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OGH 25.09.2023, 6Ob176/23k

OGH 25.09.2023, 6Ob176/23k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. HoferZeniRennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin A*, vertreten durch Summereder Pichler Wächter Rechtsanwälte GmbH in Leonding, wider die Antragsgegnerin N* SE, *, Deutschland, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Erteilung einer Auskunft nach § 18 Abs 4 ECG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 108/23d10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

[1] Die Antragstellerin mit Sitz in Österreich begehrt von der Antragsgegnerin mit Sitz in Deutschland Auskunft über Nutzerdaten zu dem von letzterer betriebenen Dienst bzw ihrer Website nach § 18 Abs 4 ECG.

[2] Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Antrags durch das Erstgericht unter Hinweis darauf, dass nach dem Herkunftslandprinzip § 18 Abs 4 ECG nicht zur Anwendung gelange.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Revisionsrekurs kann dazu keine erhebliche Rechtsfrage darlegen:

[4] 1. Die Antragstellerin brachte selbst von Beginn an vor, es sei ihr bewusst, dass in Deutschland (als dem Herkunftsland) kein mit § 18 Abs 4 ECG vergleichbarer Auskunftsanspruch Dritter gegen den Internetprovider/Telemedienanbieter existiere. Sie berief sich zur Anwendung von § 18 Abs 4 ECG auf die Ausnahme (vom Herkunftslandprinzip) nach § 22 Abs 2 Z 1 ECG. Der in dieser Bestimmung genannte (Ausnahmegrund des) Schutz(es) der „öffentlichen Ordnung“ umfasse die Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten. Der Auskunftsanspruch nach § 18 Abs 4 ECG schaffe hier die Voraussetzungen für die strafrechtliche Verfolgung des bislang unbekannten Verfassers der (über die Antragstellerin verbreiteten) verleumderischen und kreditschädigenden Äußerungen auf der Website der Antragsgegnerin. Als Anspruchsgrundlagen wurde allein § 1330 ABGB genannt.

[5] 2. Das Rekursgericht ging sehr wohl auf das Vorbringen der Antragstellerin ein, verneinte aber schon das Vorliegen eines (im Rekurs erstmals genannten) Straftatbestands nach § 152 StGB (weil keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern eine subjektive Einschätzung des Arbeitgebers veröffentlicht worden sei). Außerdem hielt es der Antragstellerin vor, dass sich dieser Straftatbestand „nur“ auf das Vermögen, nicht aber auf den (in § 22 Abs 2 Z 4 ECG genannten) Schutz öffentlicher Interessen beziehe (vgl dazu näher 6 Ob 180/21w [ErwGr 2.1.7.]).

[6] 3. Im Revisionsrekurs behauptet die Antragstellerin nun, sie habe schon im erstinstanzlichen Verfahren Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die die Prüfung eines (letztlich von ihr mitverfolgten) Anspruchs nach dem UWG durch das Rekursgericht nach sich ziehen hätte müssen. Auch „im Zusammenhang mit wettbewerbsrechtlichen Sachverhalten“ bestünde nach § 22 Abs 2 Z 5 ECG („Schutz der Verbraucher einschließlich des Schutzes der Anleger“) das Herkunftslandprinzip nicht.

[7] 4. Damit macht sie eine unrichtige Auslegung ihres Vorbringens durch das Rekursgericht geltend (die in weiterer Folge eine fehlerhafte, weil ohne Prüfung nach dem UWG gebliebene rechtliche Beurteilung nach sich gezogen habe).

[8] Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist aber eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828). Gegenteiliges würde im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann gelten, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre oder gegen die Denkgesetze verstieße (RS0042828 [T11]), das Auslegungsergebnis daher als unvertretbar anzusehen wäre (RS0042828 [T30]). Das ist hier nicht der Fall:

[9] 5. Einen Sachverhalt, der in Richtung eines wettbewerbsrechtlich bedenklichen Verhaltens aufzufassen gewesen wäre, hat die Antragstellerin im Verfahren erster Instanz nicht vorgetragen. Sie brachte lediglich vor, unter der von der Antragsgegnerin betriebenen Arbeitgeberbewertungsplattform sei unter einem bestimmten Link ein Eintrag mit dem Titel „Abzocke“ von einer ihr unbekannten Person gepostet worden, wonach bei der Antragstellerin „Unprofessionalität, Ignoranz, keine Wertschätzung“ herrschen würde, „Ausnutzung der Ma“ passieren würde, „Möchtegern Makler ohne Prüfung“ arbeiten sowie „irreführende Plakate“ und die Weiterbildung im „ablucksen von Immobilien“ bestehen würden. Sowohl „das 'Möchtegern Makler ohne Prüfung', als auch die Veröffentlichung von 'irreführende Plakate'“ [Anm: veröffentlicht unter der Rubrik „Work-Life-Balance“] stellten verleumderische und kreditschädigende Feststellungen (Tatsachenbehauptungen) dar, weil sich die Antragstellerin keines strafrechtlich relevanten Verhaltens schuldig gemacht habe. Der Auskunftsanspruch nach § 18 Abs 4 ECG diene dazu, die spätere Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen aus ehrverletzenden und rufschädigenden Äußerungen in einem Medium oder von Schadenersatz zu ermöglichen. Als Hilfsanspruch nach § 1330 ABGB falle er in die Zuständigkeit der Handelsgerichte.

[10] 6. Weder hat die Antragstellerin auch nur angedeutet oder dargelegt, die ihr nachteiligen Behauptungen seien hier zu Zwecken des (unlauteren) Wettbewerbs über ihr Unternehmen (als ein anderes Unternehmen) behauptet oder verbreitet worden, noch hat sie (im Hinblick auf § 2 UWG) vorgebracht, wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht und ob eine nach diesen Kriterien unrichtige Angabe geeignet wäre, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte (vgl 4 Ob 182/22a [Rz 10 f]). Einen Anspruch nach § 2 UWG hat die Antragstellerin damit nicht bemüht (auf welche Bestimmungen sich die von ihr zitierten Entscheidungen 4 Ob 234/03w und 4 Ob 47/07a zur Ausnahme von Herkunftslandprinzip beziehen), noch hat sie dazu den in § 22 Abs 2 Z 5 ECG angesprochenen Verbraucherschutz ins Treffen geführt und mit ihren Ausführungen verknüpft.

[11] 7. Der vom Revisionsrekurs wiederholt bemühte Grundsatz „iura novit curia“ entpflichtet die Partei nicht davon, das anspruchsbegründende Tatsachenvorbringen zu erstatten. Der Vorwurf, das Rekursgericht hätte die rechtliche Subsumtion des bereits im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Vorbringens auch im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Verstöße (auch nach deutschem Lauterkeitsrecht) vornehmen müssen, weshalb in ihren Ausführungen im Rekurs dazu kein Verstoß gegen das Neuerungsverbot gelegen sei, ist damit nicht zu teilen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00176.23K.0925.000

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.at | Judikat (RIS)