OGH vom 21.03.2023, 2Ob36/23t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Prinz-Eugen-Straße 20–22, Wien 4, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H*, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien
als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 135/22t-27, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 53 Cg 19/21x-18, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die nach § 29 Abs 1 KSchG klagebefugte Kammer wendet sich gegen mehrere Klauseln, die der Beklagte bei der Vermietung und Verpachtung seines Immobilienbesitzes im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Vertragsformblättern für den Abschluss von Wohnungsmietverträgen im Teilanwendungsbereich des MRG (§ 1 Abs 4 MRG) verwendet.
[2] Das Berufungsgericht erachtete – soweit für das drittinstanzliche Verfahren noch von Relevanz – die Klauseln 5, 6, 11, 12, 13, 15, 19 und 31 als unwirksam und sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den Klauseln 6, 12 und 31 keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege, Mietvertragsklauseln aber regelmäßig einen großen Personenkreis beträfen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Revision des Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[4] 1. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RS0121516). Demnach genügt für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs nicht schon der Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt (RS0121516 [T4]). Auch der Umstand allein, dass im konkreten Fall mehrere Personen Verträge mit dem Beklagten abgeschlossen haben, die gleichartige Klauseln enthalten, bewirkt nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816 [T1]).
[5] Die Revision des Beklagten, die sich über weite Teile darin erschöpft, sein bereits erstattetes Vorbringen zu wiederholen, ohne sich mit den rechtlichen Argumenten des Berufungsgerichts auseinanderzusetzen, zeigt keine Rechtsfragen der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
2. :
2.1 „In diesem Mietzins sind die anteiligen Betriebskosten, Warmwasser und Heizung von EUR […] u. die öffentlichen Abgaben in der derzeitigen Höhe enthalten, sowie eine Möbelmiete von EUR [...], eine Erhöhung hat der Mieter zu übernehmen.“
[6] 2.2 Das Berufungsgericht beurteilte die Klausel unter Hinweis auf 4 Ob 106/21y als intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG), weil im Teilanwendungsbereich des MRG nicht klar (gesetzlich definiert) sei, was unter „Betriebskosten“ zu verstehen sei. Überdies bleibe offen, wann und auf welcher Basis es zu einer Erhöhung komme (§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG).
[7] 2.3 Mit ihrem bloßen Hinweis, es sei hinlänglich bekannt, dass es sich bei den Betriebskosten um die Kosten der Bewirtschaftung des Hauses handle und es nicht möglich sei, die Parameter für zukünftige Erhöhungen der Betriebskosten zu regeln, wird keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Abgesehen davon, dass die Revision nicht darlegt, was unter den Bewirtschaftungskosten zu verstehen ist, wird nicht einmal behauptet, dass die vom Berufungsgericht ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 106/21y (insbes Rz 16; vgl auch 2 Ob 215/10x Pkt 5.4) nicht einschlägig sein soll. In dieser ging der Oberste Gerichtshof im Teilanwendungsbereich des MRG von der Intransparenz einer Mietvertragsklausel aus, die auf lediglich durch eine demonstrative Aufzählung umschriebene Betriebskosten Bezug nahm. Im vorliegenden Fall werden die Betriebskosten nicht einmal durch eine demonstrative Aufzählung näher charakterisiert.
3.
3.1 „Der Netto Mietzins von € [...] wird auf den vom österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Index der Verbraucherpreise 1976 wertbezogen. Sollte dieser Index nicht verlautbart werden, gilt jener als Grundlage für die Wertsicherung, der diesem Index am meisten entspricht.“
[8] 3.2 Das Berufungsgericht führte aus, es bleibe unklar, was gelten solle, falls nicht eindeutig sei, welcher mögliche Index dem Verbraucherpreisindex am meisten entspreche und wer die Entscheidung darüber treffe. Die Bestimmung lasse bei kundenfeindlichster Auslegung auch eine einseitige Festlegung durch den Beklagten zu. Sein Gestaltungsspielraum werde aber nicht klar umschrieben.
