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OGH vom 18.11.2022, 6Ob42/22b

OGH vom 18.11.2022, 6Ob42/22b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wider die beklagte Partei O* GmbH, *, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Durchführung von Firmenbuchanträgen, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei sowie des Einschreiters Dr. L*, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 185/21v-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und des Einschreiters werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Einschreiter erklärte mit Schriftsatz vom den Beitritt als Nebenintervenient auf Seite der Klägerin. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am war die Zustellung dieses Streitbeitritts verfügt, aber noch nicht vorgenommen worden.

[2] Wenngleich das Erstgericht über diesen Beitritt spruchmäßig nicht absprach (weder in einem gesonderten Beschluss noch im Rahmen der Ausfertigung des erstgerichtlichen Urteils), erachtete es den Streitbeitritt offenbar als unwirksam, führte es doch in der Begründung des erstgerichtlichen Urteils aus, die faktische Teilnahme des Einschreiters in der vorbereitenden Tagsatzung sei „ohne rechtliche Konsequenzen“ gewesen.

[3] Ob darin schon eine (von den Parteien unbekämpfte) Zurückweisung der Nebenintervention zu erblicken ist, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil – wie zu zeigen sein wird – (auch) die Revision des Einschreiters keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung aufzeigen vermag und daher jedenfalls zurückzuweisen ist.

[4] 2. An der beklagten GmbH ist die Klägerin mit einem Geschäftsanteil von 23,41 % beteiligt.

Die Errichtungserklärung der Beklagten enthält unter anderem folgende Bestimmung:

„§ 5. Geschäftsführer

1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Für die Dauer ihrer Beteiligung als Gesellschafterin hat die [nunmehr: Klägerin] das Recht auf Bestellung eines Geschäftsführers (Sonderrecht gemäß § 50 Abs 4 GmbHG).

2. Die Gesellschaft wird, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist, durch diesen selbstständig vertreten. Wenn zwei oder mehrere Geschäftsführer bestellt sind, wird das Vertretungsrecht durch Gesellschafterbeschluss geregelt. Die Vertretung der Gesellschaft durch einen Geschäftsführer gemeinsam mit einem Gesamtprokuristen ist zulässig.“

[5] 2.1. Im vorliegenden Verfahren ist im Kern strittig, ob das in § 5 Z 1 der Errichtungserklärung der Klägerin eingeräumte Recht auf Bestellung eines Geschäftsführers ein Entsendungsrecht oder ein (bloßes) Nominierungsrecht ist. Im ersten Fall bedürfte es zur wirksamen Bestellung einer Person zum Geschäftsführer zusätzlich zum Bestellungsakt der Klägerin keiner weiteren Rechtsakte der anderen Gesellschafter, der Gesellschafterversammlung oder der beklagten Gesellschaft. Im zweiten Fall bedürfte es hingegen noch der Beschlussfassung durch die Gesellschafter, wobei diese verpflichtet wären, für die Bestellung der nominierten Person zu stimmen, sofern nicht wichtige Gründe dem entgegenstehen (vgl 6 Ob 183/18g [ErwGr 2.8.]).

[6] 2.2. Das Berufungsgericht führte aus, nach herrschender Lehre und Hinweisen in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung spreche viel dafür, dass einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag das Recht auf Entsendung eines Geschäftsführers eingeräumt werden könne. Eine abschließende Beurteilung sei aber nicht erforderlich, weil die vorliegende Vertragsklausel als bloßes Nominierungsrecht anzusehen sei:

