OGH vom 14.09.2022, 6Ob106/22i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. HoferZeniRennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch KosesnikWehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Stolitzka Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 125/19t15, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 17 Cg 54/18z10, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR (darin enthalten 366,30 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist ein nach § 29 KSchG klagebefugter Verein.
[2] Die Beklagte betreibt das Gewerbe der Autovermietung.
Die Allgemeinen Mietvertragsbedingungen * der Beklagten weisen auf ihrer ersten Seite ein Inhaltsverzeichnis auf. Punkt 23 lautet „Anhang zum Datenschutz bei vernetzten Autos“. Im Text wird der „Anhang zum Datenschutz bei vernetzten Autos“ ohne Nummerierung und auch nicht – wie die übrigen Überschriften – linksbündig, sondern zentriert überschrieben. Der erste Absatz dieses Textes lautet:
„Bitte lesen Sie sorgfältig diese Regelungen; sie enthalten Einzelheiten über die Daten, die wir über Sie und ihr vernetztes Auto erfassen. Durch die Unterzeichnung des Mietvertrags stimmen Sie gleichzeitig diesen Regelungen zu; Sie erkennen an, dass wir Ihre Daten für die in diesem Anhang angeführten Zwecke erfassen und bearbeiten dürfen.“
Der vierte Absatz dieses Abschnitts lautet:
„Dieser Anhang ist ein integraler Bestandteil unseres Mietvertrags, unserer Allgemeinen Mietvertragsbedingungen (Allgemeine Bedingungen), der Besonderen Mietvertragsbedingungen der Mietstation und unserer Datenschutzrichtlinien. Bitte lesen Sie unbedingt sorgfältig diesen Anhang, die Allgemeinen Bedingungen, die Besonderen Mietvertragsbedingungen der Mietstation und unsere Datenschutzrichtlinien. Die Regelungen dieses Anhangs bestehen unbeschadet der Allgemeinen Bedingungen, der Besonderen Mietvertragsbedingungen der Mietstation und unserer Datenschutzrichtlinien. Falls sich ein Konflikt zwischen diesem Anhang und den Allgemeinen Bedingungen und/oder den Besonderen Mietvertragsbedingungen der Mietstation und/oder unseren Datenschutzrichtlinien ergeben sollte, haben die Regelungen dieses Anhangs Vorrang.“
[3] Der Kläger mahnte die Beklagte im Sinn des § 28 Abs 2 KSchG vor Klagseinbringung ab, worauf diese eine strafbewehrte Unterlassungserklärung für 56 Klauseln abgab und sich verpflichtete, diese nach einer Übergangsfrist ab nicht mehr zu verwenden. Verfahrensgegenstand sind nur mehr folgende zwei Klauseln:
1. „Solange Sie keine relevanten Funktionen (wie unten erläutert) deaktivieren, sind diese Geräte stets aktiv, selbst wenn andere Dienste oder Medien im Fahrzeug ausgeschaltet wurden.“
2. „1.3. Zusammenfassend ausgedrückt erfassen und verarbeiten wir die Informationen (einschließlich Ihrer persönlichen Daten) auf der Grundlage von: (1) Ihrer Zustimmung, welche Sie zurückziehen können, indem Sie Ihr Gerät ausschalten/abkoppeln und Ihre Informationen im Infotainment-System löschen.“
[4] Die Beklagte hat zur zweiten Klausel keine Unterlassungserklärung abgegeben, wohl aber zu Teilen der ersten Klausel.
