OGH vom 21.06.2023, 3Ob26/23d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. WeixelbraunMohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Mag. Christopher Schmied, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde G*, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Feststellung einer Dienstbarkeit und Beseitigung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 142/22f17, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 9 Cg 47/22w12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (hierin enthalten 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist seit 2003 Eigentümerin einer Liegenschaft mit dem Grundstück 86/3, auf dem bis zum Jahr 2017 ein Gasthaus betrieben wurde. Im Südwesten grenzt an dieses Grundstück das im Eigentum der beklagten Gemeinde stehende, einen Teil des Marktplatzes bildende Grundstück 86/1, das die Beklagte im Jahr 1968 von den damaligen Liegenschaftseigentümern gekauft hat.
[2] In der öffentlichen Sitzung der (beschlussfähigen) Gemeindevertretung der Beklagten vom war einer der Tagesordnungspunkte die Genehmigung dieses Kaufvertrags; der Ankauf der Grundfläche zur Schaffung eines Marktplatzes wurde damals einstimmig genehmigt. Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde vom wurde der Kaufvertrag gemäß § 68 Abs 1 lit a der Salzburger Gemeindeordnung 1965 genehmigt.
[3] Die begehrt die Feststellung einer Dienstbarkeit in Form eines näher umschriebenen Geh und Fahrtrechts entlang der nördlichen Grenze des Grundstücks 86/1 zugunsten ihres Grundstücks 86/3, die Beseitigung der von der Beklagten in diesem Bereich aufgestellten Absperrgitter und die Unterlassung künftiger derartiger Beeinträchtigungen der Servitut. Für sie und ihre Rechtsvorgänger habe die Zufahrt über den Marktplatz insbesondere der Anlieferung von Waren für das über viele Jahrzehnte auf dem Grundstück 86/3 betriebene Gasthaus, aber auch dazu gedient, zu der dort befindlichen Privatwohnung zu gelangen. Durch den mehr als 50jährigen Gebrauch der Zufahrt und des Zugangs sei eine entsprechende Dienstbarkeit ersessen worden. Das von der Beklagten behauptete Ersitzungsverbot gemäß § 8 Abs 1 Salzburger Landesstraßengesetz (Sbg LStG) 1966 komme hier nicht zum Tragen, weil es für die Übernahme des Grundstücks als Gemeindestraße eines Beschlusses der Gemeindevertretung bedurft hätte; ein solcher sei aber nicht gefasst worden.
[4] Die wendete insbesondere ein, sie habe das Grundstück 86/1 zum Zweck der Schaffung und Erweiterung einer öffentlichen Verkehrsanlage, nämlich des Marktplatzes, erworben. Der Kaufvertrag sei von der Gemeindevertretung und in der Folge von der Salzburger Landesregierung als Gemeindeaufsicht genehmigt worden; damit sei jedenfalls der Bestimmung des § 27 Abs 2 Sbg LStG 1966 entsprochen worden. Der von der Klägerin behaupteten Ersitzung stehe daher bereits das in § 8 Abs 1 Sbg LStG 1966 normierte Ersitzungsverbot entgegen.
[5] Das wies das Klagebegehren ab. In der Sitzung der Gemeindevertretung der Beklagten vom sei mit der Genehmigung des Kaufvertrags zum Erwerb des Grundstücks zum Zwecke der Schaffung eines Marktplatzes auch ein Beschluss iSd § 27 Abs 2 Sbg LStG 1966 gefasst worden. Dass das Protokoll der Sitzung auf diese Bestimmung nicht Bezug nehme und auch deren Wortlaut nicht wiedergebe, schade nicht, weil der Beschlusswille der Gemeindevertretung, den Marktplatz auf diesem Grundstück zu errichten, in dieser öffentlichen Verhandlung ohne jeden Zweifel zum Ausdruck gekommen sei. Daher stehe das gesetzliche Ersitzungshindernis des § 8 Abs 1 letzter Satz Sbg LStG 1966, das auch im Sbg LStG 1972 bis heute unverändert normiert sei, der von der Klägerin behaupteten Ersitzung von vornherein entgegen, sodass weitere Beweisaufnahmen zum Thema der tatsächlichen Nutzung der behaupteten Dienstbarkeitstrasse entbehrlich seien.
[6] Das gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Die Widmung als öffentliches Gut bedürfe eines entsprechenden Verwaltungsakts. Ein solcher liege hier, wie das Erstgericht zutreffend erkannt habe, in dem in der Sitzung der Gemeindevertretung gefassten Beschluss über die Genehmigung des Kaufvertrags, komme doch im Sitzungsprotokoll ausreichend zum Ausdruck, dass das Grundstück als öffentliche Verkehrsanlage (Marktplatz) gewidmet werden solle. Einer ausdrücklichen Erwähnung der Fassung eines Beschlusses iSd § 27 Abs 2 Sbg LStG 1966 habe es nicht bedurft. Dass eine Kundmachung des Beschlusses nicht erfolgt und dieser damit nicht rechtswirksam sei, habe die – insofern behauptungspflichtige – Klägerin in erster Instanz nicht vorgebracht.
[7] Mit ihrer strebt die Klägerin die Stattgebung ihres Klagebegehrens an; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[8] Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten , die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage , aber .
