OGH vom 17.11.2022, 3Ob183/22s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. WeixelbraunMohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ing. I* B*, Slowakei, vertreten durch Mag. Andrea Schmidt, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die verpflichtete Partei E* P*, vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in Tamsweg, wegen 25.369,85 EUR sA, über die Revisionsrekurse der betreibenden Partei und der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 32 R 30/22i11, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Murau vom , GZ 5 E 319/22f2, betreffend die Kapitalforderung teilweise abgeändert und teilweise bestätigt sowie betreffend die Zinsenforderung aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und ihrer Stellungnahmen jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Das Erstgericht bewilligte der Betreibenden aufgrund des Urteils des Oberlandesgerichts Graz vom , 4 R 142/21s (OGH 1 Ob 203/21s), zur Hereinbringung einer Kapitalforderung von 25.369,85 EUR zuzüglich 10 % Zinsen ab und eines Zinsenbetrags von 8.718,72 EUR die Fahrnis- und Forderungsexekution nach § 295 EO sowie die zwangsweise Pfandrechtsbegründung ob den im Eigentum des Verpflichteten stehenden Anteilen (Mit- und Wohnungseigentum) an einer Liegenschaft, wobei es dem Verpflichteten und der Drittschuldnerin (Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen) auftrug, etwaige Beträge und Überweisungen gemäß § 307 EO und § 1425 ABGB laut dem Exekutionstitel auf ein konkret genanntes Massekonto des Bezirksgerichts Murau zu erlegen.
[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten teilweise statt und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es den Exekutionsantrag hinsichtlich eines Betrags von 6.010 EUR samt 10 % Zinsen seit abwies und den angefochtenen Beschluss hinsichtlich der Exekutionsführung in Bezug auf den Zinsenbetrag von 8.718,72 EUR bzw von 10 % Zinsen aus 25.369,85 EUR vom bis sowie aus 19.359,85 EUR seit aufhob und die Exekutionssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwies. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Exekutionsführung durch die „ursprünglich berechtigte Partei“ nach erfolgter Pfändung einer Forderung im Sinn der Abgabenexekutionsordnung bzw zur Exekutionsführung zur Bewirkung eines Gerichtserlags (zugunsten der Republik Österreich) höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
[3] Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse beider Parteien. Die Betreibende beantragt, dass die Abweisung des Forderungsbetrags in Höhe von 6.010 EUR „aufgehoben werde“. Das Rechtsmittel des Verpflichteten zielt darauf ab, den Exekutionsantrag zur Gänze abzuweisen.
[4] Mit ihren wechselseitigen Stellungnahmen zu den Rechtsmitteln beantragen die Parteien, den jeweiligen Revisionsrekurs der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Revisionsrekurse sind mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
I. Zum Revisionsrekurs des Verpflichteten:
[6] 1.1 Der Verpflichtete bestreitet in seinem Rechtsmittel weiterhin die Antragslegitimation der Betreibenden zur Exekutionsführung. Durch die Pfändung der restlichen Kaufpreisforderung am und Überweisung derselben am durch das (zuständige) Finanzamt sei die Befugnis der Betreibenden, den Anspruch exekutiv zu betreiben, nicht mehr gegeben. Der Hinweis des Rekursgerichts auf das Neuerungsverbot sei unzutreffend, weil sich der Überweisungstatbestand bereits aus dem Exekutionstitel ergebe.
