zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 24.03.2023, 6Ob233/22s

OGH vom 24.03.2023, 6Ob233/22s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. HoferZeniRennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in den verbundenen Firmenbuchsachen der jeweils im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg eingetragenen 1. S* AG, *, 2. G* Gesellschaft mit beschränkter Haftung Co KG, *, beide vertreten durch Schindler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Eintragung eines Einbringungsvertrags, des Wechsels von Gesellschaftern und deren Gesellschafterstellung, der Erhöhung des Grundkapitals sowie der Änderung der Satzung, über den Revisionsrekurs der Gesellschaften gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 106/22h11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 45 Fr 3336/22f5 und 45 Fr 3379/22v2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die G* Gesellschaft mit beschränkter Haftung Co KG (im Weiteren nur: KG), eine Kommanditgesellschaft mit inzwischen mehr als 200 Kommanditisten, wurde im Jahr 1967 zum Zweck der Errichtung und des Betriebs von Schleppliften, Einsesselliften und transportablen Klein-Schiliften sowie des Betriebs von Buffet- und Jausenstationen dieser Anlagen gegründet. Später wurde ihr Unternehmensgegenstand „modernisiert“ (Einseilschwebelifte [Doppelsessellifte], Nebenbetriebe der Schiliftanlagen) und erweitert (Beteiligung an Unternehmen gleicher Art sowie die Wahrnehmung der Geschäftsführung solcher Unternehmen).

[2] Die G* Gesellschaft mit beschränkter Haftung, * (im Weiteren nur: GmbH) ist deren Komplementärin.

[3] Gesellschafterinnen der KG (und der GmbH) streben aus steuerlichen Gründen und wegen der geplanten Erweiterung des Schigebiets dieFührung des Betriebs in Form einer AG an. Der Versuch, dieses Vorhaben mittels Errichtung einer (Tochter-)Aktiengesellschaft durch die GmbH (mit dieser als einziger Aktionärin), Einbringung der (Komplementär-)Beteiligung in die AG, womit die GmbH aus der KG ausscheidet und die AG zur Komplementärin wird, Einbringung der Kommanditbeteiligungen möglichst vieler Kommanditisten (zumindest aber 75 % des derzeitigen Kommanditkapitals) in diese gegen Ausgabe neuer Aktien und nachfolgende Verschmelzung der GmbH auf die AG unter Verzicht auf das Vorkaufsrecht der Gesellschafter der GmbH umzusetzen, scheiterte. Aufgrund der erfolgreichen Anfechtungsklage einer Gesellschafterin der GmbH (die zugleich auch Kommanditistin ist) wurden die diesbezüglichen Beschlüsse der GmbH (rechtskräftig) für nichtig erklärt (LG Salzburg vom , 9 Cg 45/21z; OLG Linz vom , 1 R 62/22a).

[4] Den hier zu beurteilenden Eintragungsgesuchen liegt wiederum mit Blickrichtung auf die Schigebietserweiterung das Ziel der Führung des gesamten Betriebs über eine (später mit einer anderen AG zu verschmelzenden) AG nun nach folgendem Plan zugrunde:

- Gründung einer AG:

Die Rechtsvertretung der Eintragungswerberinnen gründete als Alleinaktionärin die seit im Firmenbuch eingetragene S* AG, *, (im Weiteren nur: AG).

- die KG wird deren Alleinaktionärin:

Sie erwirbt alle Aktien der AG und wird damit deren Alleinaktionärin.

- Einbringung des Betriebs der KG in die AG:

Die KG bringt ihren gesamten Betrieb (samt aller von ihr gehaltenen Beteiligungen, Aktiven, Passiven, Dienstbarkeiten, Liegenschaften und Genehmigungen mit „Ausnahme eines Bankkontos“ [mit diesen Mitteln wird der Kauf der Aktien und die nachfolgende Kapitalerhöhung finanziert]) in die AG ein. Eine Kapitalerhöhung bei der AG und die Ausgabe neuer Aktien unterbleiben anlässlich der Einbringung, weil die einbringende KG „direkte Alleinaktionärin“ der übernehmenden AG ist. Die Satzung der AG wird angepasst, der zukünftige Aufsichtsrat anders zusammengesetzt.