[5] Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der genannten Klauseln oder die Verwendung sinngleicher Klauseln sowie die Berufung auf diese oder sinngleiche Klauseln zu unterlassen. Der Kläger begehrt weiters die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils einmal in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der „Kronen Zeitung“, bundesweit erscheinende Ausgabe, auf Kosten der Beklagten mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel. Der Kläger bringt vor, beide Klauseln verstießen gegen Art 25 Abs 2 DSGVO. Die erste Klausel beinhalte eine nach dieser Bestimmung unzulässige Voreinstellung und sei intransparent im Sinne von § 6 Abs 3 KSchG, weil unklar bleibe, wo konkret weitere Erläuterungen vorhanden seien und wohin die Klausel verweise. Die zweite Klausel beinhalte eine unzulässige Voreinstellung, die den Betroffenen dazu zwinge, aktiv zu werden. Es bestehe Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte die Klauseln regelmäßig im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern verwende. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der Aufklärung der beteiligten Verbraucherkreise über das gesetzwidrige Verhalten der Beklagten, sodass auch der Anspruch auf Urteilsveröffentlichung berechtigt sei.
[6] Die Beklagte wendet ein, sie habe für Teile der ersten Klausel eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, was insoweit die Klagsabweisung rechtfertige. Aufgrund einer nach Abgabe der Unterlassungserklärung erfolgten Überarbeitung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwende sie die beiden Klauseln seit nicht mehr. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert, weil §§ 28 f KSchG auf die gegenständlichen Klauseln nicht anwendbar seien. Die Klauseln hätten sich im Dokument „Anhang zum Datenschutz bei vernetzten Autos“ und somit weder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch in Vertragsformblättern befunden. Es handle sich lediglich um eine Information des Kunden, die diesen vertraglich nicht binde. Die Klage stelle inhaltlich eine materielle Beschwerde gegen die Datenverarbeitung durch die Beklagte dar. Der vom Kläger ins Treffen geführte Art 25 Abs 2 DSGVO enthalte keine Regelungen über die Unzulässigkeit gewisser Vertragsklauseln, sondern bloß darüber, welche Maßnahmen der Verantwortliche treffen müsse bzw wie einzelne Datenverarbeitungsvorgänge ausgestaltet sein müssten, um zulässig zu sein. Da die in Art 25 Abs 2 DSGVO vorgesehenen Regeln vertraglich nicht abbedungen werden könnten, sondern den Verantwortlichen lediglich zu gewissen Maßnahmen verpflichteten, könne eine Vertragsklausel dieser Bestimmung auch nicht widersprechen. Die Klage könne daher nur als Beschwerde gegen die in den inkriminierten Klauseln beschriebene Datenverarbeitung interpretiert werden. Datenschutzrechtliche Verbandsklagen seien nach österreichischem Recht unzulässig. Deute man die Klage als Beschwerde, so sei der ordentliche Rechtsweg unzulässig (§ 24 DSG). Die erste Klausel sei nicht intransparent und verstoße nicht gegen Art 25 Abs 2 DSGVO; dies gelte auch für die zweite Klausel. Die Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben, an einer Veröffentlichung des Urteils bestehe kein rechtliches Interesse des Klägers.
[7] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Sie verneinten übereinstimmend die von der Beklagten eingewendete Unzulässigkeit des Rechtswegs und bejahten die Aktivlegitimation des Klägers. Die erste Klausel verstoße gegen den in Art 25 Abs 2 DSGVO normierten Grundsatz des „Privacy by Default“. Die zweite Klausel sei intransparent und verstoße daher gegen § 6 Abs 3 KSchG. Die Wiederholungsgefahr liege vor. Auch das Begehren auf Urteilsveröffentlichung sei berechtigt: Angesichts der Unternehmensgröße der Beklagten und des nicht näher eingrenzbaren Kundenkreises sei die Veröffentlichung des Urteils in einer bundesweit erscheinenden Tageszeitung nicht zu beanstanden.
[8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil hier die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern bestimmter Geschäftsbranchen für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bedeutend sei.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig (vgl auch RS0121516 [T17]), sie ist aber nicht berechtigt.
1. Vorabentscheidungsersuchen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)
[10] Während des Revisionsverfahrens stellte die Beklagte einen Unterbrechungsantrag wegen eines vom deutschen Bundesgerichtshof beim EuGH zu einer auch im vorliegenden Verfahren bedeutsamen Frage des Unionsrechts.
