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OGH vom 18.11.2022, 6Ob174/22i

OGH vom 18.11.2022, 6Ob174/22i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. HoferZeniRennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Feldkirch zu FN * eingetragenen J* Privatstiftung, *, wegen Eintragung der Neufassung der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Stiftung, vertreten durch Univ.Prof. Dr. Manfred Umlauft, öffentlicher Notar in Dornbirn, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 42/22h9, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 12 Fr 27/22f6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird .

Text

Begründung:

[1] Die J* Privatstiftung ist seit im Firmenbuch zu FN * eingetragen. Der Stiftungszweck ist Vermögensverwaltung.

[2] Mit zwei Notariatsakten vom wurden die Stiftungsurkunde und die Stiftungszusatzurkunde von der dazu seit dem Ableben des Erststifters berechtigten Zweitstifterin durchgreifend geändert und gänzlich neu gefasst.

Die neugefasste Stiftungsurkunde, deren Eintragung begehrt wird, lautet auszugsweise:

„[…]

VI. Begünstigte

1. Nachdem der Erststifter [...] verstorben ist, ist Erstbegünstigte nunmehr die Zweitstifterin [...]. Sie bestimmt selbst nach Maßgabe der Regelungen in der Stiftungszusatzurkunde über die Art und das Ausmaß der Zuwendungen an sie.

[…]

VIII. Organe der Stiftung

1. Organe der Stiftung sind:

a) der Stiftungsvorstand

b) der Beirat und

c) der Stiftungsprüfer

[...]

IX. Zusammensetzung des Stiftungsvorstandes

[...]

2. a) Die Bestellung der Stiftungsvorstandsmitglieder erfolgt durch Beschluss des Beirates. Der Beirat ist jedoch auf Grundlage eines entsprechenden Beiratsbeschlusses auch berechtigt, die Bestellung von Stiftungsvorstandsmitgliedern durch das Gericht gemäß § 27 Abs 1 PSG zu beantragen.

[...]

e) Vor Ablauf der Funktionsperiode kann ein Mitglied des Stiftungsvorstandes nur aus wichtigem Grund abberufen werden. Diese Abberufung obliegt – unbeschadet der Bestimmungen des nachfolgenden Absatzes lit. g) – dem Beirat. Für die Abberufung ist eine Mehrheit von mindestens 3/4 der abgegebenen Stimmen erforderlich; hat der Beirat weniger als 4 (vier) Mitglieder, so ist Stimmeneinhelligkeit erforderlich (§ 14 Abs 3 PSG).

f) Soll in einem solchen Fall der Stiftungsvorstand oder eines seiner Mitglieder aus anderen als den in § 27 Abs 2 Z 1–3 PSG angeführten Gründen abberufen werden, so darf Begünstigten, deren Angehörigen (§ 15 Abs 2 PSG) und Personen, die von Begünstigten oder deren Angehörigen mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Organ gemäß § 14 Abs 2 PSG beauftragt wurden, bei dieser Entscheidung insgesamt nicht die Mehrheit der Stimmen zustehen (§ 14 Abs 4 PSG); käme diesen bei einer diesbezüglichen Abstimmung die Mehrheit der Stimmen zu, wird ihr Stimmrecht – auch wenn es dabei zu Bruchteilen von Stimmen kommt – dahingehend gekürzt, dass sie zusammen lediglich über die Hälfte der Stimmen verfügen, wobei die Kürzung anteilig erfolgt; nehmen an der Abstimmung Beiratsmitglieder des genannten Personenkreises teil, denen mehr als 50 % (fünfzig Prozent) der Stimmen zustehen, darf eine Abberufung nur aus den in § 27 Abs 2 Z 1–3 PSG genannten Gründen erfolgen.

[...]

5. Stiftungsvorstandsmitglieder werden auf die Dauer von 3 (drei) Jahren bestellt. [...] Stiftungsvorstandsmitglieder können nur insoweit auf eine kürzere als auf eine dreijährige Dauer bestellt werden, als dies nach Maßgabe des Gesetzes und der oberstgerichtlichen Auslegung der diesbezüglichen Bestimmungen zulässig ist.