- nachfolgende Kapitalerhöhungen der AG:

Das Grundkapital der AG von 70.000 EUR wird gegen Zeichnung der Aktien nach Bareinlage von je 1 EUR pro Aktie durch die KG auf 5,5 Mio EUR (mittels nicht eingebrachten Guthabens) erhöht und eine weitere Erhöhung des Grundkapitals um bis zu 6,25 Mio EUR gegen Bareinlage (durch ein Bankenkonsortium) unter Verzicht auf das Bezugsrecht der Gesellschaft genehmigt.

- weitere Komplementärin:

Eine AG, die bisher Kommanditistin der KG war (die S* AG [im Weiteren nur: K-AG]), wechselt in die Stellung einer Komplementärin.

- Vorweggenehmigung der Sachauskehr:

Bei Auflösung der KG wird die Auseinandersetzung durch Sachauskehr genehmigt.

[5] Dementsprechende Beschlüsse (samt entsprechender Gesellschaftsvertragsänderungen) wurden sowohl in der GmbH als auch in der KG (bloß) mehrheitlich gefasst. Einstimmigkeit konnte in der Gesellschafterversammlung der KG bei keinem der Beschlüsse erreicht werden.

[6] Nach dem Einbringungsvertrag wurde die Überweisung des Kaufpreises für den Erwerb der AG in Höhe von 70.000 EUR unmittelbar vor dessen Unterzeichnung beauftragt. Der Einbringungsvertrag wurde unterzeichnet.

In der konstituierenden Sitzung des (neuen) Aufsichtsrats der AG wurde unter anderem eine Änderung im Vorstand beschlossen.

Punkt XIII. des Gesellschaftsvertrags der KG lautet:

„Zur Beschlußfähigkeit der Gesellschaft muß mindestens die Hälfte des Gesellschaftskapitales vertreten sein. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefaßt.

Die Gesellschafterversammlung beschließt in allen wichtigen Angelegenheiten und solchen, die über den Umfang der gewöhnlichen Geschäftsführung hinausgehen, insbesondere über

a) die Genehmigung des Jahresabschlusses,

b) die Wahl des Abschlussprüfers

c) die Gewinnverteilung, und

d) die Abtretung von Geschäftsanteilen unter Lebenden, was die Neuaufnahme von Gesellschaftern bedeutet.

[…]“

Punkt XVII. lautet:

„Die Neuaufnahme von Kommanditisten ist vorgesehen und möglich. Der neu eintretende Kommanditist tritt als Gesellschafter in die Rechte und Pflichten des gegenwärtigen Vertrages ein. Die Komplementärin wird hiemit ermächtigt und beauftragt, namens aller übrigen Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag mit dem neuen Kommanditisten abzuschließen. Die Kommanditisten ermächtigen und beauftragen hiemit die Komplementärin, alle Eingaben bei Behörden und Gericht und alle Schriften zu unterzeichnen und etwa notwendige Änderungen dieses Gesellschaftsvertrages namens der übrigen Gesellschafter vorzunehmen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig und zweckmässig sind, um die Registrierung der gegenständlichen Gesellschaft im Handelsregister zu erwirken.“

[7] Die AG beantragte, die Änderung ihrer Geschäftsanschrift im Firmenbuch (die sich nunmehr an jener der KG befinde), die Kapitalerhöhung samt Satzungsänderung, die Einbringung sowie die Änderungen im Vorstand, im Stande der Aktionäre und im Aufsichtsrat einzutragen. Die GmbH und die K-AG ( Komplementärinnen der KG) beantragten die Eintragung des Einbringungsvertrags und des „Wechsels“ der Gesellschafterstellung der S* AG, wobei zu letzterem lediglich deren Eintragung als unbeschränkt haftende Gesellschafterin mit selbständiger Vertretungsbefugnis (nicht aber die Löschung ihrer Kommanditbeteiligung) begehrt wurde.