[9] 3.3 Eine Wertsicherungsklausel in einem Mietvertrag ist zwar durch das legitime Bedürfnis des Vermieters gerechtfertigt, das Entgelt – insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten – an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen und damit das Äquivalenz-verhältnis zu wahren (RS0132652 = 6 Ob 226/18f). Sie hat sich aber an den Erfordernissen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG messen zu lassen. Die Bestimmung regelt – abgesehen vom (weiteren) Erfordernis der Zweiseitigkeit – die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Preisänderungsklauseln. Im Rahmen der geforderten exante-Prüfung muss der Gestaltungsspielraum des Unternehmers für den Verbraucher nach den in § 6 Abs 1 Z 5 KSchG genannten Prämissen und Parametern jedenfalls im Vertrag klar umschrieben sein (RS0121395). Neben der sachlichen Rechtfertigung der für die Entgeltänderung maßgeblichen Umstände müssen daher folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Zweiseitigkeit, Festlegung im Vertrag, Unabhängigkeit vom Willen des Unternehmers (6 Ob 226/18f Pkt 1.2.). Zweck der Norm ist es nämlich, den Verbraucher vor überraschenden Preiserhöhungen zu schützen (RS0124336).
[10] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klausel genüge diesen Anforderungen nicht, hält sich im Rahmen der dargelegten Grundsätze, sind der Klausel doch auch keinerlei näheren Aussagen dazu zu entnehmen, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, welcher Index dem Verbraucherpreisindex „am meisten entspricht“ und wer dies beurteilt. Es bleibt daher letztlich vollkommen unklar, welcher Wertmesser für die Preisanpassung bei Wegfall des vom österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Index der Verbraucherpreise 1976 maßgeblich sein soll. Entgegen der zu 6 Ob 226/18f zu beurteilenden Wertsicherungsklausel wird als „Ersatzindex“ hier auch nicht bereits ex ante, unabhängig vom Willen des Unternehmers auf jenen abgestellt, der an dessen Stelle tritt, sondern bloß auf einen nicht näher definierten, dem Verbraucherpreisindex am meisten entsprechenden Index Bezug genommen, ohne die näheren Kriterien dafür vorweg offenzulegen. Im Übrigen verstößt die Klausel auch gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, weil bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltänderung eintreten könnte (RS0115215 [T5]).
4. Klausel 11:
4.1 „Bauliche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden.“
[11] 4.2 Das Berufungsgericht erachtete die Klausel unter Hinweis auf 7 Ob 78/06f (Klausel 26) als gröblich benachteiligend.
[12] 4.3 In der vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung hielt der Oberste Gerichtshof eine vergleichbare Klausel deshalb für gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB, weil sie jegliche, auch die geringfügigste, bauliche Veränderung verbiete, auch wenn sie für die vereinbarungsgemäße Verwendung des Objekts erforderlich und leicht wieder zu beseitigen sei und keine wichtigen Interessen des Bestandgebers – wie insbesondere die Substanz des Hauses oder das äußere Erscheinungsbild oder Interessen anderer Bestandberechtigter – beeinträchtige. Maßgeblich ist die sachlich nicht gerechtfertigte Einschränkung des dem Mieter durch das dispositive Recht eingeräumten Gebrauchsrechts (§ 1098 ABGB). Da auch die vorliegende Klausel – bei der gebotenen konsumentenfeindlichsten Auslegung (RS0016590) – ebenso geringfügigste Änderungen verbietet, wird der Mieter gröblich im Sinn von § 879 Abs 3 ABGB benachteiligt. Weshalb die bereits vom Berufungsgericht herangezogene Rechtsprechung nicht einschlägig sein soll, legt die Revision nicht dar.
5. Klausel 12:
5.1 „Die Entfernung der mitvermieteten Einrichtungsgegenstände ist nicht gestattet.“
[13] 5.2 Das Berufungsgericht erachtete auch diese Klausel als gröblich benachteiligend, weil sie dem Mieter nicht nur das Entfernen defekter Gegenstände, zu deren Reparatur der Vermieter nicht verpflichtet sei, untersage, sondern auch eine vorübergehende Auslagerung verbiete.
[14] 5.3 Soweit der Beklagte dagegen argumentiert, unter „Entfernung“ sei keine vorübergehende Auslagerung zu verstehen, übersieht er, dass die Auslegung im kundenfeindlichsten Sinn zu erfolgen hat. Auch eine Auslagerung stellt aber eine (vorübergehende) Entfernung dar. Weshalb das von der Klausel auch umfasste Verbot, unbrauchbar gewordene Gegenstände – wenn auch nur vorübergehend – zu entfernen, eine sachlich gerechtfertigte Einschränkung des Gebrauchsrechts des Mieters sein soll, versucht die Revision nicht einmal darzulegen.