[7] Das gesellschaftsvertraglich vorgesehene „Recht auf Bestellung eines Geschäftsführers“ lasse nach seinem Wortlaut offen, ob ein Entsendungsrecht (Recht auf unmittelbare Bestellung ohne Mitwirkung der Generalversammlung) oder ein Nominierungsrecht (Recht auf Bestellung des Namhaftgemachten durch die Generalversammlung bei Nichtvorliegen wichtiger, entgegenstehender Gründe) gemeint ist. Im Rahmen der Beurteilung, ob überhaupt ein Sonderrecht eingeräumt wurde, werde eine ausdrückliche Regelung gefordert, sodass im Zweifel nicht von der Einräumung eines Sonderrechts auszugehen sei. Diese Zweifelsregel habe aber nicht nur für das Bestehen, sondern auch für den Umfang des – hier aufgrund der Bezugnahme auf § 50 Abs 4 GmbHG unzweifelhaft eingeräumten – Sonderrechts auf Bestellung eines Geschäftsführers zu gelten. Ausnahmebestimmungen seien im Allgemeinen eng und nicht extensiv auszulegen. Überdies verbleibe die Kompetenz zur Regelung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers der Generalversammlung, sodass auch ein Verbleib der endgültigen Bestellungskompetenz zur Vermeidung eines Auseinanderfallens der Kompetenzbereiche praktikabel erscheine. Auch das GmbHG unterscheide im Rahmen der aufsichtsratsrechtlichen Bestimmungen zwischen den Begriffen „Bestellung bzw Wahl“ durch die Gesellschafter (§ 30b GmbHG) einerseits und Entsendung (§ 30c GmbHG) durch bestimmte Gesellschafter andererseits. Die in der Errichtungserklärung vorgesehene Einräumung eines Rechts auf Bestellung eines Geschäftsführers lege daher bei Anwendung des im GmbHG selbst verankerten Begriffsverständnisses eine (mangels Vorliegens wichtiger, entgegenstehender Gründe verpflichtende) Bestellung durch die Generalversammlung aufgrund einer Nominierung des Berechtigten und keine Kompetenzverschiebung nahe. Auch die geringere Einschränkung der Rechte der anderen Gesellschafter (Rederecht in der Generalversammlung, Anfechtungsrecht) spreche für die Annahme eines „bloßen“ Nominierungsrechts verbunden mit der Verpflichtung der übrigen Gesellschafter, für die Bestellung der nominierten Person zu stimmen, sofern nicht wichtige Gründe dem entgegenstünden. Aus den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 22/21k, 6 Ob 38/21p und 6 Ob 39/21k) sei für ihren Standpunkt nichts gewonnen, weil es dort nicht um die Auslegung der Errichtungserklärung gegangen sei. Aus § 15 Abs 3 GmbHG sei ebenfalls nichts zugunsten des Rechtsstandpunkts der Klägerin abzuleiten. Selbst wenn man darin die gesetzliche Grundlage für die gesellschaftvertragliche Einräumung auch eines Entsendungsrechts zugunsten einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft erblicke, sage dies noch nichts darüber aus, ob ein auf dieser gesetzlichen Grundlage fußender, konkreter Gesellschaftsvertrag auch ein solches Entsendungsrecht oder ein bloßes Nominierungsrecht vorsieht.

[8] 3. Die objektive Vertragsauslegung stellt zwar eine (revisible) Rechtsfrage dar. Ihr kommt aber im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0113785; RS0042936; RS0042776), es sei denn, die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhten auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage, sodass die Revision aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit für zulässig zu erachten wäre (RS0042769). Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen aber mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0042776 [T27]; RS0042936 [T21] zur Geltung dieser Grundsätze auch für die Auslegung von [GmbH]Gesellschaftsverträgen). Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, bildet keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042776 [T2]; RS0042936 [T3]).

[9] Davon ausgehend zeigen die Revisionen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

[10] 3.1. Soweit die Klägerin darauf verweist, das Oberlandesgericht Wien sei als Rekursgericht im Firmenbuchverfahren (implizit) von einer wirksamen Bestellung des Einschreiters zum Geschäftsführer ausgegangen, so wirft die (allenfalls abweichende) Beurteilung von zweitinstanzlichen Gerichten (in anderen Verfahren) schon grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.

[11] 3.2. Zu den (auch die Bestellung des hiesigen Einschreiters zum Geschäftsführer betreffenden) Entscheidungen 6 Ob 22/21k, 6 Ob 23/21g, 6 Ob 38/21p und 6 Ob 39/21k kann zunächst auf die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Im Übrigen ist in diesen Entscheidungen zwar vom „Entsendungsrecht“, vom „entsendungsberechtigten (Minderheits-)Gesellschafter“ und vom „entsendeten Geschäftsführer“ die Rede. In keiner dieser jeweils in Firmenbuchverfahren ergangenen Entscheidungen war jedoch das Bestehen eines Entsendungsrechts der Klägerin dieses Verfahrens entscheidungserheblich, waren doch die Rechtsmittel aus anderen Gründen (nämlich mangels – jedenfalls alleiniger – Anmelde- bzw Rechtsmittelbefugnis) erfolglos.