[8] Das Erstgericht wies die Eintragungsbegehren ab. Vertragsänderungen, die den materiellen Gehalt der Mitgliedschaft („Kernbereich“) betreffen (was nur mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Gesellschaft geklärt werden könne), seien einem Mehrheitsbeschluss entzogen. Die vorliegenden Beschlüsse beträfen die Grundlage des Gesellschaftsverhältnisses der Kommanditisten, würden doch diese bei Bewilligung der vorliegenden Antragsbegehren in wesentlichem Ausmaß ihre Mitbestimmungsrechte als Gesellschafter der KG verlieren. Das im Gesellschaftsvertrag verankerte Mehrheitsprinzip umfasse daher den vorliegenden Eingriff nicht. Fehle es aber an der erforderlichen Einstimmigkeit der Beschlussfassung seien die Eintragungsgesuche abzuweisen.

[9] Mit ausführlichem und konsistent begründetem Beschluss bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung. Es begründete dies (stark zusammengefasst) damit, dass der Gesellschaftsvertrag der KG eine Mehrheitsklausel vorsehe, die „wichtige Angelegenheiten“, und solche, „die über den Umfang der gewöhnlichen Geschäftsführung hinausgehen“, umfasse, während Gesellschaftsvertragsänderungen nicht, und zwar auch nicht bei den exemplarisch genannten Agenden, die der Beschlussfassung durch die Mehrheit unterliegen, erwähnt seien. Punkt XIII. lit d) des Gesellschaftsvertrags sei nicht als Gesellschaftsvertragsänderung zu verstehen. Das Rekursgericht bemühte bei seiner Auslegung die Vertrauenstheorie und kam zum Ergebnis, dass ein objektiver, redlicher Gesellschafter nicht damit rechnen werde, dass da grundsätzlich auch Satzungsänderungen (wie die Aufnahme eines neuen Komplementärs) von der Mehrheitsklausel umfasst seien; diese beziehen sich im Ergebnis damit nicht auf (alle) Vertragsänderungen. Überdies werde so massiv in die Struktur der Gesellschaft eingegriffen, dass diese völlig verändert und letztlich zu einer leeren Hülle gemacht würde. Die Frage eines Gesellschafters, ob durch die „Umstrukturierung“ die KG nicht „untergehen“ werde, sei in der Generalversammlung der KG gar nicht in Abrede gestellt worden. Auch der Einbringungsvertrag sei nicht wirksam, sei doch das ausschlaggebende Kriterium dafür letztlich die hier zu verneinende Schutzwürdigkeit des Dritten. Aufgrund des unZusammenhangs mit dem Aktienkaufvertrag seien auch die danach gefassten Beschlüsse nicht eintragungsfähig.

[10] Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil die höchstgerichtliche Rechtsprechung in den Fragen der Kernbereichslehre wie auch des Missbrauchs der Vertretungsmacht „noch in Bewegung“ scheine.

Rechtliche Beurteilung

[11] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) – ist der Revisionsrekurs nicht zulässig:

[12] 1. Der Revisionsrekurs befasst sich nicht damit, inwiefern die Kernbereichslehre noch „in Bewegung“ zu sein scheint (was auch vom Rekursgericht nicht näher dargestellt wurde), sondern ortet in der Entscheidung des Rekursgerichts vielmehr ein Abweichen von „langjähriger einheitlicher Rechtsprechung“ des Obersten Gerichtshofs, insbesondere wegen dessen „Abkehr vom Bestimmtheitsgrundsatz“ (wogegen ihn das Rekursgericht wieder eingeführt haben soll). Sollte dies nicht der Fall sein, fehle Rechtsprechung zum „exakten Anwendungsbereich der Kernbereichslehre“.

[13] 2. Für die Klärung der Frage, ob mit einer Klausel im Gesellschaftsvertrag wirksam eine von der grundsätzlich erforderlichen Einstimmigkeit abweichende Mehrheit (§ 161 Abs 2 iVm § 119 UGB [zu dessen Geltung vgl § 906 Abs 27 UGB]) vereinbart wurde, bedarf es an erster Stelle der Auslegung des Gesellschaftsvertrags.

