereits rechtswirksam das Bestandverhältnis aufgelöst hat. Es fehlt in diesem Fall denknotwendig an der Möglichkeit, das Bestandverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufzulösen (RS0020941).
[9] Gemäß § 33 Abs 1 erster Satz MRG idF der WRN 2006 können Mietverträge vom Mieter auch schriftlich gekündigt werden (vgl auch RV 1183 BlgNR 22. GP 43). Durch die der Klägerin Ende September 2019 zugegangene schriftliche Kündigung der Beklagten, die keiner Annahme bedurfte (RS0028555 [T2, T3]) und ihre Wirkung mit Zugang entfaltete (RS0028555 [T1]), war das Bestandverhältnis zum beendet. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass aus diesem Grund die mit Beschluss des Erstgerichts vom bewilligte Kündigung aufzuheben sei, ist daher nicht korrekturbedürftig (vgl 10 Ob 46/19s zur außergerichtlichen Auflösung gemäß § 1117 ABGB sowie 3 Ob 64/21i zur außergerichtlichen Auflösung gemäß § 1118 ABGB). Dass sowohl die außergerichtliche Auflösung des Bestandvertrags als auch die Beendigung des Bestandverhältnisses auf Grundlage dieser Auflösungserklärung vor dem Zeitpunkt der Einbringung der gerichtlichen Aufkündigung erfolgen müsste, ist der zitierten Rechtsprechung nicht zu entnehmen.
[10] Der Argumentation der Klägerin, sie müsse auch im Fall der außergerichtlichen Kündigung durch den Mieter jedenfalls das Recht haben, das Bestandverhältnis gerichtlich zu kündigen, weil sie damit ihren Räumungsanspruch unmittelbar exekutiv durchsetzen könne, ist hier schon deshalb nicht zu folgen, weil die geräumte Übergabe der Wohnung ohnehin bereits am , also vor dem infolge der verspäteten Zustellung möglichen Wirksamwerden der gerichtlichen Kündigung (vgl § 563 Abs 2 ZPO), erfolgte.
[11] 3. Die Revision ist jedenfalls unzulässig, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts wendet (RS0044233 [T27]; RS0053407 [T10]).
[12] 4. Für die vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eingebrachte Revisionsbeantwortung steht den Beklagten gemäß § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO kein Kostenersatzanspruch zu.
[13] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00021.23Y.0516.000 |
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