1.1. Daraufhin setzte der erkennende Senat das Revisionsverfahren aus und richtete (wie schon inhaltlich gleichlautend vorher der deutsche Bundesgerichtshof) mit Beschluss vom (6 Ob 77/20x) folgendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH:
„Stehen die Regelungen in Kapitel VIII, insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119/1 vom , S. 1; im Folgenden 'DSGVO') nationalen Regelungen entgegen, die – neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen – einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DSGVO unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter den Gesichtspunkten des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken oder des Verstoßes gegen ein Verbraucherschutzgesetz oder des Verbots der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen vorzugehen?“
1.2. In dem vom deutschen Bundesgerichtshof angestrengten Vorabentscheidungsersuchen entschied der ) und sprach aus:
„Art. 80 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.“
[11] 1.3. Damit ist geklärt, dass hier das Unionsrecht in Gestalt der DSGVO der Klagebefugnis des klagenden Vereins nicht entgegensteht.
2. Zur Aktivlegitimation im Übrigen
[12] 2.1. Die Revision der Beklagten steht im Kern auf dem Standpunkt, der Kläger sei zur Erhebung der Verbandsklage nach § 28 Abs 1 KSchG schon deshalb nicht aktiv legitimiert, weil die Beklagte von der Verwendung der beanstandeten Klauseln noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Abstand genommen und zugleich eine Unterlassungserklärung im Sinn des § 28 Abs 2 KSchG abgegeben habe, weshalb auch eine künftige Verwendung der Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht drohe. Die Unterlassungserklärung habe nämlich gerade auch jene Zustimmungsfiktionsklausel in der Präambel des „Anhangs zum Datenschutz bei vernetzten Autos“ (und sinngleiche Klauseln) umfasst, deretwegen die beanstandeten Klauseln, die für sich genommen nur Informationscharakter hätten, (womöglich) als Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgefasst werden könnten. Als bloße Informationsklauseln zur Aufklärung des Verbrauchers unterfielen sie jedoch nicht dem Verbandsklageverfahren nach § 28 Abs 1 KSchG, das nur der Kontrolle von Willenserklärungen diene.
[13] 2.2. Diese Argumentation ist bereits im Ansatz verfehlt: Zutreffend geht zwar die Revision davon aus, dass Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch nach § 28 Abs 1 Satz 1 KSchG die tatsächliche oder drohende Verwendung (3 Ob 133/06i; 5 Ob 205/13b) unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen oder Formblätter als Vertragsbestandteile im geschäftlichen Verkehr ist (5 Ob 227/98p; 6 Ob 210/17a). Jedoch ist ihre weitere Annahme unzutreffend, wonach den beiden Klauseln durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung (nur) in Bezug auf die erwähnte Zustimmungsfiktionsklausel jedenfalls der Charakter einer die Rechtslage zwischen den Vertragsparteien gestaltenden vertraglichen Vereinbarung genommen worden sei. Denn in der angesprochenen Präambel findet sich nicht nur die relevierte Zustimmungsfiktion, die die Beklagte tatsächlich in ihre Unterlassungserklärung aufgenommen hat, sondern auch ein – nicht von der Unterlassungserklärung umfasster – ausdrücklicher Hinweis darauf, dass der Anhang (als Ganzes) Bestandteil des Mietvertrags und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist und seine Regelungen gegenüber den Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorrang haben.