[14] Bei einer Publikumsgesellschaft, wie der hier vorliegenden (bei der im Übrigen auch schon ein Mitgliederwechsel bei den Kommanditisten stattgefunden hat), ist dieser nach seinem Wortlaut und Zweck in seinem systematischen Zusammenhang objektiv auszulegen (6 Ob 96/20s [ErwGr 3]). Explizit wurde zur Auslegung solcher Mehrheitsklauseln schon festgehalten, dass der früher angenommene „Bestimmtheitsgrundsatz", wonach diese grundsätzlich eng (im Sinne einer starren Auslegungsregel) auszulegen sind und „im Zweifel“ ungewöhnliche Vertragsänderungen nicht erfassen, für Mehrheitsklauseln, die sich ausdrücklich auf die Vertragsänderung beziehen, aufgegeben wurde (4 Ob 229/07s [ErwGr 3.1.]; 4 Ob 2147/96f).

[15] Vor dem Hintergrund des (fehlenden) Minderheitenschutzes im Rahmen von Personengesellschaften hat der Oberste Gerichtshof zur Frage der Wirksamkeit von Bestimmungen über die mehrheitliche Beschlussfassung in Gesellschaftsverträgen auch bereits ausgeführt, dass die Gestaltungsfreiheit der Mehrheit ihre inhaltlichen Grenzen – abgesehen von Fällen der Gesetz- und Sittenwidrigkeit – nur in gesellschaftsvertraglich begründeten Sonderrechten einzelner Gesellschafter, im Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte, im Gleichbehandlungsgrundsatz, in der Treuepflicht und im Verbot einer willkürlichen, die Minderheit schädigenden Verfolgung von Eigeninteressen findet (4 Ob 229/07s [ErwG 3.1.]).

[16] Ebenso wurde schon erläutert, dass sich der Umfang des zuvor genannten „Kernbereichs“ nicht ohne Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Gesellschaften beantworten lasse. Wenn es für Inhalt und Umfang des Schutzes (exemplarisch aufgezählt) auf den Gesellschaftstyp, auf die Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft, auf die Beziehung zur Gesellschaft (etwa Arbeitsgesellschaft oder Kapitalist) und zu den anderen Gesellschaften im Hinblick auf die Berücksichtigung persönlicher Abhängigkeiten sowie auf die Auswirkung des Beschlusses auf die gesamten wirtschaftlichen und persönlichen Lebensumstände des etroffenen ankommt (vgl RS0107117), ist schon klargestellt worden, dass derartige Entscheidungen stark von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägt sind.

[17] 3. Damit wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits herausgearbeitet, dass ein wirksamer Mehrheitsbeschluss voraussetzt, dass die allgemeinen Auslegungsregeln (so auch Enzinger in MüKoHGB II4 § 119 Rz 81; U. Torggler/H. Torggler in FS Roth 831, 835; S.-F. Kraus in U. Torggler, UGB³ [Stand , rdb.at] § 119 Rz 19; vgl auch Thöni in Zib/Dellinger, UGB II [2017] § 119 UGB Rz 159; Appl in Straube/Ratka/Rauer, UGB I4 [2017]§ 119 Rz 46) folgende, nicht zwingend einschränkend vorzunehmende Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass der Beschlussgegenstand von der Mehrheitsklausel umfasst ist, dass aber selbst bei Bejahung dieser Frage einer Mehrheitsklausel (inhaltliche) Schranken ihrer Wirksamkeit auferlegt sein können.

[18] 4. In der Entscheidung des Rekursgerichts über die hier vorliegende Sachverhaltskonstellation liegt weder eine Verkennung dieser Grundsätze noch ein Abweichen von bisheriger Rechtsprechung.

[19] Das Rekursgericht hat den Gesellschaftsvertrag weder regelhaft zwingend noch „im Zweifel“ einschränkend ausgelegt. Es hat ohne Korrekturbedarf erkannt, dass die der allgemeinen und prima vista weitreichenden Formulierung in Punkt XIII. nachfolgende exemplarische Auflistung von Beschlussgegenständen der Vertragsbestimmung einen ihre Reichweite einschränkenden und ihre Universalität abschwächenden Gehalt verleiht. Darin, dass das Rekursgericht darauf hinwies, dass in Punkt XVII. des Gesellschaftsvertrags ausdrücklich nur die Neuaufnahmen von Kommanditisten als „vorgesehen und möglich“ bezeichnet werde, er aber über die Aufnahme von Komplementären nichts sage, liegt ebenso wenig eine Fehlbeurteilung wie in seinem Abstellen darauf, womit ein objektiver, redlicher Gesellschafter der KG Vertrauenstheorie rechnen musste.

