OGH vom 15.03.2023, 3Ob22/23s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz, Rechtsanwalt in Baden, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 61.283,62 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 108/22y-39, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin stürzte auf einer Grünfläche im Bereich einer Kreuzung.
[2] Das Erstgericht wies das von der Klägerin gegen den Liegenschaftseigentümer (Land) erhobene Schadenersatz- und Feststellungsbegehren ab. Die Fläche, auf der sie zu Sturz gekommen sei, sei kein Weg im Sinn des § 1319a ABGB.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil eine Beurteilung im Einzelfall vorliege.
Rechtliche Beurteilung
[4] Mit ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[5] 1. Ein Weg ist gemäß § 1319a Abs 2 erster Satz ABGB eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehrs benützt werden darf, und zwar auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist, einschließlich der in ihrem Zug befindlichen, dem Verkehr dienenden Anlagen. Unter den Begriff „Wege“ fallen nach dem weiten Begriffsinhalt des § 1319a Abs 2 ABGB auch alle öffentlichen Verkehrsflächen und die von jedermann benutzbaren Privatstraßen (RS0115172). Als „im Zuge des Wegs befindliche Anlagen“ sind Anlagen im Sinn des § 1319a Abs 2 ABGB zu verstehen, also solche, die dem Verkehr auf dem Weg dienen (RS0107589 [T5]).
[6] 2.1 Die Klägerin kam auf einer Grünfläche in einem Kreuzungsbereich, die insbesondere Hundebesitzer zum „Gassi“-Gehen benützten, auf einer für sie wegen der Schneelage nicht sichtbaren Metalltafel zu Sturz. Dass die Vorinstanzen diesen Bereich, der nicht einmal seinem äußeren Anschein nach ein für den Fußgängerverkehr freigegebener Weg ist, nicht als solchen im Sinn des § 1319a ABGB qualifizierten, hält sich im Rahmen der zu § 1319a ABGB und § 1319 ABGB vorhandenen Rechtsprechung.
[7] 2.2 Die in der außerordentlichen Revision als erheblich bezeichnete Frage, ob „ein Fußweg eine dezidierte sachliche Widmung als Verkehrsfläche“ benötige, übergeht die Tatsache, dass die Unfallstelle schon in tatsächlicher Hinsicht aufgrund der örtlichen Beschaffenheit und des Erscheinungsbildes nicht auf einer Verkehrsfläche, sondern auch einer Grünfläche (Wiese) lag. Auch die daran anknüpfende Frage, „ob ein Fußweg nur dann vorliegt, wenn eine Landfläche nach ihrer äußeren Erscheinungsform sich als Verkehrsfläche darstellt“, ist nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, weil sich diese Voraussetzung aus der Bestimmung des § 1319a Abs 2 ABGB selbst ergibt („Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehrs benützt werden darf […]“). Die Anwendbarkeit des § 1319a ABGB setzt daher voraus, dass die jeweilige Landfläche dem Zweck dient(e), von einem Ort zu einem anderen Ort zu gelangen (vgl RS0030002).
[8] 2.3 Zwar kann auch durch bloße längere Benützung ein Weg im Sinn des § 1319a ABGB entstanden sein, allerdings wiederum nur, wenn eine Benützung der Landfläche „zu Verkehrszwecken“ erfolgt(e). Hier steht aber fest, dass die Spaziergänger, die den Grünbereich in seiner gesamten Breite nutzten, ihre Richtung – wie auch die Klägerin – manchmal danach wählten, wo ihr Hund „gerade 'schnupperte' und gehen wollte“. Eine Benützung dieses Grünstreifens, um von einem Ort zu einem anderen zu gelangen, erfolgte daher nach dem festgestellten Sachverhalt nicht.
[9] 2.4 Wenn die Klägerin meint, die Grünfläche sei eine zur Straßenanlage gehörende „Anlage“ und ihre Benützung als Weg sei „nicht dezidiert durch ausreichenden Hinweis ausgeschlossen“ gewesen, so zeigt sie auch damit keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dass diese Fläche im Kreuzungsbereich der besseren Benützbarkeit der Straßen oder vergleichbaren Verkehrszwecken dienen würde, ist nach den getroffenen Feststellungen nicht erkennbar. Die rechtliche Beurteilung, nach der es sich bei diesem Bereich, dessen Benützung (bloß) zum Spazieren und Hunde-Ausführen erfolgte, nicht um einen Weg im Sinn des § 1319a ABGB handelte, begegnet daher keinen Bedenken.
[10] 2.5 Die Klägerin verweist schließlich auf die „Judikatur zu den Straßenbanketten“ und meint, eine ähnliche Problematik liege auch hier vor. Zu 2 Ob 235/15w entschied der Oberste Gerichtshof, dass ein Straßenbankett (als nicht befestigter Teil einer Straße zwischen Fahrbahn und Straßenrand, soweit sich nicht besondere straßenbauliche Anlagen wie Gehsteige oder Radwege befinden) ein Teil der Straße ist, damit unmittelbar zum Weg im Sinn des § 1319a ABGB gehört und nicht nur eine seinem Verkehr dienende Anlage im Sinn dieser Bestimmung ist. Mit dieser Qualifikation ist aber der hier zu beurteilende Grünbereich bei der Kreuzung der Bundesstraßen gerade nicht vergleichbar, weil für den Fußgängerverkehr entsprechende Anlagen (Gehsteige) vorhanden sind und die Fläche für die Benützung der Straße und ihrer zugehörigen Anlagen offensichtlich nicht erforderlich oder dienlich war.
[11] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00022.23S.0315.000 |
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Fundstelle(n):
YAAAB-55482