[...]

XI. Verwaltung

[...]

2. Der Beirat ist jederzeit berechtigt, eine Geschäftsordnung für den Stiftungsvorstand zu erlassen, die Verteilung der Geschäfte im Stiftungsvorstand vorzunehmen und über Änderungen der Geschäftsordnung zu entscheiden.

[...]

XII. Bericht an den Beirat

1. Der Stiftungsvorstand hat dem Beirat jährlich über die Verwaltung und über die Lage der Stiftung und der einzelnen Rechnungskreise sowie dem Vorsitzenden des Beirates bei wichtigem Anlass mündlich oder schriftlich zu berichten. Der Bericht hat den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen.

2. Spätestens innerhalb Monatsfrist vor Ende eines jeden Geschäftsjahres ist dem Beirat der Jahresvoranschlag für das kommende Geschäftsjahr zu Handen des Vorsitzenden des Beirates vorzulegen.

[...]

XIV. Zustimmungspflichtige Rechtshandlungen

Der Stiftungsvorstand bedarf zu bestimmten Rechtshandlungen der Zustimmung durch den Beirat; diese Beschränkung gilt jedoch nach den gesetzlichen Vorschriften nur im Innenverhältnis. Diesbezüglich wird auf die näheren Bestimmungen des 4. Abschnittes der Stiftungsurkunde verwiesen.

XV. Entlohnung des Stiftungsvorstandes

1. Der Stiftungsvorstand hat Anspruch auf angemessene Vergütung im Sinne des Privatstiftungsgesetzes. Die Höhe der Vergütung soll sich nach dem Ausmaß der zeitlichen Beanspruchung und der Verantwortung richten und wird entsprechend diesen Grundsätzen vom Beirat bestimmt.

2. Die Höhe der geltend gemachten Ansprüche ist vom Stiftungsprüfer zu prüfen, der hiezu eine Stellungnahme abzugeben hat. Der Stiftungsvorstand ist erst nach Erhalt der zustimmenden Stellungnahme durch den Stiftungsprüfer ermächtigt, die Vergütung dem jeweiligen Vorstandsmitglied auszubezahlen.

[...]

Vierter Abschnitt

Beirat

[...]

XXIV. Zuständigkeit

1. Der Beirat entscheidet über folgende Angelegenheiten:

a) Bestellung oder Antrag für die Bestellung von Vorstandsmitgliedern sowie Abberufung oder Antrag für die Abberufung von Vorstandsmitgliedern aus wichtigem Grund (Punkt IX. Absatz 2. der Stiftungsurkunde);

b) Vorschlag für die Bestellung des Stiftungsprüfers;

c) Genehmigung des Jahresabschlusses samt Anhang und Lagebericht sowie des Prüfungsberichts;

d) Zustimmung zu folgenden Beschlüssen und Rechtshandlungen des Stiftungsvorstandes;

aa) Bestellung von Begünstigten, soweit der Stiftungsvorstand hiefür zuständig ist (Punkt VI. Absatz 3. der Stiftungsurkunde);

bb) Vorschlag für bzw. Zustimmung zu Zuwendungen an Begünstigte, soweit solche Entscheidungen nach Maßgabe der Bestimmungen der Stiftungserklärung in die Kompetenz des Beirats fallen;

cc) Erwerb von Unternehmensbeteiligungen sowie von Liegenschaften und liegenschaftsähnlichen Rechten (Baurechte und Superädifikate);

dd) Veräußerung und Belastung von Unternehmensbeteiligungen sowie von Liegenschaften und liegenschaftsähnlichen Rechten (Baurechte und Superädifikate);

ee) Gewährung oder Aufnahme von Krediten und Darlehen aller Art;

ff) Übernahme von Haftungen und Belastungen des Stiftungsvermögens;