[20] Mit dem Katalog wurde nämlich den Gesellschaftern umschrieben, was (und welche Art von Maßnahmen ihrer Bedeutung und ihren Konsequenzen nach) sie unter „wichtigen“ Angelegenheiten und „außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen“ verstehen durften. Damit war ein „Maßnahmenniveau“ für die Beschlussgegenstände fernab von den nun geplanten tiefgreifenden, die Struktur der Gesellschaft real zerstörenden und die Rechte der Gesellschafter empfindlich einschränkenden Maßnahmen vorgegeben.Ein Gesellschafter der KG musste, als er sich der Mehrheitsklausel unterwarf, gerade angesichts der exemplarischen Auflistung von typischerweise anfallenden Agenden des „durchschnittlichen“ (Normal-)Betriebs, wie sie der Gesellschafterversammlung jeder (Publikums-)KG regelmäßig zukommen (die Genehmigung des Jahresabschlusses, die Wahl des Abschlussprüfers, die Gewinnverteilung und der Beschluss über die Abtretung von Geschäftsanteilen unter Lebenden), nicht damit rechnen, dass er sich mit dieser Klausel der Mehrheit in Bezug auf ungewöhnliche „gravierende“ Gesellschaftsvertragsänderungen unterwirft. Mit der hier bewirkten grundlegenden Strukturänderung wird – wiewohl der Gesetzgeber eine formwechselnde (identitätswahrende) Umwandlung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften nicht ermöglicht hat – der Kommanditist faktisch (vorerst) zum mittelbaren Aktionär, wobei die Sachauskehr, mit der die Gesellschafter der KG (direkt) zu Aktionären werden, absehbar ist. Mit der Stellung als mittelbare Aktionäre (über die formell noch aufrechte [nunmehr: Holding-]KG) werden die Gesellschafter aber tatsächlich ohnehin nicht bessergestellt.

[21] 5. Der Revisionsrekurs stellt in Abrede, dass mit den Beschlüssen eine einschneidende Änderung der KG als Ganzes und der Rechte ihrer Gesellschafter einhergeht. Er konzentriert sich in seinen Ausführungen darauf, dass der Wert der Kommanditbeteiligung nicht geschmälert werde, womit alle Mitbestimmungs- und Kontrollrechte, wie sie den Kommanditisten hinsichtlich des operativen Betriebs, der nach dem Jahresabschluss eindeutig den wesentlichen Kern des Unternehmens bildet, außer Acht gelassen werden. Dass keine Änderung des Unternehmensgegenstands vorliegen soll, weil Beteiligungen bereits bisher im Unternehmensgegenstand enthalten waren, verschweigt, dass damit der operative Betrieb aufgegeben und sich die KG von einem operativen Betrieb (mit untergeordneten Beteiligungen an Unternehmen gleicher Art) in eine reine HoldingGesellschaft verändern würde. Die Umschreibung „Beteiligungen an Unternehmen gleicher Art“ im Gesellschaftsvertrag ließe sich (mangels Betriebs) auch nicht mehr am Maßstab des bisherigen (operativen) Betriebs als „gleicher Art“ messen.