6. Klausel 13:
6.1 „Verfliesungen innerhalb des Mietobjektes dürfen nicht angebohrt werden.“
[15] 6.2 Das Berufungsgericht erachtete auch diese Bestimmung als gröblich benachteiligend, weil das Anbohren in gewissem Umfang für den gewöhnlichen Gebrauch erforderlich sei und keine Interessen des Vermieters gefährdet würden.
[16] 6.3 Der Bestandnehmer muss für die durch den vertragsmäßigen Gebrauch bewirkte Abnutzung des Bestandgegenstandes nicht aufkommen. Die Entschädigung des Bestandgebers für die gewöhnliche Abnutzung ist bei freier Zinsbildung im vereinbarten Mietzins inbegriffen (RS0020760). Auch unwesentliche Veränderungen gehören in der Regel zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Bestandobjekts und stellen per se noch keine Zustandsverschlechterung dar (RS0020760 [T7]).
[17] Auch der Beklagte führt in seiner Revision aus, dass die Schäden (nur) bei uneingeschränktem Anbohren von Fliesen lediglich unzureichend und kostenintensiv beseitigt werden könnten. Die Klausel verbietet aber – bei kundenfeindlichster Auslegung – auch kleinste, fachgerecht ausgeführte Bohrungen zur Montage üblicher Einrichtungsgegenstände. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das gänzliche, sämtliche Bohrungen bei Fliesen umfassende Verbot bedeute eine unsachliche Einschränkung des üblichen Gebrauchsrechts des Mieters (vgl dazu Lovrek in Rummel/Lukas4 § 1098 ABGB Rz 13 mwN aus der Rechtsprechung; 2 Ob 215/10x Pkt 6.3.3e [sogar „Verfliesungsarbeiten idR als nicht anzeige- und genehmigungspflichtige unwesentliche Veränderungen zu qualifizieren“]), ist daher nicht zu beanstanden und wirft angesichts der klaren Rechtslage keine erhebliche Rechtsfrage auf.
7. Klausel 15:
7.1 „Die Kaution ist erst verrechenbar und zurück zustellen nach Beendigung des Mietverhältnisses, spätestens jedoch nach 2 Monaten, wenn und sobald feststeht, dass dem Vermieter aus diesem Mietverhältnis weder der Mietzins, Kosten, Schäden oder anderem eine Forderung gegen den Mieter zustehen.“
[18] 7.2 Das Berufungsgericht untersagte die Verwendung, weil die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung entgegen § 16b Abs 2 MRG eine zweimonatige Frist zur Rückstellung der Kaution einräume.
7.3 Gemäß § 16b Abs 2 MRG hat der Vermieter dem Mieter die Kaution samt den aus ihrer Veranlagung erzielten Zinsen zurückzustellen, soweit sie nicht zur Tilgung von berechtigten Forderungen des Vermieters aus dem Mietverhältnis herangezogen wird. Das Argument der Revision, die Klausel sehe lediglich eine zeitliche Begrenzung von zwei Monaten nach Rückstellung vor und stehe einer unverzüglichen Rückstellung nicht entgegen, trägt schon deshalb nicht, weil bei kundenfeindlichster Auslegung nicht einmal eindeutig hervorgeht, ob die Zweimonatsfrist ab Beendigung des Mietverhältnisses oder etwa dem Zeitpunkt des (Nicht)Feststehens einer Forderung gegen den Mieter zu laufen beginnt. Eine Kautionsrückstellung erst zwei Monate nach dem Nichtfeststehen einer Forderung kann aber zweifelsfrei nicht mehr als unverzüglich im Sinn des § 16b Abs 2 MRG gewertet werden. Im Übrigen bleibt unklar, wann bzw unter welchen Voraussetzungen (gerichtliche Feststellungen, Gutachten eines Sachverständigen, ...) „feststeht“, dass dem Vermieter keine Forderungen aus dem Mietverhältnis zustehen, und was – abgesehen von Mietzins, Kosten und Schäden – unter einer Forderung aus „anderem“ zu verstehen ist, sodass die Klausel (auch) gegen § 6 Abs 3 KSchG verstößt.
8. Klausel 19:
8.1 „Im Falle des Verzuges mit der Entrichtung des Mietzinses oder eines sonstigen Zahlungsverzuges gelten Verzugszinsen in der Höhe von 13% p.a. als vereinbart.“
[19] 8.2 Das Berufungsgericht erachtete die Klausel unter Hinweis auf 7 Ob 84/12x (Klausel 17) als gröblich benachteiligend, weil sie den Verbraucher verschuldensunabhängig zur Zahlung von Verzugszinsen über § 1333 Abs 1 ABGB hinaus verpflichte.
