OGH vom 17.11.2022, 3Ob196/22b

OGH vom 17.11.2022, 3Ob196/22b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen M* G*, geboren am * 2012, wohnhaft bei ihren Eltern Dr. E* G* und Mag. E* G*, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Mag. E* G*, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 180/22f-159, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht trug den Eltern auf, für das Kind M* die „Externistenzeugnisse“ für die Schuljahre 2020/2021 und 2021/2022 vorzulegen. Aufgrund des offenen Antrags des Kinder- und Jugendhilfeträgers, den Eltern – in eventu – die Obsorge zu entziehen, sei vom Gericht der Erfolg des häuslichen Unterrichts zu überprüfen.

[2] Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der Eltern zurück. Der angefochtene Beschluss sei mangels nachteiliger Rechtsfolgen für die Eltern unanfechtbar. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[3] 1. Weist das Gericht zweiter Instanz den Rekurs gegen einen Beschluss des Erstgerichts – hier mangels Beschwer bzw selbständiger Anfechtbarkeit iSd § 45 AußStrG – zurück, so ist dieser Beschluss nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RS0120565 [T16]; RS0120974 [T11]).

Rechtliche Beurteilung

[4] Im außerordentlichen Revisionsrekurs vertritt der Vater die Ansicht, dass das Erstgericht ein Gefährdungsabklärungsverfahren durchführen wolle, das jedoch dem Kinder- und Jugendhilfeträger vorbehalten sei, weshalb die Beschlüsse der Vorinstanzen in seine rechtlichen Interessen eingreifen würden. Damit zeigt der Vater keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[5] 2. Gemäß § 45 AußStrG sind verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar. Der Grund für diese (nunmehrige) gesetzliche Anordnung besteht vor allem darin, dass solche Erledigungen nicht in die Rechtsstellung der Parteien eingreifen (RS0129692 [T2]). Ist demgegenüber die Rechtsstellung der Parteien (oder sonstiger Beteiligter) berührt, so liegt im Allgemeinen kein lediglich verfahrensleitender Beschluss vor (vgl 8 Ob 61/14z; siehe auch 2 Ob 166/15y).

[6] Nach der Rechtsprechung dienen bloß verfahrensleitende Beschlüsse der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens und haben „kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben“. Das Gericht ist jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen (vgl 5 Ob 65/22f). Dementsprechend werden Entscheidungen über Beweisanträge und sonstige der Stoffsammlung oder dem Verfahrensablauf dienende Aufträge und Verfügungen, wie etwa auf Aktenbeischaffung oder Anberaumung oder Erstreckung einer Tagsatzung, als verfahrensleitende Beschlüsse angesehen (RS0120910 [T11, T19]).

3. Mit dem zugrunde liegenden Antrag (ON 123) begehrte der Kinder- und Jugendhilfeträger unter anderem, nötigenfalls das Obsorgeverfahren für M* einzuleiten sowie den Eltern die Obsorge im Teilbereich Pflege und Erziehung zu entziehen und diese gemäß § 211 iVm § 181 ABGB an ihn zu übertragen. Dazu hat er sich ausdrücklich auf eine akute Gefährdung des Kindeswohls berufen. Das Erstgericht hat den an die Eltern gerichteten Auftrag zur Vorlage der „Externistenzeugnisse“ auf den Obsorgeantrag gestützt und ist dementsprechend davon ausgegangen, dass sich das Verfahren nicht mehr bloß im Stadium der Gefährdungsabklärung befindet, sondern es sich bereits um ein Obsorgeverfahren handelt. Darin, dass das Rekursgericht diese Beurteilung teilt, liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Davon ausgehend steht der angefochtene Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts mit der Rechtslage im Einklang.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00196.22B.1117.000

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