OGH 15.03.2023, 3Ob230/22b
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* C*, vertreten durch die Gabler Ortner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. E* W*, und 2. A* W*, beide vertreten durch die Dr. Wolfgang Schimek Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, wegen Übergabe eines Bestandobjekts, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 50/22d-57, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Beklagten nahmen im Jahr 1984 vom Rechtsvorgänger des Klägers für zehn Jahre den „herrschaftlichen M*hof“ samt umliegenden Wiesen im Ausmaß von 6 ha zum Zwecke eines Reitschul- und eines Buffetbetriebs in Bestand. Das Areal hatte zuvor anderen Zwecken gedient, das Gebäude insbesondere der Haltung von Schweinen und Kälbern sowie dem Betrieb einer Champignonzucht. Damit sie die geplanten Tätigkeiten aufnehmen konnten, mussten die Beklagten umfangreiche Adaptierungen vornehmen. Über die für den Betrieb einer Reitschule und eines Gastgewerbes erforderlichen Konzessionen verfügten die Beklagten selbst.
[2] Ausgehend davon, dass kein Pachtverhältnis, sondern eine dem MRG unterliegende Geschäftsraummiete vorliege, wies das Berufungsgericht das Begehren auf Erteilung eines Übergabsauftrags mit der Begründung ab, das zum Vertragsschlusszeitpunkt zwingende Recht habe die Befristung ausgeschlossen, weshalb ein aufrechtes Vertragsverhältnis vorliege (§ 29 MRG vor WRN 2000).
Rechtliche Beurteilung
[3] In der außerordentlichen Revision wird keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufgezeigt.
[4] Zur Frage, ob es sich um eine Geschäftsraummiete oder eine Unternehmenspacht handelt, liegt eine umfangreiche Rechtsprechung vor, die vom Berufungsgericht richtig wiedergegeben wurde. Der Oberste Gerichtshof betonte dabei schon mehrfach, dass es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (RS0031183; RS0020513 ua). Dies macht aber deutlich, dass der Beurteilung der genannten Frage im Allgemeinen keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt, weil die Kasuistik des Einzelfalls dies ausschließt.
[5] Die Qualifikation des vorliegenden Bestandverhältnisses als Miete durch das Berufungsgericht hält sich im Rahmen der dazu vorliegenden Judikaturgrundsätze und bedarf daher keiner höchstgerichtlichen Korrektur.
[6] Bei erst zu gründenden Betrieben kann nach der Rechtsprechung nur dann Pacht angenommen werden, wenn der Bestandgeber alle wesentlichen Grundlagen des künftigen Unternehmens zur Verfügung stellt und der Bestandnehmer auch zur Rückstellung eines lebenden Unternehmens verpflichtet ist (RS0029483; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1091 ABGB Rz 11 mwN). Unter den „wesentlichen Grundlagen“ sind etwa entsprechend adaptierte Räume, der Kundenstock und die Konzession zu verstehen (vgl RS0020581). Dem sonst für die Unterscheidung zwischen Miete und Pacht besonders wesentlichen Kriterium der Betriebspflicht wird in dem Fall, in dem lediglich für den Zweck des in Aussicht genommenen Unternehmens noch gar nicht geeignete Räumlichkeiten überlassen werden, weniger Bedeutung zugemessen (RS0020581 [T3] = RS0020513 [T26]; vgl auch RS0020255).
[7] Selbst wenn man hier aufgrund der von den Vorinstanzen bejahten (konkludenten) Betriebspflicht auch eine Rückstellungspflicht bejahen wollte (vgl Lovrek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1091 Rz 12), so ist bereits aufgrund der notwendigen umfangreichen Adaptierungen und mangels Zurverfügungstellung einer Konzession durch den Bestandgeber eine Geschäftsraummiete anzunehmen, mag auch – insofern vergleichbar mit dem zu 10 Ob 11/00s entschiedenen Fall – ein gewisser „Kundenstock“ für den später aufgenommenen Buffetbetrieb schon im Jahr 1984 durch den Besuch der neben dem in Bestand genommenen Areal gelegenen, ebenso dem Bestandgeber eigentümlichen Burg durch Touristen vorhanden gewesen sein. Im Unterschied zum vorliegenden Fall existierte bei 10 Ob 11/00s der Gastgewerbebetrieb bereits, als der Bestandvertrag geschlossen wurde.
[8] Aufgrund des errichteten einheitlichen Vertrags und des in § 1091 Satz 2 ABGB verankerten Absorptionsprinzips (dazu zB Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1091 ABGB Rz 3) sind die Wiesen als mitgemietet anzusehen, weil für den M*hof ein monatlicher Zins von 2.000 ATS, für die Wiesen hingegen nur ein monatlicher Zins von 1.000 ATS vereinbart wurde. Es ist kein Grund ersichtlich, von dieser von den Vertragsparteien vorgenommenen Gewichtung – die im Zweifel jener der Verkehrsauffassung entspricht, welche darüber entscheidet, welcher Teil absorbiert wird (vgl 6 Ob 523/82 = MietSlg 34.208; RS0020299) – abzugehen, weist doch der M*hof (Gebäude) tatsächlich eine beträchtliche Nutzfläche auf (laut Revision 1.240 m²).
[9] Die Miete von Grundflächen mit einzelnen bestehenden Gebäuden stellt, ohne dass es so sehr auf das Flächenverhältnis ankommt, Raummiete dar, wenn – was hier der Fall ist – den verbauten Räumen gegenüber den Freiflächen selbstständige Bedeutung zukommt (5 Ob 85/93; vgl auch RS0069423 [T4]; RS0069482).
[10] Aus dem im Akt erliegenden Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission aus dem Jahr 1984 in Verbindung mit dem Umstand, dass der Wortlaut des § 1 des damaligen OÖ GVG 1975, LGBl 1975/53, nur bei einer Verpachtung von das Ausmaß von einem Hektar überschreitenden Grundstücken eine Genehmigung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes verlangte, lässt sich nicht ableiten, dass der vorliegende Vertrag nur ein Pachtvertrag sein könne.
[11] Mit dem Vertragsnachtrag des Jahres 1990 wurde allein die Vertragslaufzeit verlängert; ein darüber hinausgehender Wille der Vertragsparteien, insbesondere dahin, nunmehr ein bereits lebendes Unternehmen (Buffet- und Reitschulbetrieb) in Bestand zu geben bzw zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Dass die Parteien im Nachtrag sowie im ursprünglichen Vertrag von Pacht sprachen, schließt eine Qualifikation des Bestandverhältnisses als Miete ebensowenig aus (vgl RS0031183 [T10]; RS0020910 [T1]; RS0017762 [T17] ua; zu einer Reitschule insbesondere 3 Ob 575/79 = MietSlg 32.164).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00230.22B.0315.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAB-55484