zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 19.04.2023, 3Ob223/22y

OGH vom 19.04.2023, 3Ob223/22y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* L*, vertreten durch Mag. Franz Hofmann, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei L* S*, vertreten durch Ortner Rechtsanwalts KG in Gmunden, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit sowie Wiederherstellung und Unterlassung, hier wegen Anmerkung einer Klage im Grundbuch, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom , GZ 22 R 182/22d-8, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom , GZ 2 C 543/22i-3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Das Erstgericht wird als Grundbuchsgericht um den Vollzug und die Verständigung der Beteiligten ersucht.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR (darin enthalten 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung und die beklagte Partei die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Das Rekursgericht wies den Antrag der Klägerin auf Anmerkung der Klage (auf Feststellung und Einverleibung der Dienstbarkeit des Wasserbezugs- und Wasserleitungs-rechts) nach § 70 GBG zurück. Über Zulassungsvorstellung der Klägerin nach § 126 Abs 2 GBG iVm § 63 Abs 3 AußStrG sprach es nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil die Klägerin zutreffend aufzeige, dass ein einer elektronischen Eingabe angeschlossener PDF-Anhang (Schriftsatz) nach neuerer Rechtsprechung keiner Unterfertigung durch den Parteienvertreter bedürfe.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

[3] 1. Bei Teilnehmern am elektronischen Rechtsverkehr (ERV) erfolgt die Übermittlung von Eingaben samt Beilagen an die Gerichte sowie von Erledigungen an Verfahrensbeteiligte grundsätzlich im Rahmen des ERV (seit Web-gestützter ERV). Die nähere Vorgangsweise bei der elektronischen Übermittlung wird durch Verordnung – nunmehr die ERV 2021, BGBl II 2021/587 – geregelt; sie basiert auf der Grundlage des § 89b Abs 2 GOG. Nach dem Konzept der ERV 2021 werden die Eingaben an die Gerichte grundsätzlich als Anhang zu einer elektronischen Nachricht übermittelt.

[4] Seit Einführung des Web-ERV ist das Unterschriftserfordernis (§ 75 Z 3 ZPO iVm § 10 Abs 1 AußStrG: vgl 6 Ob 3/09y) in den Hintergrund getreten (siehe § 89c Abs 1 und 2 GOG). Bei elektronischer Einbringung bedarf weder die elektronische Nachricht noch der dieser angeschlossene PDF-Anhang (also die Eingabe bzw der Mitteilungsschriftsatz selbst) einer Unterfertigung durch den Parteienvertreter. Stattdessen wird durch den Anschriftcode gemäß § 8 ERV 2021 und die für den jeweiligen Übermittlungsweg vorgesehenen Sicherheitsvorkehrungen, insbesondere die Schnittstellenbeschreibung nach § 7 ERV 2021, sichergestellt, dass die Eingabe nur von jener Person elektronisch eingebracht werden kann, die in der elektronischen Nachricht als Einbringer bezeichnet wird (RS0125146; 6 Ob 3/09y; 7 Ob 244/13b; 2 Ob 133/16x). Die elektronische Eingabe wird somit dem Inhaber des ERV-Anschriftcodes als Einbringer zugeordnet.

[5] 2. Im Anlassfall bedurfte die im ERV als PDF-Anhang übermittelte Klage samt Antrag auf Streitanmerkung keiner Rechtsanwaltsunterschrift, weshalb es auch nicht schädlich ist, wenn ein auf dem Schriftsatz enthaltenes (eingescanntes) Unterschriftsbild den Vertretungshinweis „i.V.“ enthält. Unstrittig ist, dass der Schriftsatz als PDF-Anhang einer elektronischen Nachricht unter Angabe des Anschriftcodes des Klagsvertreters im ERV an das Erstgericht übermittelt wurde.

[6] 3. Im Rekurs sowie in der Revisionsrekursbeantwortung bemängelt die Beklagte, dass die Klage samt Antrag auf Streitanmerkung nicht von einem Rechtsanwalt (Klagsvertreter), sondern von einem unberechtigten Dritten unterschrieben worden sei. Weder Angestellte noch Rechtsanwaltsanwärter dürften Schriftsätze unterfertigen, weil sie nicht für einen Rechtsanwalt vertretungsbefugt seien.

[7] Gegen die Bevollmächtigung des Klagsvertreters wendet sich die Beklagte demnach nicht und lässt dementsprechend auch die ausdrückliche Bezugnahme des Rekursgerichts (in seinem Beschluss auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs) auf den Klagsvertreter als „bevollmächtigter Rechtsanwalt“ unbeanstandet. An der wirksamen Bevollmächtigung des Klagsvertreters, der sich in der Klage ausdrücklich auf die erteilte Vollmacht berufen hat, bestehen mangels jeglicher gegenteiliger Anhaltspunkte auch keine Bedenken.

[8] 4. Die Beurteilung des Erstgerichts, dass die Streitanmerkung auch dann zulässig sei, wenn die Anerkennung einer Servitut – wie hier – aus dem Grund der Ersitzung begehrt werde, hat die Beklagte nicht beanstandet (vgl dazu RS0060890).

[9] 5. Das Rekursgericht hat den Antrag der Klägerin auf Streitanmerkung somit zu Unrecht zurückgewiesen. In Stattgebung des – entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Revisionsrekursbeantwortung rechtzeitigen – Revisionsrekurses war die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

[10] Anträge auf grundbücherliche Streitanmerkung sind auch dann nach den Verfahrensvorschriften des Grundbuchrechts zu behandeln, wenn sie beim Prozessgericht gestellt werden (RS0060701; RS0060516). Das Rechtsmittelverfahren ist daher einseitig (vgl RS0113517; RS0116902) und eine Beantwortung sowohl des Rekurses als auch des Revisionsrekurses unzulässig (§§ 124 und 126 GBG; RS0060516).

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 75 Abs 2 GBG iVm § 78 AußStrG. Nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt in Fällen der Streitanmerkung ein Ersatz der Rechtsmittelkosten dann in Betracht, wenn im (einseitigen) Rechtsmittelverfahren entgegengesetzte Interessen verfolgt werden und sich der Beklagte gegen eine gerichtlich bewilligte Streitanmerkung im Rechtsmittelverfahren erfolgreich zur Wehr setzt (vgl RS0126117). Da die Beklagte in diesem Sinn mit ihrem Rekurs zunächst durchgedrungen war, ist der von der Klägerin erfolgreich erhobene Revisionsrekurs als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen. Für den letztlich erfolglosen Rekurs der Beklagten und die unzulässige Rekursbeantwortung der Klägerin gebührt hingegen kein Kostenersatz.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00223.22Y.0419.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.