[7] Damit zeigt der Verpflichtete keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[8] 1.2 Die Frage der (gesonderten) Pfändung der Forderung der Betreibenden gegen den Verpflichteten durch das (zuständige) Finanzamt mit Bescheid vom und der (weiteren) Pfändung und Überweisung mit Bescheid vom war unter dem Aspekt der Aktivlegitimation bereits Gegenstand im Titelverfahren. Dazu wurde vom Oberlandesgericht Graz ausgeführt (Pkt III.2.6 bis 2.8 des Urteils), dass die Pfändung (ohne Überweisung) einer Geldforderung nach § 65 AbgEO mit Zustellung des Zahlungsverbots an den Drittschuldner bewirkt werde. An den Abgabenschuldner richtet sich gleichzeitig ein Verfügungsverbot, weshalb er über seine Forderung nicht mehr verfügen und diese nicht einziehen dürfe. Es blieben jedoch alle Rechtshandlungen des Abgabepflichtigen, die die Sicherung des betreibenden Gläubigers nicht beeinträchtigten, zulässig. Die Pfändung einer Forderung ohne Überweisung schließe somit eine Klage des Abgabepflichtigen auf gerichtlichen Erlag nicht aus (RS0003969). Soweit die Forderung zwar gepfändet, aber nicht überwiesen worden sei, bestehe die Aktivlegitimation des ursprünglichen Gläubigers und Abgabepflichtigen weiter (vgl 7 Ob 102/18b). Die Klägerin und Abgabenschuldnerin habe daher am (Klagseinbringung) trotz des Verfügungsverbots ihre restliche (fällige) Kaufpreisforderung einklagen dürfen. Sie habe diese Forderung jedoch lediglich zu gerichtlichem Erlag begehren dürfen, weil sie damit die Sicherung des betreibenden Gläubigers nicht beeinträchtigt habe. Dem Erfordernis der Einklagung der Forderung zum Gerichtserlag sei die Klägerin nachgekommen. Der Bescheid des Finanzamts vom über die (neuerliche) Pfändung sowie die Überweisung sämtlicher Geldforderungen der Betreibenden (Abgabepflichtigen) sei hinsichtlich der Bezeichnung der Forderung nicht ausreichend bestimmt. Außerdem sei eine neuerliche Pfändung der bereits mit Bescheid vom gepfändeten offenen Kaufpreisraten aus dem Kaufvertrag vom nicht zulässig gewesen. Die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung der (restlichen) Kaufpreisforderung zum Erlag bei Gericht sei daher gegeben.
[9] Der Oberste Gerichtshof billigte – in Zurückweisung der außerordentlichen Revisionen beider Parteien – diese Beurteilung (1 Ob 203/21s). Die Überweisung der (vom Finanzamt bereits zuvor gepfändeten) Forderung wäre (soweit aufgrund des vom Berufungsgericht festgestellten Inhalts des Bescheids des Finanzamts vom überhaupt eine solche anzunehmen sei) unstrittig erst nach Klagseinbringung und (insofern entscheidend) nach dem maßgebenden Zeitpunkt der Streitanhängigkeit erfolgt. Eine erst nach Streitanhängigkeit erfolgte Überweisung bleibe ohne Auswirkungen auf die Klagslegitimation. Die davor bewirkte (bloße) Pfändung führe nur dazu, dass nicht auf Zahlung an die Klägerin (nunmehr Betreibende), sondern auf Erlag bei Gericht zu erkennen sei.
[10] 1.3 Die im vorliegenden Exekutionsbewilligungsverfahren von den Vorinstanzen bejahte Antragslegitimation der Betreibenden stimmt mit der Beurteilung im Exekutionstitel überein. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt insoweit nicht vor.
II. Zum Revisionsrekurs der Betreibenden:
[11] 2.1 Für die Entscheidung über den Exekutionsantrag ist im Anlassfall (ordentliches Bewilligungsverfahren) das Vorbringen im Exekutionsantrag in Verbindung mit dem Inhalt des Exekutionstitels maßgebend (RS0000031; RS0000029). Nach ständiger Rechtsprechung hat das Bewilligungsgericht bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag die Exekutionsvoraussetzungen zu prüfen. Maßgebender Zeitpunkt dafür ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz. Alle Umstände, die sich bis zur Entscheidung aktenkundig ergeben, sind zu berücksichtigen (3 Ob 121/21x mwN). Dies gilt auch für vom betreibenden Gläubiger vorgebrachte rechtsaufhebende oder rechtseinschränkende Tatsachen (3 Ob 121/21x mwN). Bringt der betreibende Gläubiger solche Tatsachen im Exekutionsantrag vor, so sind diese demnach zu beachten (RS0000031).
[12] 2.2 Der vorliegende Exekutionsantrag bezieht sich auf Spruchpunkt 3a des zugrunde liegenden Exekutionstitels, der die restliche Kaufpreisforderung der Betreibenden (Fälligkeit der vereinbarten Ratenzahlungen nach dem ) aus dem Kaufvertrag vom betrifft und – entsprechend dem Vorbringen der Betreibenden im Titelverfahren sowie im Exekutionsantrag – aufgrund des Pfändungsbescheids des (zuständigen) Finanzamts vom bei Gericht zu erlegen ist. Dies ergibt sich eindeutig aus der Bezugnahme im Exekutionsantrag auf diesen Spruchpunkt des Exekutionstitels und dem Hinweis, dass der Verpflichtete – aufgrund der Pfändung des Finanzamts (der Forderung des Betreibenden gegenüber dem Verpflichteten in Höhe von 30.869,85 EUR) den in Exekution gezogenen Betrag von 25.369,85 EUR sA per Gerichtserlag zu bezahlen hat. Die von Spruchpunkt 3a im Exekutionstitel erfasste restliche Kaufpreisforderung ist deshalb geringer als der vom Finanzamt gepfändete Betrag, weil die Teilzahlungen des Verpflichteten an das Finanzamt in Höhe von 5.500 EUR die Abgabenschuld der Betreibenden – und damit den vom Verpflichteten zu erlegenden Betrag – entsprechend reduzierte (siehe Pkt II.2.10 im Exekutionstitel).
