OGH 25.09.2023, 5Ob42/23x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. WeixelbraunMohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Mag. (FH) H*, vertreten durch Mag. Alexander Rimser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T* Steuerberatungsgesellschaft mbH, *, vertreten durch Dr. Hubertus Thum, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert 10.800 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 128/22b26, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 14 C 403/21y21, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist der vom Kläger gegenüber der Beklagten behauptete und mittels einer Stufenklage geltend gemachte Anspruch auf Leistung eines umsatzabhängigen Entgelts für die Verpachtung eines Kundenstocks.
[2] Es handelte sich zunächst um den Kundenstock der F* Gesellschaft m.b.H.; sowohl deren Geschäftsführer als auch deren Gesellschafter waren Steuerberater. Ab 2003 hatte diese Gesellschaft den Kundenstock an die Beklagte verpachtet. Es war vereinbart, dass die Beklagte der Verpächterin die abgerechneten Umsätze bekannt gibt und als Pachtzins 20 % des Umsatzes zahlt. Die Basis für diese 20 % war der monatliche Umsatz aus den an die Kunden fakturierten Stunden.
[3] Im Jahr 2016 verkaufte die F* Gesellschaft m.b.H. den Kundenstock an W* T*. Dieser war Gesellschafter der Beklagten und zwischen 2003 und 2018 auch deren Geschäftsführer. W* T* war Bilanzbuchhalter, nicht aber Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. Anlässlich der Übernahme des Kundenstocks wurde vereinbart, dass W* T* den Klientenstock aufgrund seiner Befugnisse als Bilanzbuchhalter selbst betreuen kann oder diesen auch weiterhin an die Beklagte verpachten könne. Die Beklagte blieb in der Folge Pächterin des Kundenstocks.
[4] Der Kläger war bei der Beklagten von 2011 bis Juli 2018 angestellt, zuletzt als Bilanzbuchhalter und Berufsanwärter für den Wirtschaftstreuhänder. Der Kläger war nie berufsberechtigt nach dem WTBG. Im Jahr 2017 bot W* T* (unter anderem) ihm den Kundenstock zum Kauf an. In die Verkaufsverhandlungen war auch der damalige Geschäftsführer der Beklagten eingebunden. Es war unstrittig, dass der Kundenstock an den Kläger verkauft werden kann und die Beklagte diesem weiterhin als Pächterin die Pacht zahlen wird. Anfang 2018 kaufte der Kläger den durch eine Namensliste definierten Kundenstock um brutto 108.000 EUR; dies zu den gleichen Bedingungen wie der Verkäufer W* T* diesen selbst erworben hatte.
[5] Der Kläger trat dann in den bestehenden Pachtvertrag mit der Beklagten ein. Die Beklagte hielt sich nach der Bekanntgabe dieses Eintritts an die bestehenden Vereinbarungen, gab nun dem Kläger die Umsatzzahlen für den Kundenstock bekannt und zahlte diesem den dafür vereinbarten Pachtzins. (Erst) Nach dem Ausscheiden des Klägers aus der Beklagten im Herbst 2018 begann die Beklagte, die Umsätze nicht mehr detailliert abzurechnen und den von den bekannt gegebenen (bloßen) Umsatzsummen berechneten Pachtzins nicht mehr rechtzeitig zu zahlen. Für den Zeitraum Mai 2021 bis Juli 2021 gab die Beklagte dem Kläger gar keine Umsatzzahlen mehr bekannt, ab Mai 2021 zahlte die Beklagte dem Kläger auch keinen Pachtzins mehr.
[6] Der Kläger begehrte (zuletzt), die Beklagte zu verpflichten, 1. über den „mit dem Kundenstock des Klägers erzielten Umsatz“ für den Zeitraum bis Rechnung zu legen, und 2. dem Kläger den sich aufgrund dieser Rechnungslegung ergebenden Guthabensbetrag von 20 % zu zahlen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung dieses Zahlungsbegehrens der Rechnungslegung gemäß 1. vorbehalten bleibe.
[7] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte ein, der Kläger sei zur Verpachtung des Kundenstocks nicht berechtigt gewesen und daher auch nicht legitimiert, einen Pachtzins zu fordern. Der Kläger verfüge über keine Berufsberechtigung gemäß WTBG 2017. Gemäß § 122 WTBG sei eine Übertragung eines Klientenstocks aber nur zwischen zwei Berufsberechtigten möglich.
[8] Mit Teilurteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte, dem Kläger über die mit dem Kundenstock des Klägers erzielten Umsätze für den Zeitraum bis Rechnung zu legen.
