OGH 29.08.2023, 5Ob96/23p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. WeixelbraunMohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I* vertreten durch Mag. Johannes Joven, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei L*-Privatstiftung, *, vertreten durch die DR. PÖTZL RECHTSANWALTS GMBH in Linz, wegen Vertragsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 35/23p-44, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Mit Kaufvertrag vom veräußerte die Klägerin ihre Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum am Objekt Wohnung 1, an einer Garage und an einem KFZ-Abstellplatz verbunden ist, an die Beklagte. Vereinbart war zudem, dass der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt werden soll, einen Teil der Wohnung 1, den sie auch weiterhin als Mieterin bewohnt, zurückzukaufen, während ein davon abzutrennender Teil im Wohnungseigentum der Beklagten verbleiben sollte. Dazu räumte die Beklagte mit separatem Vertrag vom gleichen Tag, der Klägerin eine bis befristete Rückkaufoption hinsichtlich eines Teils der Miteigentumsanteile ein. Der Optionsvertrag enthält dazu folgende Bestimmung:
„Dieser Optionsvertrag steht hinsichtlich des Wohnungseigentumsobjektes Wohnung 1 unter der aufschiebenden Bedingung, dass eine entsprechende Neuparifizierung im Sinn des gegenständlichen Vertrages möglich ist, ein entsprechendes Parifizierungsgutachten sowie sonstige zur Durchführung der Neubegründung des Wohnungseigentums erforderlichen Unterlagen vorliegen, das alte Wohnungseigentum aufgehoben sowie das neue Wohnungseigentum begründet wird und verpflichten sich sämtliche Vertragsteile, die zur entsprechenden Neuparifizierung erforderlichen Unterschriften sowie Erklärungen über entsprechende Aufforderung umgehend abzugeben.“
[2] Die Klägerin begehrt die Aufhebung des am geschlossenen Kaufvertrags wegen Irrtums.
[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[4] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[5] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO anspricht. Sie ist daher zurückzuweisen:
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Die Option ist ein Vertrag, durch den eine Partei das Recht erhält, ein inhaltlich bereits festgelegtes Schuldverhältnis durch einseitige Erklärung in Geltung zu setzen (RIS-Justiz RS0115633; RS0017078 [T2]; RS0019191 [T3]). Sie gewährt ein Gestaltungsrecht; ihre Ausübung begründet schon unmittelbar die vertraglichen Pflichten (RS0115633; vgl RS0019140).
[7] 1.1. Da ihr mit dem Optionsvertrag vom das einseitige Gestaltungsrecht eingeräumt worden sei, einen Teil der von ihr an die Beklagte veräußerten Miteigentumsanteile, zurückzukaufen, vertritt die Klägerin – zusammengefasst – die Ansicht, dass auch die Herbeiführung des Bedingungseintritts – die Nutzwertneufestsetzung – für die Optionsausübung nicht von dritten Personen abhängig sein könne, und schließt daraus erkennbar auf einen gemeinsamen Irrtum von ihr und der Beklagten als Parteien des Kaufvertrags über die Miteigentumsanteile. Damit kann sie keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzeigen.
[8] 1.2. Gegenstand des Optionsvertrags ist der Rückkauf eines Teils der Miteigentumsanteile, mit welchen Wohnungseigentum an der Wohnung 1 verbunden ist. Der Teil dieser Wohnungseinheit, den die Klägerin schon jetzt als Mieterin benützt, soll demnach aus dem Wohnungsverband herausgelöst und mit Wohnungseigentum zu ihren Gunsten verbunden werden. Die übrigen darauf entfallenden Miteigentumsanteile sollen demgegenüber bei der Beklagten als (dann) Wohnungseigentümerin der im Obergeschoß des Hauses gelegenen Räumlichkeit verbleiben. Das erfordert die Teilung des bisherigen Wohnungseigentumsobjekts top 1 und die Schaffung einer neuen Wohnungseigentumseinheit. Dass in einem solchen Fall die Neufestsetzung der Nutzwerte erforderlich ist (dazu RS0107277 [T2]), wird von der Rechtsmittelwerberin nicht angezweifelt. Die Neufestsetzung der Nutzwerte bildet die Grundlage für dafür erforderliche Änderung der Mindestanteile (5 Ob 113/07i) und ist damit rechtliche Voraussetzung dafür, dass der Optionsvertrag überhaupt erst möglich wird, und bedarf, wenn sie nicht durch Gericht erfolgt, der schriftlichen Zustimmung aller Eigentümer (§ 9 Abs 6 WEG). Die Nutzwertneufestsetzung als (rechtliche) Voraussetzung für die Schaffung eines weiteren Wohnungseigentumsobjekts auf der Liegenschaft wurde als Bedingung in den Optionsvertrag aufgenommen.