[20] 8.3 Soweit die Revision behauptet, die Klausel sehe nicht ausdrücklich eine Zahlungspflicht auch bei fehlendem Verschulden vor, ist ihr zu entgegnen, dass die Klausel nicht nach dem Verschulden differenziert, sodass bei kundenfeindlichster Auslegung eine Zahlungspflicht auch bei fehlendem Verschulden angeordnet wird. Auch mit ihrem Hinweis, § 1333 Abs 1 ABGB sei lediglich dispositiv, zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf. Wenngleich § 1333 Abs 1 ABGB dispositiv ist und für die Vereinbarung höherer als 4%iger vertraglicher Verzugszinsen in AGB in der Rechtsprechung mitunter auch kein schuldhafter Verzug gefordert wird (vgl 10 Ob 14/18h Pkt 2.4.1), ist eine – wie hier zu beurteilende – Vereinbarung, wonach über die gesetzlichen Verzugszinsen hinausgehende Verzugszinsen unabhängig davon zustehen sollen, ob dem Gläubiger ein über die gesetzlichen Zinsen hinausgehender Zinsschaden (insbesondere aufgrund höherer Refinanzierungskosten) entstanden ist, gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB (1 Ob 77/22p Rz 37).
9. Klausel 31:
9.1 „Der Mieter verpflichtet sich in eine bestehende Haushaltsversicherung einzutreten und die Prämienzahlung zu übernehmen. Festgehalten wird, dass die abgeschlossene Haushaltsversicherung nur die Grundausstattung betrifft und mit einer Versicherungssumme von EUR 35.000 gedeckt ist. Sollte ein Selbstbehalt in der Polizze angeführt sein, so hat der Mieter dieses in einem Schadenfall zu übernehmen. Sollten Sie teure Pelze, wertvollen Schmuck, Antikmöbel oder ähnliches besitzen, müssten Sie eine entsprechende Erhöhung der Prämie beantragen. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass ansonsten keine Haftung unserer Seite übernommen wird.“
[21] 9.2 Das Berufungsgericht bejahte einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB, weil ohne sachliche Rechtfertigung in die Dispositionsfreiheit des Mieters eingegriffen werde, der selbst entscheiden können solle, bei welchem Versicherer es sich allenfalls gegen welche Risiken versichern wolle.
[22] 9.3 Soweit die Beklagte erneut im Wesentlichen damit argumentiert, die Klausel diene dem Schutz des Mieters vor existenzgefährdenden Schäden, wird damit keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufgezeigt. Weshalb es zum Selbstschutz des Mieters eines verpflichtenden Eintritts in eine bestehende Haushaltsversicherung und damit einer gänzlichen Ausschaltung seiner vertraglichen Dispositionsfreiheit bedarf, vermag die Revision nicht darzulegen. Im Übrigen wird weder die Höhe der zu übernehmenden Prämie noch offengelegt, was unter der vom Versicherungsschutz umfassten „Grundausstattung“ zu verstehen ist (§ 6 Abs 3 KSchG).
10. Veröffentlichungsbegehren:
[23] 10.1 Das Berufungsgericht erachtete unter Hinweis auf die 25 Häuser umfassende Vermietertätigkeit des Beklagten in Wien und Niederösterreich eine Veröffentlichung im redaktionellen Teil der Regionalausgabe für Wien und Niederösterreich in einer Samstagsausgabe der „Neuen Kronen Zeitung“ als angemessen.
[24] 10.2 Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, stellt – abgesehen von einer groben Fehlbeurteilung, von der hier keine Rede sein kann – keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0079820 [T20]).
[25] Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RS0121963). Das berechtigte Interesse an der Urteilsveröffentlichung liegt bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass der Rechtsverkehr bzw die Verbraucher als Gesamtheit – und nicht nur die Vertragspartner des Beklagten – das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz- bzw sittenwidrig sind (RS0121963 [T7]). Vor diesem Hintergrund stellt die vom Berufungsgericht angeordnete Veröffentlichung in der Regionalausgabe jener zwei Bundesländer, in denen der Beklagte als Vermieter auftritt, jedenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
[26] 11. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten hingewiesen. Pauschalgebühren hat sie im Revisionsverfahren aber nicht zu tragen.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00036.23T.0321.000 |
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