[14] 2.3. Damit droht aber sehr wohl weiterhin die Verwendung der inkriminierten Klauseln im geschäftlichen Verkehr nicht bloß als Informationsdokument, sondern als Vertragsbestandteil, ist doch aufgrund des erwähnten Präambeltextes – jedenfalls bei gebotener kundenfeindlichster Auslegung (vgl RS0016590) – davon auszugehen, dass der Inhalt der Klauseln nicht bloß der Aufklärung der Kunden über Datenverabeitungsvorgänge und ihre Rechtsgrundlagen dient, sondern die Vertragsbeziehung inhaltlich gestalten soll. Die oberstgerichtliche Rechtsprechung, wonach § 28 Abs 1 KSchG nicht auf bloß der Aufklärung des Verbrauchers dienende Hinweise anzuwenden ist (vgl 5 Ob 217/16x; RS0131601), ist daher nicht einschlägig: Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einer Reihe von Entscheidungen zu solchen Informationsbestimmungen klargestellt, dass jedenfalls dann, wenn diese – bei kundenfeindlichster Auslegung – über eine bloße Aufklärung des Verbrauchers hinausgehen und den Vertragsinhalt gestalten, sie Gegenstand der Verbandsklage nach § 28 Abs 1 KSchG sein können (vgl 4 Ob 130/03a; 10 Ob 28/14m; 9 Ob 31/15x; 2 Ob 155/16g; 10 Ob 60/17x; RS0131601 [T4]).
[15] 2.4. An der weiterhin drohenden Verwendung der inkriminierten Klauseln als Vertragsbestandteil im geschäftlichen Verkehr vermögen weder die eingeschränkte Unterlassungserklärung der Beklagten noch die nachträgliche Abstandnahme von der Verwendung der beiden Klauseln nach Abmahnung durch den Kläger etwas zu ändern: Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich nur durch vollständige Unterwerfung unter den Anspruch einer gemäß § 29 KSchG klageberechtigten Einrichtung die Wiederholungsgefahr beseitigt werden (RS0111637). Die mit dem Abmahnverfahren angestrebte außergerichtliche Streitbereinigung tritt nur dann ein, wenn für beide Seiten Rechtssicherheit entsteht; die Verwendung der Klauseln muss für die Zukunft geradezu ausgeschlossen sein, und zwar sowohl für neu abzuschließende Verträge als auch durch eine Berufung darauf in bereits bestehenden Verträgen (RS0111637 [T4]). Eine bloße Änderung der Geschäftsbedingungen, die zudem keine Gewähr dafür bietet, dass sich das Unternehmen nicht für bereits bestehende Verträge auf eine frühere Fassung beruft, reicht keinesfalls aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (RS0111637 [T5]). Der Unternehmer muss, will er die Wiederholungsgefahr beseitigen, nach Abmahnung eine unbedingte, uneingeschränkte und strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben (RS0124304 [T2]).
[16] 2.5. Daher liegt auch der gerügte Feststellungsmangel betreffend die nach Abmahnung unterbliebene Verwendung der beiden Klauseln nicht vor.
3. Zur ersten Klausel
[17] 3.1. Die Revision bestreitet, dass Klauseln in Vertragsformblättern im Verbandsklageverfahren nach § 28 Abs 1 KSchG auf ihre Übereinstimmung mit Art 25 Abs 2 DSGVO hin überprüft werden können, zumal diese Vorschrift gar nicht den Inhalt von Vertrags bzw Informationsdokumenten regle.
[18] Dem ist zu erwidern, dass der Unterlassungsanspruch nach § 28 Abs 1 KSchG nicht allein auf die Kontrolle und Durchsetzung der Verbote des § 6 KSchG (und des § 879 ABGB) beschränkt ist, sondern auch die Verletzung weiterer zivilrechtlicher wie auch öffentlichrechtlicher Vorschriften umfasst (RS0110990 [T4]); darunter fällt auch der Verstoß gegen Bestimmungen des jeweils anwendbaren Datenschutzrechts (RS0110990 [T6]; zuletzt 6 Ob 140/18h zur DSGVO).