gg) Auflösung der Privatstiftung und Verteilung des Vermögens;

hh) Investitionen (einschließlich Miete und Leasing) außerhalb der Betragsgrenzen des jährlichen Voranschlags;

ii) jährlicher Voranschlag, welcher auch die Betragsgrenzen gemäß hh) festzusetzen hat;

jj) Erteilung von Handlungsvollmachten;

kk) Abschluss und wesentliche Änderung von Verträgen, die über den Umfang des laufenden Geschäftsbetriebes hinausgehen und für die Privatstiftung von grundsätzlicher Bedeutung sind;

ll) Festlegung allgemeiner Grundsätze der Geschäftspolitik;

mm) Ausübung der Gesellschafterrechte in Gesellschaften, an denen die Stiftung mit mehr als 1 % (einem Prozent) beteiligt ist; wird die betreffende Entscheidung vom Beirat nicht rechtzeitig getroffen, so ist der Stiftungsvorstand in der Ausübung dieser Gesellschafterrechte frei, wobei der Stiftungsvorstand den Beirat von solchen Angelegenheiten jeweils unverzüglich zu informieren hat.

[...]

3. Weiters steht dem Beirat das Kontrollrecht zu. Zu diesem Zwecke hat der Beirat volles Einsichts- und Informationsrecht.

4. Wenn und solange das Zustimmungsrecht des Beirats im Hinblick auf dessen Besetzung gegen zwingende Bestimmungen des Privatstiftungsgesetzes und/oder deren Auslegung durch den Obersten Gerichtshof verstoßen sollte, ändert sich das Zustimmungsrecht des Beirates in ein Anhörungs- und Empfehlungsrecht.

[…]

Fünfter Abschnitt

Stiftungsprüfer

XXVI. Bestellung

[...]

2. Der Stiftungsprüfer wird vom Gericht über Vorschlag des Beirates bestellt. Die Bestellung erfolgt jeweils auf die Dauer von längstens 5 (fünf) Jahren.

[...]

XXIX. Jahresabschluss

1. Der Stiftungsvorstand hat in den ersten 5 (fünf) Monaten des Geschäftsjahres für das vergangene Geschäftsjahr den Jahresabschluss samt Anhang sowie einen Lagebericht zu erstellen und dem Stiftungsprüfer und dem Beirat vorzulegen.

[...]

3. Der Beirat hat den Jahresabschluss samt Anhang und Lagebericht sowie den Prüfungsbericht binnen 1 (einem) Monat nach Vorlage des Prüfungsberichtes zu überprüfen und über die Genehmigung zu entscheiden.

4. Genehmigt der Beirat den Jahresabschluss nicht oder bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Stiftungsprüfer und anderen Stiftungsorganen gemäß § 21 Abs 4 PSG, so hat das Gericht auf Antrag eines Stiftungsorgans zu entscheiden. […]“

[3] Das Erstgericht wies (nach zwei erfolglosen Verbesserungsaufträgen) das Eintragungsgesuch ab. Es qualifizierte den Beirat aufgrund der ihm (in der Neufassung) zugewiesenen Kompetenzen als aufsichtsratsähnlich, wendete die gesetzlichen Unvereinbarkeitsbestimmungen über den Aufsichtsrat analog an und gelangte zum Ergebnis, die Besetzung des Beirats ausschließlich mit einer Begünstigten (in der Person der Zweitstifterin) stehe der Eintragung der Neufassung entgegen.