[9] 1.3. Ein gemeinsamer wesentlicher Geschäftsirrtum bewirkt die Unverbindlichkeit des Vertrags unabhängig von den Voraussetzungen des § 871 ABGB (RS0016230 [T3]). Daran hat die Rechtsprechung ungeachtet der Kritik aus der Lehre wiederholt festgehalten (für viele 4 Ob 29/17v). Dafür ist es aber erforderlich, dass beide Parteien demselben Irrtum unterliegen (RS0016226). Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil das Erfordernis einer Neuparifizierung nicht nur in den Optionsvertrag Eingang gefunden hat, sondern auch ausdrücklich besprochen wurde, dass ein Miteigentümer seine Zustimmung nicht erteilt und die Beklagte unter Umständen auf ihn einwirken kann. Damit ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den behaupteten Irrtum verneinte. Auch für die Klägerin konnte bei dieser Sachlage nie in Zweifel stehen, dass die Nutzwertneufestsetzung der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf. Welchen Einfluss ein solcher gemeinsamer Irrtum bei Abschluss der Optionsvereinbarung auf den von ihr angefochtenen Kaufvertrag gehabt haben soll, legt sie in ihrem Rechtsmittel im Übrigen auch in keiner Weise dar.
[10] 1.4. Zwar gilt auch für einen Optionsvertrag die clausula rebus sic stantibus (RS0019195). Soweit die Klägerin aber unterstellt, dass eine Neuparifizierung rechtlich unmöglich sei, und daraus einen gemeinsamen Irrtum ableitet, lässt sie jede Begründung für diese Ansicht missen. Eine rechtliche Unmöglichkeit ist auch nicht zu erkennen. Sollte sie mit ihren Ausführungen auf bloß faktische Hindernisse abzielen, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab, weil das Erstgericht insoweit ausdrücklich eine Negativfeststellung getroffen hat. Eine Rechtsrüge ist aber nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie vom festgestellten Sachverhalt ausgeht (RS0043312).
[11] 2. Darauf, dass sie als Mieterin auf eine Nutzwertneufestsetzung nicht unmittelbar Einfluss nehmen kann, wurde die Klägerin nach dem festgestellten Sachverhalt ausdrücklich hingewiesen. Ein wesentlicher Geschäftsirrtum, der sie zur Vertragsanfechtung berechtigen könnte, ist damit nicht zu erkennen. Abgesehen davon gibt sie in ihrem Rechtsmittel auch in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen, ob ein allfälliger Willensmangel bei Abschluss des Optionsvertrags überhaupt Einfluss auf den angefochtenen Kaufvertrag gehabt hätte. Ein allfälliger Irrtum muss aber für das angefochtene Rechtsgeschäft kausal gewesen sein (RS0014933).
[12] 3. Ob und inwieweit die Beklagte aus dem Optionsvertrag allenfalls verpflichtet ist, auf die zur Ausübung der der Klägerin eingeräumten Option erforderliche Neufestsetzung der Nutzwerte hinzuwirken, muss aus Anlass der vorliegenden Klage nicht geprüft werden.
[13] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00096.23P.0829.000 |
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Fundstelle(n):
JAAAB-55610