[19] 3.2. Auch der in der Revision hervorgehobene Umstand, dass Art 25 Abs 2 DSGVO dem Betroffenen kein subjektives Recht auf Geltendmachung einer spezifischen Datensicherheitsmaßnahme, etwa einer Pseudonymisierung, im Rahmen einer Datenschutzbeschwerde gewährt (vgl den Bescheid der Datenschutzbehörde vom , DSBD123.070/0005DSB/2018), steht der Prüfung eines Verstoßes von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen die darin statuierten Regelungen zur Datenverarbeitung nicht entgegen. Art 25 Abs 2 DSGVO ist zwar insoweit als objektive Vorschrift ausgestaltet, als darin bloß spezifische Pflichten von Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern statuiert sind. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass die Norm ausschließlich öffentlichen Interessen und nicht etwa auch dem Schutz des Einzelnen dient. Der sich schon aus dem Regelungsinhalt in wertender Zusammenschau mit den Ausführungen in ErwGr 78 der Verordnung ergebende individualschützende Charakter des Art 25 Abs 2 DSGVO hat zur Folge, dass auch bei Verstößen gegen die darin geregelten Verhaltenspflichten der Anwendungsbereich des Art 79 Abs 1 DSGVO für den Betroffenen eröffnet ist; ihm steht folglich sehr wohl eine durch gerichtlichen Rechtsschutz abgesicherte subjektive Rechtsposition zu (vgl auch Leupold/Schrems in Knyrim, DatKomm Art 79 DSGVO Rz 15; Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG3 Art 79 Rz 5).
[20] 3.3. Die Revision stellt den Verstoß der Klausel gegen § 25 Abs 2 DSGVO mit dem Argument in Abrede, das Berufungsgericht habe die Norm dahingehend missinterpretiert, die in Art 25 Abs 2 DSGVO implementierten Grundsätze der Datenminimierung sowie des Datenschutzes durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen (Privacy by Default) würden den Verantwortlichen nicht dazu verhalten, so wenig Daten wie nur überhaupt denkbar zu verarbeiten, sondern lediglich dazu, bloß jene Daten zu verarbeiten, die für die jeweiligen von ihm definierten Verarbeitungszwecke erforderlich seien.
[21] Diese Argumentation verkennt, dass sich die Klausel zu den Voreinstellungen zur Datenverarbeitung im Mietfahrzeug nach ihrem klaren Wortlaut gar nicht auf bestimmte Verarbeitungszwecke bezieht, die die Datenverarbeitung erforderlich machen würden. Damit sieht die Vertragsbestimmung aber letztlich – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung – Voreinstellungen vor, die eine Datenverarbeitung ganz unabhängig von der Erforderlichkeit für bestimmte Verarbeitungszwecke zulassen. Schon deshalb ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Klausel verstoße gegen Art 25 Abs 2 DSGVO, nicht zu beanstanden.
4. Zur zweiten Klausel
[22] 4.1. Die Revision hält der Rechtsauffassung der Vorinstanzen, die Klausel verstoße gegen § 6 Abs 3 KSchG, entgegen, die Klausel behandle bloß die Frage der Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung, regle folglich das Ausmaß der Datenverarbeitung gar nicht, weshalb ein Verstoß gegen Art 25 Abs 2 DSGVO und folglich eine Verschleierung der Rechtslage (und somit Intransparenz) nicht vorliegen können.
[23] 4.2. Diese Kritik geht am Kern der Argumentation der Vorinstanzen vorbei: Mit der Klausel wird dem Verbraucher nicht klar vor Augen geführt, durch welches konkrete Verhalten er seine Einwilligung zur Datenverarbeitung im Zuge der Nutzung des Infotainment-Systems gibt.