[4] Das Rekursgericht wies die dagegen erhobenen (rechtzeitigen) Rekurse von drei Mitgliedern des Vorstands (rechtskräftig) zurück. Dem Rekurs der Stiftung gab es nicht Folge, weil es den Beirat nach der neugefassten Stiftungsurkunde insgesamt nicht nur als aufsichtsrats-, sondern sogar als vorstandsähnlich einstufte. Es pflichtete dem Erstgericht darin bei, dass der Eintragung der Neufassung wegen der Besetzung des Beirats allein mit der einzigen Begünstigten die analog anzuwendende Unvereinbarkeitsbestimmung des § 23 Abs 2 Satz 2 PSG entgegenstehe. Mit der in der Stiftungsurkunde formulierten Regelung zur Wandlung des grundsätzlich eingeräumten Zustimmungsrechts in ein Anhörungsrecht würden die amtswegige Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts „ausgehebelt“ und die Handlungsfähigkeit des Stiftungsvorstands, der hinsichtlich der aufgelisteten Rechtshandlung vorab zu überlegen hätte, ob nun eine Zustimmung erforderlich sei oder eine bloße Anhörung genüge, stark beeinträchtigt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt:

[6] 1.1. Der Vorstand einer Privatstiftung darf nicht „zu einem bloßen Vollzugsorgan“ degradiert werden (6 Ob 49/07k und 6 Ob 50/07g [jeweils ErwGr 3.f)]; 6 Ob 42/09h [ErwGr 3.2.]; 6 Ob 139/13d [ErwGr 4.6.]; Arnold in Arnold, PSG4 [2022] § 14 Rz 37 mwN). Eine solche Degradierung ist stets unzulässig, auch wenn sie durch NichtBegünstigte erfolgt (6 Ob 230/13m).

[7] 1.2. Dagegen darf der Beirat (grundsätzlich) aufsichtsratsähnlich eingerichtet werden (s 6 Ob 103/14m [Pkt 3.]; 6 Ob 105/14f [Pkt 1.]). Maßnahmen, die im Wesentlichen denen nach § 95 Abs 5 Z 1, 2, 4 bis 6 AktG entsprechen (vgl § 25 Abs 1 PSG), dürfen also an seine Zustimmung geknüpft werden. Allerdings ist dann nach gefestigter Rechtsprechung die Unvereinbarkeitsbestimmung des § 23 Abs 2 Satz 2 PSG analog anzuwenden (s 6 Ob 42/09h [Pkt 3.]; 6 Ob 139/13d [Pkt 4.1.]; weiters RS0107655 [T2]).

[8] 1.3. Anhörungsrechte sind im Allgemeinen nicht zu beanstanden und zulässig. In der Einräumung eines Anhörungsrechts eines anderen Organs oder einer anderen Stelle liegt nämlich regelmäßig keine unzulässige Übertragung der Kompetenz an dieses Organ (6 Ob 37/17k [ErwGr 4.3.]).

[9] 2.1. Zentrale Stelle in der Argumentation des Revisionsrekurses nimmt Pkt XXIV.4. der Stiftungsurkunde ein („Wenn und solange das Zustimmungsrecht des Beirats im Hinblick auf dessen Besetzung gegen zwingende Bestimmungen des Privatstiftungsgesetzes und/oder deren Auslegung durch den Obersten Gerichtshof verstoßen sollte, ändert sich das Zustimmungsrecht des Beirates in ein Anhörungs- und Empfehlungsrecht“; im Weiteren kurz als „Wandlungsklausel“ bezeichnet).

[10] 2.2. Vorausgeschickt sei den folgenden Erwägungen (die sich mit der Frage der Zulässigkeit der vorgesehenen „Umwandlung“ von Zustimmungs- in Anhörungsrechte befassen), dass im Revisionsrekurs anlässlich der – als für den Standpunkt der Stiftung sprechend – zitierten Entscheidungen 6 Ob 37/17k und 6 Ob 36/17p Fälle zu beurteilen waren, in denen der dem Beirat zugewiesene Maßnahmenkatalog vom Fachsenat geprüft und (bei Zustimmungspflicht) als (bloß) aufsichtsratsähnlich (und nicht als vorstandsähnlich) beurteilt worden war.