[22] Die Kommanditisten konnten bisher im Rahmen der Gesellschafterversammlung auf den operativen Geschäftsbetrieb insofern Einfluss nehmen, als sie ihre Ansicht darlegen, auf die Meinung anderer Gesellschafter in der Diskussion durch ihre Argumente Einfluss nehmen und mit(be)stimmen konnten. Sie konnten ihre unverzichtbaren (Thöni in Zib/Dellinger, UGB [2017] § 119 Rz 130; Baumüller/Grbenic ebendort § 166 Rz 42; Huber, Kernbereichslehre in RDB Keywords Rz 3) Informations und Kontrollrechte nach § 166 Abs 1 und 3 UGB in Bezug auf den (auf eigenen Liegenschaften betriebenen) Schiliftbetrieb ausüben. Diese Rechte umfassen es, eine abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu fordern und die Richtigkeit des Jahresabschlusses unter Einsicht der Bücher und Schriften prüfen zu können. Zwar können sie ihr (ordentliches) Kontrollrecht nicht jederzeit, zumindest aber anlässlich der Kontrolle der Richtigkeit des Jahresabschlusses ausüben (§ 166 Abs 1 UGB); es kommt ihnen darüber hinaus (auch während des Geschäftsjahres) das außerordentliche Kontrollrecht zu (§ 166 Abs 3 UGB), wenn hierfür wichtige Gründe gegeben sind (etwa bei Verdacht auf unredliche Geschäftsführung oder wenn ihre ordentlichen Kontrollrechte missachtet wurden). Nicht nur wären sie bei einem Verfahren über den Entzug der Geschäftsführungsbefugnis nach § 117 Abs 1 UGB zu beteiligen, es kann ein Kommanditist im Falle des Ausschlusses des unbeschränkt haftenden Gesellschafters von der Geschäftsführung (gerade für die Dauer des Rechtsstreits) sogar allein mit der Geschäftsführung betraut werden (1 Ob 201/02v; RS0117198). Er ist mit allen Gesellschaftern für den Zeitraum von der Rechtskraft der Entscheidung bis zur tatsächlichen Neuregelung durch eine Vertragsänderung der Gesellschafter mit den anderen Gesellschaftern gemeinsam vertretungsbefugt (Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 [2022] § 117 Rz 69; Schopper/Walch in Zib/Dellinger UGB [2017] § 117 Rz 80). Der bisher einzigen Komplementärin, der eine zweite Komplementärin zur Seite gestellt wird, wiewohl der Gesellschaftsvertrag immer nur von „der Komplementärin“ spricht, kommen als solcher überhaupt ein umfassendes Kontrollrecht (§ 118 UGB) und die Geschäftsführung des Betriebs zu. Während die Gesellschafter in der Komplementär-GmbH bisher Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer und damit die Lenkung des operativen Betriebs weitgehend in der Hand hatten, sind sie nunmehr der gemeinsamen Geschäftsführung mit einer zweiten Gesellschaft (einer AG) ausgesetzt. Das Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafter (die zu einem Teil auch Kommanditisten sind) kann sich im Übrigen bloß noch auf Maßnahmen im Rahmen der Beteiligungen beziehen. Auf Geschäftsführungsmaßnahmen des operativen Betriebs, der nunmehr einer AG obliegen soll, käme der (den) Komplementärin(nen) dagegen kein direkter Einfluss mehr zu, obläge doch dessen Geschäftsführung dann dem vom Aufsichtsrat bestellten und kontrollierten Vorstand der AG. Das Aktiengesetz selbst billigt den Gesellschaftern dagegen kein Recht auf Mitwirkung an Geschäftsführungsmaßnahmen oder der Feststellung des Jahresabschlusses zu (sondern wäre die Mitwirkung der Aktionäre an der Feststellung des Jahresabschlusses vom Willen des Aufsichtsrats und Vorstands abhängig; vgl § 96 Abs 4 AktG). Es kann zwar in der Hauptversammlung (durch Erwirkung eines Beschlusses) die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat erwirkt werden, nicht aber eine Abberufung der Geschäftsführung (des Vorstands und Aufsichtsrats). Auskunftsrechte kommen dem Aktionär gemäß § 118 AktG nur in der Hauptversammlung zu und nur, soweit die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunkts überhaupt erforderlich ist.