[24] 4.2.1. Zwar findet sich in unmittelbarem Anschluss an die in Rede stehende Klausel unter Punkt 1.3. des Anhangs ein Verweis darauf, dass die rechtlichen Grundlagen in der „obigen Tabelle“ ausführlicher dargelegt werden; im Text der angesprochenen Tabelle (Punkt 1.1. des Anhangs) wird wiederum auf „weitere Informationen hinsichtlich Ihrer Nutzung des Infotainment-Systems“ unter „Abschnitt 4“ (gemeint Punkt 4. des Anhangs) verwiesen, wo sich folgende Regelung findet: „Durch das Anschließen Ihres Mobilgeräts an das vernetzte Auto erklären Sie sich mit der Verarbeitung Ihrer persönlichen Daten (welche Sie zurückziehen können, indem Sie Ihr Gerät abkoppeln und Ihre Informationen aus dem Infotainment-System entfernen) einverstanden.“
[25] 4.2.2. Schon allein der Umstand, dass sich der Verbraucher die nötige Information zu den konkreten Einwilligungsmodalitäten selbst dadurch „zusammensuchen“ muss, dass er einen jeweils recht ungenauen doppelten Querverweis im Klauselwerk nachvollziehen muss, widerspricht dem Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG (RS0122040 [T16]), weshalb auch insoweit die Beurteilung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden ist.
[26] 4.3. Ob die in Rede stehenden Regelungen zur Einwilligung in die Datenverarbeitung und zum Widerruf der Einwilligung Art 7 Abs 3 und 4 DSGVO standhalten, muss hier daher nicht beurteilt werden.
5. Urteilsveröffentlichung
[27] 5.1. Die Revision geht von der unzutreffenden Annahme aus, durch die Abstandnahme von der Verwendung der beiden Klauseln nach Abmahnung und durch die abgegebene eingeschränkte Unterlassungserklärung könnten die Verwendung der Klauseln als Vertragsbestandteil im geschäftlichen Verkehr und damit künftige Nachteile für den Verbraucher nicht mehr drohen.
[28] 5.2. Dem gegenüber dient die Urteilsveröffentlichung durchaus der Sicherung des Unterlassungsbegehrens, nämlich näherhin dazu, den Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit – nicht nur die bestehenden und potenziellen Kunden der Beklagten – darüber aufzuklären, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz bzw sittenwidrig sind (vgl RS0121963 [T7]; 8 Ob 24/18i). Eine bloße faktische Änderung der beanstandeten Klauseln nach Klagseinbringung ist nicht geeignet, das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Aufklärung über die seinerzeitige Verwendung dieser gesetzwidrigen Vertragsbestandteile, deren künftige Verwendung auch nicht ausgeschlossen werden kann, zu beseitigen (10 Ob 47/08x; 3 Ob 73/16f; RS0079764 [T22, T23]).
[29] 5.3. Der Kläger hat sein Veröffentlichungsinteresse auch dadurch hinreichend dargetan, dass er Vorbringen zur Reichweite der Unternehmenstätigkeit der Beklagten und zu deren Kundenkreis erstattete, welches Vorbringen die Beklagte nicht bestritten hat (vgl RS0039941).
[30] 5.4. Die zu informierenden beteiligten Verkehrskreise sind nach den obigen Ausführungen zum Zweck der Urteilsveröffentlichung bei der Verbandsklage nach dem KSchG nicht nur die aktuellen und potenziellen Kunden der Beklagten; schon deshalb kommt es auf die Frage, ob diese (potenziellen) Kunden vielfach nicht im Inland ansässig sind, nicht an. Weiters erfordert der angesprochene Veröffentlichungszweck (RS0121963 [T7]) eine Aufklärung des Rechtsverkehrs und der Verbraucher über die Art des Gesetzesverstoßes nicht (vgl 4 Ob 221/06p); vielmehr reicht eine Aufklärung darüber aus, dass sich die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässiger Klauseln bedient hat.
[31] 5.5. Die Klagsstattgebung der Veröffentlichung auch des Ausspruchs über die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung steht im Einklang mit der von der Lehre gebilligten ständigen Rechtsprechung (RS0079961; RS0079958; 4 Ob 107/15m; 9 Ob 16/18w; vgl Schmid in Wiebe/Kodek, UWG2 § 25 Rz 27).
[32] 6. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00106.22I.0914.000 |
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