[11] Dass der Kompetenzkatalog nach Pkt XXIV.1. lit d im Fall der Zustimmungspflicht des Beirats zu den dort aufgezählten Maßnahmen den Beirat „aufsichtsratsähnlich“ ausgestaltet und dann die Unvereinbarkeitsbestimmung des § 23 Abs 2 Satz 2 PSG analog anzuwenden ist, zieht der Revisionsrekurs nicht in Zweifel. Er argumentiert vielmehr, es liege der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Formulierung, vergleichbar jener in 6 Ob 37/17k, ein „bewegliches System“ zugrunde, nach dem der Stiftungsvorstand zu beurteilen habe, ob ein Zustimmungsrecht des Beirats im Hinblick auf Besetzung und unter Berücksichtigung der Gesetzeslage und Rechtsprechung zulässig sei oder nicht. Verneinendenfalls habe der Beirat lediglich ein Anhörungs bzw Empfehlungsrecht. Diese Konstellation habe der Oberste Gerichtshof als zulässig beurteilt. Ein bloßes Anhörungsrecht zu den in der Satzung in Pkt XXIV.1. lit d aufgezählten Maßnahmen reiche in Gesamtbetrachtung mit den ihm jedenfalls eingeräumten Kontrollrechten und Kompetenzen nicht aus, um eine Aufsichtsratsähnlichkeit des Beirats anzunehmen.

[12] 2.3. Damit übergeht der Revisionsrekurs folgende – augenfälligen – Unterschiede zu der in 6 Ob 36/17p und 6 Ob 37/17k gewählten Textierung.

[13] Zum einen war damals grundsätzlich ein Anhörungsrecht eingerichtet gewesen, während im vorliegenden Fall das Zustimmungsrecht die Grundregel bildet. Zum anderen war die „Bedingung“, deren Eintritt das (grundsätzlich gegebene) Anhörungs- in ein Zustimmungsrecht wandelte, dahin konkretisiert gewesen, dass sich entweder der Beirat zumindest zur Hälfte aus externen Beiratsmitgliedern (wobei Personen iSd § 23 Abs 2 Satz 3 PSG nicht als externe Beiratsmitglieder gelten) zusammensetzt oder das Gesetz oder die Rechtsprechung eine Bindung des Stiftungsvorstands auch an einen mehrheitlich von Begünstigten besetzten Familienbeirat zulässt. Damit war der „Umwandlungs-“Fall so determiniert worden, dass dem Rechtsanwender (etwa dem Vorstand) die Beurteilung, ob die Bedingung im konkreten Fall eingetreten ist, (noch) zugemutet werden konnte. Einem Vorstand(-smitglied) einer Privatstiftung ist die (bewältigbare) Prüfung, ob ein Beirat zumindest zur Hälfte aus „externen“ Mitgliedern besteht oder mehrheitlich mit Begünstigten besetzt ist, zuzutrauen.

[14] Dagegen ist hier grundsätzlich ein Zustimmungsrecht vorgesehen, und es müsste der Vorstand in jedem einzelnen Fall beurteilen, ob („wenn und solange“) sich das Zustimmungsrecht des Beirats „im Hinblick auf dessen Besetzung“ (also ohne klare Vorgaben oder Zielrichtung der angesprochenen Besetzung) gegen „zwingende Bestimmungen des Privatstiftungsgesetzes und/oder deren Auslegung durch den Obersten Gerichtshof verstoßen“ (ohne Verweis darauf, welche Bestimmungen des PSG damit überhaupt angesprochen sein sollten).

[15] 2.4. Der Beirat wird in Pkt VIII. Z 1 lit b der Stiftungsurkunde ausdrücklich als Organ der Stiftung bezeichnet. Die (nach § 14 Abs 2 PSG zulässige) Einrichtung eines weiteren Organs – wie hier des Beirats – erfordert unter anderem die grobe Umschreibung der Kompetenzen dieses Organs in der Stiftungsurkunde (vgl § 9 Abs 2 Z 4 PSG iVm § 10 Abs 2 PSG; 6 Ob 305/01y; 6 Ob 42/13i [ErwGr 3.2.]; 6 Ob 95/15m [ErwGr 4.1.1]; RS0116028; zu den Kontrollbefugnissen s insb 6 Ob 291/02s; Arnold aaO § 14 Rz 19 mwN).

