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OGH vom 28.09.2022, 7Ob100/22i

OGH vom 28.09.2022, 7Ob100/22i

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende sowie die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, USA, vertreten durch die Hornek Hubacek Lichtenstrasser Epler Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei J*, vertreten durch die Sacha Katzensteiner Blauensteiner Rechtsanwälte GmbH in Krems an der Donau, wegen 56.175,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 150/21b-28, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Anwendbarkeit österreichischen Rechts wird im Rechtsmittel nicht erörtert; sie ist daher nicht zu prüfen (vgl 2 Ob 214/21s Rz 15).

1.1. Das Verbringen eines Kindes ist gemäß dem Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) rechtswidrig, wenn dadurch das gemeinsame Sorgerecht einer Person nach der Rechtsordnung des zuvor gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes verletzt oder das Kontaktrecht eines Elternteils durch die Außerlandesschaffung des Kindes praktisch unmöglich gemacht wird (vgl RS0119948 [T4] = RS0112167 [T3]).

1.2. Nach § 159 ABGB ist bei Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten nach dem dritten Hauptstück des ersten Teils des ABGB („Rechte zwischen Eltern und Kindern“) zur Wahrung des Kindeswohls alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Minderjährigen zu anderen Personen, denen nach diesem Hauptstück das Kind betreffende Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von deren Aufgaben erschwert. Diese Bestimmung („Wohlverhaltensgebot“) dient zwar in erster Linie dem Schutz des Kindeswohls, aber auch jener Personen, deren im Familienrecht begründete, auch absolut geschützte Rechtsstellung durch ein missbilligtes Verhalten beeinträchtigt wird; sie schützt also auch den anderen Elternteil. Die schuldhafte Verletzung von Verhaltenspflichten, die sich aus dem Schutz des Eltern-Kind-Verhältnisses ergeben, kann daher zu Schadenersatzansprüchen führen (3 Ob 86/16t mwN).

[4] Ein schuldhafter Verstoß eines obsorgeberechtigten Elternteils gegen § 159 ABGB kann Schadenersatzansprüche des anderen, auch nicht obsorgeberechtigten Elternteils insbesondere in Bezug auf Ersatz von Verfahrenskosten begründen; dadurch aufgelaufene Kosten eines Obsorge- und/oder Kontaktrechtsstreits (wie Reisekosten, Anwaltskosten, Kosten eines HKÜVerfahrens) sind vom Schutzzweck dieser Bestimmung umfasst (vgl 3 Ob 23/19g mwN). Die Beweislast für die durch den Verstoß verursachten Schäden trifft den klagenden Elternteil, während der beklagte Schädiger Umstände zu behaupten und zu beweisen hat, die eine Verletzung des § 159 ABGB entschuldigen (vgl RS0126872).

2. Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt hat die beklagte (mit dem klagenden Vater gemeinsam obsorgeberechtigte) Mutter das gemeinsame, damals noch nicht zwei Jahre alte Kind aus den USA, wo die Familie zuletzt gelebt hatte, nach Österreich verbracht; nachdem der Vater einen Rückführungsantrag nach dem HKÜ gestellt hatte und diesem stattgegeben wurde, beantragte er, weil das Kind nicht rückgeführt worden war, erfolgreich die zwangsweise Durchsetzung und Vollstreckung dieser Entscheidung (vgl 6 Ob 83/21f).

3.1. Die Vorinstanzen beurteilten diesen Sachverhalt dahin, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, die durch den mit der Nichtrückkehr in die USA verwirklichten Verstoß gegen § 159 ABGB verursachten Kosten des Vaters (der Vertretungskosten im Rückführungsverfahren sowie Hotelkosten in Österreich während der Verfahrensdauer geltend macht) zu ersetzen; dies hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung.

3.2. Soweit die Revision der Beklagten dagegen ausführt, deren Verhalten sei „immer vom Bestreben zur Wahrung des Kindeswohles getragen“ gewesen, vermag sie nicht darzulegen, inwieweit die hierfür ins Treffen geführten Eingriffe in ihre persönliche Integrität, die eine sofortige räumliche Trennung vom Kläger erfordert hätten, über die von ihr in erster Instanz behauptete persönliche Unzumutbarkeit hinaus für das Kindeswohl oder die absolut geschützte Rechtsstellung des Vaters zu seinem Kind relevant wären.

3.3. Dass auch andere verpönte Verhaltensweisen, wie etwa die Ausübung des Kontaktrechts verhindernde Beeinflussungen des Kindes, schadenersatzpflichtig machen können (vgl 10 Ob 27/15s), ändert nichts daran, dass nach der dargelegten Rechtsprechung eine Be- oder Verhinderung des Kontakts durch dem HKÜ widersprechendes Verhalten wie im vorliegenden Fall auch vom Schutzzweck des § 159 ABGB umfasst sein kann. Die Revision zeigt daher in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3.4. Das Berufungsgericht verwies darauf, dass die von der Beklagten mit ihrer Berufung vorgelegte Urkunde, wonach sie nunmehr keinen Aufenthaltstitel in den USA mehr habe, sich nicht auf die Berufungsgründe, sondern auf den Anspruch selbst beziehe, und daher ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot vorliege. Dagegen wiederholt die Revision nur ihr bereits in der Berufung erstattetes Vorbringen, ohne konkret aufzuzeigen, warum die Rechtsansicht des Berufungsgerichts unzutreffend sein sollte; eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich auch hier nicht.

[10] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00100.22I.0928.000

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