[13] 2.3 Hinsichtlich der in Exekution gezogenen (und bei Gericht zu erlegenden) Kapitalforderung findet der Exekutionsantrag im Exekutionstitel an sich Deckung. Nach den bereits dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen sind im Rahmen der Entscheidung über den Exekutionsantrag aber alle sich bis zu dieser Entscheidung aktenkundig ergebenden rechtsaufhebenden oder rechtseinschränkenden Tatsachen zu berücksichtigen.
[14] Das Rekursgericht stützte die Abweisung des Exekutionsantrags im Betrag von 6.010 EUR sA auf diesen Grundsatz und führte dazu aus, dass nach dem Vorbringen im Exekutionsantrag und der vorgelegten Buchungsmitteilung des Finanzamts die Steuerschuld der Betreibenden zum nur mehr 19.359,85 EUR betrage und dies zu berücksichtigen sei, zumal auch Spruchpunkt 3 des Exekutionstitels explizit auf die noch offene Abgabenschuld der Betreibenden abstelle (siehe dazu Pkt II.2.10 im Urteil des OLG Graz zu 4 R 142/21s).
[15] Diese Beurteilung betrifft die Auslegung des Exekutionsantrags und des Exekutionstitels und begründet keine erhebliche Rechtsfrage. Das gegen diese Beurteilung von der Betreibenden im Revisionsrekurs vorgetragene Argument, dass sie die betriebene Forderung nicht in Höhe der offenen Forderung des Finanzamts, sondern in voller Höhe der Forderung gegen den Verpflichteten geltend mache und aufgrund des Grundsatzes der ungeteilten Pfandhaftung nur auf Gerichtserlag des gesamten von der Pfändung erfassten Geldbetrags (30.869,85 EUR) exekutieren könne, ist inkonsequent, weil sie – entsprechend dem Exekutionstitel – von vornherein nur 25.369,85 EUR in Exekution gezogen und insofern die Beurteilung in Pkt II.2.10 des Exekutionstitels akzeptiert hat, wonach die betriebene Forderung nur in Höhe der Abgabenschuld der Betreibenden bei Gericht zu erlegen sei. Ausgehend von dieser dem Exekutionstitel zugrunde liegenden Beurteilung ist auch die von der Betreibenden im Exekutionsantrag zugestandene weitere Reduktion der Abgabenschuld als rechtseinschränkende Tatsache für den bei Gericht zu erlegenden Betrag der betriebenen Forderung zu berücksichtigen.
[16] 2.4 Den Exekutionsantrag zur Zinsenforderung beurteilte das Rekursgericht als unklar. Das Zinsenbegehren nach Zinsfuß und Beginn des Zinsenlaufs entspreche nicht dem Zuspruch im Exekutionstitel; zusätzlich werde im Exekutionsantrag ein konkreter Zinsenbetrag angeführt. Aus dem Exekutionsantrag erhelle aber nicht, ob es sich dabei um kapitalisierte Zinsen handle und welche Zinsen die Betreibende tatsächlich begehre. Zu diesem Inhaltsmangel sei vom Erstgericht ein Verbesserungsverfahren einzuleiten.
[17] Dieser Beurteilung tritt die Betreibende mit keinen tragfähigen inhaltlichen Überlegungen entgegen. Ihr Argument, dass es um einen Zinsenbetrag von etwa 8.000 EUR gehe, der jedenfalls an sie auszuzahlen sein werde, ist zum Einen substanzlos und zum Anderen auch unrichtig, weil im Exekutionstitel (Pkt III.1) unter anderem auch festgehalten wurde, dass die Pfändung durch das Finanzamt auch die vertraglich vereinbarten Verzugszinsen erfasse.
III. Ergebnis:
[18] Insgesamt gelingt es weder der betreibenden noch der verpflichteten Partei, mit ihren Ausführungen in den Revisionsrekursen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Zulassungsfrage ist – wie dargelegt – in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt.
[19] Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren nach wie vor einseitig. Die von den Parteien erstatteten Stellungnahmen zum jeweiligen Rechtsmittel der Gegenseite sind zwar mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen, sie dienten allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw Rechtsverteidigung und sind daher nicht zu honorieren (vgl 3 Ob 16/22g mwN).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00183.22S.1117.000 |
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