[16] Die unter Pkt XXIV.1. lit d genannten 13 Zustimmungsvorbehalte sind zwar in der Stiftungsurkunde (und nicht bloß etwa in der Stiftungszusatzurkunde) aufgezählt, mit der „Wandlungsklausel“ bleibt aber letztlich unsicher und offen, ob sie in concreto Zustimmungs- oder bloße Anhörungsrechte sind.

[17] Wegen dieser Unklarheit fehlt es an der erforderlichen (klaren) „groben Umschreibung der Kompetenzen“ des Beirats, der daher nicht wirksam als Organ iSv § 9 Abs 2 Z 4 PSG „eingerichtet“ ist. Die zur Eintragung angemeldete Stiftungsurkunde erweist sich daher als in sich widersprüchlich, weil sie den Beirat, der nicht (wirksam) Organ ist, als solches bezeichnet.

[18] Andernfalls wäre durch die vage, in ihrer Bedeutung „offenen“ Formulierung die Prüfung der Zulässigkeit von Bestimmungen der Stiftungserklärung dem Firmenbuchgericht, dessen wesentliche Kernaufgabe dies aber ist (s 6 Ob 226/09t [ErwGr 2.1. f]; 6 Ob 122/21s [Rz 9]; 6 Ob 100/22g [Rz 23]; Pilgerstorfer in Jabornegg/Artmann, UGB³ [2019] § 15 FBG Rz 9 mwN), tatsächlich entzogen, und sie würde in unzulässiger Weise auf den Rechtsanwender (vor allem den Vorstand) verlagert.

[19] 3. Bei dieser Sachlage muss nicht mehr erörtert werden, dass anlässlich der Eintragung der Neufassung auch darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass die Besetzung des Beirats bei plötzlichem, unerwartetem Ableben der Zweitstifterin mit „externen“ Personen besetzt werden könnte, in welchem Fall nur Zustimmungsrechte und nicht bloße Anhörungsrechte normiert wären, sodass die Neufassung auch dahin zu überprüfen wäre, ob der Beirat wegen der ihm insgesamt zugewiesenen bedenklich weitreichenden Agenden (neben dem Maßnahmenkatalog nach Pkt XXIV.1. lit d überdies noch Bestellung der Vorstandsmitglieder und deren Abberufung aus wichtigem Grund, Erlassung sowie Änderung der Geschäftsordnung des Vorstands und Festsetzung von dessen Vergütung, Vorschlag für die Bestellung des Stiftungsprüfers, Genehmigung des Jahresabschlusses) als vorstandsähnlich (und nicht bloß als aufsichtsratsähnlich) zu qualifizieren wäre.

[20] Der Auffassung des Rekursgerichts, mit der Klausel würden im Ergebnis die amtswegige Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts „ausgehebelt“ und die Handlungsfähigkeit des Stiftungsvorstands, der hinsichtlich der aufgelisteten Rechtshandlung vorab zu überlegen hätte, ob nun eine Zustimmung erforderlich sei oder eine bloße Anhörung genüge, stark beeinträchtigt (wird doch der Vorstand in einer solchen Situation eher geneigt sein, Konfrontationen mit dem Beirat zu vermeiden und seinem Willen zu entsprechen), ist überdies beizupflichten.

[21] 4. Eine Stiftungserklärung, die ihren Geltungsumfang teilweise „im Hinblick“ auf die (nicht näher beschriebene) „Besetzung“ des Beirats von der Rechtsauslegung der Anwender zur Frage des Bestehens von Verstößen gegen (ungenannt bleibende) „zwingende Bestimmungen und/oder deren Auslegung durch den Obersten Gerichtshof“ abhängig macht und damit die einem zusätzlich eingerichteten Organ zugewiesenen Kompetenzen nicht klar umschreibt, ist nicht einzutragen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00174.22I.1118.000

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