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OGH vom 15.12.2022, 3Ob202/22k

OGH vom 15.12.2022, 3Ob202/22k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei T*, Deutschland, vertreten durch Dr. Georg Gorton und DDr. Birgit Gorton, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die verpflichtete Partei Dr. S* K*, vertreten durch Dr. Bernhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 25.000 EUR sA, aus Anlass des Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 32 R 28/22w-8, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom , GZ 4 E 479/22x-2, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der Beschluss des Rekursgerichts, mit dem über den Rekurs der verpflichteten Partei meritorisch entschieden wurde, als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, den „Rekurs“ der verpflichteten Partei als Einspruch nach § 54c Abs 1 EO zu behandeln und darüber das gesetzmäßige Verfahren einzuleiten.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Mit Exekutionsantrag vom begehrte die Betreibende, ihr aufgrund der „Grundschuldbestellung“ eines Notars aus Berlin vom zur Hereinbringung einer vollstreckbaren (Teil-)Forderung von 25.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit gegen den Verpflichteten die Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 295 EO zu bewilligen. Dazu legte sie unter anderem – jeweils in Kopie – den Exekutionstitel und eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel (nach Anhang III der EuVTVO) vor.

[2] Das Erstgericht bewilligte die Exekution im vereinfachten Bewilligungsverfahren nach § 54b EO.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten Folge, hob den angefochtenen Beschluss des Erstgerichts auf und verwies die Exekutionssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Da die Betreibende nur Kopien vorgelegt habe und nicht erkennbar sei, von wem die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel stamme, müsse die Betreibende vom Erstgericht gemäß § 54b Abs 2 Z 3 EO aufgefordert werden, eine Ausfertigung des Exekutionstitels und der Bestätigung der Vollstreckbarkeit (hier: der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel) vorzulegen. Die Entscheidung des Erstgerichts müsse daher aufgehoben werden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob das Vollstreckungsgericht auch bei einer offensichtlichen Unrichtigkeit der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel infolge Überschreitung des zeitlichen Anwendungsbereichs der EuVTVO an diese Bestätigung gebunden sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

[4] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Verpflichteten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Exekutionsantrag der Betreibenden (sofort) abgewiesen werde.

[5] Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Betreibende, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

[6] Aus Anlass des Revisionsrekurses ist ein dem Beschluss des Rekursgerichts anhaftender Verstoß gegen dessen funktionelle Zuständigkeit wahrzunehmen.

[7] 1. Das Erstgericht hat die Exekutionsbewilligung aufgrund einer ausländischen notariellen Urkunde auf Basis der EuVTVO im vereinfachten Bewilligungsverfahren nach § 54b EO erteilt.

[8] § 54b Abs 1 Z 4 EO sieht die Entscheidung über einen Exekutionsantrag im vereinfachten Bewilligungsverfahren dann vor, wenn sich der Betreibende auf einen inländischen oder auf einen diesem gleichgestellten oder einen rechtskräftig für vollstreckbar erklärten ausländischen Exekutionstitel stützt. Gleichgestellte Exekutionstitel sind nach § 2 Abs 2 EO (ua) solche, die nach der EuVTVO ohne Exequaturverfahren zu vollstrecken sind.

[9] Gemäß § 54c EO steht dem Verpflichteten gegen eine im vereinfachten Bewilligungsverfahren ergangene Exekutionsbewilligung der Einspruch zu. Mit diesem kann (nur) geltend gemacht werden, dass ein die bewilligte Exekution deckender Exekutionstitel samt Bestätigung der Vollstreckbarkeit fehlt, oder dass der Exekutionstitel nicht mit den im Exekutionsantrag enthaltenen Angaben darüber übereinstimmt. Zum Fehlen eines die bewilligte Exekution deckenden Exekutionstitels zählt auch der Einwand, dass keine taugliche Bestätigung der Vollstreckbarkeit (oder keine Vollstreckbarerklärung) vorliegt (3 Ob 58/17a; 3 Ob 100/19f). Rechtsbehelfe und Rechtsmittel, mit denen solche Mängel geltend gemacht werden, sind als Einspruch nach § 54c Abs 1 EO zu behandeln (3 Ob 100/19f mwN).

[10] 2. Im Anlassfall machte der Verpflichtete in seinem „Rekurs“ geltend, dass ein die Exekution deckender Exekutionstitel samt der dafür erforderlichen Vollstreckbarerklärung fehle. Den im Rekurs ebenfalls behaupteten Verstoß der Exekutionsführung gegen Treu und Glauben behielt der Verpflichtete einer gesonderten Klagsführung vor. Demnach hat der Verpflichtete inhaltlich keinen Rekurs, sondern einen Einspruch erhoben.

[11] Über einen solchen Einspruch hat das Erstgericht abzusprechen. Entscheidet das Erstgericht – wie hier – unrichtigerweise nicht über den als „Rekurs“ bezeichneten Einspruch, sondern legt es diesen Rechtsbehelf dem Rekursgericht vor, so hat das Rekursgericht auszusprechen, dass dieser Schriftsatz als Einspruch zu behandeln ist, und dem Erstgericht die Entscheidung darüber aufzutragen (3 Ob 100/19f).

[12] 3. Über den hier vom Verpflichteten in Wirklichkeit erhobenen Einspruch hat somit ein funktionell unzuständiges Gericht entschieden. Dieser Mangel der funktionellen Zuständigkeit des Rekursgerichts ist vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des Revisionsrekurses wahrzunehmen (vgl 3 Ob 100/19f).

[13] Da der Entscheidung des Rekursgerichts ein Nichtigkeitsgrund anhaftet, muss diese aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen werden, den „Rekurs“ des Verpflichteten als Einspruch nach § 54c Abs 1 EO zu behandeln und darüber das gesetzmäßige Verfahren einzuleiten.

[14] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO, weil nur die Entscheidung des Rekursgerichts als nichtig aufgehoben wurde (RS0035870; RS0123067).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00202.22K.1215.000

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