[12] 3.3. Die Klägerin meint, die aus dem Aktienrecht übernommenen Bestimmungen über den Aufsichtsrat (§§ 30b, 30c GmbHG), auf die sich das Berufungsgericht gestützt habe, beträfen nicht die Geschäftsführer, bei denen das GmbHG mit „Bestellung“ stets auch die „Bestellung“ (durch Beschluss der Gesellschafter oder im Gesellschaftsvertrag [§ 15 Abs 1 GmbHG] oder durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft [§ 15 Abs 3]) verstehe, sodass auch ein vertraglich eingeräumtes Recht auf „Bestellung“ nicht in ein Nominierungsrecht umgedeutet werden könne.

[13] Auch wenn das GmbHG möglicherweise für Geschäftsführer beim Begriff „Bestellung“ im Sinn der Klägerin bereits den konstitutiven Rechtsakt erblickt, der keiner weiteren Voraussetzungen für die Wirksamkeit bedarf, wird anhand der einschlägigen Literatur deutlich, dass hinsichtlich gesellschaftsvertraglicher Regelungen (in Abweichung von gesetzlichen Dispositivregelungen) die Begriffe Namhaftmachungs-(Nominierungs-)recht wie auch Entsendungsrecht gebräuchlich sind (vgl nur Ratka/Völkl in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 Rz 41; Rohregger/Kudrna in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer, GmbHG § 15 Rz 23) und dass der demgegenüber allgemeine, im Gesetz verwendete Begriff der Bestellung nicht ohne weiteres zwingend darauf schließen lässt, welche „Bestellungsvariante“ – Entsendung ohne weitere Mitwirkung der übrigen Gesellschafter oder Namhaftmachung mit anschließendem (gebundenem) Bestellungsbeschluss, sofern nicht wichtige Gründe dagegen sprechen – vereinbart wurde. Wenn hier im Vertrag gerade kein „Entsendungsrecht“, sondern ein „Recht auf Bestellung“, und auch nicht etwa ein „Recht, einen Geschäftsführer zu bestellen“, eingeräumt wurde, kann von einem „klaren und eindeutigen“ Wortlaut der Vertragsbestimmung und einer die Auslegungsregeln verletzenden „Umdeutung“ der Bestimmung durch das Berufungsgericht nicht gesprochen werden.

[14] 3.4. Der Umstand, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 22/21k keine Entwertung eines Entsendungsrechts durch eine bloße Gesamtvertretungsbefugnis des entsendeten Geschäftsführers annimmt, steht der Erwägung des Berufungsgerichts zur mangelnden Praktikabilität des Auseinanderfallens von Bestellungsbefugnis und Festlegung der Vertretungsbefugnis nicht entgegen.

[15] 3.5. Soweit der Einschreiter (vgl 1.) ein Abweichen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung ortet, führt er keine Entscheidungen an, weshalb die Revision insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043650).

[16] 3.6. Inwiefern hier der Fall vorläge, dass bei einer personalistisch ausgestatteten GmbH die Berufung auf die objektive Auslegung rechtsmissbräuchlich sein könnte, wird nicht näher ausgeführt.

[17] 3.7. Bei der Beklagtenvertreterin liegt weder eine Doppelvertretung noch eine Vertretung einer Partei durch ihren Gegner (dazu Zib in Fasching/Konecny3 II/1 § 26 ZPO Rz 66) vor. Die Mehrheitsgesellschafterin ist nicht Verfahrenspartei, weshalb eine Nichtigkeitssanktion der Beauftragung der Beklagtenvertreterin durch die Beklagte nicht ersichtlich ist. Ein Interessenkonflikt ist nicht objektiviert, weil die beklagte Gesellschaft offenkundig denselben Rechtsstandpunkt wie die Mehrheitsgesellschafterin vertritt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00042.22B.1118.000

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