[23] Die Vorwegnahme der Zustimmung zur Sachauskehr lässt auf den Gesamtplan, die Gesellschafter der KG zu Aktionären zu machen, schließen, womit faktisch die im Gesetz nicht eingeräumte rechtsformwechselnde Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft vollzogen wäre. Zwar kann ein dem Rechtsformwechsel zumindest ähnliches Ergebnis, wenn auch nicht unter Beibehaltung der Identität, aber mit Gesamtrechtsnachfolge, also wirtschaftlich und rechtlich weitgehend mit denselben Folgen, erreicht werden. Die Umwandlung von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft kann durch einen Umwandlungsbeschluss nach § 5 UmwG („Umwandlung unter gleichzeitiger Errichtung einer eingetragenen Personengesellschaft“) erfolgen, jene in die (hier verfolgte) umgekehrte Richtung von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft durch Abtretung aller Gesellschaftsanteile an einen Gesellschafter. Damit verbliebe nur mehr ein (in Form einer Kapitalgesellschaft organisierter) Gesellschafter, auf den das gesamte Vermögen gemäß § 142 UGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge („Anwachsung“) übergeht (RS0113657; 2 Ob 54/00f).

[24] Allein bei der Umwandlung von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und in der besonderen Konstellation des Vorhandenseins eines Hauptgesellschafters, der über (mindestens) neun Zehntel des Grundkapitals (Stammkapitals) verfügt, bedarf es dazu (bloß) eines Mehrheitsbeschlusses dieser neun Zehntel; ansonsten ist die Zustimmung aller Gesellschafter der Kapitalgesellschaft notwendig (§ 5 Abs 2 UmwG). Ebenso bedarf es bei der zuvor beschriebenen „Anwachsung“ der Übertragung durch jeden einzelnen Gesellschafter und damit der Zustimmung aller Gesellschafter der Personengesellschaft. Diese Wertung des Gesetzgebers kann auch für die hier zu lösende und mit Blick auf das Ergebnis gleichgelagerte Umstrukturierung nicht ohne Bedeutung sein.

[25] Selbst wenn der letzte Schritt (Auflösung der KG samt Sachauskehr) nicht erfolgen sollte, bliebe es dabei, dass schon durch die Umsetzung der beantragten Eintragungen die Gesellschafter der KG faktisch zu „mittelbaren Aktionären“ geworden sind, beschränkte sich die Gesamtheit ihrer formal (noch) aufrecht erhaltenen Mitbestimmungs-, Kontroll- und Einsichtsrechte doch künftig – wie bereits erwähnt – nur mehr auf die Beteiligungen der (nun zur bloßen Holding umgestalteten) KG.

[26] Dass die Vorinstanzen in diesem Vorgang, der nicht in Einzelschritte zu zerlegen ist und der mit einer faktischen „Entrechtung“ der Gesellschafter der KG einhergeht, angesichts des konkreten Gesellschaftstyps, der Stellung der Gesellschafter in dieser Gesellschaft und unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Beschlüsse auf die konkret Betroffenen eine in den „Kernbereich“ eingreifende fundamentale Umstrukturierung sahen, begegnet keinen Bedenken. Der vom Revisionsrekurs ins Treffen geführten „Unmöglichkeit“, eine Einstimmigkeit zu erreichen, kann durch Klage auf Zustimmung der nicht zustimmenden Gesellschafter (bei treuwidriger Verweigerung etwa bei einer – hier nicht ersichtlichen – zur Führung des Betriebs unumgänglichen Maßnahme) begegnet werden (vgl Appl in Straube/Ratka/Rauer, UGB I4 [2017] § 119 Rz 31), worauf schon das Rekursgericht hingewiesen hat.

[27] 6. Das behauptete Abweichen von bisher (jeweils zu Streitverfahren) ergangener Rechtsprechung zur Auslegung (4 Ob 2147/96t; 2 Ob 281/05t; 4 Ob 229/07s) liegt damit nicht vor.