[10] 1. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs 1 lit b des – bei Erwerb der Liegenschaft durch die Beklagte und Fassung des Beschlusses vom in Geltung gestandenen – Sbg LStG 1966 sind öffentliche Straßen im Sinn dieses Gesetzes unter anderem Gemeindestraßen und Gemeindewege. Gemäß § 2 Abs 1 Sbg LStG 1966 sind Plätze im Zuge von Straßen – wie hier der Marktplatz – Teile der Straße, wenn nicht nachgewiesen wird, dass sie im Eigentum eines anderen stehen. Gemäß § 8 Abs 1 Sbg LStG 1966 bedurfte jede Benutzung von öffentlichen Straßen und der dazugehörigen Anlagen für andere Zwecke als für solche des Verkehrs der Zustimmung der Straßenverwaltung. § 8 Abs 1 letzter Satz Sbg LStG 1966 bestimmte (gleichlautend wie § 8 Abs 1 letzter Satz des nun geltenden Sbg LStG 1972), dass durch die besondere Benutzung der Straße ein Recht nicht ersessen werden kann.
[11] 2. § 8 Abs 1 Sbg LStG will nicht nur die Ersitzung von Rechten an Straßengrundstücken, sondern grundsätzlich das Entstehen von Privatrechten an den im Gemeingebrauch stehenden Straßen verhindern (6 Ob 37/07w = RS0066056 [T1]).
[12] 3. Gemäß § 27 Abs 2 Sbg LStG 1966 erfolgte der Bau neuer Gemeindestraßen und die Übernahme von Straßen als Gemeindestraßen sowie die Bestimmung (Umwandlung) als Gemeindestraße I. oder II. Klasse aufgrund von Beschlüssen der Gemeindevertretung.
[13] 4. Aus der Niederschrift über die öffentliche Sitzung der Gemeindevertretung der Beklagten vom (Punkt 13) ergibt sich, dass damals die Verträge über den des Grundstücks 86/1 sowie einer weiteren Teilfläche von 21 m² jeweils beschlussmäßig genehmigt wurden. Eine ausdrückliche Widmung des – auf dem erst zu erwerbenden Grundstück noch zu errichtenden – Marktplatzes als Gemeindestraße (I. oder II. Klasse) ist diesem Protokoll also nicht zu entnehmen. Folgerichtig sind die Vorinstanzen auch nur von einer impliziten (schlüssigen) Widmung als Gemeindestraße ausgegangen.
[14] 5.1. Die Klägerin führt dagegen ins Treffen, dass die beschlussmäßige Umwidmung eines Grundstücks nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs erst dann erfolgen könne, wenn die Gemeinde bereits Eigentümerin des betroffenen Grundstücks sei; nur wenn es sich beim Grundstück um eine Privatstraße gehandelt hätte, die über Antrag des Eigentümers umgewidmet werden sollte, wäre eine Beschlussfassung nach § 27 Abs 2 Sbg LStG 1966 durch die Gemeinde vor Eigentumserwerb möglich gewesen.
[15] 5.2. Dem kann nicht gefolgt werden. Der von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom , V 108/01, lag nämlich der Sachverhalt zugrunde, dass der dort streitgegenständliche (Verbindungs)Weg im Zeitpunkt der (vor der Enteignung des Grundstücks erfolgten) Widmung als Gemeindestraße schon seit Jahren als Privatstraße diente. Vor diesem Hintergrund sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass durch die Öffentlicherklärung eines Weges durch Verordnung mangels Eigentumserwerbs in gesetzwidriger Weise Gemeingebrauch begründet werde. Diese Entscheidung ist hier daher schon deshalb nicht einschlägig, weil der Marktplatz erst nach Erwerb des Grundstücks durch die Beklagte errichtet wurde.
[16] 6. Wie im Folgenden darzulegen sein wird, bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit den in der Revision aufgeworfenen Fragen, ob ein impliziter Widmungsbeschluss der Gemeindevertretung überhaupt denkbar ist und welche Partei für die (nicht) ordnungsgemäße Kundmachung eines solchen Beschlusses behauptungs- und beweispflichtig ist:
[17] 6.1. Der nach dem Erwerber der Grundstücke von der Beklagten errichtete Marktplatz wird unstrittig seit Jahrzehnten als solcher – also als öffentliche Verkehrsfläche – genutzt.
[18] 6.2. Die meisten Landesstraßengesetze definieren als öffentliche (Gemeinde)Straßen nicht bloß jene, die ausdrücklich als solche gewidmet wurden, sondern kennen auch die stillschweigende Widmung für den Gemeingebrauch (siehe § 3 Burgenländisches Straßengesetz 2005; § 2 Kärntner Straßengesetz 2017; § 2 Z 3 Oberösterreichisches Straßengesetz 1991; § 2 Steiermärkisches LandesStraßenverwaltungsgesetz 1964; § 30 Vorarlberger Straßengesetz; vgl auch § 4 Z 3 Niederösterreichisches Straßengesetz 1999).
[19] 6.3. Demgegenüber sah § 27 Abs 2 Sbg LStG 1966 nur die ausdrückliche Widmung einer Gemeindestraße durch Beschluss der Gemeindevertretung vor (siehe auch § 29 Abs 2 Sbg LStG 1972, wonach die Widmung durch Verordnung der Gemeindevertretung erfolgt).
[20] 6.4. Es muss hier allerdings nicht weiter untersucht werden, ob § 27 Abs 2 Sbg LStG 1966 in Anbetracht der in Punkt 6.2. zitierten Straßengesetze anderer Bundesländer allenfalls dahin auszulegen ist, dass auch eine schlüssige Widmung für den Gemeingebrauch erfolgen kann. Selbst unter der Annahme einer fehlenden Widmung als Gemeindestraße handelte es sich beim Marktplatz nämlich jedenfalls um eine dem öffentlichen Verkehr dienende Privatstraße iSd § 38 Abs 1 Sbg LStG 1966 (bzw jetzt § 40 Abs 1 Sbg LStG 1972), die in langjähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses allgemein und ungehindert benutzt worden wäre. Auch an einer solchen Privatstraße kann aber gemäß § 8 Abs 1 letzter Satz Sbg LStG kein Wegerecht ersessen werden.
[21] 7. Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
[22] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00026.23D.0621.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.