OGH vom 19.01.2023, 5Ob219/22z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers M*, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin „W*“, * gemeinnützige *-gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Mag. Michael Tinzl, Mag. Albert Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen § 15e WGG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 4 R 144/22p-10, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 22 Abs 4 WGG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgericht wies mit seinem Sachbeschluss das Begehren des Antragstellers ab, der Antragsgegnerin für die Legung eines Angebotes unter Nennung eines Preises für die Übertragung einer bestimmten Wohnung samt Tiefgaragenabstellplatz in sein Eigentum eine Nachfrist von einem Monat zu setzen und nach fristlosem Ablauf den Preis hierfür in sinngemäßer Anwendung des § 15d Abs 2 und 3 WGG festzusetzen. Da der Antragsteller aufgrund der bereits zuvor ausgesprochenen und letztlich als berechtigt erkannten Kündigung zum Antragszeitpunkt nicht mehr Mieter oder sonstiger Nutzungsberechtigter gewesen sei, stehe ihm auch kein Anspruch auf Übertragung der Wohnung in sein Eigentum nach § 15c WGG zu; ihm fehle insoweit schon die Antragslegitimation. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt, und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[2] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, in dem er keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen kann:
Rechtliche Beurteilung
[3] 1. Soweit der Antragsteller – wie auch in seinem an das Gericht zweiter Instanz gerichteten Berichtigungsantrag – den Ausspruch des Rekursgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstands bemängelt, weil dieses nicht ausgesprochen habe, dass er 30.000 EUR übersteige, genügt der Hinweis, dass nach § 37 Abs 3 Z 16 MRG (hier: iVm § 22 Abs 4 WGG) für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses die §§ 62 bis 64 AußStrG mit der Maßgabe gelten, dass die in § 22 Abs 1 WGG genannten Entscheidungsgegenstände rein vermögensrechtlicher Natur sind und die gemäß § 59 Abs 2, § 62 Abs 3 und 5 und § 63 Abs 1 AußStrG maßgebliche Wertgrenze 10.000 EUR beträgt. Zutreffend hat das Erstgericht den – ohnedies auch so bezeichneten – außerordentlichen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof direkt vorgelegt.
[4] 2. Allein der Umstand, dass sich der Oberste Gerichtshof noch nicht zur Frage äußern musste, ob ein Mieter, dem das Mietverhältnis (rechtswirksam) aufgekündigt wurde, der die Wohnung jedoch noch weiterbenützt, zur Antragstellung nach § 15c lit a Z 1 WGG legitimiert ist, begründet für sich noch keine erhebliche Rechtsfrage. Diese, vom Revisionswerber für erheblich erachtete Rechtsfrage kann anhand des Gesetzes, das selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft, sowie den dazu in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen gelöst werden und wurde von den Vorinstanzen auch in diesem Sinn beantwortet (vgl RS0042656).
[5] 2.1 Der Mietvertrag über die Wohnung und den KFZ-Abstellplatz, hinsichtlich der der Antragsteller die gerichtliche Festsetzung eines Preises für die Übertragung in sein Eigentum begehrt (§ 15e Abs 2 WGG), stammt vom 1. 9./. Zutreffend sind die Vorinstanzen daher davon ausgegangen, dass nach der Übergangsbestimmung des § 39 Abs 37 WGG die Bestimmung des § 15c WGG idF BGBl I 2001/162 und § 15e WGG idF BGBl I 2006/124 anzuwenden sind. Dass die Vorinstanzen die Frage, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt des Ablaufs der 10-Jahres-Frist und seines Antrags als „Mieter oder sonstiger Nutzungsberechtigter“ zu qualifizieren und damit im Sinn der genannten Bestimmungen antragslegitimiert war, verneinten, bedarf nach der klaren Rechtslage keiner Korrektur.
[6] 2.2 Nach gefestigter Rechtsprechung endet das Bestandverhältnis, wenn eine gerichtliche Aufkündigung für rechtswirksam erkannt wird, stets mit dem gemäß § 562 Abs 1 ZPO in der Kündigung anzugebenden Zeitpunkt (RS0044763). An der Beendigung zu diesem Stichtag ändert auch der Umstand nichts, dass das Urteil, mit dem die Kündigung für rechtswirksam erklärt wurde, erst nach Ablauf des Kündigungstermins erging (RS0044917; RS0044908).
[7] 2.3 Der Oberste Gerichtshof hat die vom Antragsteller gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts, mit der es das Urteil des Erstgerichts über die Wirksamkeit der Aufkündigung zum bestätigte, erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss zu 1 Ob 228/21t vom zurückgewiesen. Mit Zustellung dieser Entscheidung wurde die Kündigung zum Stichtag rechtswirksam, sodass sich der Antragsteller auf kein Rechtsverhältnis berufen kann, das ihn gegenüber der Antragsgegnerin zur Nutzung des Mietobjekts nach diesem Zeitpunkt berechtigt hätte. Zum , zu dem der Antragsteller die Antragsgegnerin aufforderte, einen Preis für die Übertragung der Wohnung in sein Eigentum bekanntzugeben, bestand kein wirksames Mietverhältnis mehr, mag die Rechtskraft im Verfahren über die Aufkündigung auch erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sein. Damit kann sich der Antragsteller – ex post betrachtet – auch nicht mehr darauf berufen, er sei als Mieter zur Antragstellung iSd § 15c WGG (idF BGBl I Nr 162/2001) legitimiert gewesen.
[8] 3. Seiner Argumentation, er sei bei Antragstellung „sonstiger Nutzungsberechtigter“ gewesen, liegt erkennbar die Ansicht zugrunde, es komme für eine Berechtigung zur Weiterbenützung des Bestandobjekts nach Vertragsauflösung nicht auf ein erst rückwirkend festgestelltes Ende des Bestandverhältnisses an, weswegen der (nachträgliche) Wegfall der Mietereigenschaft nicht dazu führen könne, dass er seinen Anspruch vor rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens über die Aufkündigung verliere. Nach ganz herrschender Auffassung kommt es aber auf die Vorhersehbarkeit einer gerichtlichen Entscheidung über die Vertragskündigung gerade nicht an (1 Ob 105/06g). Das Risiko, dass er die wirksame Vertragsauflösung zu Unrecht bestreitet, trägt ganz allgemein der Bestandnehmer. Stellt er ungeachtet einer wirksamen Kündigung das Bestandobjekt nicht zurück, hat er dem Bestandgeber als titelloser Benützer nach § 1041 ABGB ein Benützungsentgelt in Höhe eines bei Weitervermietung erzielbaren Bestandzinses zu zahlen (RS0030282; RS0019883). Als titelloser Benützer ist der Antragsteller entgegen seiner Argumentation aber nicht Nutzungsberechtigter iSd §§ 15c und 15e WGG. Seine Ansicht, es käme in diesem Kontext auf eine Berechtigung zur Nutzung der Wohnung im Verhältnis zur Antragsgegnerin nicht an, ist mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang zubringen.
[9] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00219.22Z.0119.000 |
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