[28] Zur Entscheidung zu 4 Ob 2147/96t ist hervorzuheben, das sie sich zwar mit einer ihrer Struktur nach einer Kapitalgesellschaft nahekommenden KG (die nicht als Publikums-KG beurteilt wurde) befasste, bei der aber der Gesellschaftsvertrag die Änderungen des Gesellschaftsvertrags ausdrücklich einer Zwei-Drittel-Mehrheit unterwarf. Der Unternehmensgegenstand der KG wurde damals „auch nicht grundlegend geändert, sondern erweitert“. Dem Beschluss zu 2 Ob 281/05w (ebenfalls eine GmbH Co KG betreffend) ist das Auslegungsergebnis der Mehrheitsklausel (wonach „hinsichtlich bestimmter, im Einzelnen geregelter, die Erbnachfolge und die Abtretung von Kommanditanteilen betreffender Agenden für einen wirksamen Gesellschafterbeschluss Einstimmigkeit erforderlich sei, jedoch alle anderen Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit gefasst werden könnten“) dahin zu entnehmen, dass die übereinstimmende Vorstellung der Gesellschafter von der Reichweite der Mehrheitsklausel auf die Einbeziehung „aller nicht völlig unvorhersehbaren oder ungewöhnlichen, jedenfalls daher der gesetzlich verankerten Beschlussgegenstände“ gerichtet war, weshalb die (gesetzlich in § 131 Z 2 UGB normierte) Auflösung der Gesellschaft durch Gesellschafterbeschluss im Wege eines Mehrheitsbeschlusses als wirksam angesehen wurde. Der Entscheidung zu 4 Ob 229/07s lag ein Beschluss der Gesellschafter einer GesbR zugrunde, wobei die Auslegung nach dem konkreten Willen der vertragsschließenden Parteien iSd § 914 ABGB vorzunehmen war. Dafür fehlten noch Feststellungen, ob mit der Vertragsänderung ein (un-)entziehbares Sonderrecht herbeigeführt werden und die Vertragsänderungsklausel nur für die „Füllung von Lücken“ und „ganz schlichte Änderungen“ gelten sollte. Wenn der 4. Senat damals (für den Fall künftiger Beweiswürdigung im Sinne eines auf ein entziehbares Sonderrecht eines Gesellschafters gerichteten Willens) ausführte, dass der Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte durch die Vertragsänderung nicht entscheidend betroffen sei, weil sie letztlich im Kern zu einer „Demokratisierung der bisher stark auf den Leiter konzentrierten Gesellschaftsstruktur führe und damit den Einfluss aller anderen Gesellschafter erhöhe, womit die Struktur ohnehin dem Leitbild des dispositiven Rechts angenähert werde, lässt sich auch aus diesem Fall für den Standpunkt des Revisionsrekurses nichts gewinnen, zumal hier eine Annäherung an das Leitbild der KG durch die geplanten Änderungen gerade fehltund diese im Gegenteil letztlich in eine andere Gesellschaftsform mit anderen gesetzlichen Grundregeln transformiert werden soll.

[29] 7. Der Revisionsrekurs übersieht bei Bemängelung der Beurteilung der fehlenden Wirksamkeit des Einbringungsvertrags als Überraschungsentscheidung durch das Rekursgericht, dass die gesetzmäßige Ausführung einer auf das Verbot von Überraschungsentscheidungen (§§ 182, 182a ZPO) gestützten Mängelrüge die Darlegung erfordert hätte, welches konkrete zusätzliche Vorbringen die Partei erstattet hätte, wenn sie entsprechend angeleitet worden wäre (RS0037325 [T5]; RS0120056 [T2, T7, T8, T12]), was aber im Rahmen der Ausführung der Mängelrüge hier nicht erfolgte.

[30] Der AG war (durch die Kenntnis ihres Vorstands) bekannt, dass das Handeln des Vertreters der KG bei Abschluss des Vertrags als Teil des „Gesamtplans“ (RS0019576; siehe auch RS0051485 e contrario; vgl im Übrigen auch die Erwägungen von Sonnberger, Zur Gesellschafterzustimmung bei Veräußerung des Unternehmens einer OG/KG, wbl 2019, 181 ff [196]).

[31] 8. Gegen die Verweigerung der weiters begehrten Eintragungen (Änderungen im Aufsichtsrat der AG, Adressänderung der AG auf jene der KG, Eintragung der Kommanditisten-AG als Komplementärin) bringt der Revisionsrekurs gar keine Argumente vor und stellt sich nicht gegen den vom Rekursgericht angenommenen inneren Zusammenhang.

[32] 9. Der Revisionsrekurs vermag damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage darzustellen und ist zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00233.22S.0324.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.