[9] Die Bestimmung des § 122 WTBG 2017, die die Übertragung oder Verpachtung eines Klientenstocks zwischen zwei Berufsberechtigten ermögliche, stehe dem Kauf des Klientenstocks durch den Kläger als Bilanzbuchhalter nicht entgegen. Die Klienten würden nach wie vor von der Beklagten, einer Berufsberechtigten, betreut. Die Streitteile hätten einen monatlich zu zahlenden Pachtzins in der Höhe von 20 % der an die jeweiligen Kunden fakturierten Umsätze vereinbart. Der Kläger befinde sich mangels Abrechnung oder Bekanntgabe der entsprechenden Zahlen für den Zeitraum von Mai bis inklusive Juli 2021 in Ungewissheit über die mit dem verpachteten Klientenstock erzielten Umsätze der Beklagten, weshalb gemäß Art XLII EGZPO spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es schränkte die Verpflichtung zur Rechnungslegung auf den Berechtigungsumfang eines Berufs nach dem Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 ein und wies das darüber hinausgehende Begehren ab. Zudem präzisierte es diese Verpflichtung, in dem es die Namen der den Klientenstock bildenden Personen in den Urteilsspruch aufnahm.
[11] Aus § 122 WTBG 2017 folge, dass der Kläger als Bilanzbuchhalter nur einen Klientenstock zu diesem Beruf, nicht aber einen Klientenstock eines Steuerberaters oder Wirtschaftstreuhänders erwerben oder weitergeben könne. Es gebe eine Reihe von Gesetzen, die verschiedene Tätigkeiten (Heilbehandlung, Vertretung vor Gericht, etc) zum Schutz des Einzelnen, aber auch der Allgemeinheit, bestimmten Berufen (Ärzte, Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder, Steuerberater, Buchhalter) vorbehielten. Die Übertragung etwa eines Patientenstocks an Nicht-Ärzte, des Mandatsstocks an Nicht-Rechtsanwälte oder Nicht-Notare oder anderer geschützter Kundenstöcke an nicht Berufsberechtigte außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Übertragungsmöglichkeiten sei rechtswidrig, unzulässig und absolut nichtig. So unterlägen Nichtberechtigte keiner Disziplinargewalt und verböten gesetzliche und üblicherweise auch vertragliche Bestimmungen die Weitergabe von Daten von Patienten oder Klienten. Ob die bloße Vermittlung eines solchen Kundenstocks zulässig sei, brauche nicht geprüft zu werden. Der Kläger stehe auf dem Rechtsstandpunkt, dass er „Eigentümer“ des Klientenstocks geworden sei und diesen auch in Form einer Verpachtung der Beklagten zur Verfügung stellen könne. § 122 WTBG 2017 spreche jedoch eindeutig von der Übertragung eines Klientenstocks an einen Berufsberechtigten. Weder der Kläger noch sein Rechtsvorgänger hätten einen Klientenstock, der einem Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vorbehalten sei (§§ 1 f WTBG 2017), rechtsgültig erwerben können. Sie hätten daher nicht mehr Rechte weitergeben können, als sie besessen hätten.
[12] Der Kläger habe zwar in seiner Klage erklärt, dass er einen „Bilanzbuchhalterkundenstock“ verpachtet habe, eine Einschränkung auf einen solchen enthalte das Klagebegehren jedoch gerade nicht. Der Kläger stehe zudem auf dem Rechtsstandpunkt, dass ihm 20 % des Umsatzes, den die Beklagte mit dem Klientenstock auch für Leistungen als Steuerberaterin erbringe, zustehe. Der Kläger und sein Rechtsvorgänger hätten jedoch nur die Voraussetzungen des Berufs eines Bilanzbuchhalters erfüllt. Soweit die Beklagte mit diesen Kunden auch Umsätze aus ihrer Tätigkeit als Steuerberaterin erziele, sei sie nicht verpflichtet, dem Kläger einen darauf abzielenden Pachtzins zu ersetzen.
[13] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Erwerb und zur Weitergabe eines Klientenstocks an nicht Berufsberechtigte nach § 122 WTBG 2017 fehle.
[14] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
[15] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[16] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
1. Das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 (WTBG 2017) regelt die Wirtschaftstreuhandberufe Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (§ 1 Abs 1 WTBG 2017). Den zur selbständigen Ausübung eines dieser Berufe Berechtigten ist es vorbehalten, die in den §§ 2 ff WTBG bezeichneten Tätigkeiten auszuüben.
[18] Die Bilanzbuchhaltungsberufe Bilanzbuchhalter, Buchhalter und Personalverrechner sind nicht im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, sondern im Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014 (BiBuG 2014) geregelt.
[19] Der dritte Abschnitt des fünften Hauptstücks des WTBG 2017 widmet sich der Verwertung der Wirtschaftstreuhandkanzlei; §§ 114 ff regeln die Fortführung der Kanzlei eines verstorbenen Berufsberechtigten und § 122 die „Verwertung des Klientenstocks“. Gemäß § 122 WTBG 2017 sind „Berufsberechtigte und deren Rechtsnachfolger [...] berechtigt, den vorhandenen Klientenstock entgeltlich an einen anderen Berufsberechtigten zu übertragen“.
