OGH vom 17.11.2022, 3Ob175/22i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei E*gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Mag. Christian Puck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 90.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 79/22b-22, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Gemäß § 6 Abs 1 MaklerG ist der Auftraggeber zur Zahlung einer Provision für den Fall verpflichtet, dass das zu vermittelnde Geschäft durch die vertragsgemäße verdienstliche Tätigkeit des Maklers mit einem Dritten zustande kommt. Der Provisionsanspruch entsteht mit der Rechtswirksamkeit des vermittelten Geschäfts (§ 7 Abs 1 erster Satz MaklerG). Für den Erwerb des Provisionsanspruchs genügt es, wenn der Makler durch seine Tätigkeit den Abschluss einer Punktation erreicht (vgl RS0062766).
[2] 1.2. Wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ob eine Offerte inhaltlich ausreichend bestimmt ist und insbesondere, ob in ihr ein endgültiger Bindungswille des Antragstellers zum Ausdruck kommt, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0042555). Dass die Vorinstanzen aufgrund des von der Beklagten über Vermittlung der klagenden Maklerin abgegebenen und vom Liegenschaftseigentümer angenommenen Kaufanbots, aus dem sich Ware und Preis (und konkrete Zahlungsmodalitäten) ergeben, ungeachtet der handschriftlichen Ergänzungen des Geschäftsführers der Beklagten vom Zustandekommen eines Kaufvertrags über die Liegenschaft ausgingen, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
[3] 2.1. Der von der Klägerin verfolgte Provisionsanspruch nach § 6 MaklerG setzt voraus, dass zwischen den Parteien ein zumindest konkludent geschlossener Maklervertrag zustande gekommen ist (4 Ob 164/21b = RS0062685 [T14]). Die Vorinstanzen haben dies schon deshalb vertretbar bejaht, weil in Punkt VI. des Kaufanbots ausdrücklich festgehalten ist, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer eine Vermittlungsprovision an die Klägerin zu zahlen haben, deren Grundlage zwingend ein Maklervertrag ist.
[4] 2.2. Bei der Auslegung des Berufungsgerichts, dass die in Punkt VI. des Kaufanbots getroffene Vereinbarung, wonach das vom Käufer zu leistende Vermittlungshonorar (erst) nach schriftlicher Ausfertigung des beidseitig unterfertigten und notariell beglaubigten Kaufvertrags zu leisten ist, nicht das Entstehen, sondern bloß die Fälligkeit des Anspruchs betrifft, handelt es sich um keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[5] 3.1. Gemäß § 7 Abs 2 Satz 1 MaklerG entfällt der Anspruch auf Provision, wenn und soweit feststeht, dass der Vertrag zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden Gründen nicht ausgeführt wird. Von dieser Bestimmung kann gemäß § 18 MaklerG (nur) nicht zum Nachteil des Auftraggebers abgegangen werden.
[6] 3.2. Die Vorinstanzen haben ein Abgehen von der gesetzlichen Regelung durch die handschriftliche Anmerkung der Beklagten zu Punkt VII.2. des Kaufanbots („kostenloser Rücktritt bei keiner Kaufvertragseinigung“) vertretbar verneint. Die Auslegung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war (RS0113932 [T1]). Das Berufungsgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass ein Vertragsrücktritt einen vorherigen (Kauf-)Vertragsabschluss zwingend voraussetzt; folglich kann die zitierte Anmerkung des Geschäftsführers der Beklagten, will man ihr nicht von vornherein jeden Anwendungsbereich nehmen, nur so verstanden werden, dass die Beklagte dann keine Maklerprovision zahlen müsse, wenn sie die Liegenschaft letztlich mangels Einigung der Parteien über die Ausgestaltung des verbücherungsfähigen (schriftlichen) Kaufvertrags nicht erwerben sollte. Aus dieser (von der Klägerin stillschweigend akzeptierten) Vertragsänderung ist für die Beklagte allerdings deshalb nichts zu gewinnen, weil ein redlicher Erklärungsempfänger diese Regelung – mangels konkreter Hinweise im Kaufanbot, dass die darin bereits festgelegten Rahmenbedingungen des Vertrags allenfalls noch nachverhandelt werden könnten – so verstehen musste, dass sie sich (lediglich) auf den Fall beziehe, dass der Abschluss des schriftlichen Kaufvertrags an der fehlenden Einigung über im Kaufanbot noch nicht geregelte Nebenpunkte scheitern sollte. Im vorliegenden Fall kam es aber nur deshalb nicht zum Verkauf an die Beklagte, weil sie nachträglich zu Lasten des Verkäufers von den bereits im Kaufanbot eindeutig festgelegten Zahlungsmodalitäten abgehen wollte, womit dieser nicht einverstanden war.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00175.22I.1117.000 |
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