2. Die Bestimmung des § 122 WTBG 2017 regelt die Verwertung des Klientenstocks eines Berufsberechtigten und erlaubt dessen entgeltliche Übertragung auf einen anderen Berufsberechtigten. Die Beschränkung der Übertragung auf einen Berufsberechtigten ist dabei logische Konsequenz des gesetzlichen „Berufsvorbehalts“ für Wirtschaftstreuhandberufe. Nur einem Berufsberechtigten ist es erlaubt, die von übertragenen Klienten erteilten Aufträge zur Ausübung der Tätigkeit als Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer zu übernehmen und zu erfüllen.
[21] Nach dem festgestellten Sachverhalt ist aber nicht die Verwertung des Klientenstocks eines Berufsberechtigten nach dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz Gegenstand des vorliegenden Pachtvertrags, sondern die Verwertung des Klientenstocks eines Bilanzbuchhalters nach dem Bilanzbuchhaltergesetz. Der Kläger, selbst (bloß) Bilanzbuchhalter, hat den Kundenstock von einem anderen Bilanzbuchhalter mit der Abrede erworben, diese Kunden so wie sein Rechtsvorgänger aufgrund seiner Befugnisse als Bilanzbuchhalter selbst zu betreuen oder den Klientenstock weiterhin an die Beklagte zu verpachten.
[22] Zu beurteilen ist hier demnach die Verpachtung des Kundenstocks eines Bilanzbuchhalters (und nicht eines Berufsberechtigten nach dem WTBG). § 122 WTBG 2017 ist daher – entgegen dem Verständnis des Berufungsgerichts – von vornherein nicht einschlägig. Der Umstand, dass der Pächterin dieses Kundenstocks auch eine Berufsberechtigung nach dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz zukommt und sie die entsprechenden Tätigkeiten auch anbietet und ausübt, bedeutet keine Umgehung des Berufsvorbehalts nach dem WTBG 2017 im Allgemeinen sowie des Verwertungsrechts nach § 122 WTBG 2017 im Besonderen; der damit verfolgte Gesetzeszweck wird durch eine solche Vereinbarung nicht vereitelt.
3. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Verwertung des Kundenstocks eines Bilanzbuchhalters durch Verpachtung an einen insoweit Berufsberechtigten folgt aus den Prinzipien der Privatautonomie und Vertragsfreiheit. Das BiBuG 2014 enthält auch keine diese einschränkende gesetzliche Regelung der Verwertung.
[24] Damit ist für den Prozessstandpunkt des Klägers aber letztlich nichts gewonnen.
[25] Von der Frage der Zulässigkeit der Verpachtung des Kundenstocks als solche ist nämlich die Frage zu unterscheiden, ob der vereinbarte Pachtzins (auch) von jenem Umsatz abhängig gemacht und berechnet werden darf, der auf die Tätigkeiten der Pächterin zurückgeht, die sie im Rahmen ihrer Berufsberechtigung nach dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz ausübt. Als Pachtzins waren hier ja 20 % des mit den übertragenen Kunden erzielten Umsatzes ohne Einschränkung auf die Art der erbrachten Leistung vereinbart.
[26] Ein gesetzliches Verbot, den einem nicht zur Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufs Berechtigten zu zahlenden Pachtzins abrechnungspflichtig (auch) von dem Umsatz abhängig zu machen, der für von diesem Berufsvorbehalt erfasste Leistungen erzielt wurde, lässt sich – wie gezeigt – nicht aus § 122 WTBG 2017 ableiten. Dieses ergibt sich jedoch schon aus der Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftstreuhänders. Gemäß § 80 WTBG 2017 sind Berufsberechtigte zur Verschwiegenheit über die ihnen anvertrauten Angelegenheiten verpflichtet. Für diese Verschwiegenheitspflicht ist es ohne Bedeutung, ob die Kenntnis dieser Umstände und Tatsachen auch anderen Personen zugänglich ist oder nicht (§ 80 Abs 1 WTBG 2017). Da bereits die Bekanntgabe der Tatsache und Höhe des dem jeweiligen Klienten aktuell verrechneten Honorars gegen diese Verschwiegenheitspflicht verstößt, ist die Vereinbarung eines auf Abrechnung solcher Umsätze basierenden Pachtzinses aufgrund der Übertretung eines gesetzlichen Verbots insoweit nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig (zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 91 WTBG und der Unabtretbarkeit von Honorarforderungen aus diesem Grund: 2 Ob 231/02p; 8 Ob 36/05k; 9 Ob 34/12h).
[27] Der Kläger hat daher keinen Anspruch auf Rechnungslegung hinsichtlich jener Umsätze der Pächterin, die diese aus der Tätigkeit als Steuerberater und/oder Wirtschaftstreuhänder erzielt hat. Das Berufungsgericht hat die Verpflichtung zur Rechnungslegung daher im Ergebnis zu Recht entsprechend eingeschränkt.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00042.23X.0925.000 |
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